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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.05.2006
Aktenzeichen: I-20 U 19/05
Rechtsgebiete: UWG, GewO


Vorschriften:

UWG § 2 Nr. 1
UWG § 3
UWG § 4 Ziff. 9 a
UWG § 4 Ziff. 9 b
UWG § 8 Abs. 1
GewO § 144 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. Januar 2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. II und III des angefochtenen Urteils dahin abgeändert werden, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der Beklagten, wie sie zu Ziff. I beschrieben sind, seit dem 9. September 2002 entstanden ist oder noch entstehen wird und dass die Beklagte nur über Handlungen seit diesem Zeitpunkt Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen hat. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Wegen der Feststellungen wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte betreibt ein gewerbliches Pfandleihunternehmen und handelt daneben mit Schmuck. Die Klägerin ist Inhaberin aller Rechte an dem Design der Schmuck-stücke und Uhren der Piaget-Schmucklinie "Possession", welche sich durch die im Tenor des angefochtenen Urteils, auf den Bezug genommen wird, wiedergegebenen Merkmale auszeichnet. Die Klägerin hat als Anlage K 2 Farbabbildungen vorgelegt, die einige Stücke der Linie "Possession" wiedergeben. Als Anlagen K 8 ff. hat sie Beispiele von Werbeanzeigen in Zeitschriften für die Linie "Possession" vorgelegt.

Ende 2002 stellte die Antragstellerin fest, dass ein Herr P. S. unter dem ebay-Mitgliedsnamen "m." bei ebay die im Tenor des angefochtenen Urteils abgebildeten Ringe anbot, welche die Klägerin für wettbewerbswidrige Nachahmungen von Ringen der Linie "Possession" hält. Auf Antrag der Klägerin untersagte das Landgericht Hamburg Herrn P. S. mit einstweiliger Verfügung vom 12. November 2002 (Anlage K 29), ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte oder in den Verkehr gebrachte Ringe der im Tenor des landgerichtlichen Urteils beschriebenen Art "anzukündigen, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen" und verpflichtete Herrn P. S., der Klägerin Auskunft über Namen und Anschriften von Lieferanten und sonstigen Vorbesitzern zu erteilen. Mit Anwaltsschreiben vom 20.12.2002 (Anlage K 30) erklärten Herr P. S. sowie sein Vater J. S., der erstinstanzlich als Zeuge vernommen worden ist, dass Herr J. S. die Schmuckstücke "auf Versteigerungen etc." käuflich erworben habe und Herr P. S., der Zivildienstleistender sei, "über den entsprechenden Internetanschluss und die hierzu notwendigen Kenntnisse" verfüge. Weiter heißt es in dem Schreiben, die betreffenden beiden goldenen Ringe habe Herr J. S. im Rahmen einer von der Beklagten veranstalteten Versteigerung am 9. September 2002 in der Gaststätte "I.g.R." in D. erworben. Auf entsprechende Aufforderung überreichte der anwaltliche Vertreter der Herren S. mit Schreiben vom 11.02.2003 als "Originalbelege" zwei Versteigerungsnummern, die unstreitig von der Beklagten stammen und die in Kopie als Anlage K 33 vorgelegt worden sind. Unter diesen beiden Versteigerungsnummern habe Herr J. S. die "betreffenden goldenen Ringe" ersteigert. Mit Schreiben vom 13.05.2003 (Anlage K 35) lehnte die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab und erklärte, aus den Belegen mit Versteigerungsnummern könne sie eine Zuordnung "zu etwaigen Geschäftsvorfällen in ihrem Hause" nicht vornehmen. Bei den als Erwerbsnachweisen gedachten Zetteln handele es sich um sog. Interimsbelege, die dem jeweiligen Ersteigerer zum Zwecke der Legitimation bei der Rechnungserteilung ausgehändigt und später vernichtet würden. Eine bestimmte Verknüpfung irgendeiner Nummer mit einem Geschäftsvorfall sei in ihren Büchern nicht nachvollziehbar. Am 09.09.2002 habe sie, die auf die Inpfandnahme von Schmuckstücken spezialisiert sei, mehrere Dutzend Ringe versteigert. Deshalb bedürfe es einer Konkretisierung, welche Vorgänge hier betroffen seien. Sie habe Zweifel, dass sich die in Kopie übersandten Belege auf die angeblichen Plagiate bezögen. Möglicherweise hätten die Herren S. "auch ganz andere Ringe ersteigert".

Die Klägerin hat behauptet, die im Tenor des landgerichtlichen Urteils abgebildeten Ringe habe Herr J. S. am 09.09.2002 bei der Beklagten ersteigert.

Das Landgericht hat dies aufgrund der gemäß Beweisbeschluss vom 08.12.2004 durchgeführten Beweisaufnahme als bewiesen angesehen. Hierin liege eine Verwirklichung der Tatbestände des § 4 Ziff. 9 a und b UWG.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift und geltend macht, die Versteigerung der beiden Ringe stelle keine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Nr. 1 UWG dar. Die Beklagte sei mit der Versteigerung lediglich ihrer in § 9 Abs. 2 der Verordnung über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher geregelten Verpflichtung nachgekommen, das Pfand spätestens 6 Monate nach Eintritt der Verwertungsberechtigung zu verwerten. Hätte sie, die Beklagte, sich nicht daran gehalten, hätte sie sich ordnungswidrig im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 Gewerbeordnung verhalten. Die Verpfändung einer Ware an den Pfandleiher sei für den Verpfänder keine Teilnahme am geschäftlichen Verkehr. Auch die Versteigerung verfallener Pfänder sei keine Wettbewerbshandlung. Die Verwertung der verpfändeten Gegenstände durch den Pfandleiher ersetze nur die Verwertung der Gegenstände durch den Eigentümer. Die Versteigerung sei daher dem privaten Bereich der Verpfänders zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Ziff. 9 a und b UWG begründet.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt die auf ihre Veranlassung durchgeführte Versteigerung der Ringe eine Wettbewerbshandlung dar. Diese setzt ein geschäftliches Handeln voraus, das in jeder Förderung eigener oder fremder erwerbswirtschaftlicher oder sonstiger beruflicher Interessen zu sehen ist. Das geschäftliche Handeln muss nach außen gerichtet und damit marktbezogen sein. Das ist der Fall, wenn sich die geschäftliche Tätigkeit irgendwie am Markt und damit auf Marktteilnehmer und insbesondere Mitbewerber auswirken kann (vgl. Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rdnr. 12 m.w.N.).

Weder im Hinblick darauf, dass es sich bei der Einlieferung des Pfandes für den Verpfänder um ein privates Geschäft gehandelt hat, noch wegen der gesetzlichen Verpflichtung eines gewerblichen Pfandleihers, hereingenommene Pfänder spätestens sechs Monate nach Verwertungsreife zu verwerten, kann im Streitfall eine Wettbewerbshandlung verneint werden. Die Beklagte als gewerbliche Pfandleiherin hat, indem sie das Pfand hereingenommen und in einer öffentlichen Versteigerung verwertet hat, in Ausübung ihres Gewerbes gehandelt. Die Hereinnahme des Pfandes und die öffentliche Versteigerung, die dazu dienten, das von der Beklagten in Ausübung ihres Gewerbes gegebene Darlehen und ihre Geschäftskosten zu decken, sind ohne weiteres als Förderung ihrer erwerbswirtschaftlichen Interessen durch eine marktbezogene Tätigkeit zu werten. Die dem Schutz des Verpfänders und Schuldners dienende Vorschrift, nach der hereingenommenen Pfänder spätestens sechs Monate nach Verwertungsreife zu verwerten sind, ändert hieran nichts. Sie soll im Interesse des Schuldners ausschließen, dass der Verpfänder hohe Lager- und sonstige Geschäftskosten entstehen lässt, für die er sich aus dem Pfand befriedigen kann. Sie entbindet ihn aber nicht von der ihn aus wettbewerbsrechtlicher Sicht treffenden Pflicht, bereits bei Hereinnahme des Pfandes zu prüfen, ob wettbewerbsrechtliche Vorschriften einer späteren Verwertung im Wege einer öffentlichen Versteigerung entgegenstehen.

2. Aufgrund des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und dem Vorbringen der Parteien ergeben sich keine Anhaltspunkte für Zweifel (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) an den Feststellungen des Landgerichts, dass Herr J. S. bei der von der Beklagten am 09.09.2002 durchgeführten Versteigerung die im Tenor des angefochtenen Urteils näher beschriebenen und abgebildeten Ringe, welche - was die Beklagte nicht in Abrede stellt - Imitationen von einem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz unterliegenden Ringen aus der "Possession"-Linie sind, erworben hat und sein Sohn diese anschließend im Internet über ebay zum Kauf angeboten hat. Es ist unstreitig und auch von den beiden von der Beklagten benannten Zeuginnen bestätigt worden, dass bei der Versteigerung am 09.09.2002 u.a. zwei Ringe zur Versteigerung gekommen sind, die den Piaget-Ringen der Linie Possession nachgebildet waren. Dass der Zeuge J. S. bei dem Versteigerungstermin zugegen war und dort tatsächlich zwei Ringe ersteigert hat, steht aufgrund der vorgelegten Zettel mit den Versteigerungsnummern fest. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass es sich hierbei um bei der Versteigerung am 09.09.2002 von ihr ausgegebene Zettel handelte. Auch den Inhalt dieser Zettel, aus denen sich der Versteigerungsgegenstand und der Preis ergibt, hat sie nicht in Abrede gestellt. Dass an einem der "Piaget"-Ringe, die am 09.09.2002 zur Versteigerung gelangt sind, ein Stein fehlte, haben sowohl die beiden Mitarbeiterinnen der Beklagten als auch die Zeugen J. S. und B. bestätigt. Dass bei den über ebay angebotenen Ringen die Steine vollständig vorhanden waren, hat der Zeuge S. damit begründet, dass er den fehlenden Stein hat ersetzen lassen. Zwar erscheint seine Schilderung der Umstände, wie es hierzu gekommen sein soll - der Erwerb der Ringe für private Zwecke, der spätere Verkaufsentschluss, da der für ihn vorgesehene Ring nicht gepasst habe, und die anschließende Versendung des zunächst von seiner Frau getragenen Rings nach Polen zum Zwecke der Einarbeitung des Steins - nicht gänzlich überzeugend. Diese nur das Randgeschehen betreffenden Bekundungen ändern aber nichts an der Glaubhaftigkeit der Kernaussage betreffend die Ersteigerung der später bei ebay angebotenen Ringe bei der Beklagten. Der Zeuge S. war offenbar bemüht, die Ersteigerung als Privatgeschäft darzustellen, um sich und seinen Sohn nicht der Geltendmachung z.B. von Schadensersatzansprüchen der Klägerin auszusetzen. Hieraus ergeben sich aber keine Zweifel an seiner - im Einklang mit den Aussagen der beiden von der Beklagten benannten Zeuginnen und des Zeugen B. - stehenden Bekundung, dass er die später im Internet angebotenen Ringe bei der Beklagten ersteigert hat. Auch die Beschreibung der bei ebay angebotenen Ringe, die hinsichtlich der Qualität und dem Zustand nicht vollständig mit den von den Mitarbeiterinnen der Beklagten bei ihrer Vernehmung abgegebenen Einschätzung übereinstimmt, begründen keine Zweifel, dass es sich um dieselben Ringe handelt. Die Beschreibung bei ebay zielte erkennbar auf eine "geschönte" Anpreisung der Qualität und des Zustands der angebotenen Ringe ab.

3. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe im Hinblick auf die sie als gewerbliche Pfandleiherin treffende Pflicht, hereingenommene Pfänder spätestens 6 Monate nach Verwertungsreife zu verwerten, nicht unlauter gehandelt. Zunächst kann, wie vorstehend unter 1. bereits ausgeführt, die Versteigerung der Ringe nicht unabhängig von der Hereinnahme als Pfand betrachtet werden. Den sie bei Hereinnahme treffenden wettbewerbsrechtlichen Prüfungspflichten kann sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie sich bei der Versteigerung von wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz genießenden Schmuckstücken auf eine rein schuldnerschützende Vorschrift beruft, um sich wegen ihrer Darlehens-, Zins- und Kostenerstattungsforderungen, die durch das Pfandrecht an den hereingenommenen Gegenständen gesichert sind, zu befriedigen. Überdies hätte sie der vermeintlichen Pflichtenkollision ohne weiteres durch einen Verzicht auf das Pfandrecht an den nachgeahmten Schmuckstücken und deren Rückgabe an den Schuldner entgehen können. Dass sie dann mit ihrer Darlehensforderung ausgefallen wäre, hätte sie wegen Verletzung der sie nach Wettbewerbsrecht treffenden Prüfungspflichten bei Hereinnahme des Schmucks hinnehmen müssen.

4. Der Schadensersatz- und Auskunftsanspruch wegen der hier in Frage stehenden Verletzung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzrechts sind erst seit der ersten von der Klägerin vorgetragenen Verletzungshandlung begründet (vgl. BGH GRUR 1988, 307 -Gaby)

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein begründeter Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 250.000,- Euro.

Ende der Entscheidung

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