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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: I-20 U 24/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Dezember 2008 verkündete Urteil der 2a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

Der Kläger macht einen markenrechtlichen Auskunftsanspruch geltend. Das Landgericht hat seine Klage mit Urteil vom 17. Dezember 2008 abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Dezember 2008 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 22. Januar 2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit einem an das Landgericht Düsseldorf adressierten und dort am 19. Februar 2009 per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. März 2009 beantragt. Dieser Schriftsatz ist vom Landgericht an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden und ist dort am 26. Februar 2009 eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist auf den verspäteten Eingang dieses Antrags beim Berufungsgericht mit Schreiben vom 27. Februar 2009, eingegangen bei ihm am 4. März 2009, hingewiesen worden. Er hat daraufhin mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 16. März 2009 eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Berufung hat er mit einem 20. März 2009 per Telefax beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trägt der Kläger vor, das Gesuch um Fristverlängerung sei aufgrund eines Versehens seiner Angestellten unzutreffend an das Landgericht adressiert worden. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlerhafte Adressierung am Folgetag, dem 20. Februar 2009, bemerkt und ein weiteres, diesmal richtig an das Berufungsgericht adressiertes Gesuch abgefasst. Auf seine Anweisung hin habe dieses Gesuch von einer anderen Angestellten an das Oberlandesgericht Düsseldorf per Fax gesandt werden sollen. Die Angestellte habe dies indes vergessen. Der Kläger meint, Wiedereinsetzung sei zudem auch deshalb zu gewähren, weil das Landgericht die Weiterleitung des unzutreffend adressierten Gesuchs an das Berufungsgericht pflichtwidrig verzögert habe.

B.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden ist. Die Frist begann gemäß dieser Vorschrift mit der Zustellung des Urteils am 23. Dezember 2008 und lief am 23. Februar 2009 ab. Eingegangen ist die Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht als Berufungsgericht erst am 20. März 2009. Eine Verlängerung der abgelaufenen Begründungsfrist kommt nicht in Betracht, weil dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Frist, also bis zum 23. Februar 2009, kein Antrag auf Fristverlängerung vorgelegen hat. Ein derartiger Antrag ist erst am 26. Februar 2009 beim Berufungsgericht eingegangen.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO wegen der Versäumung dieser Frist zur rechtzeitigen Stellung des Fristverlängerungsantrags oder Einreichung einer Berufungsbegründung kommt nicht in Betracht. Der Kläger war nicht ohne Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wird, gehindert, die Berufungsbegründungsfrist durch Stellung des Fristverlängerungsantrags oder Einreichung einer Begründungsschrift zu wahren.

An der fehlerhaften Adressierung des Fristverlängerungsantrages vom 19. Februar 2009 trifft den Prozessbevollmächtigten des Klägers ein eigenes Verschulden. Er hat den Schriftsatz mit der Adresse des Landgerichts und sogar noch der ausdrücklichen, durch Fettdruck hervorgehobenen Angabe der Telefaxnummer des Landgerichts eigenhändig unterschrieben. Damit hat er die Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes einschließlich seiner Adressierung übernommen. Der Schriftsatz mag von seiner Angestellten bereits in dieser Form vorbereitet worden sein; mit seiner Unterschrift hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den so vorbereiteten Schriftsatz aber selbst gebilligt. Wenn der Schriftsatz anschließend von dem Personal des Prozessbevollmächtigten so, wie er von letzterem unterschrieben worden war, entsprechend der vom Rechtsanwalt vorgegebenen Adressierung an das Landgericht gesandt worden ist, so beruht dies allein auf dem schuldhaften Verhalten des Prozessbevollmächtigten selbst.

Allerdings ist dieser Fehler gar nicht ursächlich geworden für die spätere Versäumung der Frist. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die unzutreffende Adressierung nämlich selbst bereits am Folgetag, dem 20. Februar 2009, bemerkt. Er hatte, da zu diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründungsfrist noch nicht abgelaufen war, damit ausreichend Gelegenheit, den fristgerechten Eingang zumindest des Fristverlängerungsantrags zu bewirken. Sein zu diesem Zweck angefertigter weiterer, diesmal korrekt adressierter Fristverlängerungsantrag vom 20. Februar 2009 wurde indes gar nicht abgesandt. Hierfür ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten ursächlich gewesen. Allerdings hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Angestellten die Anweisung gegeben, den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden, was diese vergessen hat. Der Prozessbevollmächtigte ist grundsätzlich auch nicht gehalten, die Ausführung dieser Einzelweisung zu überwachen (BGH NJW 2004, 367). Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH a.a.O. m. w. Nachw.).

Gleichwohl ist von einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers auszugehen, das letzterem gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Der Anwalt hat nämlich allgemein organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, dass von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH a.a.O. m. w. Nachw.). Zudem muss der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren, dass er die damit befassten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (BGH a.a.O. m. w. Nachw.). Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen. Der Schriftsatz vom 20. Februar 2009 diente trotz des Schriftsatzes vom Vortag der Fristwahrung, nachdem der Prozessbevollmächtigte erkannt hatte, dass aufgrund der fehlerhaften Adressierung ein fristgerechter Eingang dieses vorangegangenen Schriftsatzes nicht sichergestellt war.

Das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze ist hinsichtlich des Schriftsatzes vom 20. Februar 2009 nicht deswegen unerheblich, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, dass es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH a.a.O. m. w. Nachw.). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen (BGH a.a.O.). Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH a.a.O.). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (BGH a.a.O.). So ersetzt die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH a.a.O.; NJW-RR 2002, 60). Besteht hingegen - wie im vorliegenden Fall - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen (BGH a.a.O.). Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig, dass Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt, eine Übermittlung per Telefax anzuordnen (zu allem BGH a.a.O.). Irgendwelche Maßnahmen, die hätten sicherstellen können, dass die fristgerechte Übermittlung des Schriftsatzes vom 20. Februar 2009 kontrolliert wurde, sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Ursächlichkeit dieses Organisationsverschuldens seines Prozessbevollmächtigten für die Fristversäumung auch nicht deshalb zu verneinen, weil das Landgericht den fehlerhaft an ihn adressierten Fristverlängerungsantrag pflichtwidrig nur verzögert weitergeleitet hätte. Geht ein fristgebundener Rechtsmittelschriftsatz statt beim Rechtsmittelgericht bei dem in erster Instanz befasst gewesenen Gericht ein, ist dieses allerdings verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (BGH NJW-RR 2009, 408). Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befasst gewesenen Gericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BGH a.a.O. m. w. Nachw.).

Die Erwartung, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig das Berufungsgericht erreichen würde, war im vorliegenden Fall aber nicht gerechtfertigt. Der Antrag ging am 19. Februar 2009, einem Donnerstag (Weiberfastnacht) beim Landgericht ein, die Frist zur Berufungsbegründung lief am folgenden Montag, dem 23. Februar 2009 (Rosenmontag) ab. Auch bei einem ordentlichen Geschäftsgang war eine rechtzeitige Weiterleitung nicht zu erwarten. Das Telefax erfolgte ausweislich des Sendeaufdrucks um 18:29 Uhr, also nach Dienstschluss. Eine Bearbeitung am Donnerstag war schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. Dass die Weiterleitung des Faxschreibens bereits am Freitag veranlasst und so weit ausgeführt werden würde, dass es am Montag beim Oberlandesgericht eingehen könnte, war nicht zu erwarten. Zu besonderen Maßnahmen zur Beschleunigung der Weiterleitung war das zur Entgegennahme des Schriftsatzes unzuständige Landgericht nicht verpflichtet (vgl. BGH a.a.O.). Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien abgenommen und den unzuständigen Gerichten übertragen (BGH a.a.O.). Eine andere Beurteilung ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb geboten, weil eine besondere Eilbedürftigkeit aus dem fehlgeleiteten Schriftsatz selbst ersichtlich wäre. Denn aus dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist war nicht zu entnehmen, wann diese Frist ablief.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.000,-- € nach der Festsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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