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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: I-20 U 77/08
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
UWG § 3
UWG § 3 Abs. 1
UWG § 3 Abs. 3
UWG § 5
UWG § 5 Abs. 1 a.F.
UWG § 5 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 2 a.F.
UWG § 8 Abs. 1
BGB § 247 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Februar 2008 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aus dem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe:

A)

Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

In der Berufungsinstanz streiten die Parteien nur noch über die Berechtigung der Klägerin, von der Beklagten die Unterlassung von Werbung mit der Angabe "als Startgeschenk erhalten Sie von uns 180 Freiminuten" und Ersatz der darauf entfallenden Kosten für Abmahnung und Abschlussschreiben zu verlangen. Gegenstand der Beanstandung ist das als Anlage K2 (Bl. 17 GA) vorliegende Schreiben vom 25.01.2006 an die Zeugin H:, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Die Klägerin macht geltend, es würden nicht 180 Freiminuten gewährt, sondern eine Gutschrift von 417,6 Cent. Beispielsweise bei Telefonaten in Mobilfunknetze stünden demgemäß nur 21,31 Freiminuten zur Verfügung. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen aber davon aus, dass sie die 180 Freiminuten einschränkungslos abtelefonieren könnten, weshalb es sich um eine nach §§ 3, 5 UWG irreführende unlautere Werbung handele.

Die Beklagte behauptet, die angesprochenen Verkehrskreise fassten die beanstandete Erklärung nur dahingehend auf, dass sie 180 Minuten ins deutsche Festnetz telefonieren könnten. Dies werde im Übrigen zusätzlich durch den "Sternchenhinweis" klargestellt, in dem es heiße "Die Freiminutenangabe ist bezogen auf Gesprächskosten bei Ferngesprächen ins deutsche Festnetz außerhalb des Ortsbereichs. Die Freiminutengutschrift kann auch zu anderen Zeiten und Zielen genutzt werden. Je nach Anrufzeit und - ziel kann sich die effektive Freiminutenzahl verändern. Die Gutschrift kann nicht in bar ausgezahlt werden."

Das Landgericht hat die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wiederholt und vertieft insoweit ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Februar 2008 aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist,

a) es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe zu werben und/oder werben zu lassen "als Startgeschenk erhalten Sie von uns 180 Freiminuten", wenn diese 180 Freiminuten nicht in jedem Falle kostenlos gewährt werden und

b) an die Klägerin einen über 1.399,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB aus einem Teilbetrag von 699,90 € seit dem 22.03.2006 und aus einem weiteren Teilbetrag in Höhe von 699,90 € seit dem 19.05.2006 hinausgehenden Betrag zu zahlen und

die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat die Parteien im Verhandlungstermin darauf hingewiesen, dass durch rechtskräftiges Urteil vom 10.April 2007 in dem Rechtsstreit I-20 U 159/06 Oberlandesgericht Düsseldorf/38 O 149/05 Landgericht Düsseldorf zwischen denselben Parteien der Beklagten die Werbung mit dem Satz "Als Startgeschenk erhalten Sie von uns fünf Stunden gratis" mit einem dem hier streitgegenständlichen vergleichbaren Sternchenhinweis verboten worden ist. Die Klägerin hat daraufhin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.03.2009 geltend gemacht, sie habe gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für die hier erstrebte Verurteilung, weil die Formulierung sich unterscheide ("gratis"/"Freiminuten") und die ausgelobten Freiminuten geringer seien.

B)

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Kammer die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt der Klägerin nicht wegen des Senatsurteils in der Sache I-20 U 159/06 das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass die vorliegend beanstandete Werbung vom Tatsachenkern des früheren Rechtsstreites erfasst wird, denn die Werbung wurde seinerzeit gerade mit der Erwägung verboten, dass die als "gratis" ausgelobten Stunden nicht in jedem Falle kostenlos gewährt werden, sondern dann nicht, wenn die Gespräche in ausländische Netze oder in inländische Mobilfunknetze geführt werden. Das Urteil des Senats vom 10. April 2007 führt aber jedenfalls nicht ausdrücklich aus, dass der Umfang der ausgelobten "Freistunden" und die genaue Formulierung "fünf Stunden gratis" den Kern nicht erheblich berühren, so dass die Klägerin danach ein Rechtsschutzbedürfnis auch bezüglich eines Verbotes der - geringfügig - geänderten Werbung hat.

Die Klage ist auch begründet, so dass die Berufung unbegründet ist. Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch - und damit auch die Folgeansprüche - aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. zu recht bejaht. Der Unterlassungsanspruch ist auch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. begründet; die neuen Vorschriften sind für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch maßgeblich. Eine nahe liegende Unzulässigkeit der angegriffenen Werbung nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (sog. "schwarze Liste") kommt nur deshalb nicht in Betracht, weil sich die angegriffene Werbung nicht an Verbraucher, sondern ausschließlich an Gewerbetreibende zum Zwecke der Ausübung ihres Gewerbes richtet.

Dass es sich bei dem von der Klägerin beanstandeten Schreiben um "Werbung" im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG a.F. handelt, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Die Angabe "Als Startgeschenk erhalten Sie von uns 180 Freiminuten!" ist auch - wie die Kammer mit Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, geeignet die angesprochenen Verkehrskreise irre zu führen. Nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, nämlich durchschnittlicher Geschäftskunden, welches insoweit nicht relevant von dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers abweicht, bedeutet die Aussage, dass der Kunde 180 Minuten telefonieren kann, ohne dass verbindungsabhängige Entgelte anfallen. Der Verkehr versteht die Bezeichnung als "Startgeschenk" und die Bezeichnung als "Freiminuten" einschränkungslos als Kostenfreiheit. Dieser mit der Werbung erwecke Anschein ist indes unzutreffend. Tatsächlich gewährt die Beklagte lediglich eine Gutschrift in einer Höhe, die unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen kann, dass damit die Kosten von Gesprächen von insgesamt 180 Minuten Dauer abgedeckt sind. Das betrifft Ferngespräche ins deutsche Festnetz nach dem Tarif für Geschäftskunden, nicht aber Auslandsgespräche oder Anrufe in das Mobilnetz. Hierfür fallen Kosten an, die die Gutschrift erheblich übersteigen. Da gerade Geschäftskunden, an die sich die Werbung richtet, besonders häufig auch derartige Gespräche führen, dürfte es sogar regelmäßig dazu kommen, dass die erteilte Gutschrift nicht ausreicht, um tatsächlich 180 Minuten lang "frei" zu telefonieren. Die Werbung mit einer Freiminutenzahl ist irreführend, wenn tatsächlich nur eine betragsmäßige Gutschrift gewährt wird, die nur unter bestimmten Umständen die Kosten für Telefonate im Umfang der angegebenen Freiminuten deckt (so schon Senat, Urteil vom 10.4.2007, I-20 U 159/06).

Der Senat teilt auch weiterhin nicht - wie schon nicht in der zuvor zitierten Entscheidung - die Auffassung der Beklagten, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Werbung nicht in dem geschilderten umfassenden Sinn, sondern nur eingeschränkt auf Gespräche in das deutsche Festnetz. Die Auslobung von 180 Freiminuten enthält ebenso wenig wie die seinerzeitige von "fünf Stunden gratis" einen Anhaltspunkt für irgend welche Einschränkungen. Insbesondere ist der Verkehr nicht an eine derartige Beschränkung gewohnt. Zwar werden im Telekommunikationsbereich eine Vielzahl von verschiedenen Tarifen mit Gesprächsguthaben angeboten. Entgegen der Ansicht der Beklagten beziehen diese sich aber nicht stets nur auf Gespräche in das Festnetz. Vielmehr sind dem Senat eine Vielzahl von Angeboten mit ganz unterschiedlich strukturierten "Inklusivminuten" bekannt, u.a. auch solche, bei denen jedenfalls auch Gespräche in inländische Mobilfunknetze erfasst werden.

Wie bereits im Urteil vom 10.4.2007 ausgeführt, steht dieses Verständnis nicht in Widerspruch zu der von der Berufung erneut angeführten Entscheidung des OLG Hamm (MMR 2005, 469). Auf die Ausführungen in dem damaligen Urteil, das zwischen den gleichen Parteien ergangen ist, wird insoweit Bezug genommen. Der Senat sieht nach wie vor mangels irgend eines Anhaltspunktes in der Werbeaussage selbst keine Veranlassung, von dem traditionellen Verständnis einer Werbung mit "kostenlos" also "frei" abzurücken. Wie bereits im Urteil vom 10.4.2007 ausgeführt, gibt es ein "bisschen kostenlos" nicht (Senat, a.a.O., vgl. auch Senat Urteil vom 25.11.2003 - I-20 U 20/03 und Urteil vom 30.05.2006 - I-20 U 34/06 "1 Jahr kostenlos telefonieren").

Die Irreführung der Werbung wird nicht mit den Hinweisen in der Fußnote beseitigt. Es ist bereits zweifelhaft, ob der mit einem Sternchen versehene Hinweis die unzutreffende Vorstellung über den Preisvorteil nicht nur erläutert, sondern in unzulässiger Weise berichtigt. Der Blickfang selbst darf nämlich keine objektiven Unrichtigkeiten enthalten, was anzunehmen hier durchaus nahe liegt, wenn einschränkungslos eine Freiminutenzahl angepriesen, tatsächlich aber nur eine Gutschrift gewährt wird, die die Freiminuten nur unter bestimmten Bedingungen abdeckt. Hier allerdings verwirrt der "Sternchenhinweis", statt zu erläutern, denn dort heißt es ausdrücklich "Die Freiminutengutschrift kann auch zu anderen Zeiten und Zielen genutzt werden." Das bedeutet aber, dass die "Freiminutengutschrift" eben auch auf Gespräche in andere Netze als das deutsche Festnetz verrechnet wird. Es handelt sich eben nicht um die Gewährung von "Freiminuten" in einem bestimmten Umfang, sondern um die Gutschrift eines bestimmten Geldbetrages, zu dem man u.a. 180 Minuten Inlandsferngespräche, aber eben nur 21 Minuten Gespräche ins Mobilfunknetz führen kann. Tatsächlich - und gerade dies bleibt beim Lesen der angegriffenen Werbung im Dunkeln - erfolgt gar keine Gutschrift auf Minutenbasis, sondern eine solche auf Basis eines Geldbetrages.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Streitwert: 50.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

Ende der Entscheidung

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