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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.11.2003
Aktenzeichen: I-20 W 40/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 174 Abs. 2
ZPO § 174 Abs. 2 S. 1
ZPO § 192 Abs. 2 S. 1
ZPO § 193 Abs. 1 S. 1
ZPO § 195 Abs. 1 S. 5
ZPO § 329 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. März 2003 abgeändert.

Auf Antrag der Gläubigerin wird gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 Euro festgesetzt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe: I. Die Gläubigerín erwirkte am 22. November 2002 einen Beschluss des Landgerichts, durch den der Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, insbesondere in Funkspots anzukündigen: "Achtung Schnäppchenjäger. Wir feiern die Fertigstellung der Baustelle auf der B 51. Darum gewähren wir Ihnen heute und morgen 10 % Rabatt auf alles, außer auf bereits reduzierte Ware... Nicht vergessen, heute und morgen 10 % Rabatt auf alles" und/oder eine so angekündigte Verkaufsveranstaltung durchzuführen. Dieser Beschluss wurde der Gläubigerin zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am gleichen Tage zugestellt. Diese übermittelten dem zuständigen Gerichtsvollzieher noch an diesem Tage zusammen mit einem Eilauftrag zur Zustellung den Beschluss per Fax, wobei sie als Faxvorlage eine vom Gericht ausgefertigte Abschrift des Beschlusses benutzten, die die Rechtsanwälte ihrerseits mit einem unterschriebenen Beglaubigungsvermerk versehen hatten. Der Gerichtsvollzieher heftete den Faxausdruck (oder eine von ihm erstellte Ablichtung davon), versah ihn mit einem Dienststempel sowie seinerseits mit einem Beglaubigungsvermerk und stellte diesen sodann noch am 22. November 2002 gegen 15.30 Uhr der Schuldnerin zu. Am 25. November 2002 erhielt der Gerichtsvollzieher von den Verfahrensbevollmächtigten eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses im Original, verband sie mit einer Zustellungsurkunde und sandte sie zurück. Wegen der Aussendung von Rundfunkspots am 23. November 2003 - insoweit hat wird der Antrag nicht weiterverfolgt - sowie wegen der Durchführung der Sonderveranstaltung hat die Gläubigerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragt. Diesen Antrag hat das Landgericht zurückgewiesen, weil der Beschluss vom 22. November 2002 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Beschluss vom 22. November 2002 am gleichen Tage ordnungsgemäß zugestellt worden (dazu 1.). Gegen ihre Verpflichtungen hat die Schuldnerin auch schuldhaft verstoßen (dazu 2.). 1. Der Schuldnerin ist am 22. November 2002 eine vom Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift des Beschlusses vom gleichen Tage zugestellt worden, wie sich aus dem von ihr zu den Gerichtsakten übergebenen "Original" ergibt. Damit ist bei der vorliegenden Fallgestaltung den Anforderungen an einer Übergabe des zuzustellenden Schriftstückes in der gesetzlich bestimmten Form Genüge getan. Allerdings schreibt § 192 Abs. 2 S. 1 ZPO vor, dass die betreffende Partei "dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück mit den erforderlichen Abschriften übergibt." Soweit dies dahingehend verstanden wird, die Partei habe die "Urschrift" (bzw. beglaubigte Abschrift im Original) zu übersenden (vgl. LG Münster DGVZ 1989, 186), hat dies die Funktion, dem Gerichtsvollzieher die Erfüllung der Pflicht zu ermöglichen, nach § 193 Abs. 1 S. 1 ZPO entweder auf der Urkunde die Ausführung der Zustellung selbst zu vermerken und mit ihr einen entsprechend ausgefüllten Vordruck zu verbinden. Dieses Erfordernis ist hier vom Gerichtsvollzieher am 25. November 2002 erfüllt worden, so dass offen bleiben kann, ob ein Unterbleiben Auswirkungen auf die Wirksamkeit der bereits vollzogenen Zustellung gehabt hätte. Des Weiteren soll die Übergabe einer "Urschrift" (bzw. beglaubigten Abschrift im Original) deshalb notwendig sein, weil der Gerichtsvollzieher zum einen gegebenenfalls Abschriften zu beglaubigen habe und zum anderen überprüfen müsse, ob die von ihm dem Zustellungsempfänger zu übergebenden Abschriften mit dem "Original" übereinstimmten; für beides benötige er die "Urschrift" (LG Münster DGVZ 1989, 186). Diesem Erfordernis wäre hier nicht genügt, weil dem Gerichtsvollzieher am 22. November 2002 der Beschluss lediglich als Fax vorlagen, wobei aus technischen Gründen die auf der Faxvorlage vorhandenen Original-Beglaubigungsvermerke nur als "Ablichtung" erschienen. Ein Erfordernis, die "Urschrift" dem Gerichtsvollzieher auch zu diesen Zwecken zuzuleiten, besteht vor dem Hintergrund der durch das Zustellungsreformgesetz novellierten Vorschriften der ZPO nicht mehr. Mit der Beglaubigung einer Abschrift (§ 169 Abs. 2, § 192 Abs. 2 S. 2 ZPO) soll sichergestellt werden, dass die Abschrift mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. Wenzel in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. (ZPO-Reform), § 169 Rdnr. 3). Daraus wird der Schluss gezogen, dass bei der Beglaubigung die Ausfertigung vorliegen muss, weil eine Blanko-Beglaubigung nicht zulässig sei (vgl. BGH NJW 1973, 1973; Wenzel, a.a.O.). Der Beschluss vom 22. November 2002 lag dem Gerichtsvollzieher bei der Beglaubigung allerdings weder in ausgefertigter noch im vom Rechtsanwalt beglaubigter Form im Original vor; vielmehr war er lediglich im Besitze einer Telekopie, auf der der Ausfertigungsvermerk des Gerichts sowie der Beglaubigungsvermerk des Rechtsanwalts nur "in Ablichtung" vorhanden war. Dies reichte jedoch aus; es handelte sich nicht um eine - vom Bundesgerichtshof verworfene - Blankobeglaubigung. Die vorstehende Würdigung kann allerdings nicht unmittelbar auf § 174 Abs. 2 ZPO gestützt werden. Die Übergabe des "Originals" im Sinne des § 192 Abs. 2 S. 1 ZPO ist selbst keine "Zustellung" an den Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher ist nicht Zustellungsempfänger. Jedoch kann aus den Regelungen des § 174 Abs. 2 S. 1 und des § 195 Abs. 1 S. 5 ZPO der Schluss gezogen werden, dass im Verkehr zwischen den dort genannten Personen es ausreicht, wenn der Ausfertigungs- bzw. Beglaubigungsvermerk dem Empfänger nicht im Original, sondern nur "in Ablichtung" vorliegt. Der Gesetzgeber hat zwischen ihnen die Telefaxübersendung zu Zustellungszwecken ausdrücklich zugelassen, und damit hingenommen, dass dem Zustellungsempfänger - technisch bedingt - eine mit einem Originalausfertigungs-/beglaubigungsvermerk versehene Urkunde nicht mehr zugeht. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die oben angesprochene durch einen derartigen Vermerk ehemals gegebene Richtigkeitsgewähr aufgehoben. Was sich nach dem Wortlaut des Reformgesetzes geändert hat, sei durch Folgendes verdeutlicht: Das Gericht hätte seinen Beschluss in Erfüllung von § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO den Verfahrensbevollmächtigten der jetzigen Gläubigerin als Anwälten per Fax zustellen können, § 174 Abs. 2 ZPO. In diesem Falle wäre ihnen auch der Ausfertigungsvermerk des Gerichts nur "in Ablichtung" zugegangen. Nach der Gesetzeslage kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Verfahrensbevollmächtigten dann zur Zustellung der Beschlussverfügung an die jetzige Gläubigerin (§ 922 Abs. 2, § 936 ZPO) von der Telekopie eine Ablichtung hätten fertigen und beglaubigen dürfen. Der Beglaubigungsvermerk hätte dann aber nur auf einer eingeschränkten Überprüfung der Übereinstimmung der zuzustellenden Ablichtung mit dem "Original"-Beschluss beruht. Die Überprüfung hätte sich nämlich nur darauf beziehen können, dass die Ablichtung von einer Telekopie stammte, die den Anwälten in der betreffenden Gestalt zugesandt worden war; eine unmittelbare Überprüfung darauf, ob der Ausdruck mit dem beim Gericht verbliebenen "Original" übereinstimmte, wäre nicht möglich gewesen. Wenn sich der Reformgesetzgeber bei der Zustellung an bestimmte privilegierte Empfänger mit der geschilderten eingeschränkten Identitätsprüfung begnügt, muss es aber möglich sein, auch die bloße Übermittlung eines Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher zwecks Ausführung der Zustellung per Fax vorzunehmen. Der Gerichtsvollzieher wird vom Gesetzgeber sowohl als Zustellungsempfänger als auch als Beglaubigender als besonders vertrauenswürdige Person eingestuft. Ihm kann es überlassen werden, bei verlässlichem Faxgerät die - eingeschränkte - Überprüfung vornehmen und darauf die Beglaubigung zu stützen. Bei einer anderen Sicht der Dinge würde die mit der Zulassung des Telefax-Verkehrs bei der Zustellung bezweckte Beschleunigung teilweise vereitelt. Der Streitfall zeigt mit der Ortsverschiedenheit von Verfahrensbevollmächtigten der jetzigen Gläubigerin und jetzigen Schuldnerin und der besonderen Eilbedürftigkeit der Zustellung, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung durchaus ihren Sinn hat. Es würde auch nicht einleuchten, wenn zwar eine förmliche Zustellung an den Gerichtsvollzieher per Fax möglich wäre, nicht aber eine Nutzung dieses Kommunikationsmittels zur bloßen Weiterleitung eines Schriftstücks. 2. Die Schuldnerin hat gegen ihre titulierte Verpflichtung schuldhaft verstoßen, so dass gemäß § 890 ZPO gegen sie ein Ordnungsgeld zu verhängen ist. a) Die jetzige Gläubigerin hatte ihren Antrag zunächst auch darauf gestützt, die Schuldnerin habe in schuldhafter Weise nicht die Aussendung eines Rundfunkspots am 23. November 2002 verhindert. Diesen Antrag hat die Gläubigerin allerdings nicht weiterverfolgt (Schriftsatz vom 07. Februar 2003). b) Die Antragstellerin hat aber an ihrer in der Antragsschrift geäußerten Auffassung festgehalten, dass die - im Beschluss gleichfalls untersagte - Durchführung der Sonderveranstaltung am 23. November 2002 erfolgt sei, und zwar schuldhaft. In der Tat hat die Schuldnerin nichts dazu vorgetragen, aus welchem Grunde sie es nicht vermocht haben sollte, die Durchführung der beworbenen Sonderveranstaltung zu verhindern. Der Senat hält ein Ordnungsgeld von 2.500,00 Euro für angemessen. Einerseits muss das Ordnungsgeld angesichts vorangegangener Verfahren spürbar ausfallen, andererseits ist zu berücksichtigen, dass in der Möbelbranche ein Rabatt von 10 % auch außerhalb einer Sonderveranstaltung vielfach üblich ist, wie der Senat aus anderen Verfahren weiß. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 S. 3 ZPO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Gläubigerin ursprünglich auch wegen der Aussendung von Rundfunkspots am 23. November 2002 die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragt hatte, diesen Antrag aber nicht mehr weiter verfolgt hat.

Die Rechtsbeschwerde ist für die Schuldnerin zuzulassen, § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Alt. ZPO. Die Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Fax-Übermittlung von Gerichtsentscheidungen an den Gerichtsvollzieher zwecks Zustellung nach der Änderung der Zustellungsvorschriften ist - soweit ersichtlich - in der Kommentarliteratur bisher nicht angesprochen worden. Der fortbestehende Hinweis auf die Entscheidung des LG Münster kann so verstanden werden, als ob auch weiterhin die Aushändigung einer Ausfertigung/einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks im Original an den Gerichtsvollzieher vor einer Beglaubigung und Zustellungshandlungen verlangt würde (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 192 Rdnrn. 6/7). Die Rechtsfrage hat erhebliche praktische Bedeutung. Beschwerdewert (§ 57 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BRAGO): 20.000,00 Euro

Ende der Entscheidung

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