Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.02.2009
Aktenzeichen: I-22 U 135/08
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B, ZPO


Vorschriften:

BGB § 124
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 250 Satz 2
BGB § 280
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 294
BGB § 295 S. 1, 2. Alt.
BGB § 631
BGB § 643
BGB § 643 Satz 1
BGB § 644 Abs. 1 Satz 2
VOB/B § 5 Nr. 2
VOB/B § 6
VOB/B § 6 Nr. 7
VOB/B § 9
VOB/B § 9 Nr. 1 a
VOB/B § 9 Nr. 2
VOB/B § 9 Nr. 3
VOB/B § 9 Nr. 3 Satz 1
VOB/B § 16 Nr. 3 Satz 2
ZPO § 276 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 533 Nr. 1, 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.7.2008 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg wird mit der Maßgabe, dass der Zinsanspruch erst ab dem 16.10.2007 begründet ist, zurückgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Am 10./21.3.2003 schlossen die Parteien einen Werkvertrag. Die Klägerin sollte der Beklagten für deren Bauvorhaben L., 4 D., drei Aufzugsanlagen liefern. Vereinbart war die Lieferung eines Aufzugs für ein Wohnhaus zum Preis von 37.120,- € und von zwei Aufzügen für das Fabrikgebäude zum Preis von 63.800,- €. In den Vertrag einbezogen sind das Verhandlungsprotokoll vom 29.1.2003 (Anlage K 2 a), das Angebot der Klägerin vom 12.11.2002 (Anlage K 1) und die VOB/B. Als Lieferzeit nennt der Vertrag "ca. Mitte 08.03" (Anlage K 2 b). Das Verhandlungsprotokoll nennt als Ausführungszeitraum "8 Wochen". Das Bauende war vorgesehen für April 2004. Zwei Abschlagsrechnungen der Klägerin vom 19.3.2003 über 11.136,- € und 19.140,- € bezahlte die Beklagte.

Im September 2003 lieferte die Klägerin das Material für die Aufzugsanlage zur Baustelle und lagerte es dort ein. Dann stockte das Bauvorhaben. Mit Schreiben vom 15.7.2004 bat die Klägerin um Mitteilung, wie die Baustelle weiter abgewickelt werden solle (Anlage K 3 c). Mit Schreiben vom 3.11.2004 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 12.11.2004 "ultimativ" den Montagebeginn mitzuteilen, und wies darauf hin, dass sie sich ansonsten gehalten sehe, den Vertrag zu kündigen und die Leistungen nach ihrem Stand abzurechnen (Anlage K 3 c). Mit Schreiben vom 14.1.2005 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Herstellung der Baufreiheit bis zum 26.1.2005 und teilte mit, dass bei Unterbleiben der Anzeige sie das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Frist als gekündigt ansehe (Anlage K 3 f). Mit Schreiben vom 26.2.2005 teilte die Firma I. aus B. als Vertreterin der Beklagten der Klägerin mit, dass das Aufzugsmaterial für das Wohnhaus im Februar gestohlen worden sei (Anlage K 4 a). Unter dem 17.9.2007 erteilte die Klägerin der Beklagten 2 Schlussrechnungen (Anlagen K 5 a und b) über einen Betrag von insgesamt 24.946,35 €. Die Schlussrechnungen berücksichtigen Minderbeträge wegen nicht erbrachter Leistungen in Höhe von 14.511,33 € - Personenaufzug - bzw. 11.922,03 € - Fabrikgebäude. Den Abzügen liegt eine von der Klägerin gefertigte Aufstellung über den Leistungsstand zugrunde.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, das Material sei jedenfalls Anfang 2004 anzuliefern gewesen, weil eine Montagedauer von 8 Wochen und das Bauende für April 2004 vorgesehen gewesen sei. Mit Ablauf der zum 26.1.2005 gesetzten Frist gelte der Vertrag als aufgehoben, so dass sie nach dem Leistungsstand abrechnen könne. Sie habe auch einen Anspruch auf Bezahlung des gestohlenen Materials. Denn spätestens mit Ablauf der zum 12.11.2004 gesetzten Frist habe sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden, so dass die Gefahr für den Verlust des Materials auf die Beklagte übergegangen sei. Ihre Schlussrechnungen entsprächen den Anforderungen an die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrags.

Mit Schriftsatz vom 17.1.2008 hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, sie spätestens bis zum 30.1.2008 von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 911,80 € freizustellen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.946,35 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 7.2.2006 sowie 911,80 € vorgerichtlichen Anwaltkosten zu zahlen,

hilfsweise hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten

die Beklagte zu verurteilen, sie von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten hinsichtlich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 911,80 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, beide Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass eine Lieferung auf Abruf erfolgen solle. Sie ist der Ansicht gewesen, deshalb habe die Klägerin auch kein Kündigungsrecht gehabt und die Gefahr für das gestohlene Material auch nicht sie übergegangen. Die Beklagte hat weiter behauptet, dass die Klägerin das Material nicht in den angebotenen abschließbaren Räumen gelagert habe. Sie ist der Ansicht gewesen, die Schlussrechnungen seien nicht prüfbar.

Mit seinem am 2.7.2008 verkündeten Urteil hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte gemäß §§ 631, 643 BGB, 9 Nr. 3 Satz 1 VOB/B einen Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen in Höhe von 24.946,35 € .

Gemäß §§ 643 BGB, 9 Nr. 1 a VOB/B habe die Klägerin den Vertrag kündigen können, da die Beklagte eine ihr obliegende Handlung unterlassen habe und dadurch den Auftragnehmer außer Stande gesetzt habe, seine Leistung auszuführen. Die Voraussetzungen der §§ 643 Satz 1 BGB, 9 Nr. 2 VOB/B seien erfüllt, denn mit Schreiben vom 3.11.2004 und nochmals vom 14.1.2005 habe die Klägerin der Beklagten eine angemessene Frist zur Herstellung der Baufreiheit gesetzt.

Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, eine Frist zu setzen. Weder das Angebot der Klägerin, das Besprechungsprotokoll, der Werkvertrag noch die nachfolgende Auftragsbestätigung der Klägerin vom 27.2.2003 legten eine Lieferung und Montage nach Abruf durch die Beklagte fest. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen D. über die Behauptung der Beklagten, es sei Vertragsgrundlage gewesen, dass die Aufzüge nach Anzeige durch die Beklagte eingebaut werden sollten, sei nicht vorzunehmen gewesen. Dieser Vortrag sei gemäß §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 ZPO verspätet gewesen.

Die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf eine fehlende Fälligkeit der Klageforderung mangels Prüffähigkeit der Schlussrechnungen vom 17.9.2007 berufen, weil dies gemäß § 16 Nr. 3 Satz 2 VOB/B innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der Schlussrechnungen hätte geschehen müssen.

Die Beklagte schulde damit die Positionen der Schlussrechnungen vom 17.9.2007, d.h. die Klageforderung einschließlich des gestohlenen Materials. Mit fruchtlosem Ablauf der mit Schreiben vom 3.11.2004 und nochmals mit Schreiben vom 14.1.2005 gesetzten Fristen zur Anzeige der Baufreiheit und des Montagebeginns sei die Beklagte mit der Annahme der Werkleistung in Verzug (§ 293 ff BGB) gekommen. Gemäß § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB sei die Vergütungsgefahr auf die Beklagte übergegangen. Der Anspruch der Klägerin auf die Bezahlung auch des gestohlenen Materials entfalle nicht aufgrund des Vortrags der Beklagten, die Klägerin habe das Material nicht in den angebotenen abschließbaren Räume gelagert. Auch dieser Vortrag sei verspätet.

Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Bezahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten folge aus Verzug gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Weil die Beklagte die Klägerin von der Honorarforderung trotz Fristsetzung nicht freigestellt habe, könne die Klägerin gemäß § 250 Satz 2 BGB Bezahlung der Anwaltskosten verlangen.

Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 28.5.2008 habe nicht bestanden.

Gegen dieses der Beklagten am 9.7.2008 zugestellte Urteil hat sie mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 7.8.2008 eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 8.10.2008 mit einem am 6.10.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Zugleich hat sie Widerklage erhoben.

Mit der Berufung erfolgt sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie ist der Ansicht, der Werkvertrag sei aufgrund ihrer am 02.10.2008 erklärten Anfechtung (Bl. 128 GA) erloschen. Zur Anfechtung sei sie im Hinblick auf ein Kartell, an dem die Klägerin beteiligt gewesen sei, berechtigt gewesen. Aus diesem Grunde könne sie auch die Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen verlangen, die sie mit der Widerklage geltend macht.

Auch bei der Annahme eines wirksamen Werkvertrags stünden der Klägerin keine Vergütungsansprüche zu. Die Klägerin habe die abgerechneten Leistungen nicht erbracht; eine Abnahme sei nicht erfolgt. Ein Recht zur Vertragskündigung habe der Klägerin nicht zugestanden; zu Unrecht habe das Landgericht zu ihrem Vortrag einer Montage auf Abruf den Zeugen D. nicht vernommen. Ihr Vortrag und Beweisantritt sei nicht verspätet gewesen; eine Ladung des Zeugen zum Termin möglich gewesen. Die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs seien nicht gegeben; die Klägerin hätte gem. § 294 BGB das notwendige Material komplett auf die Baustelle liefern müssen. Ein Kündigungsrecht nach § 6 Nr. 7 VOB/B komme nicht in Betracht, da die Klägerin sich hierauf in ihren Schreiben nicht berufen habe. Ein weiteres Zuwarten sei der Klägerin auch zumutbar gewesen.

Hinsichtlich des entwendeten Materials könne die Klägerin eine Vergütung nicht beanspruchen; den Diebstahl habe die Klägerin zu vertreten, da sie grob nachlässig gehandelt habe. Sie habe die angebotenen Lagermöglichkeiten nicht genutzt, das Landgericht hätte den diesbezüglichen Vortrag nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Für das gelieferte Material sei eine Vergütung auch deshalb nicht geschuldet, weil es zu keinem Zeitpunkt mit dem Bauwerk verbunden worden sei.

Ein etwaiger Vergütungsanspruch sei auch nicht fällig, da eine auch beim gekündigten Werkvertrag erforderliche Abnahme nicht erfolgt sei. Keinesfalls stehe der Klägerin der Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2.7.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2.7.2008 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 30.276,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszins seit dem 8.4.2003 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung und Widerklage der Beklagten zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags verteidigt sie die landgerichtliche Entscheidung als zutreffend. Die nunmehr erklärte Anfechtung sei verspätet.

Hinsichtlich der Widerklage verweigert sie die Einwilligung in die Zulassung. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe in soweit auch mit Schreiben vom 12.10.2007 auf die Rückzahlung verzichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 2.10.2008 (Bl. 125 ff. GA) sowie ihren Schriftsatz vom 23.12.2008 (Bl. 191 ff. GA) und die Berufungserwiderung der Klägerin vom 4.12.2008 (Bl. 175 ff. GA) sowie ihren Schriftsatz vom 13.01.2009 (Bl. 208 ff. GA) Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung und die Widerklage sind im Wesentlichen unbegründet.

I. Der Klägerin steht aus § 631 BGB, § 9 Nr. 3 S. 1 VOB/B der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 24.946,35 € zu.

1. Der zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag vom 10./21.3.2003 ist nicht aufgrund der von der Beklagten mit der Berufungsbegründung erklärten Anfechtung nichtig, § 142 Abs. 1 BGB.

a) Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) unterliegt einer Frist von einem Jahr, § 124 BGB. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten war die Kartellrechtssituation aufgrund von Zeitungsartikeln jedenfalls ab Februar 2007 allgemein bekannt (so auch die Beklagte, Bl. 139 GA). Der von ihr vorgelegte Artikel (Bl. 75 GA) stammt vom 21.2.2007. Die mit Schreiben vom 02.10.2008 erfolgte Anfechtung (Bl. 128 GA) ist daher verspätet.

Soweit die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren - zudem erst in einem weiteren Schriftsatz - darlegt, von der Kartellsituation erst kurz vor der Anfechtung erfahren zu haben (Bl. 194 GA), ist dieser Vortrag verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Die Beklagte hat sich erstinstanzlich im Schriftsatz vom 28.5.2008 (Bl. 72, 73 GA) auf die Verurteilung der Klägerin im Rahmen eines kartellrechtlichen Verfahrens der EU-Kommission zu einem Bußgeld in Höhe von € 225 Mio. berufen, daher bedurfte es ersichtlich auch des Tatsachenvortrags zur Einhaltung der Anfechtungsfrist.

b) Darüber hinaus besteht auch kein Anfechtungsgrund. Ein Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit der Verträge zwischen Normadressat - hier der Klägerin - und dem Letztverbraucher - hier der Beklagten (JurisPK-Nassall, § 138 Rn. 78). Allenfalls eine Teilnichtigkeit der Preisvereinbarung kommt in Betracht (OLG München, NJW-RR 2002, 886; vergl. auch OLG Celle, NJW 1963, 2116). Für eine aufgrund einer Preisabsprache (Submissionsbetrug) nichtige Preisvereinbarung hat die Beklagte jedoch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt. Erforderlich ist ein Sachvortrag, der den Schluss zulässt, dass der vereinbarte Preis aufgrund von Preisabsprachen höher ist als der, der unter uneingeschränkten Wettbewerbsverhältnissen erzielbar gewesen wäre (OLG Frankfurt, Urteil vom 7.11.2006- 11 O 53/03 (Kart), zit. nach Juris, Rn. 40). Dazu fehlt sowohl erstinstanzlich als auch in der Berufungsinstanz jeglicher Sachvortrag. Allein der Umstand, dass ein Kartell bestand, lässt nicht den Schluss zu, dass sämtliche Endkundenverträge zu überhöhten Preisen abgeschlossen wurden.

c) Aus diesem Grunde besteht auch kein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch bei angenommener vorvertraglicher Aufklärungspflicht über eine Kartellbeteiligung fehlt es an einer ausreichenden Darlegung zu einem hierauf beruhenden Schaden.

2. Die Klägerin war nach der vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Norm des § 9 Nr. 1 a VOB/B zur Kündigung des Werkvertrags berechtigt.

a) Eine entsprechende Kündigungserklärung ist durch das Schreiben vom 14.1.2005 mit Fristsetzung bis zum 26.1.2005 erfolgt.

Das Schreiben nimmt auf § 6 VOB/B Bezug, der in Nr. 7 ein Kündigungsrecht für den Fall, dass eine Unterbrechung länger als 3 Monate dauert, enthält. Gleichwohl ist daneben bei einer längeren Unterbrechung auch die Kündigung nach § 9 VOB/B, die eine umfassendere Schadensabrechnung ermöglicht, zulässig (Kapellmann-Lederer, § 6 VOB/B Rn. 105). Ebenso ist das "Nachschieben" von Gründen zulässig (Kapellmann-von Rintelen, § 9 VOB/B Rn. 72).

Sowohl nach § 6 Nr. 7 VOB/B als auch nach § 9 Nr. 1 a VOB/B war die Kündigung möglich; beide Vorschriften führen zur Abrechnung nach Vertragspreisen.

aa) Eine Unterbrechung i.S. des § 6 VOB/B von mehr als drei Monaten war gegeben. Nach der Anlieferung des Materials im August 2003 konnten weitere Arbeiten nicht mehr ausgeführt werden. Auch im Jahre 2004 konnte ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 7.8.2004 ein Weiterbau nicht einmal zugesichert werden ("Der Beginn des Weiterbaus ist aber letztendlich von der Endfinanzierung abhängig").

bb) Dabei bestand Annahmeverzug der Beklagten. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Leistung der Klägerin "auf Abruf" erfolgen sollte. Auch dann, wenn kein fester Termin für die Leistung bestimmt ist, bedeutet dies nicht, dass sie auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden kann. Vielmehr ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Auftragnehmer die Leistung zu ermöglichen; sie mithin bei fehlender Fristvereinbarung abzurufen (Kapellmann-Langen, § 5 VOB/B Rn. 74). Ein solcher Abruf der Leistung nach § 5 Nr. 2 VOB/B ist von der Klägerin mehrfach begehrt worden, besonders deutlich mit Schreiben vom 3.11.2004. Dabei gehört die Bereitstellung der baulichen Anlagen zu den Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers (Kapellmann-von Rintelen, § 9 VOB/B Rn. 9). Das Unterlassen des Abrufs der Leistungen berechtigt daher zur Kündigung nach § 9 VOB/B (Kapellmann-von Rintelen, § 9 VOB/B Rn. 23); Schwierigkeiten bei fehlender Festlegung einer Abruffrist stehen dem Kündigungsrecht nicht entgegen. Es kann allenfalls schwierig sein, den Fälligkeitszeitpunkt für den Abruf zu bestimmen. Das ist vorliegend jedoch im Hinblick auf die erhebliche Zeitspanne nicht der Fall. Der Vertrag sah eine Lieferzeit "ca. Mitte 08.03" vor. Auch bei großzügiger Auslegung unter Berücksichtigung der im Bau häufig vorkommenden Verzögerungen ist nicht zweifelhaft, dass jedenfalls im November 2004 die Leistung längst zum Abruf fällig war. Tatsächlich ist ein Abruf allein deshalb nicht erfolgt, weil von der Beklagten zu vertretende Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Baumaßnahme bestanden.

Eine Beweisaufnahme zur einer Absprache dahingehend, dass die Leistung der Klägerin auf Abruf erfolgen sollte (vergl. Bl. 51, 132 GA) bedarf es daher nicht. Ebenso kann dahinstehen, ob der entsprechende Vortrag der Beklagten, wie vom Landgericht angenommen, verspätet war.

b) Nach § 9 Nr. 1 a VOB/B ist die Kündigung - anders als im BGB-Vertrag, § 643 BGB - erst nach Fristablauf auszusprechen. Das Schreiben vom 14.1.2005 geht in soweit rechtsfehlerhaft davon aus, dass allein der Fristablauf zur Vertragsaufhebung führt. Eine Kündigungserklärung ist jedoch mit Schreiben vom 14.4.2005 noch einmal ausdrücklich ausgesprochen worden.

3. Die Klägerin ist daher berechtigt, ihre Leistungen nach § 9 Nr. 3 VOB/B abzurechnen.

a) Es geht zu Lasten der Beklagten, dass durch Diebstahl im Februar 2005 Material gestohlen wurde.

Die Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Schreibens vom 14.1.2005 mit Fristsetzung bis zum 26.1.2005 in Annahmeverzug, § 295 S. 1, 2. Alt. BGB. Ein wörtliches Angebot war danach ausreichend, weil zur Bewirkung der Leistung erforderlich war, dass die Beklagte die bauseitigen Voraussetzungen schafft. Damit ist die Preisgefahr auf die Beklagte übergegangen, § 644 Abs. 1 S. 2 BGB. Aufgrund der Verantwortlichkeit der Beklagten für das auf der Baustelle befindliche Material nach Verzugseintritt kann dahinstehen, ob die Klägerin bei Anlieferung eine ausreichend gesicherte Einlagerung vorgenommen hat.

b) Der Vortrag der Beklagten, "das im September 2003 dort angelieferte Material sei unvollständig gewesen" (Bl. 135 GA) ist neu und nicht berücksichtigungsfähig. Durch die Widerklage kann neuer Vortrag nicht in das Verfahren eingeführt werden (§ 533 Abs. 2 ZPO). Erstinstanzlich war die Erbringung der abgerechneten Leistungsteile unstreitig. Die Beklagte hat zwar eine unzureichende Offenlegung der Kalkulation gerügt (Bl. 53 GA), nicht jedoch behauptet, dass das abgerechnete Material nicht geliefert worden sei. Das in Abzug gebrachte Material war aus der Abrechnung der Klägerin ersichtlich (vergl. Analgen K 5 a). Weitergehende Darlegungungen der Klägerin zum Umfange des gelieferten Materials waren daher nicht erforderlich.

c) Der Vortrag der Beklagten ist zudem pauschal, obwohl die Beklagte die Einlagerung des Materials angeordnet haben will und damit einen Überblick hatte, welche Gegenstände angeliefert wurden. Die mit der Berufungsbegründung eingereichten Lichtbilder (Bl. 142 ff. GA) lassen keinen Rückschluss auf den Umfang der gelieferten Materialien zu.

Auch soweit die Beklagte gerügt hat, es fehlten "jeweils die Aufzugskabinen sowie die Aufzugseile" (Bl. 135, 196 GA), ist nicht ersichtlich, dass in soweit eine Materialersparnis vorliegt, da die Klägerin diese Materialen nicht selbst produzieren wollte, sondern insgesamt von einer Fremdfirma bezogen hat. Dementsprechend sind die "Materialkosten/Fabrik" entsprechend der Aufstellung zum Leistungsstand (Anlage K 5 b) unabhängig von der Verbringung der Anlagenteile zur Baustelle angefallen.

c) Die grundsätzlich auch beim gekündigten Werkvertrag erforderliche Abnahme ist vorliegend entbehrlich. Da auch ein Teileinbau nicht erfolgt ist, besteht kein Bedarf für eine Abnahme; es gibt kein abnahmefähiges Teilwerk. Unter solchen Umständen ist auch im Hinblick auf die geänderte BGH-Rechtsprechung die Abnahme keine Fälligkeitsvoraussetzung (vergl. auch Kniffka-Koeble, Komp. des Baurechts, 9. Teil C Rn. 9).

4. Die Klägerin rechnet mit ihrer Schlussrechnungen vom 17.9.2007 (Anlage K 5) allein auf der Grundlage der Vertragspreise unter Anrechnung nicht erbrachter Leistungen ab. Es kann daher hinsichtlich der gestohlenen Gegenstände dahinstehen, ob in soweit auch der vollständige Vertragspreis abgerechnet werden kann.

Grundsätzlich ist angeliefertes Baumaterial nicht als erbrachte Bauleistung i.S. der VOB/B anzusehen (Kapellmann-von Rintelen, § 9 VOB/B Rn. 80). Auf das Bauvorhaben - wie hier - zugeschnittene Sonderanfertigungen sind jedoch als Auslagen zu erstatten (vergl. auch BGH NJW 1995, 1837). Insgesamt ist daher die Abrechnung nach dem Wertverhältnis der Leistungsanteile möglich. Die Abrechnung hat durch prüfbare Schlussrechnung (§§ 14, 16 VOB/B) zu erfolgen. Schlussrechnungen hat die Klägerin erteilt, die Beklagte hat diese bereits erstinstanzlich als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet. Der Minderpreis sei höher anzusetzen, die komplette Kalkulation müsse offen gelegt werden (Bl. 53 GA). Die Beklagte hat sich damit nicht, wie vom Landgericht angenommen, (allein) gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung hinsichtlich der Fälligkeit gewandt, sondern materielle Einwendungen erhoben. Solche können auch nach Ablauf der Frist gem. § 16 Nr. 3 S. 2 VOB/B geltend gemacht werden.

Die wesentlichen von der Klägerin angesetzten Minderkosten bestehen aus den Montagekosten sowie den Kosten der Gewährleistungsrückstellung. Diese hat die Klägerin einheitlich für alle drei Aufzüge mit je 14.551,33 € berechnet. Dabei hat sie eine Aufstellung zu den Minderkosten gefertigt, jedoch keine "Urkalkulation" vorgelegt. Eine dem Vertrag beigefügte Preisgleitklausel bestimmt den Anteil von Material und Fabrikfertigungslohn mit 65 % (30 % + 35 %); die Montagekosten werden mit 35 % bemessen.

Für die Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrags gilt der Grundsatz, dass die Vergütung der erbrachten Leistungen sich an dem Vertragspreis zu orientieren hat. Für die Anforderungen an die Darlegung ist der Zweck, dass eine ungerechtfertigte Bevorteilung des Unternehmers aufgrund der Kündigung ausgeschlossen werden soll, maßgeblich. Die Anforderungen an die Abrechnung sind daher auch davon abhängig, was erforderlich ist, dem Auftraggeber die Nachprüfung der Vergütungsforderung ausreichend zu ermöglichen (Kniffka/Koebel, Komp. des Baurechts, 3. A., 9.Teil C Rn. 20). Regelmäßig ist daher unzulässig, vom vereinbarten Werklohn die Fertigstellungsmehrkosten abzuziehen (Kniffka/Koebel, Komp. des Baurechts, 3. A., 9.Teil C Rn. 23). Auf der anderen Seite ist auch nicht in jedem Fall erforderlich, nachträglich Leistungspositionen zu bilden, die der Differenzierung eines Einheitspreisvertrags entsprechen.

Die vorgelegte Kalkulation genügt unter Berücksichtigung des konkreten Leistungsgegenstands den Anforderungen an eine prüfbare Abrechnung. Die Klägerin hat nicht einfach die Fertigstellungkosten abgezogen, sondern ausgehend von den vereinbarten (Netto-)Pauschalpreisen eine Aufgliederung vorgenommen. Diese umfasste die drei Bestandteile Materialkosten Fabrik (dabei handelt es sich um die von der Klägerin selbst zugekauften Aufzüge), Materialkosten Niederlassung (Material für die Endmontage vor Ort) sowie Montagekosten (Stundenlöhne für die Montagearbeiten). Weiter sind die Gewährleistungsrückstellungs- und Bürgschaftskosten ausgesondert. Diese Angaben ermöglichen in ausreichender Weise der Beklagten, die als Bauträgerin eines größeren Bauvorhabens als sachkundig angesehen werden kann, die Angemessenheit der Abzüge zu prüfen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Werkvertrag eine überschaubare, nicht aus einer Vielzahl von Leistungspositionen bestehende Arbeit zum Gegenstand hat. Der Preis der Aufzuganlagen wird im Wesentlichen durch die eigentlichen Herstellungskosten der Anlage selbst und den Personalkosten des Einbaus bestimmt.

Die Beklagte hat die Abrechnung der Klägerin nicht in substantiierter Weise bestritten. Erstinstanzlich hat sie sich darauf beschränkt, die Beträge "sämtlich dem Grunde nach und der Höhe" zu bestreiten (Bl. 53 GA). Auch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten, "dass diese Sätze zutreffend und angemessen sind" (Bl. 139 GA).

II. Die Klägerin kann weiter 911,80 € vorgerichtliche Kosten verlangen.

1. Auslagen i.H. von 18 € kann die Klägerin aus Verzug, §§ 280, 286 BGB, ersetzt verlangen. Die Kosten einer verzugsbegründenden Mahnung sind zwar nicht zu ersetzen, wohl aber nachfolgende Mahnschreiben. Auf der Grundlage des Mahnschreibens vom 3.11.2004 (Anlage K 3 c) war Verzug ab dem 12.11.2004 gegeben, so dass für das nachfolgende Schreiben vom 14.1.2005 Ersatz verlangt werden kann. Das Schreiben wurde als Einschreiben mit Rückschein versandt, ein Gesamtbetrag von 18 € für die Mahnhandlung ist angemessen, § 287 ZPO.

Die Ersatzfähigkeit kann jedoch dahinstehen, weil die 18 € im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung nicht ausgeurteilt wurden. Die Hauptsumme von 24.946,35 € bezieht sich nur auf die Schlussrechnungen; die ausgeurteilten 911,80 € auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten.

2. Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind ebenfalls aus Verzug begründet. Die Frage, ob ggf. eine Anrechnung auf die Prozesskosten zu erfolgen hat, ist Bestandteil des Kostenfestsetzungsverfahrens. Grundsätzlich ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei Zahlungsverzug gerechtfertigt, so dass die dadurch entstehenden Kosten dem üblichen Verlauf entsprechen. Gegen die Angemessenheit der Berechnung am Mittelsatz (1,3) bestehen keine Bedenken.

3. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Allerdings waren die Schlussrechnungen erst am 17.9.2007 erstellt worden, so dass in soweit Verzug erst mit der endgültigen Ablehnung durch Schreiben vom 12.10.2007 (Anlage 5c), bei der Klägerin am 15.10.2007 eingegangen, ab dem 16.10.2007 eingetreten ist.

Frühere Zinsschäden hat die Klägerin erstinstanzlich nicht begründet (vergl. Bl. 5 unten GA). Das Vorbringen in der Berufungserwiderung (dort Bl. 184 Ziff. 14) ist neu und trägt einen Zinsbeginn wie beantragt ab dem 7.2.2006 nicht. Es würde nur einen nicht beantragten errechneten Zinsschaden für Vorgänge aus dem Jahre 2004 stützen.

III. Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet. Neue Tatsachen, die von der Beklagten vorgetragen wurden, sind nicht entscheidungserheblich, so dass eine Zulassung nach § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO sachdienlich ist.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Es liegen keine Gründe nach § 543 Abs. 2 ZPO vor, die Revision zuzulassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 55.222,35 € (24.946,35 € + 30.276,00 €).

Ende der Entscheidung

Zurück