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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: I-23 U 172/03
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, BGB, AGBG


Vorschriften:

ZPO § 513
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 546
ZPO § 592 Satz 1
ZPO § 598
ZPO § 600
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
BGB § 273
BGB § 274
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 371
BGB § 768 Abs. 1 Satz 1
BGB § 770
BGB § 771
AGBG § 1
AGBG § 1 Abs. 1 Satz 1
AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Oktober 2003 verkündete Vorbehaltsurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 460.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 230.000,-- EUR für die Zeit vom 10.10. bis zum 9.12.2002 und auf 460.000,-- EUR seit dem 10.12.2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe der "Bürgschaftserklärung" der Beklagten vom 6.11.2001 über 460.000,-- EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe: A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Urkundenprozess Zahlung aufgrund einer selbstschuldnerischen Bürgschaft auf erstes Anfordern (Bl. 57 GA, Anlage K 4), die die Beklagte zugunsten der Klägerin für deren eventl. Ansprüche auf Rückzahlung von Werklohn sowie auf Schadensersatz und Vertragsstrafen übernommen hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 195 ff. GA) Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage mit Urkundenvorbehaltsurteil stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung vertritt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Auffassung, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie - die Beklagte - sich bereits erstinstanzlich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen habe. Das Landgericht habe weiter verkannt, dass die Klägerin ihre formale Rechtsstellung aus der Bürgschaft offensichtlich missbrauche, was sie - die Beklagte - der Klageforderung entgegenhalten könne. Dies folge daraus, dass die Verpflichtung des Werkunternehmers zur Stellung der Bürgschaft sich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin befinde und deshalb unwirksam sei. Im übrigen habe die Klägerin die Bürgschaftsforderung auch deshalb ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der Werkunternehmer in dem Werkvertrag zur Stellung einer derart weitreichenden, auch Schadensersatzansprüche umfassenden Bürgschaft nicht verpflichtet gewesen sei. Schließlich bestehe auch deshalb keine Bürgschaftsforderung, weil die gesicherte Forderung nicht existiere. Der Werkvertrag sei nämlich in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt. Als Saldo der Abrechnung, wie sie der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Werkunternehmers vorgenommen habe, ergebe sich aber keine Forderung der Klägerin mehr, die von der Bürgschaft gesichert sei. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Vortrag und meint im wesentlichen, die Einwände der Beklagten gegen die Bürgschaftsforderung seien allenfalls im Rückforderungsprozess zu berücksichtigen. B. Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur geringem Umfang, nämlich hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechts der Beklagten wegen ihres Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde Erfolg. Insoweit beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung, §§ 513, 546 ZPO. Im übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Soweit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB. Der Bürgschaftsvertrag, aus dem die Klägerin vorgeht, stammt von November 2001. I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 460.000,-- EUR aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Bürgschaftsvertrag. Es handelt sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern unter Verzicht auf die Einreden aus §§ 770, 771 BGB. Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen sind urkundlich belegt, § 592 Satz 1 ZPO. Das gilt zunächst für den Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung selbst, der sich aus der Bürgschaftsurkunde vom 6.11.2001 (Anlage K 4, Bl. 57 GA) ergibt. Aufgrund dieser Bürgschaft hat die Klägerin die Beklagte formal ordnungsgemäß mit Schreiben vom 4.9.2002 (Anlage K 6, Bl. 59 ff. GA) und vom 2.12.2002 (Anlage K 11, Bl. 75 GA) in Anspruch genommen. Die Klägerin bezog sich auf Schadensersatzansprüche, die nach dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde mit gesichert sind. II. Die Einwendungen, die die Beklagte hiergegen mit der Berufung erhebt, sind, mit einer Einschränkung hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechts, nicht begründet. 1. Die Beklagte beruft sich zunächst darauf, dass sie bereits erstinstanzlich ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihres Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde geltend gemacht habe. Das trifft zu (Klageerwiderung, S. 3, Bl. 91 GA). Nicht zutreffend ist dagegen die rechtliche Folgerung, die die Beklagte daraus in erster Linie zieht. Die Beklagte meint nämlich zu Unrecht, dass die Anforderung der Bürgschaft deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen sei, weil die Klägerin wegen des bestehenden Zurückbehaltungsrechts nicht gleichzeitig Zug um Zug die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde angeboten habe. Welche Voraussetzungen für eine formal ordnungsgemäße Inanspruchnahme des Bürgen zu stellen sind, ergibt sich bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern aus der Bürgschaftsurkunde. Dort ist nur von einem "ersten Anfordern" ohne weitere Einschränkungen die Rede. Die Bürgschaftsurkunde muss deshalb für eine formal ordnungsgemäße Inanspruchnahme nicht angeboten werden. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht aus Nr. 5 der Bürgschaftsurkunde. Danach erlischt die Bürgschaft mit deren Rückgabe an den Bürgen. Das hat mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Inanspruchnahme des Bürgen nichts zu tun. Allerdings ist richtig, dass der Bürge einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde aus einer entsprechenden Anwendung des den Schuldschein betreffenden § 371 BGB hat (OLG Düsseldorf, 19. Zivilsenat, NJW-RR 2003, 668). Wegen dieses Anspruchs kann der Bürge ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB mit der Rechtsfolge des § 274 BGB (Zug-um-Zug-Verurteilung) geltend machen. Das begründet aber lediglich eine Einrede des Bürgen; keinesfalls stellt das Angebot der Urkundenherausgabe eine Voraussetzung für den Anspruch des Gläubigers dar, wenn derartiges nicht in dem Bürgschaftsvertrag abweichend geregelt ist. Die Einrede muss der Bürge geltend machen, wenn er aus seinem Anspruch rechtliche Folgerungen herleiten will, die dann in einer Verurteilung des Bürgen nur zur Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde bestünden. Der Senat versteht den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten dahin, dass sie unter Berufung auf ihren Herausgabeanspruch nicht nur ihrer wirksamen Inanspruchnahme begegnen, sondern auch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB geltend machen will. Die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs sind weder streitig noch sonst problematisch und daher auch im Urkundenprozess zu berücksichtigen. Dies führt zu der nur eingeschränkten Verurteilung der Beklagten im Berufungsverfahren. 2. Die übrigen Einwendungen der Beklagten bleiben ohne Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Verpflichtete (hier die Beklagte) seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft Einwendungen aus dem Verhältnis des Gläubigers (hier die Klägerin) zum Hauptschuldner (hier die Auftragnehmerin = Gemeinschuldnerin) nur entgegensetzen, wenn der Gläubiger seine formale Rechtsstellung offensichtlich missbraucht. Das ist nur dann der Fall, wenn es offen auf der Hand liegt oder zumindest liquide beweisbar ist, dass der materielle Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist. Alle Streitfragen, deren Beantwortung sich nicht ohne weiteres ergibt, sind nicht im Erstprozess, sondern im Rückforderungsprozess auszutragen (vgl. z.B. BGH NJW 2002, 1493 m. w. Nachw.). Diese Grundsätze finden nicht nur auf Einwendungen gegen die Hauptforderung Anwendung, sondern auch dann, wenn der Bürge geltend macht, der Gläubiger sei im Verhältnis zum Hauptschuldner verpflichtet, von der Bürgschaft keinen Gebrauch zu machen, etwa weil der Gläubiger die Sicherheit mangels wirksamer Sicherungsabrede ohne Rechtsgrund erlangt habe (BGH a.a.O.). Damit verteidigt der Bürge sich mit einem aus dem Akzessorietätsprinzip des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB hergeleiteten Einwand, der im Erstprozess nur beachtet werden darf, wenn sich seine Berechtigung schon aus dem unstreitigen Sachverhalt sowie dem Urkundeninhalt ohne weiteres ergibt (BGH NJW 2000, 1563, 1564). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, die im Erstprozess nur eine sehr eingeschränkte Überprüfung der Berechtigung des Gläubigers zulassen, sind die Einwendungen der Beklagten nicht begründet, sondern im Rückforderungsprozess zu prüfen. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass damit nicht das Nachverfahren des § 600 ZPO, sondern der auf Rückzahlung der Bürgschaftssumme gerichtete Prozess nach Zahlung durch die Beklagte gemeint ist. Die Einwendungen der Beklagten sind dem entsprechend nicht allein gemäß § 598 ZPO als im Urkundenprozess unstatthaft, sondern für den vorliegenden Erstprozess endgültig zurückzuweisen. Im einzelnen geht es noch um die folgenden drei Einwendungen der Beklagten: a) Zunächst bleibt ihr Einwand ohne Erfolg, die Sicherungsabrede in dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin, der späteren Gemeinschuldnerin, sei gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Verpflichtung eines Bauunternehmers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers, zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG auch gegenüber einem Unternehmer als Auftragnehmer unwirksam ist (BGH NJW 2002, 2388). Die Beklagte macht gleichwohl ohne Erfolg unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung den Einwand des Rechtsmissbrauchs geltend. Es ist nämlich weder offenkundig noch liquide beweisbar, dass die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin über die Stellung der Bürgschaft eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH NJW 2002, 1493). aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bedingungen des Vertrages "für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert" sind im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG. Es geht nämlich nicht um ein Massengeschäft aus dem Geschäftsbereich der Klägerin, sondern um die Erstellung einer Abwasseranlage für ein Werk der Klägerin in XX. Dem von der Klägerin unter dem 9.10.2001 formulierten Vertragsentwurf (Bl. 28 ff. GA, Übersetzung Bl. 111 ff. GA) gingen Vorgespräche der Parteien voraus, die in der Präambel des Vertrages in Bezug genommen sind (insbesondere eine am 31.8.2001 getroffene Vereinbarung anlässlich eines Treffens der Parteien). Das spricht dafür, dass diese Vertragsbedingungen nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen waren, sondern nur für den einen, individuelle Besonderheiten aufweisenden Fall einer Abwasseranlage bestimmt waren. Allgemeine Einkaufsbedingungen der Klägerin gab es daneben nämlich auch, auf die ausdrücklich Bezug genommen ist ("general terms of purchase", Bl. 28 GA = Bl. 111 GA) und deren Einbeziehung nachrangig gegenüber den Bestimmungen des Vertrages vereinbart wurde. Auch das spricht dafür, dass der Vertrag anhand der Umstände des konkreten Auftrags und nicht für eine Vielzahl von Verträgen formuliert wurde. bb) Näheres hierzu kann offen bleiben. Nicht offenkundig oder liquide beweisbar ist jedenfalls, ob die Vertragsbedingungen zur Bürgschaftsabrede - ihre Formulierung für eine Vielzahl von Verträgen unterstellt - zwischen den Parteien individuell ausgehandelt wurden im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG und aus diesem Grund keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH NJW 2003, 1805, 1807 m. w. Nachw.). Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder (BGH a.a.O.). Danach liegt ein Aushandeln des Vertrages auch in Bezug auf die Bürgschaftsabrede nahe. Nach Vorlage des Vertragsentwurfs durch die Klägerin zogen sich die Vertragsgespräche über einige Wochen hin (9.10.2001: Angebot, Bl. 25 GA - 8.11.2001: Vertragsschluss, Bl. 42 GA). In dieser Zeit verhandelten die Parteien tatsächlich anhand des Vertragsentwurfs der Klägerin über die Fassung des endgültigen Vertragstextes (Bl. 46 bis 52 GA). Dabei ging es um Änderungen gerade auch an wesentlichen "gesetzesfremden" Teilen des Vertrages, nämlich die Gewährleistung/Garantien betreffend (s. die abweichende Vorstellungen der Auftragnehmerin Bl. 51 f. GA). In den geschlossenen Vertrag flossen die Änderungsvorstellungen der Auftragnehmerin mit ein, wie sich aus der Annahme der Beklagten vom 8.11.2001 (Bl. 42 GA = Anlage K 2) ergibt. Allerdings wurde die Klausel über die Stellung einer Bürgschaft selbst dabei nicht geändert. Gleichwohl kann sich aus den Vertragsgesprächen und den Verhandlungen über wesentliche Teile des Vertrages sehr wohl ein Aushandeln hinsichtlich des gesamten Vertrages, jedenfalls auch hinsichtlich der zu stellenden Sicherheiten ergeben, was gerade bei Vertragsgesprächen zwischen Unternehmern in Betracht kommt (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl. 2004, § 305 Randnr. 23). Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, dass im Rahmen der Vertragsverhandlungen auch die Zahlungsbedingungen, zu denen die Bürgschaftsabrede gehört, zur Disposition standen. Das müsste anhand der Einzelumstände der Vertragsgespräche, zu denen auch noch weiter vorzutragen wäre, aufgeklärt werden. Offenkundig ist jedenfalls das Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht; das Gegenteil liegt sogar näher. Aus der Beweislastverteilung für ein "Aushandeln", auf die die Beklagte auch verweist, ergibt sich kein abweichendes Ergebnis, auch wenn es richtig ist, dass den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 AGBG trifft (so ausdrücklich BGH NJW 2002, 1493, 1494: Dieser Beweislastverteilung kommt im vorliegenden Zusammenhang des Erstprozesses aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern keine Bedeutung zu). Offen bleiben kann daher, ob die Argumentation der Klägerin zutrifft, die fragliche Vertragsklausel sei auch dann wirksam, wenn sie sich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen befände. Die Klägerin will maßgeblich darauf abstellen, dass hier im Unterschied zu der zitierten BGH-Entscheidung nur eine Vorauszahlungsbürgschaft vorliege, die einen Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlung sichern solle, während der Bundesgerichtshof Gewährleistungs- bzw. Vertragserfüllungsbürgschaften gemeint habe. Ob dieser Gesichtspunkt zur Wirksamkeit der Klausel führen würde, ist allerdings sehr zweifelhaft, weil letztere nicht nur die Rückzahlung der Vorauszahlung, sondern auch Schadensersatzansprüche der Klägerin sichern soll. Die Klägerin geht immerhin gerade wegen derartiger Schadensersatzansprüche (u. a. wegen Nichterfüllung) aus der Bürgschaft vor. b) Die Beklagte macht auch ohne Erfolg geltend, die Klägerin habe die Bürgschaft deshalb ohne Rechtsgrund erlangt und sei dem Hauptschuldner, der Auftragnehmerin, gegenüber verpflichtet, auf ihre Rechte aus der Bürgschaft zu verzichten, weil die Auftragnehmerin nach der Sicherungsabrede nur zur Stellung einer Bürgschaft geringeren Umfangs verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte meint insoweit, die vertragliche Verpflichtung der Auftragnehmerin habe nur eine Vorauszahlungsbürgschaft geschuldet, nicht aber die weit umfassendere Absicherung auch der in der Bürgschaftsurkunde genannten Schadensersatzansprüche. Das ist offensichtlich nicht richtig. Der Vertragstext nimmt auf Seite 11 (Bl. 38 GA) nämlich ausdrücklich auf das seinerzeit beigefügte Formular ("attached form") Bezug; dabei handelt es sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Klägerin um das Formular der Anlage K 3 (Bl. 56 GA), das so ausgefüllt und von der Beklagten unterschrieben wurde (Anlage K 4, Bl. 57 GA). Damit ist auch der Inhalt dieses Formulars zum Gegenstand der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geworden. c) Schließlich wendet die Beklagte noch ohne Erfolg ein, der gesicherte Zahlungsanspruch bestehe nach der Gesamtabrechnung des Insolvenzverwalters nicht. Das betrifft eine Einwendung gegen die gesicherte Hauptschuld, die bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern gerade nicht möglich ist, sondern im Rückforderungsprozess geltend gemacht werden müsste - ganz abgesehen davon, dass sich die entsprechende Abrechnung des Werkvertrages nicht urkundlich belegen lässt. Die Richtigkeit der Abrechnung ist keineswegs offenkundig bzw. "liquide beweisbar". Die Klägerin errechnet einen abweichenden Saldo zu ihren Gunsten, der die Bürgschaftsforderung übersteigt. d) Die erstinstanzlich noch erklärte Hilfsaufrechnung verfolgt die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr weiter. Deshalb sei nur am Rande erwähnt, dass das Landgericht auch diese Einwendung der Beklagten mit Recht zurückgewiesen hat, und zwar nicht nur als im Urkundenprozess unstatthaft (§ 598 ZPO). In der Sache kann die Hilfsaufrechnung nämlich von vornherein keinen Erfolg haben. Die Gegenforderung, mit der die Beklagte aufgerechnet hat, betrifft einen angeblichen Anspruch der Hauptschuldnerin über 420.192,-- EUR als Saldo aus der Abrechnung des beendeten Werkvertrages, wie ihn der Insolvenzverwalter errechnet hatte (Schreiben vom 26.6.2003, Bl. 136 ff., 141 GA). Es fehlt deshalb schon an der für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB): Der Bürge kann nicht mit einer Forderung des Hauptschuldners aufrechnen (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl. 2004, § 387 Randnr. 5 unter Bezugnahme auf BGHZ 24, 98). Außerdem ist ohnehin mit der Beendigung des Werkvertrages ein Abrechnungsverhältnis entstanden. Wäre die Berechnung des Insolvenzverwalters zutreffend, so hätte aufgrund dieser Abrechnung die Klägerin keinen Anspruch mehr. Damit entfiele die mit der Bürgschaft gesicherte Hauptforderung, Ansprüche aus der Bürgschaft bestünden nicht, was hier aber angesichts des komplexen Sachverhaltes keineswegs offenkundig ist und daher - wie oben ausgeführt - bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht im Erstprozess, sondern im Rückforderungsprozess, u. U. nach Beweisaufnahme zu prüfen wäre. III. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Dem steht das Zurückbehaltungsrecht nicht entgegen. Die Beklagte hat sich nämlich erstmals in der Klageerwiderung auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB berufen. Das war nach Verzugseintritt. Beruft sich der Schuldner aber erst nach Eintritt des Verzuges auf das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht, wird der bereits eingetretene Verzug nicht beseitigt Der Schuldner muss vielmehr durch geeignete Handlungen den Verzug beenden, zum Beispiel seine eigene Leistung Zug um Zug gegen Bewirkung der Gegenleistung anbieten (BGH, Urteil vom 6.6.2000 - X ZR 48/98; BGH NJW 1971, 421). Das ist hier nicht geschehen. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Streitwert für das Berufungsverfahren: 460.000,-- EUR.

Ende der Entscheidung

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