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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.11.2005
Aktenzeichen: I-23 U 39/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513
ZPO § 529
ZPO § 546
BGB § 307
BGB § 310
BGB § 314
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 621 Nr. 5
BGB § 649
BGB § 651
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10.2.2005 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.153,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht, soweit die Klage abgewiesen wurde, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO. Die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Der Klägerin steht ein Vergütungsanspruch in Höhe von 13.153,12 € aus §§ 651, 433 Abs. 2 BGB zu. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist der Vertrag, der die Lieferung der Zeitschrift B für den Zeitraum von 104 Wochenausgaben durch die Klägerin vorsah, nicht durch eine Kündigung der Beklagten vorzeitig beendet worden.

1.

Die Beklagte schuldet der Klägerin die Vergütung aufgrund des als Dauerschuldverhältnis gestalteten Werklieferungsvertrages. Sie hat gemäß der Bestellung vom 27.8.2003 die wöchentlich erscheinende Kundenzeitschrift "B" abonniert. Bei dem sogen. Zeitungs- und Zeitschriftenabonnement handelt es sich in der Regel um ein kaufrechtliches Dauerschuldverhältnis (BGH Urt. v. 29.4.1987 - VIII ZR 251/86, NJW 1987, 2012, 2013; BGH Urt. v. 8.2.1978 - VIII ZR 20/77, BGHZ 70, 356, 358; RGZ 148, 154, 158; OLG Karlsruhe Urt. v. 12.7.1991- 15 U 76/91, NJW 1991, 2913 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend übernahm die Klägerin nicht nur die Liefer-, sondern auch die Herstellungsverpflichtung, da die jeweiligen Ausgaben mit einem Firmeneindruck der Beklagten zu versehen waren. Vertragscharakteristisch ist danach nicht nur die Lieferung, sondern auch die Herstellung einer neuen Sache. Daher handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag im Sinne des § 651 BGB. Der Vertrag ist, wie beim typischen Zeitungsabonnement, auf die regelmäßige Lieferung der Zeitschrift ausgerichtet, so dass er als Dauerschuldverhältnis zu bewerten ist (vgl. zur Abgrenzung des Teillieferungsvertrages vom Dauerlieferungsvertrag, dessen Leistungsumfang sich durch die Abhängigkeit von der Laufzeit ergibt und der deshalb ein Unterfall des Dauerschuldverhältnisses ist: Münchner/Kommentar/Gaier, BGB, 4. Auflage 2003, § 314 Rdnr. 8). Der Vertrag ist für die Dauer von 2 Jahren wirksam geschlossen worden. Die zeitliche Bindung verstößt nicht gegen § 307 BGB, der gemäß § 310 BGB auch zugunsten der Beklagten Anwendung findet. Eine solche Befristung des Zeitungsbezugsvertrages beinhaltet keine unangemessene Benachteiligung des Kunden (vgl. BGH Urt. v. 29.4.1987 - VIII ZR 251/86, NJW 1987, 2012 bzgl. der Erstbindung der Bezugsverpflichtung von 2 Jahren für einen nichtkaufmännischen Kunden). Die von der Beklagten in der ersten Instanz geäußerte Ansicht, die Laufzeit des Vertrages sei nicht zu bestimmen gewesen, ist angesichts der Vereinbarung über die Lieferung von 104 Wochenausgaben nicht verständlich. Nicht nachvollziehbar ist auch der Einwand, der Vertrag sei zu unbestimmt, weil ein Anfangstermin der Belieferung nicht genannt sei, so dass das Vertragsende für die Beklagte nicht zu ermitteln gewesen sei. Gemäß der Auftragsbestätigung der Klägerin sollte die Lieferung ab der Ausgabe Nr. 43 vom 24.10.2003 beginnen. Die zweijährige Laufzeit war daher für die Beklagte, zumal sie kaufmännisch tätig ist, unschwer zu berechnen. Letztlich ist auch die Verlängerungsoption für den Fall, dass der Vertrag nicht mindestens 3 Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird, nicht zu beanstanden (BGH Urt. v. 29.4.1987 - VIII ZR 251/86, NJW 1987, 2012). In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob die Regelung über die Verlängerung der Bezugsdauer bei Reduzierung der Liefermenge wirksam ist, da eine etwaige Unwirksamkeit einer solche Geschäftsbedingung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Vertrages über die Lieferung von 600 Exemplaren Bäckerblume für die Dauer von 104 Wochen hat.

2.

Die Beklagte hat das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 8.11.2003 zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Weder dieses Schreiben noch die Abnahmeverweigerung der Beklagten, die das Landgericht als Kündigung ansah, beendeten das Vertragsverhältnis.

a)

Das auf bestimmte Zeit abgeschlossene Vertragsverhältnis sieht die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung durch ordentliche, fristgemäße Kündigung unter Wegfall der Vergütungsansprüche der Klägerin nicht vor. Dies ist nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte in dem Kündigungsschreiben mitteilte, eine vorzeitige ordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Frist sei vereinbart worden, hat sie dies im Prozess nicht behauptet und nicht unter Beweis gestellt.

b)

Eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung ist entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht nicht gemäß § 621 Nr. 5 BGB gerechtfertigt. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist kein Dienstverhältnis. Selbst wenn man, wie das Landgericht, annimmt, dass die Vertragsklausel über die Verlängerung der Bezugszeit im Falle der Reduzierung der wöchentlich zu liefernden Exemplare unwirksam wäre, folgt daraus nicht ein ordentliches Kündigungsrecht nach Dienstvertragsrecht. Ist die Klausel unwirksam, gilt die ursprüngliche Vereinbarung uneingeschränkt. Kündigungsrechte für das auf bestimmte Zeit eingegangene Dauerschuldverhältnis können sich allein aus § 314 BGB, der die außerordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses regelt, und aus § 649 BGB, der gemäß § 651 BGB heranzuziehen ist, ergeben.

Im Übrigen treffen die Erwägungen des Landgerichts nicht zu. Die Parteien haben einen Vertrag über bestimmte Zeit geschlossen und damit wirksam ein vorzeitiges ordentliches Kündigungsrecht ausgeschlossen. Die Bereitschaft der Klägerin zu einer Vertragsanpassung - Herabsetzung der Liefermenge unter gleichzeitiger Verlängerung der Laufzeit bis zur Abnahme der Gesamtbestellmenge - ist weder intransparent, noch wird die Beklagte hierdurch unangemessen benachteiligt. Es ist ohne weiteres erkennbar, das eine Reduzierung der Bestellmenge je Woche nicht einseitig auf Kosten der Klägerin möglich ist, sondern zu einer ohne weiteres berechenbaren Laufzeitverlängerung bis zur Abnahme der Gesamtmenge führt. Für die kaufmännisch tätige beklagte GmbH ist die Berechnung der neuen Laufzeit unschwer möglich, dadurch wird diese nicht unbestimmt. Warum es unangemessen sein soll, wenn die Beklagte an ihrer vertraglichen Verpflichtung festgehalten wird, sofern ihr kein wichtiger Kündigungsgrund zur Seite steht, erschließt sich nicht.

c)

Die Kündigung der Beklagten ist nicht gemäß § 314 BGB als außerordentliche Kündigung mit der Folge des Freiwerdens von der Zahlungsverpflichtung gerechtfertigt. Diese Vorschrift findet auf das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung, da es sich, wie gezeigt, um ein Dauerschuldverhältnis handelt. Der Beklagten steht jedoch mangels Kündigungsgrund kein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Das fehlende Interesse der Kunden der Beklagten an der Zeitschrift ist kein Kündigungsgrund. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 BGB ist nur gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen. Störungen des Vertragsablaufs aus dem eigenen Risikobereich des Kündigenden rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung nicht (BGH NJW 1991, 1829; BGH NJW 1996, 714). Das fehlende Interesse ihrer Kunden fällt in den Risikobereich der Beklagten, so dass dieser Gesichtspunkt, auf den sich die Beklagte bei der Kündigung berief, eine außerordentlich vorzeitige Vertragsbeendigung nicht rechtfertigt.

d)

Die Kündigung der Beklagten ist keine wirksame freie Kündigung im Sinne des § 649 BGB.

Die auf einen Kündigungsgrund gestützte Kündigung kann nicht automatisch als freie Kündigung im Sinne des § 649 BGB ausgelegt oder umgedeutet werden. Eine solche Auslegung ist nur dann gerechtfertigt, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass dies dem Willen des Erklärenden entspricht und der Wille in seiner Erklärung zum Ausdruck gekommen ist (BGH Urt. v. 24.7.2003 - VII ZR 218/02, BGHReport 2003, 1320, 1321; BGH Urt. v. 26.7.2001 - X ZR 162/99, BGHReport 2001, 950). Für den Bauvertrag ist in der Regel davon auszugehen, dass eine freie Kündigung dem Willen entspricht, da nur dadurch Konflikte im Falle der Beauftragung anderer Unternehmer mit der Fertigstellung vermieden werden können (BGH Urt. v. 24.7.2003 - VII ZR 218/02, BGHReport 2003, 1320, 1321). Auch dann wenn der Auftrag sich auf die Herstellung oder Reparatur einer Sache bezieht, wird die Annahme des Willens einer Vertragsbeendigung auch mit der Konsequenz der Entschädigungszahlung häufig nahe liegen. Für das vorliegende Vertragsverhältnis mit dem Charakter einer Dauerschuldverhältnisses gilt dies aber nicht. Eine Umdeutung als freie Kündigung setzt voraus, dass der unbedingte Wille zur Vertragsbeendigung zum Ausdruck gekommen ist, d.h. deutlich ist, dass der Auftraggeber unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten will und bereit ist, die nachteiligen Folgen des § 649 BGB - Entschädigungszahlung ohne Erhalt der Gegenleistung - hinzunehmen (vgl. die zutreffenden Ausführungen von Schmidt NJW 1995, 1313, 1315). Diese Voraussetzungen für eine Auslegung bzw. Umdeutung der Kündigung als freie Kündigung liegen nicht vor. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Qualität der Zeitschrift nicht beanstandet und auch das Verhalten der Klägerin nicht als unzumutbare Belastung für eine Vertragsfortsetzung empfindet. Für den Fall, dass sie sich nicht ohne Entschädigungsverpflichtung von dem Vertrag lösen kann, ist ihr wirtschaftlich eher damit geholfen, dass sie weiter die Zeitungen bezieht und als Werbeträger einsetzen kann, als dass sie eine hohe Entschädigung ohne Erhalt einer Gegenleistung gemäß § 649 BGB zahlen muss. Anders könnte es sich verhalten, wenn sie von Dritter Seite ein ähnliches Werbeheft beziehen würde, dafür ist aber nichts ersichtlich.

3.

Der Klägerin steht der Vergütungsanspruch zu, ohne dass sie ihrerseits noch zur Lieferung von Zeitschriften verpflichtet wäre. Die Lieferzeit begann am 24.10.2003 und ist zum 24.10.2005 abgelaufen. Für die Vergangenheit schuldet die Klägerin keine Belieferung, da die Beklagte die Entgegennahme der Zeitschrift verweigert hat.

4.

Der Zinsanspruch ist aus Verzug gerechtfertigt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 710 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für einer Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert der Berufungsinstanz: 11.424 €

Ende der Entscheidung

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