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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: I-23 U 54/06
Rechtsgebiete: ZPO, StBerG, EStG, BGB, KStG, GewO, AO


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 513
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1
StBerG § 4 Nr. 5
StBerG § 5
EStG § 4
EStG § 4 d
BGB § 134
BGB § 823 Abs. 2
KStG § 5
GewO § 1
AO § 107 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 21.2.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird teilweise zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung im Zusammenhang mit der im Jahre 1993 erfolgten Beratung zur Gründung der R AG Überbetrieblichen Unterstützungskasse EV (im folgenden abgekürzt: Unterstützungskasse).

Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, nach dem Vortrag der Klägerin könne bereits das Vorliegen einer besonderen Beratung der Klägerin durch die Beklagte hinsichtlich der steuerrechtlichen Fragen bei der Gründung der Unterstützungskasse nicht festgestellt werden. Im übrigen wären die Beklagten gemäß § 4 Nr. 5 StBerG wegen der Kompliziertheit der steuerrechtlichen Aspekte zur Steuerberatung nicht berechtigt gewesen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt und diese unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen wie folgt begründet:

Das Landgericht habe die Anforderungen an einen substantiierten Klagevortrag überspannt und die Voraussetzungen verkannt, unter denen ein Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zulässig ist. Sie, die Klägerin, habe substantiiert den Abschluss eines Beratungsvertrages mit dem Inhalt vorgetragen, dass die Beklagte sie umfassend, das heißt auch im Hinblick auf die mit dem Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung für die Niederlassungsleiter verbundenen rechtlichen und steuerlichen Probleme beraten sollte und hierzu auf das Schreiben der Beklagten vom 26.3.1992 verwiesen, worin die Beklagte angeboten habe, eine entscheidungsreife Vorlage unter Berücksichtigung u.a. der steuerlichen Vorschriften zu erarbeiten. Des Weiteren sei in 1. Instanz vorgetragen worden, dass die Beklagte bereits im Gespräch vom 4.2.1992 und auch in den folgenden Gesprächen steuerliche Auskünfte erteilt habe, u.a. zu der Problematik der Überdotierung der Unterstützungskasse, zu der sie Synopsen des § 4 d EStG alt und neu zusammengestellt habe. Ferner sei in 1. Instanz auf das Schreiben der Beklagten vom 10.7.1992 und das Gespräch vom 10.7.1992 verwiesen worden. Bei dem Gespräch vom 10.7.1992 sei die Problematik der Niederlassungsleiter als atypisch stille Gesellschafter und die damit zusammenhängende steuerliche Frage der Abzugfähigkeit der Beitragsleistungen an die Unterstützungskasse erörtet worden. Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen sei nicht zulässig, da sich die Beklagte die Kenntnis ihres damals tätigen Mitarbeiters K zurechnen lassen müsse und sie nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan habe, um sich das Wissen ihres Mitarbeiters wieder zu beschaffen. Die Beklagte sei bereits 1999 darüber informiert worden, dass sie sich möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht habe. Schon damals hätten ihr Unterlagen zu dem Beratungsvorgang gefehlt. Sie hätte bei dem Zeugen K nachforschen können und müssen. Der Zeuge K sei bis 1993/1994 bei ihr angestellt gewesen, so dass sie noch Gehaltsunterlagen gehabt haben müsse. Offensichtlich habe sie nichts unternommen, um den Zeugen K ausfindig zu machen. Eine mögliche Internetrecherche reiche nicht aus. Die Äußerungen der Beklagten zum Umfang der Beratungen seien bloße Mutmaßungen. Selbst wenn diese Äußerungen erheblich sein sollten, hätte das Landgericht auf ihren, der Klägerin, substantiierten Vortrag hin Beweis erheben müssen. Durch ihre Beratung habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie auch in steuerlichen Fragen zur betrieblichen Altersversorgung Fachkompetenz in Anspruch nehme, wegen der sie von ihr, der Klägerin, beauftragt worden sei. Die Beklagte habe erkennen können, dass sie, die Klägerin, auf ihren steuerlichen Rat vertraute und diesen zur Grundlage ihrer Entscheidung, die Unterstützungskasse zu gründen, machen wollte. Dass die Beklagte Fachkompetenz auch in mit der betrieblichen Altersversorgung zusammenhängenden Fragen für sich in Anspruch nehme, werde dadurch bestätigt, dass sie im Jahre 1999 im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung in 2 ausführlichen Gutachten die steuerliche Problematik des Falles darlegte. Das Landgericht habe bei seiner weiteren Argumentation, die Beklagte wäre nach § 4 Nr. 5 StBerG zu der von ihr, der Klägerin, geschilderten umfassenden Beratung nicht berechtigt gewesen, übersehen, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.10.2005 selbst vorgetragen hat, zur steuerlichen Beratung berechtigt gewesen zu sein.

Auf den Hinweis des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO trägt die Klägerin ergänzend zur haftungsausfüllenden Kausalität und zum Schaden vor. Sie vertritt die Auffassung, es müsse ein hypothetischer Vergleich zwischen dem Vermögen der zunächst gegründeten Unterstützungskasse und dem Vermögen einer von Anfang an ohne Überdotierung gegründeten Unterstützungskasse stattfinden. Zur ergänzenden Begründung des Schadens der Niederlassungsleiterin H legt sie den Vertrag vom 20.11.2001 vor, wonach die Vereinbarung der Unterstützungskasse mit der Niederlassungsleiterin über die betriebliche Altersversorgung aufgehoben wurde mit der Maßgabe, dass die in die Unterstützungskasse eingezahlten Beiträge dem Trägerunternehmen zustehen. Die Berechtigung der Beklagten, auch Auskünfte zu steuerlichen Fragen in der Unternehmens- und Konzernbesteuerung zu erteilen, stellt die Klägerin durch Sachverständigengutachten unter Beweis. Hilfsweise macht sie einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 5 StBerG geltend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Duisburg aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 392.288,03 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszins seit Klageerhebung zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin folgende zukünftig noch entstehende Schäden zu ersetzen:

a. die Verwaltungskosten der R AG Überbetriebliche Unterstützungskasse e.V. ab dem Jahr 2005,

b. die Kosten der R AG Überbetriebliche Unterstützungskasse e.V. für die Erstellung der Buchhaltung ab dem Jahre 2005.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Begründung des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor:

Bei dem von der Klägerin behaupteten Auftragsumfang wären die durch § 4 Nr. 5 StBerG gesetzten Grenzen einer Steuerberatung deutlich überschritten worden. Ein allumfassende und anspruchsvolle Steuerberatung hätte die Klägerin zu dem gezahlten Honorar auch gar nicht erwarten können. Schließlich sei es der Klägerin in erster Linie darum gegangen, eine stärkere Bindung der Niederlassungsleiter an die Unternehmengruppe zu erreichen. Steuerliche Vorteile seien, wenn sie denn überhaupt eine Rolle gespielt hätten, offenbar eher sekundär gewesen. Es werde bestritten, dass die Niederlassungsleiterin H ohne den angeblichen Beratungfehler ihr die Einkommensgrenzen des Eigenheimzulagengesetzes überschreitendes Einkommen durch Rückstellung für einen anzuschaffenden PKW gemindert hätte. Im übrigen habe die Niederlassungsleiterin H für den Verlust ihrer Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung wahrscheinlich eine Kompensation durch eine Anhebung der Arbeitsvergütung oder anderweitige Gehaltsbestandteile bekommen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das bürgerliche Recht in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung eines zwischen ihr, der Klägerin, und der Beklagten im Jahre 1992 zustandegekommenen Beratungsvertrages zu.

1.

Allerdings ist die Annahme des Landgerichts, die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass eine steuerliche Beratung durch die Beklagte vereinbart worden sei und tatsächlich auch stattgefunden habe, rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat zu hohe Anforderungen an die Substantiierungspflicht gestellt und darüber hinaus konkreten Vortrag der Klägerin übergangen. Nach der Rspr. des BGH (NJW 2005, 2710, 2711) ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, so weit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Solches kann allenfalls dann bedeutsam werden, wenn der Gegenvortrag dazu Anlass bietet, etwa weil infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt. Hier hat die Klägerin auf den Hinweis des Landgerichts mit Schriftsatz vom 24.5.2005 sogar konkrete Einzelheiten zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen, den Gesprächspartnern, ihren Fragen in den Beratungsgesprächen und über den Inhalt der von den Mitarbeitern der Beklagten hierauf erteilten Auskünfte vorgetragen. Danach will sie die Beklagte nach einem ersten Gespräch ihres Mitarbeiters P mit dem Sachbearbeiter der Beklagten K und 2 weiteren Mitarbeitern der Beklagten Dr. B und Frau G am 4.2.1992 (Aktenvermerk K 36) mit der umfassenden Beratung hinsichtlich des Aufbaus einer betrieblichen Altersversorgung für die Leiter ihrer Beratungsstellen (Niederlassungen) in den neuen Bundesländern beauftragt und dabei zum Ausdruck gebracht haben, dass sie auch die steuerlichen Fragen, die mit der Gründung einer Unterstützungskasse zusammen hingen, nicht selbst lösen, sondern von der Beklagten geklärt wissen möchte. Ihr Mitarbeiter P, so die Klägerin, habe in diesem Zusammenhang betont, dass es der Klägerin gerade auf die steuerliche Abzugsfähigkeit ihrer Einzahlungen in die Unterstützungskasse und auch darauf ankomme, dass Steuern nur bei den Niederlassungsleitern und dort auch erst im Zeitpunkt des Erhalts von Leistungen der Unterstützungskasse anfallen. Der damalige Sachbearbeiter der Beklagten K habe diese Vorgaben unter Einschluss der ihm mit Anschreiben vom 17.2.1992 (K37) übersandten Verträge der Niederlassungsleiter geprüft und sei zunächst in seinem Schreiben vom 26.3.1992 (K 3) von einer Mitunternehmerschaft der Niederlassungsleiter ausgegangen, weil er unterstellt habe, dass nicht nur deren Gesellschaftsvertrag, sondern auch deren Anstellungsvertrag mit der Klägerin geschlossen worden sei. In einem 2. Besprechungstermin vom 25.6.1992, an dem für die Klägerin ihre jetzige Geschäftsführerin B und ihr Mitarbeiter P sowie für die Beklagte Herr K und Frau G teilgenommen hätten, sei im Zusammenhang mit der Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Beitragsleistungen an die Unterstützungskasse die Problematik der Niederlassungsleiter als atypische stille Gesellschafter erörtert worden. Dabei hätten die Gesprächsteilnehmer untereinander geklärt, dass die Dienstverträge der Niederlassungsleiter nicht mit der Klägerin, sondern mit den jeweiligen Niederlassungen geschlossen worden seien. Die Mitarbeiter der Beklagten seien daraufhin zu dem Schluss gekommen, dass es zu keiner überwiegenden Versorgung der atypischen stillen Gesellschafter kommen könnte, wenn nicht nur der Niederlassungsleiter, sondern auch der Stellvertreter und weitere Angestellte einer Niederlassung durch die Unterstützungskasse versorgt werden. Das Ergebnis dieser Besprechung habe Herr K in seinem Schreiben vom 10.7.1992 nochmals bestätigt. Die von der Beklagten geprüfte Frage der überwiegenden Versorgung der Niederlassungsleiter sei nur in steuerlicher Hinsicht gemäß § 5 KStG i.V.m. § 4 EStG relevant gewesen. Die Prüfung der steuerlichen Fragen durch die Beklagte ergäben sich auch aus den mit Schreiben vom 10.7.1992 übersandten Unterlagen, darunter ein Vergleich der steuerlichen Auswirkungen der Rechtsform der Unterstützungskasse als eingetragener Verein und als GmbH und eine Synopse des § 4 d EStG alt und neu, woraus zu entnehmen gewesen sei, wann eine Überdotierung der Unterstützungskasse eintreten könnte. Schließlich hätten die Geschäftsführerin der Klägerin und Herr K nochmals am 10.7.1992 über steuerliche Belange, insbesondere darüber gesprochen, dass der Personenkreis der Begünstigten aus der Unterstützungskasse auf jeden Fall erweitert werden müsse.

Nach diesem Vortrag erfasste der Beratungsvertrag der Parteien auch die Prüfung der für die Entscheidung der Klägerin ausschlaggebenden Fragen der steuerlichen Abzugsfähigkeit ihrer Einzahlungen in die Unterstützungskasse, der Steuerbefreiung der Unterstützungskasse und der Steuerpflicht der Niederlassungsleiter erst im Zeitpunkt des Erhalts von Leistungen aus der Unterstützungskasse. Die Beantwortung all dieser Steuerfragen hing nämlich davon ab, ob die Niederlassungsleiter, die atypische stille Gesellschafter waren, im steuerrechtlichen Sinne als Mitunternehmer anzusehen waren.

2. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin in nicht erheblicher Weise mit Nichtwissen bestritten. In der Klageerwiderung hat sie ausgeführt, sie könne zur Klärung der Details aller angeblichen mündlichen Zusagen des Beraters K sowie der behaupteten Besprechungen und Besprechungsergebnisse wenig beitragen, da Herr K die A-Gruppe bereits 1993 oder 1994 verlassen habe und über Branchen- sowie Internet-Recherchen nicht auffindbar gewesen sei. Auf Seite 6 ihres Schriftsatzes vom 10.8.2005 hat sie den von der Klägerin behaupteten Inhalt der Besprechung vom 25.6.1992 bestritten, allerdings nicht behauptet, dass sie sich inzwischen bei den Gesprächspartnern der Klägerin informiert habe. Im übrigen hat sie ausgeführt, die überreichten Urkunden bestätigten nicht den Vortrag der Klägerin, und hat in diesem Zusammenhang Vermutungen angestellt, welche andere Bedeutung die von der Klägerin zitierten Stellen in den überreichten Urkunden haben könnten. Auch in 2. Instanz hat sie nicht den Versuch unternommen, Herrn K ausfindig zu machen und bei ihm Erkundungen über den tatsächlichen Verlauf der Beratungsgespräche einzuziehen, obwohl sie vom Senat darauf hingewiesen worden ist, dass Bedenken gegen die Erheblichkeit ihrer Einlassungen bestehen. Sie hat nicht einmal vorgetragen, dass sie sich bei ihren Mitarbeitern Frau G oder Herrn Dr. B, die die Klägerin ebenfalls als ihre Gesprächspartner benannt hat, nach dem Gang der Beratungsgespräche aus dem Jahre 1992 erkundigt hat. Vor diesem Hintergrund ist ihr Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig. Nach der Rspr. des BGH (NJW 1999, 53/54) findet zwar die Zurechnung fremden Wissens nur bei gesetzlicher Vertretung statt, mit der Folge, dass die Beklagte sich das Wissen ihrer Mitarbeiter nicht zurechnen lassen muss. Die Partei trifft aber eine Erkundigungspflicht, wenn es sich um Vorgänge im Bereich von Personen handelt, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH a.a.O.). Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte dieser Pflicht nachgekommen ist, insbesondere alles ihr Zumutbare getan hat, um den derzeitigen Aufenthaltsort des Herrn K ausfindig zu machen. Ihre Branchen- und Internetrecherchen betreffend Herrn K reichen zur Erfüllung ihrer Erkundigungspflicht nicht aus. Folglich muss sie sich so behandeln lassen, als habe sie den Vortrag der Klägerin zugestanden.

3. Der von der Klägerin geschilderte Vertrag verstößt jedoch gegen § 5 StBerG und ist deshalb gemäß § 134 BGB nichtig (zu den Folgen eines Verstoßes gegen § 5 StBerG vgl. Urteil des BGH vom 14.4.2005, IX ZR 109/04, NJW-RR 2005, 1290).

Ohne Rechtsverstoß ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte nach der Vorschrift des § 4 Nr. 5 StBerG, die hier allein in Betracht zu ziehen ist, keine Hilfe in Steuersachen leisten darf. Der Senat hält nach erneuter Beratung nicht mehr an seiner hiervon im Hinweisbeschluss vom 16.5.2006 geäußerten abweichenden Auffassung fest.

a. Es bestehen schon Bedenken, ob die Beklagte, obwohl sie in der Rechtsform einer GmbH tätig wird, ein Handelsgewerbe i.S.des § 4 Nr. 5 StBerG betreibt. Nach § 1 GewO betreibt derjenige ein Gewerbe, der eine selbstständige, auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit fortgesetzt ausübt. Hiervon auszunehmen sind nach traditionellem Verständnis die so genannten freien Berufe, bei denen die wissenschaftliche Ausbildung des Berufsträgers, die eher persönliche, nicht primär auf Gewinnerzielung bedachte Dienstleistung und das Überwiegen geistiger Arbeit gegenüber dem Kapitaleinsatz im Vordergrund stehen. Unternehmensberater, wie die Beklagte, die auf fundierter betriebswirtschaftlicher Grundlage Dienstleistungen erbringen, sind grundsätzlich nicht den Gewerbetreibenden, sondern den freien Berufen zuzurechnen. Es wird die Auffassung vertreten, dass die - nur den kaufmännischen Unternehmen vorbehaltene, den freien Berufen aber verschlossene - Privilegierung in § 4 Nr. 5 StBerG (und auch in § 5 Nr. 1 RBerG) nicht von Gründung und Handelsregistereintragung einer GmbH oder AG abhängig sein soll, es vielmehr allein auf die Art der unternehmerischen Tätigkeit ankomme (Berger: Rechtsberatung durch Unternehmensberater, NJW 1990, 2355 f; Meurers-Kuhls-Maxl-Schäfer-Goez, Steuerberatungsgesetz, § 4 Rdn. 59). Der BGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 23.1.1981 I ZR 30/79 (NJW 1981, 873) offen gelassen. Auch der Senat legt sich hierzu nicht fest, da eine weitere Voraussetzung für die Privilegierung des § 4 Nr. 5 StBerG nicht erfüllt ist.

b.

§ 4 Nr. 5 StBerG gestattet eine Steuerberatung nur für den Fall, dass sie mit der eigentlichen Berufstätigkeit des Unternehmers "in unmittelbarem Zusammenhang" steht. Das bedeutet, dass es sich bei der Steuerberatung, damit diese erlaubt ist, nicht um einen Teil der eigentlichen Beratungsaufgabe selbst handeln darf, sondern nur um eine Hilfs- oder Nebentätigkeit im Rahmen der eigentlichen Berufsaufgabe.

Die Merkmale, nach denen zu beurteilen ist, ob der unmittelbare Zusammenhang gewahrt ist, ergeben sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung in § 4 Nr. 5 StBerG. Diese Regelung ist aus § 107 a der Reichsabgabenordnung (AO) - der früheren Vorschrift über die Befugnisse zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen - in das StBerG übernommen worden. Diese Vorschrift war durch das Gesetz zur Vergütung von Missbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung (RBerG) vom 13.12.1935 (RGBI, 1478) in die Reichsabgabenordnung eingefügt worden. Mit dem RBerG sollte erreicht werden, dass die uneingeschränkte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nur von Personen wahrgenommen wird, die hinreichende Gewähr für die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit bieten. Hiervon sind Ausnahmen aus der Erwägung vorgesehen worden, dass die davon betroffenen Personengruppen im Rahmen ihrer Berufsausübung zwangsläufig in die Lage kommen, sich auch mit rechtlichen Angelegenheiten anderer zu befassen. Die Ausnahmen sollen dazu dienen, einem Unternehmer die Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht deshalb unmöglich zu machen oder zu erschweren, weil sie mit einer rechtsberatenden Tätigkeit verbunden ist. Der für die Ausnahmen maßgebende unmittelbare Zusammenhang fehlt danach, wenn die eigentliche Unternehmertätigkeit auch ohne die Rechtsbesorgung sinnvoll durchgeführt werden kann (BGH Urteil vom 6.11.1973, VI ZR 194/71, BGHZ 61, 317 (320); BFH Urteil vom 13.3.1997 VII R 11/77, BStBl II 1979, 591 - 593).

Hier hätte die - unstreitige - Beratungsleistung der Beklagten im Zusammenhang mit der Gründung der R AG Überbetriebliche Unterstützungskasse EV auch ohne die - streitige - Hilfeleistung in Steuersachen sinnvoll durchgeführt werden können, etwa dadurch, dass die Klägerin entweder selbst die Steuerfragen klärte oder andere Steuerfachleute hinzuzog. Nach dem Klägervortrag beruhte die Hilfeleistung in Steuersachen ausschließlich auf der Gestaltung des Vertragsverhältnisses, wonach die Klägerin zusätzlich zu der betriebswirtschaftlichen Beratung der Beklagten die Klärung der für sie ausschlaggebenden Steuerfragen forderte. Es lag in der Hand der Beklagten, von der untersagten Hilfeleistung Abstand zu nehmen und gleichwohl die betriebswirtschaftliche Beratung fortzusetzen. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin die der Beklagten untersagte Hilfeleistung erwartete und der Vertrag möglicherweise nicht geschlossen worden wäre, wenn sich die Beklagten nicht zu der untersagten Hilfeleistung in Steuersachen bereit erklärt hätten. Die Herstellung eines künstlichen - lediglich vertraglich gestalteten - Zusammenhangs genügt für die Annahme einer gemäß § 4 Nr. 5 StBerG gestatteten Steuerberatung nicht (BFH a.a.O; Meurers, a.a.O. Rdn. 67 -69). Allein daraus, dass der Kundenkreis für die Beklagte möglicherweise kleiner wird, wenn sie die untersagte Hilfeleistung in Steuersachen nicht ausübt, kann noch nicht gefolgert werden, dass sie ihre betriebswirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr sinnvoll durchführen kann. Würde man in Fällen - wie dem vorliegenden - dem Wirtschafts- und Unternehmensberater, der regelmäßig viele steuerliche Aspekte zu berücksichtigen hat, die Hilfeleistung in Steuersachen erlauben, würde die Steuerberatung leicht zu einem Teil des Hauptgeschäfts und ein weiterer Rechtsbesorgungsberuf geschaffen. Dies ist jedenfalls in den 1992 und derzeit gültigen Gesetzen nicht vorgesehen.

4.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) wegen mangelnder Aufklärung zu.

Das Verbot des § 5 StBerG richtet sich allerdings nur gegen den Berater, nicht gegen dessen Kunden. Demgemäß ist es die Pflicht des Hilfeleistenden, den Kunden auf die Grenzen seiner Leistungsbefugnis unmissverständlich hinzuweisen und eine weiter gehende Tätigkeit abzulehnen (BGH Urteil vom 14.4.2005 IX ZR 109/04, NJW-RR 2005, 1290 - 192). Hier bestand jedoch eine solche Aufklärungspflicht nicht, weil die Klägerin eine Steuerberatungsgesellschaft ist, die besser als das beklagte Wirtschafts- und Beratungsunternehmen hätte darüber informiert sein müssen, dass die Beklagte mit der Übernahme der Hilfe in Steuersachen die Grenzen ihrer Leistungsbefugnis überschritt.

5.

Der Klägerin steht schließlich auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 5 StBerG zu.§ 5 StBerG ist zwar Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB und schützt nicht nur wichtige Gemeinschaftsgüter wie die Steuerrechtspflege, sondern auch die Steuerpflichtigen vor unsachgemäßer Beratung und Vertretung durch unfähige und ungeeignete Berater (BGH a.a.O.). Die Klägerin ist jedoch als Steuerberatungsgesellschaft nicht in den Schutzbereich des § 5 StBerG einbezogen, da sie besser als die Beklagte hätte darüber informiert sein müssen, dass diese mit der Übernahme der Hilfe in Steuersachen die Grenzen ihrer Leistungsbefugnis überschritt. Zweck der § 823 II BGB, § 5 StBerG ist nicht , einen Mandanten zu schützen, der bewusst eine steuerliche Beratung in die Hände eines hierzu nicht befugten Beraters legt. Dieser Mandant geht bewusst das Risiko ein, das sich aus der fehlenden Qualifikation des Beraters ergibt (Senat, Urteil vom 20.4.2004 - 23 U 124/03, GI 2005, 45; OLGR 2006, 238; zu diesem Urteil ist die oben zitierte Entscheidung des BGH ergangen).

6.

Im übrigen scheiden Schadensersatzansprüche der Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht der Unterstützungskasse aus den unter II. 2. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 16.5.2006 genannten Gründen (unschlüssige Darlegung zur haftungsausfüllenden Kausalität und zum Schaden), auf die verwiesen wird, aus.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zu den unter I 3, 4 und 5 abgehandelten Fragen zugelassen.

Streitwert für die 2. Instanz: 492.288,03 Euro

Ende der Entscheidung

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