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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.04.2005
Aktenzeichen: I-23 W 10/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 485
ZPO § 494a Abs. 1
ZPO § 494a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 21.9.2004 teilweise, nämlich hinsichtlich der Kostenentscheidung geändert. Die Anträge der Antragsgegnerin und der Streithelferin, der Antragstellerin einen Teil der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt die Streithelferin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin erstellte durch die Streithelferin als Subunternehmerin aufgrund eines Werkvertrages aus dem Jahre 1990 im Auftrag der Antragstellerin den Fußboden einer Werkshalle. Zur Feststellung von Mängeln, insbesondere von Rissen im Boden, beantragte die Antragstellerin 2001 beim Landgericht die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens. Vor Abschluss des Verfahrens führte die Streithelferin im Jahre 2003 eine umfassende Sanierung des Hallenbodens durch. Die Antragstellerin hat daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt.

Sowohl die Antragsgegnerin als auch die Streithelferin haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt, der Antragstellerin 96 % der Verfahrenskosten und der Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss antragsgemäß entschieden. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, eine Kostenentscheidung sei im selbständigen Beweisverfahren in Konstellationen der vorliegenden Art nicht zulässig.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat ihr zu Unrecht den überwiegenden Teil der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens und der Nebenintervention auferlegt. Eine Kostenentscheidung ist im vorliegenden Fall trotz der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien nicht, auch nicht analog § 91a ZPO möglich.

1. Im selbständigen Beweisverfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung (BGH NJW-RR 2004, 1005 = BauR 2004, 1181 = MDR 2004, 715 = BGHReport 2004, 854 m. w. Nachw.). Die Anordnung der Beweiserhebung bedeutet weder eine Entscheidung über ein Recht oder einen Anspruch, noch ergeht die Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten eines anhängigen oder künftigen Erkenntnisverfahrens zwischen den Parteien, neben dem oder zu dessen Vorbereitung das selbständige Beweisverfahren stattgefunden hat (BGH a.a.O.). Soweit eine Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren von der Prozessordnung überhaupt vorgesehen ist, erfolgt sie gegen den Antragsteller (§ 494a Abs. 2 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat daher bereits mit Beschluss vom 12.2.2004 (a.a.O.) entschieden, dass die einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers im selbständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung gegen den Antragsgegner ermögliche.

Dies gilt jedenfalls, soweit in der einseitigen Erledigungserklärung nicht eine Rücknahme des Antrags zu sehen ist, was eine Pflicht des Antragstellers zur Kostentragung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Folge hat (BGH BauR 2005, 133 = NZBau 2005, 42 = MDR 2005, 227). In zuletzt genannter Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen, wie zu entscheiden ist, wenn die Rücknahme auf einem Ereignis beruht, das - wie hier die Sanierung des Bodens - das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen lässt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist es in derartigen Fällen nicht möglich, die Erledigungserklärung des Antragstellers zudem bei nachfolgender Zustimmung der Gegenseite als eine Antragsrücknahme mit der zwingenden Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auszulegen.

2. Ob im Fall der hier gegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärung eine Kostenentscheidung entsprechend § 91a ZPO möglich ist, hat der Bundesgerichtshof bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden. Die Frage ist in Literatur und Rechtsprechung streitig. Die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung bejahen z. B. OLG Hamm (OLGR 1999, 220), OLG München (BauR 2000, 139 = NJW-RR 2000, 1455), OLG Dresden (BauR 2003, 1608), LG Potsdam (BauR 2003, 1435), Thomas/Putzo, (ZPO, 29. Aufl. 2004, § 494a Rdn. 6); Zöller/Herget (ZPO, 25. Aufl. 2005, § 494a Rdn. 5). Verneint wird die Frage z. B. von OLG Hamburg (MDR 1998, 242 = OLGR Hamburg 1997, 403), OLG Dresden (NJW-RR 1999, 1516), OLG Stuttgart (BauR 2000, 445), KG (BauR 2001, 1951 = MDR 2002, 422), Baumbach/Lauterbach/Hartmann (ZPO, § 91 Rdn. 193).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist auf die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses abzustellen (KG a.a.O.). Eine solche sachlich-rechtliche Prüfung ist aber im selbstständigen Beweisverfahren nicht möglich, denn Gegenstand dieses Verfahrens sind nicht materielle Ansprüche, sondern nur einzelne Beweisfragen (vgl. z. B. KG a.a.O.). Deshalb kann in diesem Verfahren grundsätzlich nicht beurteilt werden, wie ein fiktiver Prozess, in dem die nämlichen Beweisfragen eine Rolle spielen, ausgegangen wäre. Eine Kostenentscheidung entsprechend § 91a ZPO ist auch nicht mit dem Argument als zulässig anzusehen, es komme nicht auf eine materiell-rechtliche Prüfung an, sondern der nach billigem Ermessen zu berücksichtigende Sach- und Streitstand beziehe sich lediglich auf die verfahrensmäßigen Voraussetzungen des Beweissicherungsantrages gemäß § 485 ZPO. Eine solche kostenmäßige Bewertung des selbstständigen Beweisverfahrens widerspricht dem Grundsatz, dass sich die Kostentragungspflicht grundsätzlich nach dem materiellen Ergebnis des Hauptprozesses und der Notwendigkeit der Kosten für die Rechtsverfolgung beurteilt (KG a.a.O.). Es ist nicht ersichtlich, warum für den Fall, dass es nicht zum Hauptsacheprozess kommt, für die Kostentragungspflicht andere Kriterien und ein anderer Maßstab entscheidend sein sollen (KG a.a.O.).

3. Eine Kostenentscheidung gegen die Antragstellerin nach § 494a Abs. 2 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Vorschrift (erfolglose Frist zur Klageerhebung) hier nicht vorliegen. Ein Antrag der Antragsgegnerin gemäß § 494a Abs. 1 ZPO wäre auch zurückzuweisen, nachdem die Mängel beseitigt worden sind (vgl. BGH NJW-RR 2003, 454 = BauR 2003, 575).

4. Den Parteien verbleibt der Rückgriff auf den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, 13. Teil Rdn. 87). Denkbar ist auch eine Klage der Antragstellerin auf Feststellung, dass die Antragsgegnerin zur Mangelbeseitigung verpflichtet war. Ist die Klage erfolgreich und erreicht die Antragstellerin eine Kostengrundentscheidung zu ihren Gunsten, so sind hiervon auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens erfasst (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1005).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde mit Blick auf die bislang in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortete Frage, ob im selbständigen Beweisverfahren bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen eine Kostenentscheidung analog § 91a ZPO zu ergehen hat, gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu.

Wert für das Beschwerdeverfahren: bis 3.500,-- €.

Ende der Entscheidung

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