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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: I-23 W 26/06
Rechtsgebiete: StBGebV, GKG, ZPO


Vorschriften:

StBGebV § 11
StBGebV § 33 Abs. 1
StBGebV § 33 Abs. 4
StBGebV § 33 Abs. 1
StBGebV § 34 Abs. 5
StBGebV § 35 Abs. 1 Nr. 6
GKG § 8 a.F.
GKG § 66 Abs. 2 n.F.
GKG § 66 Abs. 8
GKG § 72 Nr. 1 Halbsatz 2
ZPO § 293
ZPO § 402
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach teilweise geändert.

Die durch die Beauftragung der Sachverständigen S entstandenen Kosten werden in Höhe von 2.913,34 € niedergeschlagen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat in dem vorliegenden Rechtsstreit die Rückzahlung von Steuerberaterhonorar geltend gemacht, da der Beklagte nach seiner Darstellung unberechtigte Gebühren berechnet hatte. Der Beklagte hat seinerseits Widerklage wegen nicht bezahlter Honorarrechnungen erhoben. Mit Beschluss vom 16.4.2003 hat das Landgericht die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen angeordnet:

1. Waren die von der Zeugin K vorgenommenen Vorarbeiten in Gestalt der Vorkontierung für die Finanzbuchhaltung und die Verbuchung so fehlerhaft und unvollständig, dass der Beklagte sie gleichsam neu vornehmen musste?

2. Standen dem Beklagten die für die Buchführung berechneten Homnorare nach § 33 Abs. 1 StBGebV in Höhe von 7/10 einer vollen Gebühr zu?

3. Standen dem Beklagten die für den Einsatz von EDV-Programmen berechneten Honorare nach § 33 Abs. 4 StBGebV zu?

4. Standen dem Beklagten die für die Anlagenbuchhaltung und schriftlichen Erläuterungsberichte gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 und § 33 Abs. 1 StBGebV in Rechnung gestellten Gebühren zu?

5. War die mehrfach vorgenommene Berechnung von mehr als einer halben Stunde für die Prüfung von steuerbescheiden, die nicht von den Erklärungen abwichen, berechtigt?

6. War es zulässig, für mehrere an einem Tag vorgenommene Tätigkeiten, die jeweils nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, jeweils eine halbe Stunde zu berechnen?

7. War die Berechnung eines Stundensatzes in Höhe von DM 130,00 für sonstige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Lohnbuchhaltung gemäß § 34 Abs. 5 StBerGebV angemessen?

8. Hat der Kläger hinsichtlich der sonstigen auf den Seiten 9ff der Klageschrift vom 16.4.2002 (Bl. 9 ff d.A.) aufgeführten angeblichen Überfrakturierungen unberechtigt abgerechnet?

9. Ist die von dem Beklagten angestellte Neuberechnung der Anlagenbuchung (Bl. 137 d.A.) zutreffend?

10. In welcher Höhe hat der Beklagte nach den Feststellungen zu den vorstehenden Beweisfragen unberechtigt abgerechnet?

Die Sachverständige fertigte zu den Fragen das Gutachten vom 30.4.2004 für das sie 3.169,12 € erhielt. Mit Beschluss vom 29.9.2004 beauftragte das Landgericht die Sachverständige mit einem Ergänzungsgutachten im Hinblick auf die schriftsätzlich vorgetragenen Fragen und Stellungnahmen der Parteien und wies zugleich darauf hin, dass, sollten rechtliche Fragen zu beantworten sein, zunächst die Stellungnahme der Kammer einzuholen sei. Für ihr Ergänzungsgutachten erhielt die Sachverständige 571,88 €. In der Sitzung vom 9.6.2005 hörte das Landgericht die Sachverständige an, die für die Terminswahrnehmung 348,23 € berechnete. Mit Beschluss vom 18.8.2005 beauftragte das Gericht die Sachverständige, nach Maßgabe der rechtlichen Hinweise der Kammer die sich auf den Rechnungen des Steuerberaters ergebenden Überfakturierungen insgesamt neu zu berechnen. Für das daraufhin erstellte Gutachten erhielt die Sachverständige 1.053,28 €.

Mit dem am 15.12.2005 verkündeten Urteil gab das Landgericht der Klage unter Abweisung der Widerklage teilweise statt und verurteilte den Kläger 29 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Kläger beantragt 50 % der Kosten der Sachverständigen, die sich auf insgesamt 5.141,51 € belaufen, wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen, da die Sachverständige mit der Klärung von Rechtsfragen beauftragt worden sei. Mit Beschluss vom 8.2.2006 hat das Landgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

Die Zulässigkeit der Beschwerde des Klägers richtet sich gemäß § 72 Nr. 1 Halbsatz 2 GKG nach dem Gerichtskostengesetz in der seit dem 5.5.2004 geltenden Fassung. Die Frage der Begründetheit des Rechtsmittels ist hingegen nach der alten Fassung des GKG zu beurteilen, da der zugrunde liegende Rechtsstreit vor dem 1.7.2004 anhängig geworden ist, § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG:

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 GKG n.F. zulässig und nach § 8 GKG a.F. teilweise begründet.

Gerichtskosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nach § 8 GKG nicht erhoben. Eine Niederschlagung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung kommt aber nur wegen eines offensichtlich schweren Verfahrensfehlers oder einer offensichtlichen, eindeutigen Verkennung des materiellen Rechts in Betracht (BGH Beschl. v. 4.5.2005 - XII ZR 217/04 = BGH-Report 2005, 1221; Beschl. v. 10.3.2003 - IV ZR 306/00 = NJW-RR 2003, 1294; OLG Düsseldorf Beschl. v. 15.6.1994 - 10 W 73/9 = JurBüro 1995, 45; OLG Koblenz Beschl. v. 15.10.2001 - 11 WF 624/01 = FamRZ 2002, 1644; OLG München Beschl. v. 10.3.2002 - 11 W 891/03 = NJW-RR 2003, 1294; OLG Stuttgart Beschl. v. 17.3.2005 - 8 W 71/05 = NZBau 2005, 640; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG a. F., § 8 GKG Rdn. 10; Meyer GKG n. F., 6. Aufl., § 21 Rn. 2, 5; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, §21GKG n. F. 8ff). Denn es ist nicht Zweck des Kostenniederschlagungsverfahrens, die im Rechtsstreit vertretenen unterschiedlichen Rechtsansichten in materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Hinsicht nach Abschluss des Rechtsstreits einer weiteren Klärung oder gar obergerichtlichen Überprüfung zuzuführen. § 8 GKG führt deshalb nicht zu einer Überprüfung einer richterlichen Sachentscheidung und des dabei eingeschlagenen Verfahrens. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 8 GKG liegt vielmehr nur dann vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (OLG Koblenz, a.a.O.). Weitere Voraussetzung für eine Niederschlagung von Kosten ist, dass zusätzliche Kosten aufgrund der unrichtigen Sachbehandlung entstanden sind, diese also i.S.d. Adäquanztheorie durch die unrichtige Sachbehandlung verursacht worden sein (Meyer, a.a.O. Rn. 7; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., Rn. 9; Hartmann, a.a.O. Rdn. 41).

1.

Soweit das Gericht zur Beurteilung inländischen Rechts ein Sachverständigengutachten einholt, liegt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 8 GKG vor, weil die Anwendung inländischen Rechts originäre richterliche Aufgabe ist, die einem Sachverständigen nicht überlassen werden darf. Ein Sachverständigengutachten gemäß § 402 ZPO ist ein Beweismittel zur Feststellung von Tatsachen, nicht zur Feststellung der Rechtslage. Der Sachverständige hat nicht die Aufgabe, den entscheidungserheblichen Prozessstoff zusammenzustellen, zu ordnen oder in rechtlicher Hinsicht zu bewerten. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Beweisaufnahme nur über streitige Tatsachen, nicht aber Rechtsnormen durchzuführen ist, sieht das Gesetz nur in § 293 ZPO bezüglich der Feststellung ausländischen Rechts, Gewohnheitsrechts oder von Statuten vor. Für die Auslegung inländischen Rechts gilt dies nicht, auch wenn es sich um komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge handelt (OLG Brandenburg Beschl. v. 2.10.2003 - 9 UF 221/02 = FamRZ 2004, 1662).

a)

Das Landgericht hat die Sachverständige zum Teil mit der Beantwortung reiner Rechtsfragen beauftragt. Dies betrifft die Beweisfragen des Beschlusses vom 16.4.2003 zu Ziffern 2, 3, 4, 6, 9 und 10. Es ist Sache des Gerichts, über den Anfall und die Angemessenheit der nach § 11 StBGebV berechneten Rahmengebühren zu entscheiden und festzustellen, ob der Steuerberater berechtigt oder unberechtigt abgerechnet hat. Dies darf nicht einem Sachverständigen überlassen werden, vielmehr darf dieser nur beauftragt werden, soweit die zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen einer Klärung bedürfen. Die Kammer hat nach Wechsel der Besetzung im Beschluss vom 29.9.2004 selbst darauf hingewiesen, dass die Rechtsfragen vom Gericht zu entscheiden sind. Tatsächliche Fragen, die als Grundlage zur nachfolgenden rechtlichen Bewertung zu klären waren, enthalten lediglich die Beweisfragen Ziff. 1 und eingeschränkt auch die Fragen zu Ziff. 5, 7 und 8 des Beschlusses. Die Beweisfrage zu Ziffer 1. bezog sich auf Feststellungen zu den vom Steuerberater zu bearbeitenden Unterlagen und zu etwaigen Erschwernissen. Zur Beantwortung der Fragen Ziffern 5, 7 und 8 waren auch die streitigen tatsächlichen Grundlagen des Gebührentatbestandes zu ermitteln.

b)

Das ergänzende Gutachten vom 26.1.2005, das die Kammer aufgrund der Stellungnahmen der Parteien einholte, befasst sich im Wesentlichen mit Feststellungen zu streitigen Tatsachenfragen, auch wenn zusätzlich Rechtsfragen erörtert und "Vorschläge" zur Angemessenheit von Gebühren unterbreitet werden. Dies gilt auch für die Anhörung der Sachverständigen im Termin vom 9.6.2005.

c)

Die Neuberechnung der Steuerberaterforderungen hat das Landgericht unzulässigerweise mit Beschluss vom 18.8.2005 der Sachverständigen übertragen. Es ergibt sich nicht, dass noch tatsächliche Voraussetzungen für die Berechnung von Steuerberaterhonorar zu klären waren. Die Prüfung der Richtigkeit der berechneten Gebühren, die Anwendung der richtigen Gebührentatbestände und die Festsetzung der Angemessenheit der Rahmengebühren und der angemessenen Zeitgebühren ist Teil der rechtlichen Bewertung und Aufgabe des Gerichts.

2.

Die unrichtige Sachbehandlung hat Mehrkosten hinsichtlich der Erstellung des Gutachtens vom 30.4.2004 verursacht. Aus dem Gutachten ist ersichtlich, dass für die tatsächlichen Feststellungen ein erheblicher Zeitraum angefallen ist. Der Senat geht nach Auswertung der Unterlagen davon aus, dass etwa die Hälfte der mit 52 Stunden veranschlagten Arbeitszeit auf die Beantwortung zulässiger Beweisfragen entfallen ist. Die Mehrkosten aufgrund unrichtiger Sachbehandlung betragen 1.860,06 €. Dies ergibt sich folgende Berechnung:

 berechnete und bezahlte Vergütung:3.169,12 €
abzüglich bei richtiger Sachbehandlung angefallene Vergütung: 
25,5 Std.a 52 €1.066,00 €
Gutachten 4fach 19 Seiten47,50 €
Paketgebühr/Porto/Tel.15,00 €
16 % MWSt180,56 €
 - 1.309,06 €
Mehrkosten1.860,06 €

Die Kosten für das Gutachten zur Berechnung der angemessenen und richtigen Vergütung des Steuerberaters sind insgesamt aufgrund unrichtiger Sachbehandlung angefallen, so dass die gezahlten 1.053,28 € niederzuschlagen sind. Damit belaufen sich die nach § 8 GKG niederzuschlagenden Kosten auf insgesamt 2.913,34 €.

Da der Senat unberechtigte Kosten von Amts wegen niederzuschlagen hat, besteht keine Bindung an die vom Kläger geäußerte Ansicht, es seien (mindestens) 50 % der gesamten Sachverständigenkosten = 2.571,25 € niederzuschlagen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 66 Abs. 8 GKG.

Beschwerdewert: 844,86 € (gemäß der Kostenquote des Klägers 29 % der Mehrkosten)

Ende der Entscheidung

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