Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: I-24 U 11/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 387
BGB § 389
BGB § 535
1. Grundsätzlich steht dem Mieter ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen zu, wenn der Vermieter die Betriebskosten vertragswidrig nicht abrechnet.

2. Hat der Mieter im Prozess gegen Mietforderungen des Vermieters mit Forderungen auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen aufgerechnet und rechnet der Vermieter vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits die Betriebskosten noch ab, so verliert die Aufrechnung ihre Wirkung.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 11/09

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 08. September 2009 geplante Senatstermin findet nicht statt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist richtig. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 16. März 2009 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

I.

Die Beklagte greift ihre Verurteilung ohnehin nur noch an, soweit die von ihr nach Beendigung des Gewerberaummietverhältnisses im Prozess erklärte Aufrechnung mit den näher bezifferten Nebenkostenvorauszahlungen für die Jahre 2000, 2002, 2003 und 2006 in Höhe von insgesamt EUR 3.032,17 bei der Abrechnung keine Berücksichtigung gefunden hat. Das Landgericht ist indes zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Abrechnung der Nebenkosten durch die Klägerin der Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung erloschen und somit für eine Aufrechnung kein Raum mehr ist.

1.

Der Senat geht allerdings grundsätzlich von einem vertraglichen Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen bei unterlassener Abrechnung des Vermieters aus. Der Senat folgt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Wohnraummietrecht (NJW 2005, 1499 ff. = MDR 2005, 678 f.), die nach zutreffender Ansicht des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch auf Gewerberaummietverhältnisse zu übertragen ist (vgl. OLGR Düsseldorf 2008, 660 f. = ZMR 2008, 890 f, vgl. auch Senat ZMR 2008, 708 f und Beschl. V. 21.04.2009, Az I-24 U 160/08). Diese Rechtsprechung verhilft der Berufung jedoch nicht zum Erfolg. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass ihr Anspruch zunächst vollwirksam und fällig war, so hat die im Prozess erklärte Aufrechnung in dem Moment ihre Wirkung verloren, in dem die Klägerin die Nebenkosten der Jahre 2000, 2002, 2003 und 2006 abgerechnet hat. Die Abrechnungen genügen den Anforderungen an eine formell ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. dazu Senat DWW 2007, 372). Ihre formelle Wirksamkeit zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Mit den Abrechnungen hat die Klägerin als Vermieterin etwaigen Ansprüchen der Beklagten auf Rückgewähr der Vorschüsse die Grundlage entzogen und damit ihre Aufrechnungserklärung gegenstandslos werden lassen. Denn der Mieter kann die geleisteten Vorauszahlungen nur zurückverlangen, solange der Vermieter nicht durch eine ordnungsgemäße Abrechnung nachweist, dass die Vorschüsse durch die für den betreffenden Zeitraum angefallenen und vom Mieter zu erstattenden Nebenkosten verbraucht sind (BGH NJW 2005, 1499, 1501). Eine zuvor versäumte Abrechnung kann der Vermieter (wie hier) noch im Prozess nachholen (BGH, a.a.O. S. 1502; MünchKomm/Schmid, BGB, 5. Auflage 2008, § 556 Rn. 63; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearbeitung 2006, § 556 Rn. 145 m.w.N.; Gramlich, Mietrecht, 10. Auflage 2007, § 556 Anm. 7.).

2.

Je nach der prozessualen Situation ergeben sich für den Mieter daraus folgende Möglichkeiten:

a) Klagt der Mieter im Aktivprozess auf Rückzahlung der Nebenkostenvorschüsse, so ist er gehalten, die Klage in eine solche auf Rückerstattung überzahlter Nebenkosten zu ändern, wenn die Abrechnung erfolgt und für ihn ein Guthaben besteht (Staudinger/Weitemeyer, a.a.O, unter Hinweis auf LG Hamburg WuM 1997, 380). Sofern sich die Klage aufgrund der Abrechnung ganz oder teilweise als unbegründet herausstellt, kann der Mieter die Hauptsache für erledigt erklären mit der Folge, dass dem Vermieter nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen gemäß § 91a ZPO die Prozesskosten auferlegt werden (LG Hamburg a.a.O., Staudinger, a.a.O.; Geldmacher DWW 1995, 105). Schließt sich der verklagte Vermieter der Erledigungserklärung nicht an, so hat er regelmäßig nach § 91 ZPO die Kosten des mit einem Feststellungsantrag fortgeführten Rechtsstreits (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 37) zu tragen.

b) Im Prozess des Vermieters auf Zahlung von noch offenen Forderungen aus dem Mietverhältnis gilt jedoch, wenn der Mieter mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen aufrechnet, folgendes:

Die Aufrechnungserklärung verliert ihre Wirkung. Dem kann die Beklagte nicht mit der Argumentation begegnen, die Abrechnung sei zu spät erfolgt und der Anspruch der Vermieterin sei bereits mit Erklärung der Aufrechnung erloschen. Ihre Annahme, die nachfolgende Abrechnung der Klägerin sei deshalb ins Leere gegangen, ist von Rechtsirrtum beeinflusst. Zwar bestand eine Aufrechnungslage im Sinne von § 389 BGB, weil sich bis zur Aufrechnungserklärung eine erfüllbare Hauptforderung der klagenden Vermieterin (Mietrückstände) und eine fällige Gegenforderung der beklagten Mieterin (Nebenkostenvorschüsse) gegenüberstanden. Die Beklagte verkennt aber, dass ihre Gegenforderung nur einen vorläufigen Rückzahlungsanspruch zum Gegenstand hatte. Für den Aktivprozess des Mieters hat der BGH erkannt, dass die Zahlungsklage dem Mieter im Ergebnis einen nur vorläufigen Rückzahlungsanspruch verschafft, der sich allein auf die fehlende Fälligkeit der korrespondierenden Gegenforderung - des Betriebskostenerstattungsanspruchs des Vermieters - gründet (BGH NJW 2005, 1499,1501). Dieser Rückerstattungsanspruch bleibt selbst bei rechtskräftiger Verurteilung des mit der Abrechnung säumigen Vermieters nicht zwingend bestandskräftig. Führt nämlich der Vermieter die Fälligkeit seines Erstattungsanspruchs durch ordnungsgemäße Abrechnung (§ 259 BGB) nach rechtskräftiger Beendigung des Vorprozesses herbei, so steht die Rechtskraft des einer Klage des Mieters stattgebenden Urteils der Klage des Vermieters auf Zahlung der Betriebskosten bzw. des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos nicht entgegen. Die Rechtslage ist dann - spiegelbildlich - nicht anders, als wenn eine vorausgegangene Leistungsklage mangels Fälligkeit des eingeklagten Anspruchs als zur Zeit unbegründet abgewiesen wird.

Bestätigt wird dies auch durch die Überlegung, dass der Rückzahlungsanspruch des Mieters nur auflösend bedingt durch die Abrechnung des Vermieters besteht. Zwar ist anerkannt, dass die Aufrechnung mit einem solchen Anspruch bis zum Bedingungseintritt möglich ist (vgl. OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 1239; OLG Celle, OLGZ 1972, 275; OLG Karlsruhe, NJW 1994, 593 zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 387 Rn. 11). Bei auflösender Bedingung tritt aber im Falle des Bedingungseintritts ipso jure der frühere Rechtszustand wieder ein (OLG Nürnberg aaO.; Palandt/Heinrichs, aaO. § 158 Rn. 2). Der Eintritt der Bedingung hat damit keine rückwirkende Kraft. Das folgt aus § 158 Abs. 2 BGB. Die Hauptforderung der Klägerin lebte also bei Bedingungseintritt in ursprünglicher Höhe ex nunc wieder auf (Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2006, § 387 Rn. 130 m.w.N.; MünchKomm/Schlüter, 5. Aufl., § 387 Rn. 36)., während der Anspruch auf Rückzahlung der Betriebskostenvorauszahlungen unterging.

Schließlich verhindert auch die "Doppelnatur" der im Prozess erklärten Aufrechnung (vgl. Palandt/Grüneberg aaO. § 388 Rn. 2 m.w.N.)., dass die Gegenforderung der Klägerin endgültig gemäß § 389 BGB erloschen ist. Denn es kommt nicht darauf an, dass sich die Forderungen zu einem beliebigen Zeitpunkt aufrechenbar gegenüberstanden. Maßgebend ist vielmehr, dass die Aufrechnungslage noch zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestand, zu diesem Zeitpunkt also eine aufrechenbare Forderung vorhanden war. Nur dann kann im Urteil gemäß § 322 Abs. 2 ZPO mit rechtskräftiger Wirkung über den materiell-rechtlichen Anspruch, der der Aufrechnung zugrunde liegt, entschieden werden. Der Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Vorauszahlungen ist jedoch mit der Abrechnung der Klägerin, also noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung untergegangen. Denn der Anspruch selbst ist, wie zuvor ausgeführt wurde, auflösend bedingt durch die fehlende Abrechnung, die von der Klägerin nachgeholt wurde.

Der Mieter ist trotz der geschilderten, für ihn ungünstigen Entwicklung des Prozessverlaufs einem erhöhten Kostenrisiko nicht ausgesetzt. Bei Abrechnung des Vermieters im laufenden Rechtsstreit hat er die Möglichkeit, den Anspruch (nach angemessener Prüfungszeit) anzuerkennen und ggfls. nur noch mit seinem Anspruch auf ein etwaiges Abrechnungsguthaben aufzurechnen. Dies hätte zur Folge, dass der Vermieter gemäß § 93 ZPO die Kosten zu tragen hätte, die auf den von der zunächst wirksamen Aufrechnung erfassten Teil der Klageforderung entfielen.

Im Streitfall hat die Beklagte entsprechende Prozesshandlungen jedoch versäumt. Die Abrechnungen der Klägerin erfolgten erstinstanzlich mit dem Schriftsatz vom 31. Juli 2008. Nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß Beschluss des Landgerichts vom 22. August 2008 hätte die Beklagte deshalb die Möglichkeit gehabt, den Anspruch in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2008 anzuerkennen.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.

Ende der Entscheidung

Zurück