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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.12.2007
Aktenzeichen: I-24 U 110/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 627
BGB § 628
BGB § 309 Nr. 5
BGB § 307
Zur Kündigung eines "Verkaufsfördertrainingsvertrages" durch den Dienstberechtigten und zur Unwirksamkeit von Schadenspauschalen bei vorzeitiger Kündigung.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

24 U 110/07

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 26. Februar 2008 geplante Verhandlungstermin entfällt.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gründe für die beantragte Abänderung. Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:

I.

Der Honoraranspruch der Klägerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

1. Zwischen den Parteien bestand ein Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB, wobei dahinstehen kann, ob es sich hierbei um ein Dauerschuldverhältnis handelte oder ob, was die Klägerin nunmehr meint, ihrer Beauftragung jeweils separate Einzelverträge zugrunde lagen. Jedenfalls war die Beklagte berechtigt, den Vertrag jederzeit gemäß § 627 BGB kündigen. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor:

a. Die Klägerin leistete Dienste höherer Art. Ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen war das Ziel der Zusammenarbeit die persönliche Begleitung und Beratung der Geschäftsführer der Beklagten (im folgenden: Geschäftsführer). Dies ging so weit, dass die Klägerin den Geschäftsführer hinsichtlich der Durchführung einer psychologischen Therapie beriet und ihn zu einem Termin bei einem Therapeuten begleitete. Die Beklagte musste der Klägerin Einblicke in interne Strukturen und Planungen gewähren. Es liegt auf der Hand, dass diese Tätigkeiten nur aufgrund des besonderen Vertrauens, welches die Geschäftsführer der Klägerin entgegenbrachten, geleistet werden konnten. Derartige Dienstleistungen stellen Dienste höherer Art dar (vgl. BGH, WM 1982, 367; OLG München, OLGR 2001, 127 f.; OLG Koblenz, NJW 1990, 3153). Dass die Klägerin unter einer Personengesellschaft firmiert hat, ändert daran nichts. Denn sie hat sich stets als Einzelunternehmerin hingestellt und darauf auch ihre Aktivlegitimation gegründet. Außerdem hatte sie ihre Dienste persönlich zu erbringen und seit vielen Jahren erbracht.

b. Ein Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 627 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestand kein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen.

Selbst wenn man entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz - jedoch zu ihren Gunsten - unterstellt, dass ein "dauerndes" Dienstverhältnis bestanden habe, so erhielt sie gleichwohl keine "festen Bezüge". Nur wenn beide Merkmale zusammen, mithin kumulativ, vorliegen, wird das Kündigungsrecht aus § 627 BGB ausgeschlossen (BGHZ 47, 303 (305); BGH, NJW-RR 1993, 505; OLG Dresden, JurBüro 2005, 219; vgl. auch RGZ 80, 29; 146, 116 (117); Erman/Belling, BGB, 10. Auflage, § 627 Rn. 5).

Unter "festen Bezügen" wird eine auf Dauer vereinbarte bestimmte Entlohnung für eine Gesamtleistung verstanden, die nicht für einzelne Dienstleistungsakte, unabhängig von den Modalitäten der Auszahlung, geschuldet wird (OLG Dresden, JurBüro 2005, 219; Staudinger/Preis, BGB (2002), § 627 Rn. 16; MünchKomm/Schwerdtner, BGB, 4. Auflage, § 627 Rn. 7, 12 m.w.N.). Entscheidend für die Annahme fester Bezüge ist, ob der Dienstverpflichtete sich darauf verlassen kann, dass ihm auf längere Sicht, von vorneherein festgelegte Bezüge zufließen werden, die nicht von außervertraglichen Entwicklungen abhängen und deshalb der Höhe nach schwanken (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 373; NJW-RR 1993, 505; BAG, NJW 2006, 3453 f.). Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Auch wenn die Beklagte die "Hauptkundin" der Klägerin war und sie einen großen Teil ihrer Arbeitskraft für diese aufwendete, so flossen ihr gleichwohl keine von vorneherein festgelegten Bezüge zu. Denn das Honorarvolumen der Klägerin war abhängig von dem Umfang ihrer Tätigkeit, welches monatlichen Schwankungen unterworfen war. Es ist somit nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin auf die Zahlung eines bestimmten Mindestbetrages verlassen konnte, dahingehende vertragliche Vereinbarungen sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. Einkünfte, deren Höhe nicht im Voraus feststeht und die demgemäss schwanken und im ungünstigsten Fall sogar ganz ausbleiben können, sind jedoch keine festen Bezüge im Sinne des § 627 BGB (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 305 ff.).

c. § 627 Abs. 1 BGB trägt mit der ständigen Kündigungsmöglichkeit für beide Teile dem gegenseitigen Vertrauensverhältnis in der Weise Rechnung, dass es für den Fall des Vertrauensverlustes, aus welchem Grunde er auch immer eintreten möge, eine sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses ermöglicht (Staudinger/Preis, a.a.O., § 627 Rn. 8). Bei derartigen, ganz auf persönliches Vertrauen gestellten, nicht auf eine ständige Tätigkeit gerichteten Dienstverhältnissen soll die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewahrt werden (BGH, NJW 1999, 276, 278 m.w.N.; BGH, WM 2005, 1667 ff.). Eine Kündigung nach § 627 BGB ist fristlos möglich, insbesondere jene des Dienstberechtigten gegenüber dem Dienstverpflichteten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das jederzeitige Kündigungsrecht ausgeschlossen wurde. Anhaltspunkte hierfür zeigt die Klägerin nicht auf.

2. Ein Zahlungsanspruch steht der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum von 17. Januar bis März 2006 nicht zu, denn sie hat in diesem Zeitraum unstreitig keine Leistungen erbracht. Vielmehr war das Dienstverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 16. Januar 2006 beendet worden.

3. Auch ein Anspruch aus § 628 BGB besteht nicht. Die Klägerin macht keinen ihren bisherigen Leistungen entsprechenden Vergütungsteil geltend, sondern verlangt eine Vergütung für einen Zeitraum nach Beendigung des Dienstvertrages. Derartige Ansprüche werden von § 628 Abs. 1 BGB nicht erfasst.

Ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 628 Abs. 2 BGB scheitert bereits daran, dass dieser kein vertragswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, denn sie war gemäß § 627 BGB berechtigt, sich jederzeit von dem Vertrag zu lösen (s.o.).

4. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Ziffer 4.9 der "GDVT- Geschäftsbedingungen für Trainer" stützt, hat auch dies keinen Erfolg. Dahingestellt bleiben kann, ob diese Bedingungen überhaupt bei Vertragsschluss wirksam in das dienstvertragliche Verhältnis einbezogen worden sind. Denn jedenfalls verstoßen sie gegen §§ 309 Nr. 5, 307, 310 Abs. 1 BGB (früher: §§ 11 Nr. 5, 9, 24 AGBG) und können deshalb zu Gunsten der Klägerin keine Rechtswirkungen entfalten.

a. Die Vorschriften des §§ 305 ff. BGB sind auf das vorliegende Vertragsverhältnis anwendbar, denn es sind unstreitig Allgemeine Geschäftsbedingungen, die die Klägerin der Beklagten bei Vertragsschluss gestellt haben will.

Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin, dass es sich bei der "Präambel" vom 26. Oktober 1998 um einen Rahmenvertrag handelt, so ist von einem Dauerschuldverhältnis auszugehen. Auf dieses sind gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB die §§ 305 ff. BGB seit dem 01. Januar 2003 anzuwenden.

Weiterhin kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die AGB des BDVT (Bundesverband Deutscher Verkaufsförderer und Trainer) wirksam einbezogen wurden, mit der Folge, dass diese Regelungen auch für die Verträge bezüglich der Veranstaltungen für Januar bis März 2006 galten.

b. Die streitgegenständliche Klausel ist aber unwirksam. Mit ihr sollen nicht nur Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers aus § 628 BGB pauschaliert werden. Es sollen dadurch auch - verschuldensunabhängige - Ansprüche geschaffen werden, die in den dienstvertraglichen Regelungen keine gesetzliche Grundlage haben. Eine solche Regelung ist unwirksam.

Die unwirksame Klausel hat folgenden Wortlaut:

"Kann ein Termin vom Auftraggeber nicht wahrgenommen werden, bemüht sich der Trainer, den Termin anderweitig zu besetzen. Gelingt dies, so ist lediglich eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 10 % des Honorars zuzüglich der anfallenden Kosten zu zahlen. Kann der Termin nicht anderweitig besetzt werden, sind bei Absagen innerhalb von 10 Monaten vor der Trainingsdurchführung 50 %, bis zu 6 Monaten vorher 75 % und bis zu 3 Monaten vorher 100 % des Honorars zuzüglich Kosten gemäß Ziffer 3 zu zahlen."

Der Wortlaut ist weitreichend, da er nur an die unterlassene Wahrnehmung des Termins durch den Auftraggeber anknüpft, insoweit jedoch keine Einschränkungen oder Voraussetzungen nennt.

aa. Soweit die Regelung eine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen enthält, verstößt sie gegen § 309 Nr. 5 BGB, welcher sich auf Schadensersatzansprüche nach Rücktritt oder Kündigung bezieht (Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Auflage, § 309 Rn. 25 m.w.N.). Die Höhe der Pauschale von 100 % übersteigt den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei einer Stornierung drei Monate vor den geplanten Terminen stets ein Schaden von 100 % des vereinbarten Honorars entstehen soll, zumal der Verwender mit dem Terminswegfall zweifellos auch Kosten erspart (z.B. Fahrtkosten, sonstige Spesen).

Zwar gilt § 309 Nr. 5 BGB im Verkehr zwischen Unternehmern nicht unmittelbar (§ 310 Abs. 1 S. 1 BGB). Es ist jedoch anerkannt, dass der in § 309 Nr. 5 a) und b) BGB zum Ausdruck kommende Gedanke im kaufmännischen Verkehr grundsätzlich im Rahmen des § 307 BGB zu berücksichtigen ist. Nur eine Pauschale, deren Höhe sich am durchschnittlich eintretenden Schaden bzw. der durchschnittlich eintretenden Wertminderung orientiert, braucht der Verwender gegen sich gelten zu lassen (BGHZ 67, 312 (317)). Eine Pauschale, die zu einer Bereicherung des Verwenders führt, weil sie sich nicht am gewöhnlichen Lauf der Dinge orientiert, widerspricht wesentlichen Gedanken des Schadensersatzrechts (§ 252 BGB) und benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch dann unangemessen, wenn dieser Unternehmer ist (BGH, NJW-RR 2000, 719; NJW 1998, 592 (593);; NJW 1994, 1060; NJW 1985, 2941; BeckOK/BGB/Becker, Stand 01. Februar 2007, § 309 Nr. 5 Rn. 39).

bb. Im Hinblick darauf, dass die Klausel bereits gegen §§ 307, 309 Nr. 5 a) BGB verstößt, kann offen bleiben, ob auch ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 b) BGB vorliegt. Bedenken bestehen insoweit, als die von der Klägerin verwendete Klausel in Befehlsform anordnet "sind ... zu zahlen". Dies kann vom Vertragspartner des Verwenders durchaus so verstanden werden, dass für ihn der Gegenbeweis eines niedrigeren Schadens ausgeschlossen werden soll, was auch im kaufmännischen Verkehr Bedenken begegnet (hierzu vgl. BeckOK/Becker, a.a.O., § 309 Rn. 5 Rn. 40). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

cc. Des Weiteren verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie schafft einen eigenen vertraglichen Anspruch, der keine gesetzliche Grundlage hat und zudem verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Eine Schadensersatzpauschale setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen kann (BGH, NJW 2005, 1645 (1647); Ermann/Roloff, BGB, 11. Auflage, § 309 Rn. 44; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 309 Rn. 24). Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass Schadensersatz auf vertraglicher Grundlage nur verlangt werden kann, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 BGB). Diese Einschränkung ist der Klausel nicht zu entnehmen. Vielmehr werden von ihrem Wortlaut auch Vertragsbeendigungen nach § 627 BGB erfasst. Liegen dessen Voraussetzungen aber - wie auch hier - vor, so steht es dem Dienstberechtigten frei, sich jederzeit vom Vertrag zu lösen. Er zieht in rechtlich zulässiger Weise die Konsequenz aus einem - aus welchen Gründen auch immer - eingetretenen Vertrauensverlust. Ein solches Verhalten darf nicht mit einer Schadensersatzpflicht sanktioniert werden, weshalb die Beklagte der Klägerin keine Zahlungen mehr zu leisten hat.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.

OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom - 10.12.2007 - (nach dem Hinweis hat die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen.)



Ende der Entscheidung

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