Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: I-24 U 126/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 611
ZPO § 287
1. Bei dem Vertrag, mit dem ein Briefmarkensammler einen Auktionator mit der Versteigerung seiner Sammlung gegen Provision beauftragt,. handelt es sich um eine Geschäftsbesorgung mit Dienstvertragscharakter.

2. Der Auktionator haftet dem Sammler auf Schadensersatz, wenn er die Sammlung unter Verletzung der Auktionsbedingungen versteigert.

3. Zur Schätzung des Schadens des Einlieferers, wenn die Sammlung nicht mehr vorhanden ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2009 durch seine Richter Z. sowie T. und seine Richterin P.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Mai 2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.746,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. vom 13.01.2007 bis 11.02.2008 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2008 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 43% und die Beklagte zu 57%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, des Zeugen W., Schadensersatz wegen Pflichtverletzung bei einer Briefmarkenauktion.

Am 11.09.2006 erteilte der Zeuge W. der Beklagten den schriftlichen Auftrag, seine aus 160 Alben bestehende Briefmarkensammlung en bloc als "Nachlass" gegen Gebot ohne Mindestpreis zu versteigern. Er übergab dem Geschäftsführer der Beklagten die Sammlung und erhielt einen Vorschuss von 4.000,00 €, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten zunächst nur 3.000,00 € angeboten hatte. Üblich sind Vorschüsse von ca. 25% des erwarteten Erlöses. Die Beklagte übersandte dem Zeugen mit Schreiben vom 15.11.2006 eine Eingangsbestätigung und gab ihm Gelegenheit zur Mitteilung von Änderungswünschen bis spätestens 22.11.2006. Daraufhin kam es am 17.11.2006 zu einem Telefonat zwischen dem Zeugen und dem Geschäftsführer der Beklagten mit streitigem Inhalt. Die Beklagte versteigerte die Briefmarkensammlung im Januar 2007 zum Preis von 5.200,00 € und rechnete mit Schreiben vom 01.02.2007 gegenüber dem Zeugen ab. Dieser erhielt abzüglich Provision, Versicherung, Vorschuss und Zinsen noch 231,58 € ausgezahlt. Er trat seine im Zusammenhang mit der Versteigerung gegen die Beklagte entstandenen Ansprüche am 18.01.2008 an die Klägerin ab.

Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe am 11.09.2006 keinen Schätzpreis genannt, sondern zugesagt, einen solchen noch ermitteln und mitteilen zu wollen. Im Telefonat vom 17.11.2006 habe der Geschäftsführer der Beklagten ebenfalls keinen Schätzpreis genannt, während der Zeuge mitgeteilt habe, dass der Wert der Sammlung ca. 25.000,00 € betrage und eine Aufteilung in Einzellose zu überlegen sei, wenn die Versteigerung en bloc einen Erlös in dieser Größenordnung nicht erbringe. Auch mit Schreiben vom 25.11.2006 habe er mitgeteilt, dass die Sammlung dann, wenn sie en bloc einen Erlös von 25.000,00 € bis 30.000,00 € nicht erbringe, in Einzellose aufgeteilt werden solle. Dieses Schreiben sei der Beklagten auch zugegangen. Die Sammlung sei mindestens 15.200,00 € wert gewesen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2007 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Abtretung habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt und behauptet, sie habe dem Zeugen W. am 11.09.2006 und im Telefonat vom 17.11.2006 einen Schätzpreis von 5.000,00 € bis 6.000,00 € genannt. Über einen höheren Erlös sei nicht gesprochen worden. Das Schreiben vom 25.11.2006 sei vor der Auktion nicht bei ihr eingegangen. Die Sammlung sei zu ihrem tatsächlichen Wert versteigert worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W..

Mit Urteil vom 15.05.2008 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Zeuge W. im Telefonat vom 17.11.2006 einen Mindestpreis genannt habe. Der Zeuge habe solches zwar bekundet. Dem stehe aber die gegenteilige Aussage des informatorisch angehörten Geschäftsführers der Beklagten gegenüber, und es könne keiner der beiden Aussagen ein höherer Beweiswert beigemessen werden. Auch der Zugang des Schreibens vom 25.11.2006 sei nicht nachgewiesen.

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 09.06.2008 zugestellt worden ist, hat diese am 01.07.2008 Berufung eingelegt, die sie mit am 07.08.2008 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet hat.

Die Klägerin macht geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie bezüglich des Nachweises der Mindestpreisfestsetzung beweisfällig geblieben sei. Es habe versäumt, den in ihrem Schriftsatz vom 03.04.2008 zur Frage des Zugangs des Schreibens vom 25.11.2006 benannten Zeugen P. zu hören. Unabhängig von der Frage des Mindestpreises habe die Beklagte insofern gegen ihre Vertragspflichten verstoßen, als ihr Geschäftsführer den Zeugen W. nicht auf die Gefahr einer Versteigerung ohne Limit hingewiesen, diesem keinen Schätzpreis mitgeteilt und den Zuschlag nicht unter Vorbehalt der Zustimmung des Zeugen erteilt habe.

Die Klägerin beantragt,

das am 15.05.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg (Az. 8 O 32/08) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2007 zu zahlen,

hilfsweise, das Verfahren zur weiteren Tatsachenaufklärung an das LG Duisburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die auf die Klageabweisung wegen der Hauptforderung nebst Zinsen beschränkte Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 675, 611 BGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.746,00 €.

1. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Zeugen W. als Einlieferer und der Beklagten als Versteigerungsunternehmen richten sich nach den §§ 675, 611 BGB (vgl. KG NJW-RR 2001, 1098). Die Beklagte hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB ihre Pflichten aus dem Versteigerungsvertrag verletzt, ohne sich hinsichtlich des Verschuldens entlasten zu können. Hierdurch ist dem Zeugen ein Schaden in der oben genannten Höhe entstanden. Die Klägerin ist aufgrund der Abtretung gemäß § 398 BGB berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass der Zedent damit als Zeuge zur Verfügung steht. Es handelt sich insbesondere nicht um ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, da der gewünschte Erfolg, dass die Klägerin die Forderung im Prozess erfolgreich geltend machen kann, nur dann eintreten kann, wenn die Wirksamkeit der Abtretung gewollt war.

2. Eine Pflichtverletzung der Beklagten wäre allerdings bereits dann deshalb gegeben, wenn ihr Geschäftsführer die Briefmarkensammlung entgegen einem von dem Zeugen festgesetzten höheren Mindestpreis zum Gebot von 5.200,00 € zugeschlagen hätte. Das lässt sich jedoch nicht feststellen.

a. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Mindestpreis im Versteigerungsvertrag nicht festgelegt worden ist. In diesem ist ein solcher nicht genannt. Dementsprechend enthält die Eingangsbestätigung der Beklagten vom 15.11.2006 die Angabe "0.00 EUR". Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Der Zeuge W. konnte zudem nicht sagen, ob er bei den Vertragsverhandlungen vom 11.09.2006 einen Mindestpreis genannt habe.

b. Soweit das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Zeuge W. in dem Telefonat vom 17.11.2006 einen Mindestpreis festgelegt habe, begegnet auch dies keinen Bedenken. Allerdings ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 15.11.2006, dass eine nachträgliche Vertragsänderung insoweit durchaus noch zulässig gewesen wäre. Soweit der Zeuge W. ausgesagt hat, er habe dem Geschäftsführer der Beklagten in dem Telefonat erklärt, dass die Sammlung mindestens 25.000,00 € bis 30.000,00 € erbringen müsse, war das Landgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO verpflichtet, diese Aussage aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlung zu würdigen. Hierzu gehörte der Umstand, dass der Zeuge gleichermaßen am Ausgang des Rechtsstreits interessiert ist wie die Beklagte, da er nur infolge der Abtretung in die Zeugenposition gelangt ist. Hinzu kommt das Ergebnis der bei dieser Sachlage aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit gebotenen Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten nach § 141 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 67. Aufl. § 448 Rdnr. 2a m.w.N.). Dass das Landgericht bei Würdigung dieser Umstände zu dem Ergebnis gelangt ist, der Aussage des Zeugen komme keine höhere Überzeugungskraft zu als derjenigen des Geschäftsführers der Beklagten, der ausgeschlossen hat, dass der Zeuge einen Betrag von 25.000,00 € genannt habe, ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin zeigt auch keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellung auf. Dies geht zu Lasten der Klägerin, die für die Festlegung eines Mindestpreises beweispflichtig ist.

c. Auch später ist es zu einer wirksamen Mindestpreisfestlegung durch den Zeugen W. nicht gekommen. Dabei kann dahinstehen, wann das Schreiben des Zeugen vom 25.11.2006, das eine solche Mindestpreisfestlegung wohl enthalten sollte, der Beklagten zugegangen ist. Der Zugang dieses Schreibens unmittelbar nach dem 25.11.2006 steht nicht bereits fest. Der Zeuge W. hat lediglich bestätigt, das Schreiben versandt zu haben. Hieraus ergibt sich aber keine Vermutung oder kein Anscheinsbeweis für dessen Zugang (vgl. BGH NZM 2009, 274; NJW 1996, 2033; 1964; 1176; OLG Hamm GRUR 1991, 254). Eine weitere Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen P., der allerdings im Schriftsatz der Klägerin vom 03.04.2008 - rechtzeitig - nicht nur zu der Frage benannt ist, ob es überhaupt zugegangen ist, sondern nach dem Gesamtzusammenhang auch dazu, dass es unmittelbar nach dem 25.11.2006 zugegangen ist, ist indes nicht veranlasst. Da das Schreiben der Beklagten frühestens am 25.11.2006 zugegangen sein kann, brauchte es von dieser nicht mehr berücksichtigt zu werden. Es wäre ihr nämlich jedenfalls erst nach der in ihrem Schreiben vom 15.11.2006 auf den 22.11.2006 bestimmten Frist zugegangen, bis zu der Änderungswünsche spätestens mitgeteilt werden mussten.

Die Wirksamkeit dieser Fristsetzung begegnet keinen Bedenken. Eine Vertragspartei ist grundsätzlich nicht verpflichtet, nachträglichen Vertragsänderungswünschen der anderen Partei zuzustimmen, zumindest dann nicht, wenn diese auf bloßen Willensänderungen beruhen und so schon bei Vertragsschluss selbst hätten geäußert werden können. Wenn die Beklagte solche nachträglichen Vertragsänderungen gestattet, und zwar, wie der Wortlaut von Nr. 5 des Versteigerungsauftrags und ihres Schreibens vom 15.11.2006 nahelegen, durch einseitige Erklärung der anderen Partei, so ist sie auch berechtigt, für den Zugang einer solchen Erklärung eine Frist zu bestimmen. Die Länge der Frist war auch ausreichend bemessen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge W. nicht in der Lage gewesen wäre, binnen dieser Frist von einer Woche seine Änderungswünsche, insbesondere die Festlegung eines Mindestpreises, beweiskräftig mündlich oder schriftlich mitzuteilen. Eine längere Frist hätte zudem die Vertragsdurchführung gefährdet, denn die Beklagte hatte dafür zu sorgen, dass rechtzeitig vor der für den 12./13. Januar 2007 vorgesehenen Auktion die erforderlichen Auktionskataloge gedruckt und versandt sowie die darüber hinaus üblichen Veröffentlichungen in die Wege geleitet wurden. Die Klägerin hat auch nicht etwa vorgetragen, dass der Zeuge in dem Telefonat vom 17.11. 2006 mitgeteilt habe, er werde eine weitergehende schriftliche Äußerung nicht mehr bis zum 22.11.2006 bewerkstelligen können, und dass die Beklagte dem etwa nicht widersprochen habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, auch einen späteren Zugang noch zu akzeptieren.

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn der Geschäftsführer der Beklagten dem Zeugen W. weder bei Vertragsschluss noch in dem Telefonat vom 17.11.2006 einen Schätzpreis mitgeteilt hätte und er ihm deshalb hätte Gelegenheit geben müssen, einen Mindestpreis festzulegen, damit der Zeuge sicherstellen konnte, dass der von ihm veranschlagte Wert der Sammlung bei der Versteigerung realisiert werden konnte. Wenn dem Zeugen tatsächlich bis zum 17.11.2006 kein Schätzpreis mitgeteilt worden war, so hätte er bis zum 22.11.2006 immer noch ausreichend Gelegenheit gehabt, rechtzeitig einen Mindestpreis festzulegen und der Beklagten die Bewertung seiner Sammlung aus Oktober 2003 zu übersenden.

3. Ein Schadensersatzanspruch ist auch nicht deshalb aus §§ 280 Abs. 1, 311 BGB gegeben, weil der Geschäftsführer der Beklagten die vorvertragliche Pflicht, den Zeugen W. auf die Gefahr einer Versteigerung ohne Mindestpreis hinzuweisen, verletzt hätte.

Es ist bereits äußerst zweifelhaft, ob eine solche Pflicht des Auktionators allgemein angenommen werden kann. Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können (vgl. BGH NJW 1971, 1795; WM 1983, 1007). Entscheidend ist, ob der andere Teil unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (vgl. BGH NJW 1989, 763; NJW-RR 1991, 439). Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um besonders wichtige Umstände handelt, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. BGH NJW 1971, 1795) oder zwischen den Parteien ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt (vgl. BGH NJW 1992, 300) und zu Lasten einer Partei ein Informationsgefälle besteht (vgl. BGH NJW 1992, 300; OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 724). Zumindest letztere Voraussetzung liegt bei Versteigerungsverträgen in der Regel nicht vor, weil allgemein bekannt ist, dass die Versteigerung ohne Mindestpreis ein riskantes Geschäft ist. Dementsprechend wird eine Aufklärungspflichtverletzung in diesem Zusammenhang auch - soweit ersichtlich - nur für den besonderen Fall der Internetauktion mit starrer zeitlicher Limitierung und der Möglichkeit kleiner Bieterschritte diskutiert, wenn das Auktionshaus von einer Mindestpreisfestlegung abgeraten hat (vgl. Wenzel/Bröckers, Anm. zu OLG Hamm, DB 2001, 88, DB 2001, 92; Ernst CR 2000, 310).

Hier bestand eine solche Aufklärungspflicht jedenfalls deshalb nicht, weil dem Zeugen W. die Abläufe des Versteigerungsgeschäfts unstreitig bekannt waren und er um die Möglichkeit einer Mindestpreisfestlegung wusste. Eine entsprechende Pflichtverletzung wäre für den Eintritt des behaupteten Schadens auch nicht kausal. Denn der Zeuge hat die Mindestpreisbestimmung nicht mangels Aufklärung hierüber unterlassen, sondern nach seinem Vortrag durchaus vornehmen wollen und lediglich nicht beweisen können.

4. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Geschäftsführer der Beklagten dem Zeugen W. bei Vertragsschluss am 11.09.2006 oder am 17.11.2006 einen Schätzpreis für die Sammlung mitgeteilt hat oder nicht. Ein solches Unterlassen wäre für den von der Klägerin behaupteten Schaden ebenfalls nicht kausal, weil einerseits der Zeuge einen Mindestpreis hätte festlegen können und andererseits das Unterlassen der Mitteilung des Schätzpreises als solches nicht zu einem Schaden geführt hätte, sondern nur die Umstände, dass gar kein angemessener Schätzpreis festgelegt gewesen wäre oder die Sammlung entgegen Nr. 5 des Vertrags zu einem Gebot von mehr als 10% unter diesem Schätzpreis ohne Zustimmung zugeschlagen worden wäre.

5. Die Beklagte hat aber ihre aus Nr. 5 des Versteigerungsvertrages folgende Pflicht, einen dem Wert der Sammlung angemessenen Schätzpreis festzusetzen und diese zu einem mehr als 10% unter diesem Schätzpreis liegenden Gebot nur nach Zustimmung des Zeugen W. zuzuschlagen, verletzt.

a. Die Pflicht des Versteigerers, einen angemessenen Schätzpreis zu bestimmen, ergibt sich aus dem Schutzzweck dieser Vertragsnorm. Die Regelung hat den Zweck, den Einlieferer auch dann, wenn er keinen Mindestpreis festgelegt hat, vor einer Versteigerung seines Eigentums zu einem weit unter dessen Wert liegenden Gebot zu bewahren. Wäre dem nicht so, bedürfte es einer solchen Regelung nicht. Aus dem Zweck der Vertragsvorschrift, den Einlieferer vor einer Verschleuderung seines Eigentums zu schützen, ergibt sich dann aber auch die Pflicht des Auktionators, einen angemessenen Schätzpreis zu bestimmen, denn anders könnte dieser Schutzzweck nicht erfüllt werden. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Formulierung in Nr. 5 des Versteigerungsvertrags, dass es der Auftraggeber dem Versteigerer überlasse, den Schätzpreis festzusetzen. Dies bedeutet nicht, dass der Auktionator bei der Schätzpreisbestimmung völlig frei wäre. Denn der Einlieferer überlässt dem Auktionator die Schätzpreisbestimmung nicht, damit dieser einen beliebigen Preis festlegen kann, sondern weil er auf dessen größere Erfahrung vertraut. Das ergibt sich zum einen aus dem Schutzzweck der Vertragsnorm wie auch aus dem Rechtsgedanken der hier freilich nicht unmittelbar anwendbaren §§ 315 Abs. 1, 316 BGB. Danach ist, wenn die Leistung bzw. Gegenleistung durch eine Vertragspartei bestimmt werden soll, im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

b. Der angemessene Schätzpreis lag hier bei 12.000,00 €. Dies ergibt sich bereits aufgrund des eigenen Vortrags der Beklagten. Denn der Geschäftsführer der Beklagten hatte dem Zeugen W. nach Durchsicht von dessen Alben von sich aus einen Vorschuss von 3.000,00 € angeboten. Er hat im Termin vom 10.04.2008 eingeräumt, dass üblicherweise 25% des erwarteten Erlöses als Vorschuss gezahlt werden, und gesagt, dass sogar die vom Zeugen W. verlangten 4.000,00 € angesichts des von ihm avisierten Erlöses kein ernsthaftes Problem dargestellt hätten. Unter diesen Umständen ist jedenfalls das Vierfache des zunächst angebotenen Vorschusses, mithin 12.000,00 €, als angemessener Schätzpreis anzusehen.

aa. Einen höheren angemessenen Schätzpreis kann die Klägerin nicht beweisen. Hierzu wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage erforderlich, auf welchen Wert ein Briefmarkenauktionator die Sammlung des Zeugen W. bei überschlägiger Beurteilung aufgrund seiner langjährigen praktischen Erfahrung zu schätzen hätte. Dies ist aber nicht mehr möglich, weil nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten der Ersteher der Sammlung diese an einen Briefmarkenhändler weiterveräußert hat, der sie in Teilsammlungen zerlegt und diese inzwischen größtenteils verkauft oder gegen andere Ware eingetauscht hat.

bb. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber auch nicht von einem niedrigeren Schätzwert von 5.000,00 € bis 6.000,00 € auszugehen. Hierzu hätte der Geschäftsführer der Beklagten konkret vortragen müssen, dass zwar Vorschüsse von 25% in der Branche üblich seien, er aber regelmäßig höhere Vorschüsse anbiete und dies auch hier getan habe, oder dass und warum er nach Angebot eines Vorschusses von 25% später zu dem Ergebnis gelangt sei, dass lediglich ein geringerer Schätzpreis als 12.000,00 € in Betracht komme. Dies hat er jedoch nicht getan. Es widerspricht auch allen kaufmännischen Grundsätzen, dass der Geschäftsführer der Beklagten einen Vorschuss von 3.000,00 € angeboten und sogar einen solchen von 4.000,00 € gezahlt hätte, wenn er tatsächlich davon ausgegangen wäre, dass er die Sammlung nur zum Preis von 5.000,00 bis 6.000,00 € versteigern könnte. Er wäre dann nämlich das Risiko eingegangen, dass die Differenz zwischen Vorschuss und höchstem Gebot nicht ausreicht, um seine Provision, die Kosten und die auf den Vorschuss zu entrichtenden Zinsen zu decken. Dass er dieses Risiko, das sehr nahe lag, wie die mit einem Guthaben des Zeugen W. von nur 231,58 € endende Abrechnung vom 01.02.2007 zeigt, eingehen wollte, widerspricht kaufmännischem Denken und jeder Lebenserfahrung.

cc. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das höchste Gebot 5.200,00 € betrug und kein Mitbieter bereit war, dieses Gebot zu überbieten. Hieraus lassen sich keine sicheren Rückschlüsse auf den Wert der Sammlung ziehen. Denn der Ersteher brauchte kein höheres Gebot abzugeben, und aus dem Umstand, dass ein einzelner Mitbieter nicht bereit war, mehr zu zahlen, folgt nicht, dass der Wert den Betrag von 5.200,00 € nicht überstieg. Der Wert ließe sich vielmehr nur aufgrund objektiver Kriterien durch einen Sachverständigen feststellen. Soweit die Beklagte zum Beweis, dass die Sammlung zu ihrem Wert versteigert worden und der Schätzpreis von 5.000,00 € bis 6.000,00 € daher zutreffend gewesen sei, den Ersteher der Sammlung und den Mitbieter als Zeugen angeboten hat, war dem wegen Ungeeignetheit des Beweismittels daher auch nicht nachzugehen.

c. Lag aber der angemessene Schätzpreis bei 12.000,00 €, so war die Beklagte gemäß Nr. 5 des Versteigerungsvertrages verpflichtet, das Gebot von 5.200,00 € nur unter Vorbehalt anzunehmen und vor dem Zuschlag die Zustimmung des Zeugen W. einzuholen. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie den Zuschlag vorbehaltlos erteilt hat. Sie hat entgegen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch nicht dargetan und unter Beweis gestellt, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte.

d. Durch die Pflichtverletzung ist dem Zeugen W. ein Schaden entstanden, weil er das Eigentum an seiner Briefmarkensammlung verloren hat, ohne Anspruch auf einen angemessenen Gegenwert zu haben. Denn es ist zu vermuten, dass der Zeuge die Zustimmung zum Zuschlag verweigert hätte, weil unstreitig ist, dass er seine Briefmarkensammlung nur zu einem angemessenen Preis versteigern wollte.

Da der Verkehrswert der Sammlung nicht mehr durch Sachverständigengutachten ermittelt werden kann und der von der Beklagten angebotene Zeugenbeweis untauglich ist, war die Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu schätzen. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass eine Klage allein deshalb abgewiesen wird, weil der Kläger nicht in der Lage ist, den vollen Beweis für einen ihm erwachsenen Schaden zu erbringen. An die Stelle des Vollbeweises tritt dabei das Ermessen des Gerichts (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 287 Rdnr. 1). Hinzu kommt, dass die Klägerin auf Grund des Fehlverhaltens der Beklagten in Beweisschwierigkeiten geraten ist.

Danach schätzt der Senat den entstandenen und zu ersetzenden Schaden auf 5.746,00 €. Dies ergibt sich aus folgendem: Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der angemessene Schätzpreis von 12.000,00 € auch dem Verkehrswert der Sammlung entsprach. Die Klägerin ist im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als ob die Beklagte pflichtgemäß gehandelt hätte. Dann wäre der Zeuge W. zunächst Eigentümer einer Briefmarkensammlung im Wert von 12.000,00 € geblieben und es wäre bei einer weiteren Versteigerung der Schätzpreis erzielt worden oder der Zeuge hätte gemäß Nr. 2 des Versteigerungsvertrags den Auftrag zurückgenommen und wäre dauerhaft Eigentümer der Sammlung geblieben.

Die Klägerin hat sich daher von dem Betrag von 12.000,00 € die bereits als Vorschuss an den Zeugen W. gezahlten 4.000,00 € und die aufgrund der Abrechnung vom 01.02.2007 an ihn ausgekehrten 231,58 € anrechnen zu lassen, ebenso die Zinsen auf den Vorschuss von 1% p.m. vom 11.09.2006 bis zur Versteigerung von insgesamt 162,42 €, die auch ohne die Pflichtverletzung der Beklagten angefallen wären. Darüber hinaus hat sie sich Provision und Kosten in Höhe von insgesamt 15,5% aus einem Betrag von 12.000,00 € anrechnen zu lassen; dies sind weitere 1.860,00 €. Wäre es nämlich zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Versteigerung der Sammlung zum Preis von 12.000,00 € gekommen, wären Provision und Kosten vom Versteigerungserlös ebenfalls zu entrichten gewesen. Aber auch dann, wenn der Zeuge den Versteigerungsauftrag zurückgenommen hätte, wären die Beträge angefallen. Für die Provision ergibt sich dies aus Nr. 2 des Versteigerungsauftrags, der insoweit mit § 396 Abs. 1 HGB übereinstimmt, für die Kosten aus der gemäß § 675 Abs. 1 BGB anwendbaren Vorschrift des § 670 BGB.

6. Der Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist mangels Vortrags zu einem früheren Verzugseintritt mit einem konkreten Schadensersatzbetrag erst ab Rechtshängigkeit aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB gerechtfertigt. Für die Zeit vorher ist er aus § 848 BGB in Höhe von 4% p.a. gemäß § 246 BGB gegeben, weil der Zuschlag der Briefmarkensammlung zu einem Gebot von mehr als 10% unter dem angemessenen Schätzpreis ohne Zustimmung des Zeugen W. auch den Tatbestand der Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Streitwert der Berufung: 10.000,00 €.



Ende der Entscheidung

Zurück