Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: I-24 U 132/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1
BGB § 278
BGB § 543 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1
BGB § 543 Abs. 3
BGB § 543 Abs. 3 Satz 1
BGB § 543 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1
BGB § 543 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Landgerichts Duisburg vom 20. Juli 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Vorbehaltsurteil des Amtsgerichts Duisburg Ruhrort vom 28. Oktober 2004 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für den Monat Juli 2004 und über den Monat August 2005 hinaus keinen Mietzins schuldet. Es wird ferner festgestellt, dass sich die Widerklage hinsichtlich der Monate August 2004 bis März 2005 in der Hauptsache erledigt hat.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 45.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Mietzins sowie um die Wirksamkeit einer von der Beklagten als Mieterin ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Mit schriftlichem Vertrag vom 23. September 2000 vermietete die Klägerin der Beklagten Räumlichkeiten in ihrem Haus K.-Str. 76 in D. zum Betrieb einer Arztpraxis. Als Mietzeit vereinbarten die Parteien den Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis zum 30. April 2007. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag verwiesen.

Die Beklagte wurde nach Abschluss des Mietvertrages wiederholt - und zwar unter dem 9. August 2001, dem 8. September 2003 sowie dem 20. Januar 2004 - von der S-AG angeschrieben und unter Hinweis auf angebliche Zahlungsrückstände der Vermieterin dazu aufgefordert, dem bestehenden Versorgungsvertrag (betreffend Allgemeinstrom und Wasserversorgung) beizutreten. Zugleich wurde der Beklagten jeweils angedroht, die Energie-/Wasserlieferung für die Verbrauchsstelle Kirchstraße 76 im Falle des Nichtbeitritts zum Versorgungsvertrag einzustellen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 teilte die Beklagte der Klägerin unter gleichzeitigem Abhilfeverlangen mit, ihre Praxis sei zur Zeit nicht beheizbar und könne deswegen nicht ordnungsgemäß betrieben werden. Nach Erhalt des genannten Schreibens der S-AG vom 20. Januar 2004 kündigte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26. Februar 2004 sodann das Mietverhältnis außerordentlich zum 30. April 2004.

Die Klägerin hat die Beklagte im Urkundsverfahren vor dem Amtsgericht Duisburg-Ruhrort auf Mietzinszahlung in Anspruch genommen. Durch Vorbehaltsurteil vom 28. Oktober 2004 hat das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung des Mietzinses für den Monat Juni 2004 - 1.124,84 EUR nebst Zinsen - verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Durch das angefochtene Schlussurteil, auf dessen Tatbestand gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht das Vorbehaltsurteil vom 28. Oktober 2004 für vorbehaltlos erklärt und die von der Beklagten erhobene Feststellungswiderklage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerechten Berufung. Sie macht geltend, ihr sei ein Festhalten am Mietvertrag aufgrund der wiederholten Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs nicht länger zuzumuten gewesen. Die im Verantwortungsbereicht der Klägerin liegende Einstellung der Energie-/Wasserlieferung sei nicht nur angedroht, sondern teilweise auch vollzogen worden. So seien am 22. Oktober 2003 Mitarbeiter der S-AG in ihrer Arztpraxis aufgetaucht und hätten angekündigt, den Wasserzufluss nunmehr absperren zu wollen. Nur durch intensive Verhandlungen mit der S-AG sei es ihr gelungen, dies an jenem Tage abzuwenden. Am 29. Oktober 2003 sei dann von der S-AG der für den Betrieb der Heizung sowie der Treppenhausbeleuchtung erforderliche Allgemeinstrom tatsächlich abgestellt worden. Die Stromsperre habe zwei Tage gedauert und zu erheblichen Beeinträchtigungen ihres Praxisbetriebs geführt.

Die Klägerin hat nach Erheben der Widerklage ihre vermeintlichen Mietzinsansprüche für die Monate April 2005 bis einschließlich August 2005 im Urkundsverfahren vor dem Landgericht Duisburg (1 O 299/05) rechtshängig gemacht und insoweit am 16. Dezember 2005 ein Urkundenvorbehaltsurteil erwirkt. Die Beklagte hat hierauf ihre zunächst weitergehend erhobene Feststellungswiderklage hinsichtlich der Monate April 2005 bis einschließlich August 2005 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klägerin hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen. Die Parteien stellen insoweit wechselseitig Kostenanträge.

Im übrigen beantragt die Beklagte,

wie erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M., T.., Ta. und Tas... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Februar 2006 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der mit der Klage geltend gemachte Mietzinsanspruch steht der Klägerin ebenso wenig zu wie Mietzins für Juli 2004 und über den Monat August 2005 hinaus. Auch die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Beklagten hinsichtlich ihrer Feststellungswiderklage für die Monate August 2004 bis März 2005 hat in der Sache Erfolg und führt zur Feststellung der Erledigung in der Hauptsache. Soweit die Parteien übereinstimmend die Widerklage in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (April bis August 2005), bedarf es lediglich noch einer Kostenentscheidung.

Die Beklagte hat das Mietverhältnis der Parteien mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Februar 2004 mit Wirkung zum 30. April 2004 wirksam gekündigt. Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung lagen vor:

Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung durch den Mieter liegt insbesondere dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB). Ferner liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung des Mieters auch dann vor, wenn der gemietete und zum Aufenthalt von Menschen bestimmte Raum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist (§§ 569 Abs. 1, 578 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die außerordentliche Kündigung wegen der Verletzung einer Verpflichtung aus dem Mietvertrag setzt allerdings grundsätzlich die erfolglose Fristsetzung zur Abhilfe oder eine erfolglose Abmahnung voraus, § 543 Abs. 3 BGB. Ausgehend von diesen Maßgaben und in Gesamtwürdigung aller unstreitigen oder aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme festgestellten Umstände des Einzelfalls war der Beklagten die Fortsetzung des mit der Klägerin eingegangenen Mietverhältnisses bis zu dessen regulären Ende nicht zuzumuten.

Im Vorfeld der außerordentlichen Kündigung vom 26. Februar 2004 ist es wiederholt zu Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs der Beklagten gekommen und zwar aufgrund von Umständen, die sämtlich im Verantwortungsbereich der Klägerin liegen. Ihr ist unter Anwendung von § 278 BGB nicht nur das Verhalten ihres als Verwalter eingesetzten Ehemannes P. zuzurechnen. Erfüllungsgehilfin der Klägerin im Sinne des § 278 BGB hinsichtlich der aus dem Mietvertrag geschuldeten Versorgung mit Allgemeinstrom und Wasser ist auch die S-AG mit der Konsequenz, dass es für die nach § 543 Abs. 1 BGB zu treffende Abwägung ohne Entscheidungsrelevanz ist, ob die Ursache für die Störungen des Mietgebrauchs der Beklagten nun bei der Klägerin (in Folge Nichtzahlung von Verbrauchsrechnung) oder bei den Stadtwerken (etwa in Folge dortiger Buchungsfehler) liegt.

Chronologisch geordnet stehen folgende einzelne Vorfälle fest:

a) Mit Schreiben vom 9. August 2001 kündigte die S-AG der Beklagten die Einstellung der Energie-/Wasserlieferung für die Verbrauchsstelle K-Str. 76 in D. für den Fall an, dass die Beklagte und die übrige Mietergemeinschaft dem mit dem Hauseigentümer (hier der Klägerin) bestehenden Vertragsverhältnis nicht beitrete. Zugleich teilte die S-AG mit, die Klägerin sei bereits mit Schreiben vom 22. Juni 2001 über dieses Beitrittsangebot informiert. Zwar hat sich dieser Vorfall im Verlaufe eines früheren Mietverhältnisses der Parteien ereignet, da das hier streitige Mietverhältnis erst am 1. Mai 2002 begonnen hat. In die nach § 543 Abs. 1 BGB vorzunehmende Gesamtabwägung ist jener Vorfall trotzdem einzustellen, da er sich in der Zeit zwischen Abschluss des Mietvertrages (23. September 2000) und Beginn des Mietverhältnisses ereignet hat und aus diesem Grunde durchaus geeignet ist, in Zusammenschau mit den späteren Vorfällen - zumal diese ganz überwiegend ebenfalls die Energie -/Wasserversorgung betreffen - das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu erschüttern. Ob das nachfolgende Anwaltsschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 28. August 2001 die Klägerin tatsächlich erreicht hat oder nicht, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung und kann deswegen dahingestellt bleiben.

b) In gleicher Weise wie unter dem 9. August 2001 schrieb die S-AG die Beklagte erneut unter dem 8. September 2003 an und kündigte eine Liefersperre für Energie/Wasser an. Die Klägerin war zuvor von der S-AG mit Schreiben vom 13. August 2003 über dieses beabsichtigte Vorgehen informiert worden.

c) In Vollzug der Ankündigung vom 8. September 2003 erschienen am 22. Oktober 2003 zwei Monteure der S-AG in der Arztpraxis der Beklagten mit dem Ansinnen, nunmehr die Wasserzufuhr absperren zu wollen. Die Beklagte wurde hierdurch veranlasst, vorsorglich sämtliche erreichbaren Behältnisse in ihrer Arztpraxis (Waschbecken, Eimer, Flaschen etc.) mit Leitungswasser füllen zu lassen. Erst nach intensiven Telefongesprächen der Beklagten mit dem Innendienst der Stadtwerke unterblieb die angekündigte Sperrung der Wasserzufuhr.

Dieser Sachverhalt steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Zeuge E. Tas. hat den Auftritt der beiden Monteure der Stadtwerke vom 22. Oktober 2003 und die hierdurch in der Praxis seiner Ehefrau, der Beklagten, ausgelösten Folgen nachvollziehbar und glaubhaft geschildert. Seine Angaben werden bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin Ta., die zu jener Zeit in der Praxis der Beklagten als Arzthelferin tätig war. Zwar hat die Zeugin die beiden Monteure der Stadtwerke nicht selbst gesehen, da sie an jenem Tage krank war und erst mittags in die Praxis kam. Die Folgen des Vorfalls, nämlich das Füllen von Waschbecken, Eimern und ähnlichen Behältnissen mit Leitungswasser, hat sie noch selbst erlebt. Ebenso hat sie nach ihrem Bekunden aus der Sortierung der Patientenunterlagen ersehen können, dass Patienten mit der Maßgabe, später wiederzukommen, unbehandelt nach Hause geschickt worden sind. Den Grund für das von ihr erlebte Durcheinander in der Praxis - nämlich den Absperrversuch der S-AG - hat sie unmittelbar nach dem Vorfall durch eine ihrer Arbeitskolleginnen mitgeteilt bekommen.

Die Angaben des Zeugen Tas.. werden weiter bestätigt durch die Bekundungen der bei der S-AG tätigen Zeugin T. . Sie erinnerte sich daran, dass es zwei Versuche der S-AG gegeben hat, eine Liefersperre durchzuführen, wobei ein Versuch erfolgreich war und ein Versuch ohne Erfolg blieb. Aus den von der Zeugin vorgelegten Screen-Kopien der Unterlagen des S-AG-Außendienstes ergibt sich, dass die Stromsperre am 29. Oktober 2003 mit Erfolg vorgenommen worden ist. Da der Auftrag an den Außendienst nach den Angaben der Zeugin dahin ging, die gesamte Versorgung (Wasser und Strom) abzustellen, kann es sich bei dem erfolglos gebliebenen Versuch nur um den von den Zeugen Tas.. und Ta. geschilderten Absperrversuch hinsichtlich der Wasserversorgung gehandelt haben.

d) Ebenfalls in Vollzug ihrer Ankündigung vom 8. September 2003 unterbrach die S-AG am 29. Oktober 2003 die Stromversorgung für den von der Klägerin zu besorgenden Allgemeinstrom des Hauses K-Str. 76, wodurch jedenfalls die Heizung in der Praxis der Beklagten ausfiel. Auch dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund der sich aus der Akte ergebenden zusätzlichen Indizien fest. Die S-AG haben mit Schreiben vom 23. Dezember 2005 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, die Energielieferung sei mit Datum vom 29. Oktober 2003 eingestellt und nach Ausgleich einer Forderung der S-AG am 30. Oktober 2003 wieder aufgenommen worden. Dies deckt sich in dem entscheidungserheblichen Kern mit den Bekundungen aller vier vom Senat vernommenen Zeugen. Sowohl der Zeuge Tas.. als auch die Zeugin Ta. haben nach ihren glaubhaften Bekundungen den Heizungsausfall aufgrund der Stromsperre vom 29. Oktober 2003 selbst erlebt. Zu den Auswirkungen des Heizungsausfalls hat die Zeugin Ta. bekundet, es sei notwendig gewesen, Patienten wegen der Kälte zu bedecken, zumal sich die Patienten beim EKG ausziehen mussten. Ebenfalls aus eigenem Erleben vermochte der Zeuge Jörg M., den die Klägerin am 29. Oktober 2003 zu Rohrleitungsarbeiten im Keller des Hauses K-Str. 76 eingesetzt hatte die Stromsperre zu bestätigen. Zwar konnte er die Stromsperre zeitlich nicht mehr genau einem bestimmten Datum zuordnen. Er entsann sich aber, jedenfalls am 29. Oktober 2003 im Keller des Mietobjekts tätig gewesen zu sein, und ferner, dass er irgendwann einmal morgens früh bei der Aufnahme der Arbeiten in jenem Haus keinen Strom gehabt habe. Nach Überprüfen der Sicherungen habe er auch festgestellt, dass es sich um eine Stromsperre der Stadtwerke gehandelt habe. Die Tatsache der Stromsperre am 29. Oktober 2003 ebenfalls bestätigt hat die Zeugin T. . Sie konnte sich zwar an den konkreten Vorfall vom 29. Oktober 2003 nicht erinnern, wusste aber noch, dass es zu jener Zeit einen erfolgreichen Sperrversuch der Stadtwerke gegeben hat. Die von ihr vorgelegten Unterlagen des Außendienstes - wie oben erwähnt - decken sich mit den Angaben der Zeugen Tas.., Ta. und M..

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Stromsperre nur wenige Stunden gedauert hat (so die Angaben des Zeugen M.), erst am 30. Oktober 2003 aufgehoben wurde (so ergibt es sich aus den Unterlagen der S-AG) oder bis in den Vormittag des 31. Oktober 2003 zum Ausfall der Heizung in der Arztpraxis geführt hat, wie der Zeuge Tas.. bekundet hat. Denn bereits der Stromausfall am 29. Oktober 2003 rechtfertigt in der Zusammenschau mit den anderen den Mietgebrauch beeinträchtigenden Vorfällen die Auflösung des Mietvertrages durch die außerordentliche Kündigung vom 26. Februar 2004. Dies gilt selbst dann, wenn der Stromausfall am 29. Oktober 2003 nur wenige Stunden angedauert haben sollte.

e) In gleicher Weise wie bereits unter dem 9. August 2001 und unter dem 8. September 2003 schrieb die S-AG die Beklagte unter dem 20. Januar 2004 erneut an, verbunden mit der Androhung einer Liefersperre für Energie und Wasser für den Fall des Nichtbeitritts zum Liefervertrag der Klägerin. Soweit die Klägerin bestreitet, dass es im Januar 2004 nochmals "zu einer berechtigten Beitrittsaufforderung" durch die S-AG gekommen sei, ist dies unerheblich. Denn die Existenz des Schreibens der S-AG vom 20. Januar 2004 - belegt durch die von der Beklagten zur Akte gereichten Fotokopie dieses Schreibens - bestreitet die Klägerin nicht. Ob aber jenes Schreiben "berechtigt" war oder nicht, ist ohne Bedeutung, da die Klägerin nach § 278 BGB - wie ausgeführt - auch für das Verhalten der S-AG einzustehen hat.

Nach alledem hatte die Beklagte aufgrund fünf verschiedener Vorfälle - unter Einschluss des Vorfalls aus dem Jahre 2001 - begründeten Anlass, die Versorgung der von ihr in den Mieträumen betriebenen Arztpraxis mit Wasser und Heizungswärme als nicht mehr gesichert anzusehen. Zwar ist der gesetzliche Beispielsfall des § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BGB nur in einem Falle, nämlich in Folge der Stromsperre am 29. Oktober 2003, verwirklicht worden. Auch hat die Klägerin auf das Verlangen der Beklagten durch Zahlung des von der S-AG geforderten Betrags umgehend für Abhilfe gesorgt. Die wiederholt aufgetretene Gefährdung der Energie- und Wasserversorgung ihrer Arztpraxis war der Beklagten nach der letzten Sperrankündigung vom 20. Januar 2004 aber nicht länger zuzumuten. Der Ausfall von Energie- oder Wasserlieferung ist gerade für den Betrieb einer Arztpraxis wegen der damit verbundenen Gefahren für die Patienten unter allen Umständen zu vermeiden. Es war Sache der Klägerin, im Zusammenwirken mit der S-AG die Versorgungssicherheit für die Praxis bestmöglich zu gewährleisten. Diesen Anforderungen ist die Klägerin nachhaltig nicht gerecht geworden, so dass die Beklagte zur Auflösung des Vertragsverhältnisses nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigt war.

In der hier vorzunehmenden Gesamtabwägung fällt zum Nachteil der Klägerin auch der in seinem Kern zwischen den Parteien unstreitige Vorfall vom 23. Juli 2003 ins Gewicht. Ohne die erforderliche Ankündigung, ohne Einlassgewährung durch die Beklagte und gegen den ausdrücklichen Widerspruch des in der Praxis tätigen Personals verschaffte sich der von der Klägerin als Verwalter eingesetzte P. Zutritt zu den Praxisräumlichkeiten und untersuchte diese auf bauliche Änderungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verwalter, wie die Klägerin bestreitet, auch Untersuchungs- und Behandlungsräume unerlaubt betreten hat. Ohne Zutrittsgewährung durch die Beklagte hatte der Verwalter überhaupt nichts in der Praxis zu suchen; allenfalls durfte er - dies war aber gerade nicht der Fall - sich am Empfang als Patient melden. Unstreitig ist er aber trotz Aufforderung zum Verlassen der Praxis über den Empfangsbereich hinaus zumindest in das Wartezimmer gegangen, um sich dort umzuschauen. Auch vor dem Hintergrund dieser manifesten Grenzüberschreitung durch den Verwalter der Klägerin war der Beklagten in Zusammenschau mit den oben genannten weiteren Vorkommnissen ein Festhalten am Vertrag bis zum Ende der regulären Laufzeit nicht zuzumuten.

Ein erneutes Abhilfeverlangen oder eine Abmahnung nach dem letzten Vorfall vom 20. Januar 2004 war gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 und 2 BGB nicht erforderlich. Vor jeder der drei Sperrankündigungen der S-AG war die Klägerin von der S-AG über das beabsichtigte Vorgehen - nämlich das Beitrittsangebot an die Mieter - informiert worden. Über die Stromsperre vom 29. Oktober 2003 ist sie von der Beklagten unterrichtet worden und da es trotzdem zu der erneuten Sperrankündigung vom 20. Januar 2004 gekommen ist, versprach ein erneutes Vorgehen nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB zur künftigen Vermeidung solcher Vorfälle offensichtlich keinen Erfolg. Überdies rechtfertigten die Besonderheiten des Falls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung.

Auf den Antrag der Beklagten war auch festzustellen, dass sich die Widerklage hinsichtlich der Monate August 2004 bis März 2005 in der Hauptsache erledigt hat. Das Rechtschutzbedürfnis für die ursprünglich zulässige und begründete Widerklage ist durch Erheben der Leistungsklage auf Zahlung des Mietzinses für den genannten Zeitraum entfallen. Dem Vortrag der Beklagten, die Leistungsklage sei erst nach Erheben der Widerklage ihrerseits erhoben worden, ist die Klägerin nicht konkret - nämlich unter Angabe der Zustellungsdaten der Leistungsklage - entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO. Auch im Umfang der übereinstimmend erklärten Teilerledigung der Widerklage sind die Kosten nach Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen, da sie ohne das erledigende Ereignis - anderweitige Rechtshängigkeit der Leistungsklage - auch hier unterlegen gewesen wäre.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück