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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.03.2006
Aktenzeichen: I-24 U 161/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 675
BGB § 1375
Der Rechtsanwalt hat ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten sorgfältig zu prüfen und das Gericht auf Fehler des Sachverständigen hinzuweisen (hier: fehlerhafte Flächenangaben in Bewertungsgutachten im Zugewinnausgleichsprozess).
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

I-24 U 161/05

Düsseldorf, den 20. März 2006

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 18.659,03 € nebst Zinsen verurteilt. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

I.

Der Beklagte ist dem Kläger wegen defizitärer Vertretung in dem Zugewinnausgleichsverfahren vor dem Familiengericht Mettmann (Az. 42 F 239/00) zur Zahlung von Schadensersatz in der zuerkannten Höhe verpflichtet (§§ 675, 611, 280 BGB).

1.

Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, das zur Ermittlung des Zugewinns vom Familiengericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen P. sorgfältig zu überprüfen, weshalb ihm die im Zusammenhang mit der Ermittlung des Endvermögens fehlerhafte Berechnung der Grundstücksgröße verborgen geblieben ist.

Die zutreffende Grundstücksgröße beträgt 1.052 qm (vgl. Bodenwert zum Bewertungsstichtag 02. August 1974), während der Sachverständige zum Bewertungsstichtag am 29. Mai 1998 eine Fläche von 1.231 qm zugrunde legte. Von diesen Feststellungen ist das Landgericht zutreffend ausgegangen, denn der Beklagte ist diesem Vorbringen des Klägers nicht substantiiert entgegen getreten (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Erstinstanzlich hat er lediglich bestritten, dass die vom Sachverständigen mit 1.231 qm angenommene Grundstücksfläche unrichtig sei (Schriftsatz vom 12. März 2005, S. 2, GA 24). Dies stellte jedoch kein substanziiertes Bestreiten dar. Ein solches wäre jedoch im Hinblick darauf, dass der Beklagte aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger im Zugewinnausgleichsverfahren im einzelnen mit der Entwicklung von dessen Vermögensverhältnissen während der Ehezeit vertraut war, erforderlich gewesen. Zwischen den Parteien steht nämlich nicht im Streit, dass das Grundstück des Klägers zwischen 1974 und 1998 keine Vergrößerung durch den Zukauf weiterer Flächen o.ä. erfahren hat. Das dahingehende Vorbringen des Klägers ist unstreitig geblieben. Geht man hiervon aus, muss die Flächenangabe mit 1.231 qm jedoch unrichtig sein, denn zum einen wird die Abweichung zur Grundstücksgröße von 1.052 im Jahr 1974 nicht plausibel und zum anderen geht aus anderen zur Ermittlung der Grundstücksgröße vorhandenen Unterlagen hervor, dass 1.052 qm zutreffend sind (Gutachten des von der Ehefrau des Klägers beauftragten Sachverständigen J., der unter Bezugnahme auf die Grundstücksdaten laut Grundbuchauszug eine Flurstücksgröße von insgesamt 1.052 qm festhielt).

2.

Diese offenkundige Fehlerhaftigkeit des Sachverständigengutachtens hätte dem Beklagten auffallen müssen. Er war aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur sorgfältigen und fachkundigen Beratung und Betreuung des Klägers als Mandanten verpflichtet, mithin auch zur Überprüfung des vom Familiengericht eingeholten Gutachtens. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Soweit der Beklagte einwendet, auch der Kläger selbst hätte diesen Fehler bemerken müssen, ändert dies nichts an der Pflichtwidrigkeit seines Unterlassens. Denn er war im Verhältnis zum Kläger zu einer sorgfältigen und eigenverantwortlichen Prüfung verpflichtet. Auch der Umstand, dass das Familiengericht diesen Fehler hätte bemerken müssen, führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1241 (1242); Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rn. 1034 "Rechtsirrtum, Eigenverantwortung" m.w.N.). Denn der Rechtsanwalt ist allenfalls entlastet, wenn er selbst keinen Fehler gemacht hat.

3.

Hätte der Beklagte nach sorgfältiger Überprüfung den Fehler des Sachverständigen dem Familiengericht schriftsätzlich zur Kenntnis gebracht, hätte dieses den zu zahlenden Zugewinnausgleich zutreffend und entsprechend der Berechnung des Klägers in der Klageschrift errechnet. Die hypothetische Betrachtung, wie der Vorprozess bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung entschieden worden wäre, betrifft nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Tatsachenfeststellungen. Die Frage, wie der Vorprozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen, beantwortet sich nach § 287 ZPO, weil es sich um ein Element haftungsausfüllender Kausalität handelt (BGHZ 163, 223 f. = NJW 2005, 3071 m.w.N.). Es bedarf keiner vertieften Ausführungen darüber, dass eine entsprechende Entscheidung des Familiengerichts zumindest überwiegend wahrscheinlich gewesen wäre.

4.

Durch das pflichtwidrige Unterlassen des Beklagten ist dem Kläger ein Schaden in der geltend gemachten und vom Landgericht zuerkannten Höhe entstanden.

Das Landgericht hat zu Recht bei Ermittlung des Grundstückswerts einen Betrag von 320,-- DM pro Quadratmeter zugrunde gelegt. Ein Abschlag für "Gartenland" war nicht vorzunehmen, denn eine Unterteilung der Parzelle 67 in "Gartenland" und "Gebäude- und Freifläche" durfte zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt 1998 nicht mehr erfolgen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Gutachten des Sachverständigen P. und zum anderen aus dem Umstand, dass jener Grundstücksteil, welcher im Jahr 1974 noch als "Gartenfläche" ausgewiesen war, im Jahr 1998 mit dem Haus Nr. 23 bebaut war (und spätestens im Zuge der Bebauung zur Gebäude- und Freifläche geworden war).

Die ansonsten zutreffende und nachvollziehbare Berechnung des Schadens durch den Kläger hat der Beklagte nicht angegriffen, sie kann deshalb den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

5.

Ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen.

a.

Soweit der Beklagte ihm vorwirft, der Kläger habe die unterschiedlichen Flächenangaben im Gutachten des Sachverständigen P. selbst bemerken müssen, kann diese Tatsachenfrage letztlich offen bleiben. Denn der Einwand mitwirkenden Verschuldens greift hier schon deshalb nicht ein, weil die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt gerade dem Beklagten als Rechtsanwalt oblag. Er war zur vollständigen und sorgfältigen Überprüfung der Beweisergebnisse verpflichtet und nicht der Kläger als Auftraggeber. Denn der Beklagte ist vom Kläger gerade auch deshalb hinzugezogen worden, um solche Schäden zu erkennen und abzuwehren. Es ist anerkannt, dass dem geschädigten Auftraggeber ein Mitverschulden dann nicht zugerechnet werden kann, wenn er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er den sachkundigen Berater hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können. Dies gilt auch bei einschlägiger Vorbildung des Mandanten, weil dieser sich auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch seinen Berater verlassen darf (vgl. BGH WM 1992, 739 (740); NJW 1993, 2045 (2047); WM 1993, 1889 (1893 f.); NJW 1997, 2168 (2170); Zugehör, a.a.O, Rn. 1151 f.;).

b.

Aus den genannten Gründen kann auch offen bleiben, ob nach Zugang des gerichtlichen Sachverständigengutachtens noch Besprechungstermine zwischen den Parteien stattgefunden haben bzw. ob solche überhaupt erforderlich waren. Der Kläger als Mandant war zu einer dahingehenden Mitwirkung nicht verpflichtet. Denn die Besprechungstermine sollten nicht der Verschaffung weitergehender, vom Kläger zu erteilender Informationen dienen, sondern allein der Aufdeckung der fehlerhaften Grundstücksgrößen im Sachverständigengutachten P.. Letzteres war aber allein Aufgabe des Beklagten.

c.

Auch die nachfolgende Tätigkeit durch den Streitverkündeten, Rechtsanwalt W., begründet kein gemäß § 278 BGB zurechenbares Mitverschulden des Klägers an der Entstehung des Schadens. Insoweit kann offen bleiben, ob der Streitverkündete überhaupt im Rahmen des hier maßgeblichen Zugewinnausgleichsverfahrens tätig geworden ist. Dies bestreitet er, auf ein Tätigwerden deutet aber sein Schreiben an den Beklagten vom 10. April 2002 hin, in welchem er unter Bezugnahme auf das Zugewinnausgleichsverfahren um Übersendung der Handakten bittet. Hierauf kommt es jedoch nicht an.

Grundsätzlich muss sich ein Geschädigter, für den nacheinander verschiedene Rechtsanwälte tätig geworden sind, deren pflichtwidriges Verhalten nicht als Mitverschulden entgegen halten lassen (BGH NJW 1993, 1779 (1781); NJW 1994, 122 (1212); NJW 1997, 2168 (2170); Zugehör, a.a.O., Rn. 1162 m.w.N.). Die Anrechnung eines Mitverschuldens kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn sich der Mandant des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen, der durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde. Dies ist aber nicht der Fall, wenn - wie hier - der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung durch den in Anspruch genommenen Rechtsanwalt vertraut hat und vertrauen durfte. Denn es ist unstreitig, dass der Kläger während des Laufs der Berufungsfrist gegen das Urteil des Familiengerichts und der damit einhergehenden Mandatierung des Streitverkündeten die Pflichtverletzung des Beklagten noch nicht bemerkt hatte.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Ende der Entscheidung

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