Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: I-24 U 194/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 675
BGB § 276
1. Dem Rechtsanwalt ist eine Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht vorzuwerfen, wenn er rechtzeitig und mit höchstrichterlich anerkannten Gründen Fristverlängerung beantragt hat.

2. Ohne konkrete Anhaltspunkte braucht ein Rechtsanwalt die an einem Berufungsgericht vereinzelt geübte, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtspraxis zur Verlängerung von Berufungsbegründungsfristen nicht zu kennen.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

I-24 U 194/03

Düsseldorf, 19. Januar 2004

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Tatbestand:

Die beklagten Rechtsanwälte vertraten die Klägerin in einem Kündigungsschutzprozess. Nachdem die Klage vom Arbeitsgericht W. abgewiesen worden war, legten die Beklagten am 8.12.1999 beim LAG Düsseldorf Berufung ein. Am 7.1.2000 beantragten sie, die am 10.1.2000 ablaufende Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen zu verlängern. Durch Beschluss vom 11.1.2000 lehnte der Vorsitzende der zuständigen 12. Kammer des LAG unter Hinweis auf LAG Düsseldorf VersR 1994, 1208 = DB 1994, 1528 sowie BAG AP Nr. 6 zu § 66 ArbGG 1979 den Verlängerungsantrag ab. Das von den Beklagten namens der Klägerin rechtzeitig gestellte Wiedereinsetzungsgesuch wurde zurückgewiesen, ihre Berufung unanfechtbar als unzulässig verworfen. Eine Verfassungsbeschwerde der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klägerin hat die Beklagten wegen dieser Vorgänge auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen erhobenen Angriffe der Beklagten bleiben erfolglos.

Das Urteil des Landgerichts ist richtig. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung des Anwaltsdienstvertrages (§§ 675, 611 BGB), da eine Verletzung von Anwaltspflichten durch den Beklagten zu 2) nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen nicht festgestellt werden kann. Demgemäss entfällt auch eine Haftung der übrigen Beklagten.

1.

Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass der Beklagte zu 2) die Frist zur Begründung der am 8. Dezember 1999 vor dem LAG Düsseldorf - 12 Sa 1920/99 - eingelegten Berufung nicht schuldhaft versäumt hat, §§ 66 Abs. 1 Satz ArbGG, 233, 85 Abs. 2 ZPO. Denn er durfte damit rechnen und darauf vertrauen, dass der Vorsitzende der 12. Kammer des LAG Düsseldorf die Frist zur Berufungsbegründung verlängern würde.

Die Erwartung und das Vertrauen auf eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung sind bei normalem Verlauf der Dinge regelmäßig dann begründet, wenn der diesbezügliche Antrag auf den in der Praxis üblichen Hinweis auf Arbeitsüberlastung oder Urlaub gestützt wird. Die besonders starke Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten gehört zu den erheblichen Gründen im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG. Diese Vorschrift ist in gleicher Weise auszulegen und anzuwenden, wie die im Wortlaut identische Vorschrift des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a. F. (jetzt § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Danach sind die Gründe der besonders starken Arbeitsbelastung und ihre Auswirkungen auf die Bearbeitung gerade der konkreten Sache nicht näher zu substanziieren und glaubhaft zu machen. Auch eine Rückfrage bei Gericht, ob der Verlängerungsantrag positiv beschieden wird oder nicht, ist vor Ablauf der Frist nicht veranlasst (BAG NJW 1995, 1446 f). Als schuldhaft kann ein hierauf ausgerichtetes Verhalten des Prozessbevollmächtigten nur dann angesehen werden, wenn dem betroffenen Rechtsanwalt bekannt sein muss, dass bei dem angerufenen Gericht eine strengere, aber noch rechtmäßige Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten ist (BVerfG NZA 2000, 446 f; BVerfGE 79, 372 ff; BAG NJW 1995, 1446 ff; BGH NJW 1997, 400). Dies ist hier indes nicht der Fall.

a)

Der Beklagte zu 2) hat den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig gestellt. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28. September 1999 wurde innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB eingelegt. Das Urteil war am 8. November 1999 der Klägerin zugestellt worden. Die Berufungsschrift ging am 8. Dezember 1999 beim LAG Düsseldorf ein. Den am 7. Januar 2000 beim LAG eingegangenen Antrag zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat der Beklagte zu 2) vor Ablauf der Frist am 10. Januar 2000 gestellt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Seinen Fristverlängerungsantrag hat er damit begründet, " dass es noch der Einholung ausstehender Informationen bedarf, die aus Arbeitsüberlastungsgründen bis dato noch nicht erhalten worden konnten".

Nach den oben dargestellten Grundsätzen war dies auch ohne nähere Konkretisierung der die Arbeitsüberlastung begründenden Umstände für die Gewährung einer Fristverlängerung als ausreichend anzusehen. Insbesondere durfte der Beklagte zu 2) auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aber deshalb vertrauen, weil er seinen Antrag auch darauf stützte, zusätzliche Informationen zur Begründung der Berufung einholen zu müssen. Damit wies er auf einen über die bloße Erstellung einer Berufungsbegründungsschrift anhand von Akten hinausgehenden Aufwand hin, der insbesondere unter Berücksichtigung der soeben erst verstrichenen Weihnachtsfeiertage sowie des begangenen Jahreswechsels nachvollziehbar eine Verzögerung der Sachbearbeitung nahe legte. Da der Gerichtsakte darüber hinaus zu entnehmen war, dass der Beklagte zu 2) an dem erstinstanzlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter nicht beteiligt, sondern erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt worden war, war die Erforderlichkeit weiterer Informationen gut nachvollziehbar.

Auch nach Zugang des die Fristverlängerung ablehnenden Beschlusses des LAG vom 11. Januar 2000 am 13. Januar 2000 kann dem Beklagten zu 2) eine Verletzung von Anwaltspflichten nicht angelastet werden. Er hat mit bei Gericht am 19. Januar 2000 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Januar 2001 gemäß den §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 233 ff ZPO form- und fristgerecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt und darin sowohl Gründe für fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis dargetan, als auch die versäumte Prozesshandlung nachgeholt.

b)

Dem berechtigten Vertrauen des Beklagten zu 2) auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stand die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Spruchpraxis einiger Kammern des LAG Düsseldorf nicht entgegen. Denn der Beklagte zu 2) musste diese nicht zu dem Zeitpunkt kennen, als er die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt hat. Er hatte keinen Anlass, seinen Antrag auf Gewährung einer Fristverlängerung nach § 66 Abs. 1 ArbGG weitergehend als geschehen zu begründen.

Es kann hier im Ergebnis offen bleiben, ob die Unkenntnis des Beklagten zu 2) von der Verfahrenspraxis des LAG Düsseldorf grundsätzlich eine Verletzung seiner Informations- und Fortbildungspflicht und eine dadurch veranlasste Verletzung seiner Pflicht, auch im Rahmen der formellen Prozessführung für seine Mandantin den "sichersten Weg" zu wählen, darstellt. Denn ein Rechtsanwalt braucht sich nicht auf eine Praxis einzustellen, die die obersten Bundesgerichte - das Bundesverfassungsgericht, das Bundesarbeitsgericht und der Bundesgerichtshof - für rechtswidrig halten. Eine Praxis, die ohne nähere Prüfung der im Einzelfall erkennbaren Umstände eine erhebliche Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten oder noch zu beschaffende Informationen generell nicht als "erheblich" im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ansieht, bewegt sich nicht im Rahmen zulässiger, am Einzelfall orientierter Ermessensausübung (BVerfGE 79, 372 ff; BAG NJW 1995, 1446; BGH NJW 1997, 400; Zöller/Greger, aaO).

aa)

Gemäß den §§ 43 a Abs. 6 BRAO, 15 FAO ist ein Rechtsanwalt allerdings verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden und sich über die Entwicklung der für sein Fachgebiet einschlägigen Rechtsprechung zu informieren. Ein Verstoß des Beklagten zu 2) gegen die ihm obliegende Fortbildungspflicht kann jedoch nicht festgestellt werden.

Entgegen der von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung, kann dem Beklagten zu 2) als einem Fachanwalt für Arbeitsrecht nicht vorgeworfen werden, dass ihm die Verfahrensweise des LAG Düsseldorf unbekannt war. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, musste der Beklagte zu 2) nicht allein aus der Kenntnis der Entscheidung des BAG vom 27. September 1994 sowie des Beschlusses des LAG Düsseldorf vom 23. Dezember 1993 darauf schließen, dass das LAG seine durch Veröffentlichungen offengelegte, im Zeitpunkt der Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Beklagten zu 2) aber bereits mehr als fünf Jahre zurückliegende Verfahrenspraxis aufrechterhält. Seitdem waren vielmehr weitere Entscheidungen des BVerfG und des BGH ergangen und veröffentlicht worden, in denen an der bis dahin einhelligen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten worden war (BVerfG NJW 1998, 3703 f; BGH NJW 1997, 400). Weitere Veröffentlichungen des LAG Düsseldorf, in denen es sein Festhalten an seiner bisherigen Praxis trotz des Urteils des BAG vom 27. September 1994 zum Ausdruck brachte, sind demgegenüber seit dem Jahr 1994 ersichtlich ebenso wenig erfolgt, wie Veröffentlichungen des BAG, aus denen sich eine Fortsetzung der von den höchsten Gerichten als rechtswidrig erachteten Verfahrensweise des LAG Düsseldorf seit dem Urteil des BAG vom 27. September 1994 erschließen ließ. Der Beklagte zu 2) durfte deshalb darauf vertrauen, dass auch das LAG Düsseldorf sich nunmehr der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen hatte und die frühere Rechtsprechung des LAG Düsseldorf als überholt ansehen.

Auch war der Beklagte zu 2) entgegen der von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung nicht deshalb verpflichtet, sich über die in Fachzeitschriften veröffentlichten und in elektronische Datenbanken eingestellten Entscheidungen hinaus über die Verfahrensweisen des LAG Düsseldorf zu informieren, weil er als Fachanwalt für Arbeitsrecht seine Kanzlei im Bezirk des LAG Düsseldorf unterhält. Denn allein aus der örtlichen Nähe kann nicht der Schluss gezogen werden, der Beklagte zu 2) sei maßgeblich am LAG Düsseldorf tätig und müsse daher bereits von der Verfahrensweise der 12. Kammer Kenntnis gehabt haben. Fachanwälte für Arbeitsrecht sind nicht an bestimmte Gerichte gebunden. Nach § 11 Abs. 2 ArbGG (in seiner auch im Januar 2000 geltenden Fassung) können Parteien vor den Landesarbeitsgerichten vielmehr durch jeden bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten werden. Der Wirkungskreis eines Fachanwaltes für Arbeitsrecht muss nicht notwendigerweise auf den Bezirk beschränkt sein, in welchem er residiert, sondern kann ebenso gut außerhalb dieses Bezirkes liegen. Sachvortrag dazu, dass der Beklagte zu 2) wiederholt vor dem LAG Düsseldorf, insbesondere dessen 12. Kammer, aufgetreten ist und dort Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt hat, liegt nicht vor. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist die Klägerin (BGH NJW 1996, 2571; 1985, 264; Zugehör, aaO, Rn. 1000).

Eine Pflicht, sich über die Verfahrensweisen des LAG Düsseldorf zu informieren, ergab sich für den Beklagten zu 2) auch nicht aus § 2 FAO. Richtig ist zwar, dass Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung nach § 2 Abs. 1 b) FAO besondere praktische Erfahrungen sind. Zu dem Nachweis ist nach § 5 c FAO jedoch kein Nachweis über praktische Erfahrungen an einem LAG, erst Recht nicht an demjenigen, in dessen Bezirk die Kanzlei des Fachanwaltes gelegen ist, erforderlich. Nach § 5 c FAO werden solche Erfahrungen vielmehr durch die Bearbeitung von 100 arbeitsrechtlichen Mandaten aus bestimmten Themenbereichen nachgewiesen, wovon mindestens die Hälfte gerichts- oder rechtsförmliche Verfahren sein müssen. Die Bezeichnung als Fachanwalt für Arbeitsrecht kann damit ausschließlich durch den Nachweis von vor einem Arbeitsgericht verhandelten Mandaten erworben werden. Nach § 15 FAO genügt ein Fachanwalt seiner Pflicht zur Fortbildung darüber hinaus bereits durch eine jährliche Teilnahme an einer mindestens zehnstündigen Fachtagung.

bb)

Entscheidend aber ist, dass sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht auf eine Praxis einzustellen braucht, die die obersten Gerichte für rechtswidrig halten. Aus dem Urteil des BAG vom 23. September 1994 durfte der Beklagte zu 2) schließen, dass das BAG die vom LAG Düsseldorf praktizierte Verfahrensweise als rechtswidrig ansah und damit auch dem im Urteil des BAG vom 27. September 1994 zitierten Beschluss des LAG Düsseldorf vom 23. Dezember 1993 (DB 1994, 1528 = VersR 1994 1208 f) jede Präjudizwirkung absprach (BAG NJW 1995, 1446 f). Soweit die Klägerin ausführt, das BAG habe jedoch einschränkend dahin entschieden, dass einen Rechtsanwalt seit der Veröffentlichung des Beschlusses des LAG Düsseldorf im Jahre 1994 jedenfalls eine Pflicht zur rechtzeitigen Rückfrage bei Gericht vor Ablauf der Antragsfrist treffe (BAG NJW 1995, 1446 (1447 unten)), verkennt sie, dass dies Gültigkeit nur so lange haben konnte, wie sich die Verfahrenspraxis des LAG Düsseldorf als solche auch nach außen erkennbar darstellte. Nach einem Zeitablauf von mehr als fünf Jahren, in dem insbesondere in Ansehung des Urteils des BAG keine weiteren Veröffentlichungen stattfanden, brauchte der Beklagte zu 2) aber - wie bereits ausgeführt worden ist - nicht mehr davon auszugehen, dass das LAG Düsseldorf nach wie vor seine als rechtswidrig bezeichnete Verfahrenspraxis aufrecht erhielt. Das BAG hat in seinem Urteil vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass eine Erkundigungspflicht des Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht bestehe, da er stets berechtigt sei, Fristen bis zum letzten Tag auszuschöpfen (BAG aaO). Der in Bezug genommene Inhalt des Urteils des BAG versteht sich nur vor dem Hintergrund, dass zum damaligen Zeitpunkt das zukünftige Verhalten des LAG, das sich nicht nur durch seine weitere Verfahrenspraxis, sondern auch durch dessen Offenlegung in Fachzeitschriften zeigen würde, nicht absehbar war.

Der Beklagte zu 2) brauchte sich auch nicht darauf einzustellen, dass das LAG darüber hinaus von dem ihm nach den § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG, § 233 ZPO eingeräumten Ermessen selbst dann keinen Gebrauch machte, wenn für das Gericht erkennbare objektive Umstände die geltend gemachte Arbeitsüberlastung bereits als wahrscheinlich erscheinen lassen. Wie bereits ausgeführt worden ist, stellte sich die vom Beklagten zu 2) als notwendig erachtete Informationsbeschaffung als ausreichender Grund für die Fristverlängerung dar. Neben der ohnehin vorhandenen Arbeitsüberlastung ergab sich dieser wegen des erst nach Erlass des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel erteilten Auftrages und der verstrichenen Feiertage. Dies ging noch über die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an ein Verlängerungsgesuch gestellten Anforderungen hinaus. Wie sowohl der Beschluss des LAG Düsseldorf vom 11. Januar 2000 als auch der vom 23. Februar 2000 zu erkennen geben, hat eine Auseinandersetzung mit den näheren Umständen des Einzelfalles und damit eine Ermessensausübung nicht stattgefunden. Dem Beschluss vom 23. Dezember 1993 entsprechend hat das LAG Düsseldorf vielmehr allein auf Grund der seiner Meinung nach "pauschal" formulierten Begründung sowohl des Verlängerungsantrages als auch des Wiedereinsetzungsgesuchs beide Anträge als unbegründet zurückgewiesen, ohne die sich bereits aus der Akte als auch objektiv und jahreszeitbedingten besonderen Umstände in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Mit einem solchen Ermessensnichtgebrauch aber brauchte der Beklagte zu 2) nicht zu rechnen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung zur Akte gereichten Beschluss des BVerfG vom 27. Juni 2000, mit dem die Verfassungsbeschwerde der Klägerin nicht zur Entscheidung angenommen worden ist. Soweit die Klägerin darin eine Bestätigung der von ihr vertretenen Auffassung sieht, dem Beklagten zu 2) sei eine Verletzung von Anwaltspflichten anzulasten, gibt der Beschluss für diese Rechtsauffassung nichts her. Die Feststellung, eine Verletzung von Grundrechten der Klägerin in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip durch die Beschlüsse des LAG sei nicht ersichtlich, kann ebenso gut darin begründet sein, dass die von der Klägerin beabsichtigte Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte.

2.

Der Senat weist darauf hin, dass eine Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Hinweis: Der Rechtsstreit hat sich durch Rücknahme der Berufung am 11.2.2004 erledigt.

Ende der Entscheidung

Zurück