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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: I-24 U 207/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 1
BGB § 339
BGB § 581
Die Klausel in einem Gaststätten-Pachtvertrag, nach der bei jeder Zuwiderhandlung gegen eine Getränkebezugsverpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500,00 EUR verwirkt sei, ist unwirksam.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 207/06

In Sachen

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. am 8. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

3. Der für den 28.08.2007 geplante Senatstermin entfällt.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die klage hinsichtlich der mit der Berufung noch verfolgten Teilbeträge von 4.000,00 € (Vertragsstrafe) und 240,00 € (Nutzungsentschädigung ab 07.04.2006) - jeweils nebst Zinsen - abgewiesen. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für Beklagten günstigere Entscheidung zu rechtfertigen.

1.

Ein über den zuerkannten Betrag von 1.000,00 € für die Verwirkung der in § 9 Abs. 4 des Pachtvertrages (im folgenden: PV) vereinbarten Vertragsstrafe in zwei Fällen - 500,00 € je Verstoß - hinausgehender Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe steht der Klägerin nicht zu. Denn das Vertragsstrafeversprechen ist gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Aber auch im Falle der Wirksamkeit des Strafversprechens wäre die Herabsetzung der vereinbarten Strafe gemäß § 343 BGB Abs. 1 BGB von vereinbarten 2.500,00 € je Verstoß auf 500,00 €, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a)

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solch unangemessene Benachteiligung liegt hier vor, weil die für jeden Fall jeder Zuwiderhandlung gegen die Getränkebezugsverpflichtung ausbedungene Vertragsstrafe mit 2.500,00 € auch unter Berücksichtigung ihre Sicherungszwecks unverhältnismäßig hoch ist.

aa)

Die Vertragsstrafeklausel in § 9 Abs. 4 PV ist Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die Klägerin ist diesem Vortrag des Beklagten (bereits in der Einspruchsbegründung vom 23.02.2006) nicht entgegengetreten. Die Absicht mehrfacher Verwendung der Klausel zeigt sich überdies darin, dass sowohl die Getränkebezugsverpflichtung in § 9 Abs. 3 PV wie auch das genannte Strafversprechen gleichlautend - bis auf den geringfügig angepassten Betrag des Strafversprechens - bereits im Pachtvertrag mit der Vorpächterin vereinbart waren.

bb)

Der Gesetzgeber hat die Vertragsstrafe mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen. Zum einen soll sie als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten. Zum anderen eröffnet sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis (BGH NJW 1998, 2600; BGHZ 85, 305, 312). Unangemessen ist die Höhe einer vertragsmäßig ausbedungenen Vertragsstrafe auch im Hinblick auf diese doppelte Zielrichtung allerdings dann, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (BGH NJW 1997, 3233; NJW 1994, 1060). Dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht an das Gewicht des Vertragsverstoßes anknüpft, sich mit fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigert und weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist. Dann liegt die unangemessene Benachteiligung des Vertragsstrafenschuldners vor allem in der Gefahr, dass die ständig wachsende Vertragsstrafe seine eigenen Vertragsansprüche aufzehren, außer Verhältnis zum möglichen Schaden des Vertragsstrafengläubigers geraten und diesem sogar eine von seinem Sachinteresse nicht mehr gedeckte Geldquelle eröffnen kann.

Die hier gegebene Situation ist dem durchaus vergleichbar:

Nach § 9 Abs. 4 PV ist die Vertragsstrafe bei "jeder Zuwiderhandlung" gegen die "Absatzverpflichtung" in Höhe von 2.500,00 € verwirkt. Völlig unabhängig von der Größenordnung, in der Getränke von einem Drittlieferanten bezogen worden sind, wird auf diese Weise für jeden Einzelfall des Bezugs sogleich ein Betrag von 2.500 € fällig. Selbst minimalste Getränkemengen sind vom Wortlaut der Geschäftsbedingung erfasst. Überdies tritt im Falle wiederholten Getränkebezugs von Drittlieferanten ein Summierungseffekt ein, der zum Umfang und der wirtschaftlichen Bedeutung des Pachtverhältnisses völlig außer Verhältnis steht. Ausgehend vom Vortrag der Klägerin, ohne Berücksichtigung der Getränkebezugsverpflichtung sei ein Pachtzins von rund 486 € monatlich angemessen, wird bei jeglichem Verstoß gegen die Bezugsverpflichtung zusätzlich zum laufenden Pachtzins ein Betrag fällig, der das Fünffache des Betrages der für angemessen gehaltenen Monatspacht übersteigt. Zwar ist dem Beklagten mit der Vereinbarung eines Pachtzinses von nur 150 € gerade wegen der Bezugsverpflichtung ein Rabatt von etwas über 300 € eingeräumt worden. Die Vertragsstrafe steht aber auch hierzu in keinem vernünftigen Verhältnis, da mit jeder Zuwiderhandlung neben dem vereinbarten Pachtzins sogleich rund 750 % des dem Beklagten eingeräumten Monatsrabatts fällig werden.

Ebenso steht die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe zu dem Interesse der Klägerin, die Rückzahlung des von ihr bei dem Getränkelieferanten aufgenommenen Darlehns zu sichern, außer Verhältnis. Dieses Darlehn valutierte nach dem Vortrag der Klägerin zum Zeitpunkt der dem Beklagten vorgeworfenen Zuwiderhandlungen gegen die Bezugsverpflichtungen (18.11. und 02.12.2005) mit ca. 10.000,00 €. Bereits bei nur 5 Einzelfällen des Getränkebezugs von Drittlieferanten hätte der Beklagte in der Summe eine das Restdarlehn übersteigenden Betrag auf die Vertragsstrafe zu zahlen. Die weitere Rückführung des Darlehns, zu welchem Zwecke die Bezugsverpflichtung nun gerade vereinbart worden ist, würde das Sicherungsinteresse der Klägerin fortlaufend verringern, während die Vertragsstrafe mit 2.500,00 € unverändert bliebe. Hieraus ergibt sich die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass die Höhe der Vertragsstrafe den etwaigen Schaden der Klägerin deutlich übersteigt und ihr damit zu sachlich nicht gerechtfertigten Einnahmen verhilft.

Schließlich wird die Vertragsstrafe nach der zu beanstandenden Klausel ohne Verschulden des Pächters fällig ("für jeden Fall der Zuwiderhandlung"). Das ist eine unangemessene Abweichung von dem Grundgedanken, dass sich die mit der Vertragsstrafe verbundenen großen Nachteile nur bei Verschulden des Pflichtigen vertreten lassen (vgl. BGH NJW 1985, 56). Dies kommt in § 339 BGB deutlich zum Ausdruck (vgl. OLG Nürnberg U. v. 25.02.1992 - 11 U 2744/91 bei Juris und MDR 2002, 629).

Wegen der somit aus § 307 Abs. 1 BGB folgenden Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel steht der Klägerin ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten von (weiteren) 2 x 2.000,00 € nicht zu.

b)

Aus vorstehenden Gründen wäre im Falle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel jedenfalls die Herabsetzung der verwirkten Strafen gem. § 343 Abs. 1 BGB auf - wie vom Landgericht erkannt - jeweils 500,00 € gerechtfertigt. Für die nach dieser Norm vorzunehmende Angemessenheitsprüfung ist es ohne Belang, ob der Beklagte noch in weiteren Fällen gegen die Verpflichtung aus § 9 Abs. 3 PV verstoßen hat. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sind lediglich die konkret benannten Verstöße vom 18.11.2005 und vom 02.12.2005. Es mag sein, dass der Beklagte noch an anderen Tagen Getränke von Drittlieferanten bezogen hat. Die sich hieraus möglicherweise ergebenden Ansprüche aus § 9 Abs. 4 PV auf Zahlung weiterer Vertragsstrafen sind aber mit der Klage nicht geltend gemacht. Denn der Klägerin stand für den Monat April 2006 ein anderer, zuvor am Einzug gehinderter Interessent nicht zur Verfügung.

2.

Die Berufung hat auch hinsichtlich der von der Klägerin für die Zeit nach Auszug des Beklagten verlangte Nutzungsentschädigung (§ 546 a BGB) keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Vorenthaltung im Sinne dieser Vorschrift endet mit dem konkreten Tag des Auszugs, nicht mit dem nachfolgenden Monatsende (BGH NZM 2006, 52; OLG Rostock NJW-RR 2002, 1712; KG Grundeigentum 2003, 253; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 1035 m.w.N.). Ein Verzugsschaden ist nicht konkret geltend gemacht.

II.

Auch die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen der Berufungszurückweisung im Beschlussverfahren liegen vor.

Ende der Entscheidung

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