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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: I-24 U 225/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 276
VVG § 67
Zur Frage grober Fahrlässigkeit eines Mieters, der, um seinen Hund auszuführen, seine Wohnung für etwa eine Stunde verlässt, ohne eine fabrikneue Heizdecke auszuschalten.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 225/03

Verkündet am 16. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2004 durch seine Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10. September 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der klagende Feuerversicherer nimmt den beklagten Wohnungsmieter aus übergegangenem Recht in Anspruch, nachdem er für die Folgen eines Wohnungsbrands den Vermieter entschädigt hat. Der Beklagte hatte nachts eine Heizdecke benutzt. Als er gegen 2 Uhr morgens seinen Hund "Gassi" führen musste, vergaß er die Heizdecke auszuschalten. Als der Beklagte nach etwa einer Stunde zurückkehrte, stand seine Wohnung in Flammen. Als Brandursache wurde ein Defekt der Heizdecke ermittelt. Das Landgericht hat den Beklagten wegen schuldhafter Brandverursachung zur Zahlung von 25.701,30 EUR verurteilt. Seine Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

I.

Wegen des Sachvortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Beklagte verfolgt in der Berufung nach wie vor sein Ziel der Klageabweisung. Er ist der Auffassung, dass er nur bei grober Fahrlässigkeit seinerseits hafte, die jedoch nicht gegeben sei. Er behauptet, er habe die Heizdecke, für deren fehlerhaftes Funktionieren es vorher keinerlei Anzeichen gegeben habe, bei Verlassen der Wohnung auf ein Sofa gelegt, bei dem es sich um eine ebenerdige, einteilig ausgeführte Couch handele.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dem Beklagten falle grobe Fahrlässigkeit zur Last. Diese ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte die Heizdecke auf einer Couch abgelegt habe, obwohl in der Gebrauchsanweisung ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass ein solches Ablegen mit einem hohen Brandrisiko verbunden sei, das durch ein zu starkes Knicken der Heizdecke bedingt sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Akten sowie der Beiakten verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht Statt gegeben.

1.

Das Landgericht hat übersehen, dass Versicherungsschutz für die Mietsache durch eine Gebäudeversicherung bestand und dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die ergänzende Vertragsauslegung des Gebäudeversicherungsvertrages einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, wobei nicht danach zu unterscheiden ist, ob der Mieter die Versicherungskosten ganz oder teilweise zu tragen hat (vgl. BGH NJW 2001, 1353 und VersR 2001, 856 sowie Senat in ZMR 2003, 734). Dieser Grundsatz gilt auch hier, weil die Eigentümerin unstreitig bei der Klägerin eine sogenannte verbundene Wohngebäudeversicherung abgeschlossen hat.

2.

Folglich kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob dem Beklagten hier grobe Fahrlässigkeit anzulasten ist. Das ist zu verneinen; denn ein solches über leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden kann der Senat nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht zugrunde legen, und die insoweit beweispflichtige Klägerin (vgl. BGH a. a. O.) hat auch keine Tatsachen unter Beweis gestellt, aus denen der Schluss auf grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten gerechtfertigt ist.

a)

Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn ein Schadensverursacher die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht lässt und das nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste; sein Verhalten muss auch subjektiv unentschuldbar sein (vgl. BGHZ 119, 149; BGH NJW 2003, 1118; 2001, 2092, jeweils m. w. N.). Sie setzt in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit voraus, kann aber auch zu bejahen sein, wenn der Handelnde die Gefährlichkeit seines Tuns leichtfertig nicht erkennt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 277 Rdnr. 5).

b)

Gemessen an diesen Kriterien kann im konkreten Falle das Verlassen der Wohnung bei eingeschalteter Heizdecke nicht als grob fahrlässig angesehen werden.

Allerdings kann nicht zugunsten des Beklagten zugrunde gelegt werden, dass er die den Brand auslösende Heizdecke bereits einige Zeit beanstandungsfrei benutzt hat; denn gemäß dem zutreffenden Hinweis der Klägerin, dem der Beklagte nicht widersprochen hat, handelte es sich nach dem Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten (431 UJS 783/02 StA Wuppertal) um eine neue Heizdecke. Andererseits war - ebenfalls nach dem Inhalt dieser Ermittlungsakten - Ursache des Brandes ein Kurzschluss in der Heizdecke. Mit einem solchen technischen Fehler eines Gegenstandes muss ein Benutzer aber regelmäßig nicht rechnen, falls nicht weitere, besondere Umstände vorliegen, für die hier nichts ersichtlich ist, z. B. angeschmorte Kabeleingänge oder ähnliches. Auch wenn, wovon die Parteien übereinstimmend ausgehen, der in die Heizdecke eingebaute Überhitzungsschutz durch Ausfall der Thermostate versagt hat, kann dem Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Er musste nicht damit rechnen, dass diese technische Einrichtung der Heizdecke nicht funktionieren würde, sondern durfte auf deren Funktionsfähigkeit vertrauen.

c)

Dem Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Heizdecke nicht vorschriftsmäßig benutzt oder sie beschädigt hätte. Die Klägerin hat das damit behauptet, dass die Heizdecke nur habe überhitzen können, wenn sie falsch benutzt oder beschädigt worden wäre. Dem steht jedoch entgegen, dass bei einem technischen Gerät stets auch die Gefahr eines Kurzschlusses besteht, z. B. aufgrund eines Produktions- oder Materialfehlers.

Ein Fehlverhalten des Beklagten lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass er die Heizdecke auf eine Couch gelegt hat. Entgegen der Meinung der Klägerin kann der Senat nicht erkennen, dass bereits hiermit eine erhebliche Knickgefahr und folglich ein hohes Risiko verbunden wäre; denn eine Couch hat im allgemeinen eine flache Sitz- oder Liegefläche, und dass dies hier anders gewesen wäre, hat die Klägerin nicht behauptet, auch nicht, nachdem der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen hat, bei dem durch den Brand zerstörten Sofa habe es sich um eine ebenerdig, einteilig ausgeführte Couch gehandelt (GA 148). Auch ein anderes konkretes Fehlverhalten des Beklagten ist nicht behauptet oder sonst ersichtlich.

Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht zugrunde legen, dass der Beklagte mit dem Verlassen der Wohnung für etwa eine Stunde bei eingeschalteter Heizdecke die in Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht gelassen hätte.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 25.701,30 €.

Ende der Entscheidung

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