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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.08.2008
Aktenzeichen: I-24 U 44/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 241
BGB § 535
BGB § 536a
BGB § 536c
BGB § 823
Stolpert der Mieter über Risse schadhafter Bodenplatten der angemieteten Flächen und verletzt er sich dabei, so kommt eine Haftung des Vermieters nur in Betracht, wenn der Mieter den Mangel angezeigt hat.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 44/08

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., S. und H. einstimmig

am 12. August 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Januar 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

A.

Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 30. Juni 2008, an dem er festhält. Hierin hat der Senat folgendes ausgeführt:

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder aus dem Mietvertrag der Parteien noch aus § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens (§§ 249, 253 Abs. 2 BGB) aus dem angeblichen Unfallereignis vom 24. Februar 2006 zu.

1.

Das Vorbringen der Klägerin zu mietvertraglichen Schadensersatzansprüchen ist nicht schlüssig. Weder ist eine Verletzung der sich aus § 536 a Abs. 1 BGB ergebenden Pflicht zur Instandsetzung des Mietobjekts substantiiert dargelegt, noch hat die Beklagte ihre aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB folgende Pflicht zur Verkehrssicherung verletzt, indem sie die Öffnung zwischen den Bodenplatten nicht verschloss.

a.

Geht man mit dem Vorbringen der Klägerin davon aus, dass der Mangel bei Überlassung der Mietsache noch nicht vorhanden war, sondern erst im Laufe der dreijährigen Nutzung durch sie und ihren Ehemann als Mieter wegen des fortschreitenden Verschleißes der Bodenplatten entstand, so steht einer Haftung der Beklagten deren fehlende Kenntnis von diesem Mangel entgegen. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin bzw. deren Ehemann den Mangel der Beklagten gemäß § 536 c BGB angezeigt hat bzw. die Beklagte ansonsten davon Kenntnis erlangt hat.

aa.

Der Vermieter ist zwar verpflichtet, die Mietsache für die Dauer des Mietverhältnisses instand zu halten bzw. instand zu setzen. Er hat jedoch ohne konkreten Anlass keine Verpflichtung zur Untersuchung der im ausschließlichen Besitz des Mieters befindlichen Räume oder Flächen (vgl. hierzu BGH ZMR 1969, 271; OLG Frankfurt ZMR 2003, 674; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 282; Bub/Treier/Kraemer, a.a.O., III.A Rn. 1127). Dies resultiert aus der Obhutspflicht des Mieters, die vom Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt wird und diese wiederum folgt aus der Natur des Mietverhältnisses, in dessen Vollzug die Sache in den Besitz des Mieters übergeht (BGH NJW 1977, 1236). Aus dieser Obhutspflicht ergibt sich die Anzeigepflicht des Mieters im Sinne von § 536 c Abs. 1 BGB. Denn damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Vermieter die Mietsache nicht laufend auf ihren Zustand überprüfen kann, ohne den Besitz des Mieters zu stören. Deshalb wird der Vermieter dagegen geschützt, dass der Mieter während der Mietzeit übersieht, "was jedermann sieht", sowie dagegen, dass der Mieter etwaige Mängel trotz positiver Kenntnis nicht anzeigt (vgl. BGH NJW 1977, 1236, 1237). Dabei ist mit einem Mangel nicht nur ein Fehler im Sinne von § 536 BGB gemeint, der den Gebrauch der Sache durch den Mieter beeinträchtigt, sondern jedes Hervortreten eines schlechten Zustandes der Mietsache (BGH NJW 1977, 1236, 1237 zu § 537 BGB a.F.). Zeigt der Mieter ihm bekannte Mängel nicht an, werden ihm nicht nur Gewährleistungsansprüche gemäß § 536 c Abs. 2 S. 2 BGB versagt, er macht sich darüber hinaus gegenüber dem Vermieter schadensersatzpflichtig, § 536 c Abs. 2 S. 1 BGB. Zu den ausgeschlossenen Ansprüchen im Falle der Nichtanzeige von Mängeln zählen auch solche am Körper sowie auf Zahlung von Schmerzensgeld (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 536 a Rn. 14). Für die Erfüllung seiner Anzeigepflicht ist der Mieter darlegungs- und beweisbelastet (BGH NJW-RR 2002, 515; Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Auflage, § 536 c Rn. 9).

Diese Ausführungen gelten auch, wenn dem Vermieter der Zutritt zum Mietobjekt dadurch möglich ist, dass der Mieter im Hinblick auf die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit der Öffentlichkeit das Mietobjekt zugänglich macht, wie dies auch hier im Betrieb des Teppichbodenlagerverkaufs durch die Klägerin und ihren Ehemann der Fall ist. Denn hier beschränkt sich die Dritten gegenüber erfolgte Gestattung des Mieters, die gemieteten Räumlichkeiten und Flächen zu betreten, nur darauf, dies im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Kunden zu tun. Ein ständiges Besichtigungs- und Zutrittsrecht des Vermieters folgt daraus nicht. Erst recht ist er wegen der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit nicht verpflichtet, Obhut über die dem Mieter überlassene Sache walten zu lassen. Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze: Der Mieter hat grundsätzlich das Recht auf den ungestörten Besitz an der Mietsache. Dieses unterliegt zwar im Interesse des Vermieters den Schranken des § 242 BGB, aus dem sich eine Duldungspflicht des Mieters bei Besuchen des Vermieters ergeben kann. So hat der Vermieter z. B. ein Zutrittsrecht, wenn für die Besichtigung der Mieträume ein konkret begründeter Anlass vorliegt, weil ihm Mängel der Mieträume vom Mieter angezeigt oder sonst bekannt geworden sind. Denn andernfalls kann der Vermieter seine Erhaltungspflicht nicht erfüllen (vgl. hierzu Bub/Treier/Kraemer, a.a.O., III. A Rn. 1126 f. m.w.N. zu § 545 BGB a.F.). Sind dem Vermieter aber Mängel nicht bekannt und auch nicht angezeigt worden und hat er auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mietsache mangelhaft ist, entsteht aus einer faktischen Zutrittsmöglichkeit keine Verpflichtung zur Untersuchung der vermieteten Flächen.

bb.

Unter Würdigung der genannten Grundsätze scheidet eine Haftung der Beklagten für die Folgen der Rissbildung aus. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass der Klägerin der Riss der Bodenplatten schon seit längerem bekannt war. Dagegen war die Beklagte nicht über den Mangel und den mit ihm verbundenen Gefahren informiert. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagten sei der Mangel mehrfach mitgeteilt worden, ist als unspezifiziertes Vorbringen für die Beklagte nicht einlassungsfähig. Es entbehrt gänzlich überprüfbarer Angaben zum Zeitpunkt und Ort der angeblichen Anzeige. Auch ist, wenn es nicht die Beklagte war, die Person, gegenüber der die Anzeige erfolgt sein soll, nicht benannt. Eine Vernehmung des von der Klägerin als Zeugen benannten M. (Mitmieter und Ehemann der Klägerin) scheidet aus, weil diese auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet wäre.

Der Klägerin war es auch ohne weiteres möglich, hierzu vorzutragen. Sie betreibt mit ihrem Ehemann das Mietobjekt. Kontakt und Austausch über mit dem Mietobjekt zusammenhängende Fragen haben mit den von der Beklagten mit der Objektverwaltung betrauten Personen in anderen Bereichen (Mietzinszahlungen, Mietzinsminderungen) wiederholt und offensichtlich ohne Kommunikationsprobleme stattgefunden (vgl. die Schreiben der D. Hausverwaltung vom 08. März 2005 und 28. August 2007).

b.

Daneben obliegt dem Vermieter allerdings auch die allgemeine, aus § 241 Abs. 2 BGB folgende Pflicht, auf die Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen, ihn insbesondere vor Schäden an materiellen und immateriellen Gütern zu bewahren (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 241 Rn. 7). Zu diesen Schutzpflichten gehört auch die allgemeine Verkehrssicherungspflicht. So hat der Vermieter grundsätzlich für die Sicherheit von Zugängen zum Mietobjekt zu sorgen (vgl. Senat ZMR 2001, 106). Diese Pflicht zur Verkehrssicherung ist gegenüber dem Mieter eine durch § 536 Abs. 1 S. 2 BGB festgelegte Vertragspflicht (vgl. hierzu Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, Kap. III Rn. 1318).

Anders liegt es jedoch, wenn der Mieter mit dem Mietobjekt auch die aus seiner Nutzung entstehende Verkehrssicherungspflicht übernommen hat und sich wegen Veränderung des Zustands der Mietsache während der Mietzeit Gefahrenstellen eröffnen. Auch dann hat zwar der Vermieter durch die Gebrauchsüberlassung an den Mieter eine Ursache dafür gesetzt, dass sich der Mieter bei gefährlichen Veränderungen der Mietsache Schäden zuzieht. Für solche Umstände hat der Vermieter aber nicht einzustehen, wenn der Mieter selbst die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen hatte.

So liegen die Dinge hier zum Nachteil der Klägerin. Der Klägerin war der Bereich, in dem sie zu Fall gekommen sein soll, vollständig zur Nutzung in eigener Verantwortung überlassen worden. Damit war sie auch selbst zur Sicherung der von ihr benutzten Wege auf dem Grundstück verpflichtet. Zwar haben die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart. Jedoch geht auch ohne eine solche Vereinbarung die Pflicht, im eigenen Nutzungsbereich möglicherweise entstehende Gefahren zu verhindern, auf den Mieter über, wenn dies nach den Umständen anzunehmen ist. Dies gilt für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegenüber der Allgemeinheit, der der Mieter den Zugang zu seinen Räumen und Gewerbeflächen ermöglicht (vgl. BGH NJW 1985, 270 für den Pächter einer Gastwirtschaft; ferner BGH ZMR 1992, 530 Autobahnraststätte). Erst recht gilt dies im Innenverhältnis der Mietvertragsparteien. So, wie den Vermieter nicht mehr für das gefahrlose Begehen der dem Mieter übergebenen Wohnräume eine Verantwortung trifft, ist auch der Mieter von Gewerbeflächen und -räumen für die eigene Sicherheit und den Schutz Dritter - sogar des Vermieters - gegen Gefahren in diesem Bereich zuständig. Ob der Vermieter daneben im Außenverhältnis Dritten haftbar bleibt, kann dahinstehen. Denn es geht hier allein um eine Sicherungspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter. Jedenfalls diesem ist der Vermieter mit der Übergabe des Mietobjekts nicht mehr verantwortlich für Gefahren, die aus dem Zustand des Mietobjekts entstehen. Diese Verteilung der Verantwortung entspricht der unter a. behandelten Obhutspflicht der Mietvertragsparteien. Erst wenn diese auf Grund einer Anzeige des Mieters nach § 536 c Abs. 1 S. 1 BGB wieder auf den Vermieter übergegangen ist, trifft ihn auch die Pflicht zum Schutz des Mieters vor Gefahren des als mangelhaft gemeldeten Zustands des Mietobjekts.

c.

Im Hinblick auf die schon nicht dargelegte Pflichtverletzung kommt es nicht darauf an, wie sich die Klägerin ihre Verletzung im einzelnen zugezogen hat und ob das Unfallgeschehen auf einem wie auch immer gearteten Eigen- bzw. Mitverschulden der Klägerin beruht.

3.

Da keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und der Verpflichtung der Beklagten zur Instandhaltung des Mietobjekts feststellbar ist, scheiden auch auf eine deliktische Haftung gegründete Schadensersatzansprüche der Klägerin aus (§§ 823 ff. BGB)

B.

Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 31. Juli 2008 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die Angaben zu den angeblichen, immer schon bestrittenen Mängelrügen sind nach wie vor unspezifiziert. Es wird nicht deutlich, gegenüber wem die Klägerin bzw. ihr Ehemann den Mangel gerügt haben will. Dies gilt insbesondere, weil die Beklagte die Hausverwaltung nicht selbst durchführt, sondern dies durch die insoweit beauftragte Frau T. erledigt wird.

C.

Da auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2 und 3 ZPO vorliegen, war die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es im Hinblick auf § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 10.000,--.

Ende der Entscheidung

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