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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: I-24 U 59/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 611
BGB § 276
ZPO § 287
ZPO § 348
1. Rät der Rechtsanwalt fehlerhaft seinem Mandanten (Arbeitnehmer), selbst das Arbeitsverhältnis zu kündigen, und entzieht der Mandant, diesem Rat folgend, damit einer aussichtsreichen Kündigungsschutzklage gegen eine zuvor ausgesprochene Arbeitgeberkündigung die Grundlage, so ist der Rechtsanwalt für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich.

2. Im Rahmen der Schadensschätzung kommen dem Mandanten auch Bonuszahlungen zugute, sofern der Rechtsanwalt nicht besondere Umstände für den Fortfall solcher Leistungen des Arbeitgebers vorträgt (z.B nicht einzuhaltende Zielvorgaben).

3. Zur Zuständigkeit des originären Einzelrichters.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 59/07

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. am 02.09.2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.02.2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 45.577,03 €.

Gründe:

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung in der Sache keinen Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 03.07.2008 Bezug genommen. Der Senat hat dort im Wesentlichen ausgeführt:

"Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für den Beklagten günstigere Entscheidung zu rechtfertigen:

1.

Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe entgegen § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. d ZPO durch den originären Einzelrichter entschieden. Nach dieser Norm ist die Kammer (statt des Einzelrichters) zur Entscheidung berufen, wenn die Zuständigkeit der Kammer nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wegen der Zuweisung des Rechtsstreits zum Sachgebiet

"Streitigkeiten aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer"

begründet ist. Der bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Jahre 2006 maßgebliche Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Duisburg sah allerdings - dies hat sich auch in den Folgejahren nicht geändert - eine Aufteilung der Zuständigkeiten der Zivilkammern nach Sachgebieten nicht vor. Der Senat hat sich hierüber im Freibeweisverfahren durch Nachfrage bei der Verwaltung des Landgerichts Duisburg gesicherte Kenntnis verschafft. Mangels einer durch den Geschäftsverteilungsplan begründeten Spezialzuständigkeit der Kammer scheidet ein Verstoß gegen § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. d ZPO von vornherein aus.

2.

Der Beklagte hat die ihm aus dem mit der Zeugin G. (im folgenden auch: Zedentin) geschlossenen Anwaltsvertrag obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt und sich hierdurch der Zedentin gegenüber gemäß §§ 280 Abs. 1, 675 BGB schadensersatzpflichtig gemacht.

a)

Mit Klageschrift vom 05.12.2004 hat der Beklagte auftrags der Zedentin gegen deren damalige Arbeitgeberin, die E. AG, vor dem Arbeitsgericht Hamburg Kündigungsschutzklage erhoben, nachdem die Arbeitgeberin durch Schreiben vom 23.11.2004 den mit der Zedentin am 20.10.2003 geschlossenen "Ergänzungsvertrag" gekündigt hatte. Am Folgetag, dem 06.12.2004, hat der Beklagte nach einem mit der Zedentin am 03.12.2004 geführten Telefonat und auf Grund einer ihm gesondert erteilten "Vollmacht zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses" mit einem von ihm auf den 28.07.2003 rückdatierten Schreiben den "Anstellungsvertrag" der Zedentin bei der E. AG vom 10.07.2001 fristlos gekündigt. Durch diese Kündigung hat der Beklagte dem unmittelbar zuvor erst eingeleiteten Kündigungsschutzprozess die Grundlage entzogen und ein Obsiegen der Zedentin in jenem Verfahren unmöglich gemacht.

b)

Die von dem Beklagten auch noch im Berufungsrechtszuge vertretene Auffassung, die Kündigung des Anstellungsvertrages vom 10.07.2001 habe nicht automatisch auch zum Erlöschen des Ergänzungsvertrags vom 20.10.2003 geführt, weil jener während der Laufzeit des Ergänzungsvertrags geruht habe, ist von Rechtsirrtum beeinflusst. Das Arbeitsgericht Hamburg hat bereits mit Beschluss vom 22.05.2005 im Rechtsstreit der Zedentin gegen ihre frühere Arbeitgeberin zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ergänzungsvertrag nach seinem Inhalt den Anstellungsvertrag nicht habe ersetzen sollen, sondern neben ihn treten sollte. Dies ergibt sich bereits aus der Präambel des Ergänzungsvertrags, in der auf den Anstellungsvertrag mit den Worten

"Ergänzend zu dem Anstellungsvertrag vom 10.07.2001"

mit der Maßgabe Bezug genommen worden ist, die dort getroffenen Regelungen sollten "ergänzt" - also modifiziert und/oder erweitert - werden. Der grundsätzliche Fortbestand des mit Vertrag vom 10.07.2001 begründeten Arbeitsverhältnisses ist überdies klargestellt durch die Klausel Nr. XVI.1. des Ergänzungsvertrags, die für alle nicht in dem Ergänzungsvertrag gesondert geregelten Fragen auf den Anstellungsvertrag verweist. Diese wiederholte Anknüpfung des Vertragstextes an das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis - den Anstellungsvertrag - steht der Aufspaltung des Arbeitsverhältnisses in zwei Arbeitsverhältnisse, nämlich ein ruhendes und ein aktives (so die Rechtsauffassung des Beklagten), entgegen. Die Vertragsparteien wollten kein zweites Arbeitsverhältnis begründen und haben dies auch nicht getan. Mit der Kündigung des Anstellungsvertrags entfiel, auch dies hat das Arbeitsgericht Hamburg zutreffend beurteilt, die Grundlage des Ergänzungsvertrags und damit auch der sich gegen dessen Kündigung richtenden Kündigungsschutzklage. Selbst wenn man dies anders würdigen könnte, hätte der Beklagte den Grundsatz, seiner Mandantin den sichersten Weg zu zeigen (BGH NJW 1981, 2742; NJW-RR 1990, 205), verletzt.

c)

Bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts steht fest, dass der Beklagte die Zedentin vor Ausspruch der Kündigung des Anstellungsvertrags unrichtig über die rechtlichen Konsequenzen jener Kündigung belehrt hat. Denn der Beklagte hat die Zedentin anlässlich des Telefonats vom 03.12.2004 pflichtwidrig nicht darüber belehrt, dass die Kündigung des Anstellungsvertrages - wie dargestellt - der zu erhebenden Kündigungsschutzklage die Grundlage entziehen werde. Dieser Beratungsfehler ist dokumentiert im Schreiben des Beklagten an die Zedentin vom 10.12.2004 (Anlage K 6 - ZH Bl. 21, 22), in welchem der Beklagte unter Bezugnahme auf eine Erklärung der EMF, alle bestehenden Rechte und Pflichten seien durch die fristlose Kündigung erloschen, ausführt:

"Ihre Kündigungsschutzklage bleibt von dieser Äußerung ohnehin völlig unberührt. Mit dieser Klage verfolgen wir den Zweck, Ihre Ansprüche aus dem Ergänzungsvertrag geltend zu machen: Beschäftigung in Mailand, Fortzahlung der entsprechenden Vergütung, Nutzung des PKW etc.......

Mehrfach hatte ich Ihnen bereits geschildert, dass sie eine Abfindung in der Größenordnung von ca. € 40.000,-- erwarten können. Vermutlich wird der Betrag aber höher sein....."

Diese Ausführungen geben die Rechtsauffassung wieder, die der Beklagte der Zedentin gegenüber in jenem Telefonat vom 03.12.2004, das der Eigenkündigung vorausging, vertreten hat. Auf die Übereinstimmung der von ihm erteilten Belehrung mit dem Inhalt des Schreibens vom 10.12.2004 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29.11.2006 ausdrücklich hingewiesen. Da die dort geäußerte Rechtsauffassung, die Kündigungsschutzklage bleibe (von der Eigenkündigung) unberührt, Rechtsirrtum unterliegt, ist auch die auf Grundlage dieser Rechtsauffassung erteilte Belehrung fehlerhaft und damit pflichtwidrig. Das Verschulden des Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.

Soweit sich der Beklagte auf einen Gesprächsvermerk vom 03.12.2004 bezieht und behauptet, diesen Vermerk unmittelbar nach dem Gespräch mit der Zeugin G. diktiert zu haben, bedarf es keiner Beweiserhebung durch Vernehmung der hierzu von dem Beklagten als Zeugin benannten Sekretärin D.. Es kann unterstellt werden, dass der Vermerk tatsächlich in zeitlichem Zusammenhang mit dem Telefonat mit der Zeugin G. vom 03.12.2004 gefertigt worden ist. In der nach § 286 ZPO vorzunehmenden Gesamtwürdigung tritt jener intern (im Kanzleibetrieb des Beklagten) gebliebene Vermerk aber zurück gegenüber dem Schreiben des Beklagten an die Zeugin vom 10.12.2004, das zeitnah und im Außenverhältnis zur Mandantin den Inhalt der ihr erteilten Rechtsbelehrungen wiedergibt.

d)

Der Senat tritt im übrigen der überzeugenden Beweiswürdigung des Landgerichts zum Schadensgrund bei. Da aber die Pflichtverletzung des Beklagten - wie ausgeführt - bereits auf der Grundlage des die Beweiswürdigung bestätigenden unstreitigen Sachverhalts ohnehin feststeht, bedarf es hier keiner vertiefenden Ausführungen zu den einzelnen Berufungsangriffen gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme und insbesondere auch nicht einer Erörterung zur Glaubwürdigkeit der Zeugin G. und zur Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen zu dem Inhalt des Telefonats vom 03.12.2004.

e)

In Anwendung von § 287 ZPO ist davon auszugehen, dass die Zedentin, hätte der Beklagte sie pflichtgemäß über die negativen Auswirkungen der Eigenkündigung auf die Aussichten der Kündigungsschutzklage belehrt, beratungsrichtig verhalten und von der Eigenkündigung Abstand genommen hätte. Zwar obliegt es der Klägerin, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Mangel der anwaltlichen Beratung und dem eingetretenen Schaden darzulegen und zu beweisen. Ihre Darlegungslast ist aber dadurch gemindert, dass die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität der richterlichen Beurteilung nach § 287 ZPO unterliegt (vgl. BGH NJW 2000, 1572 und NJW 2004 S. 2817) und nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises das aufklärungsrichtige Verhalten des Mandanten vermutet wird (vgl. BGH NJW 1992, 240; BGH NJW 1998, 749; Palandt-Heinrichs, 65. Aufl., § 280 BGB Rn. 39 m.w.N.). Bei vernünftiger Betrachtung hätte nur die Entscheidung der Zedentin, nämlich von einer Kündigung Abstand zu nehmen, nahe gelegen. Denn erst durch eine pflichtgemäße Belehrung hätte die Zeugin Kenntnis davon erlangt, dass ihr durch die Eigenkündigung der Verlust der Existenzgrundlage - nämlich auch ihrer mit der Kündigungsschutzklage erstrebten wirtschaftlichen Ziele - drohte. Von der Eigenkündigung Abstand zu nehmen, lag ferner deswegen nahe, weil die Zedentin wegen der in Nr. I.5. des Ergänzungsvertrags vereinbarten Vorankündigungsfrist von 6 Monaten keineswegs sogleich nach Hamburg zurückgerufen werden konnte; das von dem Beklagten für die Eigenkündigung vorgetragene Motiv, eine Rückkehr nach Hamburg zu vermeiden, tritt im Hinblick auf diese Vertragsbestimmung ohnehin in den Hintergrund.

f)

Ohne die eigene Kündigung des Anstellungsvertrages wären der Zedentin die ihr aus dem Ergänzungsvertrag zustehenden Gehaltsansprüche ungeschmälert verblieben; mit Recht hat das Arbeitsgericht Hamburg die Kündigung des Ergänzungsvertrags durch die Arbeitgeberin vom 23.11.2004 als unzulässige und deswegen unwirksame Teilkündigung angesehen. Es ist davon auszugehen, dass die Zedentin in dem Kündigungsschutzprozess obsiegt hätte. Mit Recht hat das Landgericht überdies festgestellt, dass auch der Vergleich vom 03.08.2005, der infolge der Feststellung der Erledigung aller wechselseitigen Ansprüche in Ziff. 4. die Geltendmachung jedweder Gehalts- und Schadensersatzansprüchen der Zedentin gegen ihre Arbeitgeberin auch rückwirkend ausschloss, ohne die sachwidrige Eigenkündigung des Anstellungsvertrages überhaupt nicht geschlossen worden wäre.

3.

Auch die Berufungsangriffe zur Höhe des Anspruchs bleiben ohne Erfolg:

a)

Es kann dahinstehen, ob die (unwirksame) fristlose Kündigung der Arbeitgeberin in einen Rückruf der Zedentin nach Hamburg gemäß Nr. I.5. des Ergänzungsvertrags umzudeuten ist oder nicht. Dies hätte - entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung - nicht zur Folge, dass die Schadensberechnung mit dem 30.06.2005 abzuschließen wäre. Denn die Folgen eines solchen Rückrufs sind in der "Rückkehrklausel" Nr. XV des Ergänzungsvertrags dahin geregelt, dass der Zedentin in Hamburg eine Stellung anzubieten gewesen wäre, die hinsichtlich Funktion und Vergütung der "bisherigen" (nämlich der auf Grundlage des Ergänzungsvertrages erlangten) Position der Zedentin entspräche. Die nachfolgende Einschränkung

"Sie erklären sich dazu bereit, vorübergehend auch geringwertige Tätigkeiten auszuüben."

erweitert lediglich die Direktionsbefugnis der Geschäftsleitung dahin, die Zedentin etwa auch - wie früher - vorübergehend als Empfangsdame o. dgl. einzusetzen. Sie besagt aber nicht, dass die Zedentin sich auch mit einem entsprechend geringeren Gehalt hätte begnügen müssen. Denn eine abweichende Regelung hinsichtlich der Gegenleistung - der Vergütung - trifft jene Klausel gerade nicht.

b)

Zu Recht hat das Landgericht dem der Zedentin entstandenen Schaden auch den unter "Vergütung" in Nr. II.3. des Ergänzungsvertrags vorgesehenen Bonus zugerechnet und zwar mit Recht den erreichbaren Höchstbetrag von 50% eines Monatsbruttogehalts.

aa)

Allerdings beurteilt sich der Anspruch auf Bonuszahlung bei unterbliebener Zielvereinbarung entgegen der vom Landgericht zitierten Auffassung des LAG Köln (so noch zuletzt LAG Köln ArbuR 2008, 228) nicht nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB. Nach der hierzu klarstellenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.12.2007 (NJW 2008, 872) steht dem Arbeitnehmer vielmehr in Höhe der versprochenen Bonuszahlung ein Schadensersatzanspruch wegen Nebenpflichtverletzung gemäß §§ 280 Abs. 3, 283 BGB zu, wenn der Arbeitgeber vor Ablauf der Zielperiode die zu erreichenden Zielvorgaben nicht konkretisiert hat (insoweit durchaus übereinstimmend mit der auf §§ 280, 249 BGB abstellenden Entscheidung des Landgerichts).

bb)

Dies ist auch hier der Fall:

Die frühere Arbeitgeberin hat sich gegenüber der Zedentin schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie es unterlassen hat, für sie rechtzeitig Zielvorgaben zur Bemessung der vereinbarten Bonuszahlung zu konkretisieren. Die Initiativlast zur Formulierung der zu erreichenden Ziele gemäß der Anlage 2 zur Ergänzungsvereinbarung lag nicht bei der Zedentin, sondern allein bei ihrer Arbeitgeberin. Zwar ist dem Ergänzungsvertrag ein nicht ausgefüllter und nicht unterzeichneter Entwurf einer Anlage 2 beigefügt, der mit "Zielvereinbarung" betitelt ist. Die Formulierung der Vertragsklausel Nr. I.3. enthält aber keinerlei Hinweis darauf, dass der Zedentin bei der Formulierung der von ihr zu erreichenden Ziele etwa ein eigenständiges Mitspracherecht zustehen sollte. Der Zedentin wird vielmehr eine "leistungsabhängige Vergütung" versprochen, die bei einem "Zielerreichungsgrad von 100%" die Hälfte eines Monatsbruttogehaltes erreichen sollte. Ein Anspruch der Zedentin auf Mitsprache bei Konkretisierung der die Höhe ihres Vergütungsanspruchs regelnden - auch unternehmerischen - Ziele der Arbeitgeberin ergibt sich weder aus dem Text der Ergänzungsvereinbarung noch dem Sachzusammenhang. Dies rechtfertigt den Schluss, dass die Festlegung der Ziele allein der Arbeitgeberin oblag. Die von der Zeugin G. bei ihrer Vernehmung durch das Landgericht berichtete Äußerung des Geschäftsführers F., er werde die Anlage 2 zu gegebener Zeit ausfüllen, bestätigt diese Auslegung des Ergänzungsvertrages.

Der sie danach treffenden Verpflichtung, die Zielvorgaben für die Bonuszahlungen zu konkretisieren, ist die Arbeitgeberin unstreitig zu keinem Zeitpunkt nachgekommen. Soweit der Beklagte im Berufungsrechtszuge erstmals ein "offensichtliches" Einverständnis der Zedentin mit dem Unterbleiben von Zielvorgaben behauptet, fehlt es an jeder Substantiierung. Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht ersichtlich.

cc)

Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in Anwendung von § 287 ZPO davon auszugehen, dass die Zedentin bei ordnungsgemäßer Konkretisierung der Zielvorgaben diese auch erreicht und die Bonuszahlung im Höchstbetrag von 50% eines Monatsgrundgehalts verdient hätte. Zwar müssen Zielvorgaben und Zielvereinbarungen nicht stets die in Aussicht gestellte Bonuszahlung auslösen. Sie verfehlen jedoch ihren Motivationszweck und werden ihrer Anreizfunktion nicht gerecht, wenn die festgelegten Ziele vom Arbeitnehmer von vornherein nicht erreicht werden können. Auch kann sich ein Arbeitgeber der in der Rahmenvereinbarung zugesagten Bonuszahlung nicht dadurch entziehen, dass er vom Arbeitnehmer Unmögliches verlangt und nur bereit ist, Ziele zu vereinbaren, die kein Arbeitnehmer erreichen kann. Dem ist bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen (BAG a.a.O. sub VII.1.b.dd).

Besondere Umstände in diesem Sinne, die eine Zielerreichung durch die Zedentin ausschlössen, hat der Beklagte nicht dargetan, obwohl er im Regressprozess in die Rolle des ehemaligen Prozessgegners, hier der Arbeitgeberin, schlüpft (vgl. BGH NJW 2000, 1572). Auch dem von dem Beklagten vorgelegten Schriftsatz des damaligen Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin - Rechtsanwalt Dr. G. - vom 16.02.2005 ist hierzu Substanzielles nicht zu entnehmen; die dortigen Ausführungen zur "Leistungsprämie" enthalten keinen konkreten Tatsachenvortrag zu den Leistungen der Zedentin. Zudem ist davon auszugehen, dass die Zedentin, wären ihr für die Bonuszahlung rechtzeitig Zielvorgaben gemacht worden, ihren Arbeitseinsatz diesen Vorgaben angepasst hätte.

c)

Hinsichtlich der Berechnung des Schadens im Einzelnen - insbesondere der fiktiven Berechnung der Sozialabgaben und Einkommensteuern - wird auf das angefochtene Urteil, das insoweit mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen ist, verwiesen."

II.

An diesen Erwägungen hält der Senat fest.

Das tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 28.07.2008 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil es gegenüber der Berufungsbegründung, die der Senat vollständig berücksichtigt hat, keine entscheidungserheblichen neuen Gesichtspunkte enthält.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

1.

Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Voraussetzungen einer Entscheidung im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO lägen nicht mehr vor, da lediglich die Ladung zum Verhandlungstermin 27.11.2007, nicht aber die Ladungen zu den Terminen vom 11.03.2008, 06.05.2008, 24.06.2008, 08.07.2008 und 19.08.2008 mit dem Vorbehalt einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verbunden gewesen sei. Diese Erwägungen verkennen, dass der Senat nicht etwa Folgetermine bestimmt, sondern lediglich den ersten Verhandlungstermin vom 27.11.2007 aus dienstlichen Gründen wiederholt auf einen späteren Terminstag verlegt hat. An dem für den ersten Verhandlungstermin erteilten Hinweis auf eine noch vorbehaltene Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO hat sich durch die Terminsverlegungen nichts geändert.

Soweit der Beklagte ferner geltend macht, dass es an einer unverzüglichen Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch das Berufungsgericht fehle, da die Berufung seit März 2007 anhängig sei, übersieht er, dass "unverzüglich" nicht bedeutet, dass die Entscheidung an eine bestimmte Frist gebunden wäre (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 522 Rn. 31), sondern dass die Entscheidung wie in den Fällen des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern ergeht (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 15.06.2007 - 11 U (Baul) 1/06; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl. 2007, Rn. 522 Rn. 15). Dies ist hier der Fall.

2.

Weder zur rechtlichen Einordnung des Ergänzungsvertrags noch zu dem Inhalt des Telefonats vom 03.12.2004 und zur Unzulänglichkeit der von ihm der Zedentin erteilten Belehrungen hat der Beklagte in seiner Stellungnahme Umstände und Gründe dargetan, die der Senat nicht bereits in seinem Hinweisbeschluss berücksichtigt hätte. Er verkennt zudem, dass er mit Schriftsatz vom 29.11.2006 ausdrücklich vorgetragen hat, sein Schreiben vom 10.12.2004 belege den Inhalt des Telefonats. Da sich die Pflichtverletzung aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt, kommt es auf die Bekundungen der Zeugin zu dem Inhalt des Telefonats, die der Beklagte in seiner Stellungnahme erneut angreift, nicht an.

3.

Die im Schriftsatz des damaligen Prozessbevollmächtigten der E. AG vom 16.02.2005 erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin lässt die Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten für den eingetretenen Schaden nicht entfallen. Für die Laufzeit des Anstellungsvertrages bis 30.06.2006 war eine ordentliche Kündigung ohnehin ausgeschlossen. Eine außerordentliche Kündigung ist in dem genannten Schriftsatz nicht erklärt; insbesondere ist die dort auf Seite 2 vorsorglich erklärte Kündigung nicht auf den später - Seite 5 - geäußerten Anfangsverdacht eines versuchten Prozessbetruges gestützt. Überdies hat der Beklagte keinen Beweis für die angebliche Straftat angetreten.

4.

Die nach dem Inhalt der E-Mail vom 02.12.2005 "in der ersten Jahreshälfte 2004" erfolgte Ankündigung einer Schließung für den Fall, dass kein Geschäft zustande kommt, ist nicht geeignet, die fehlenden Zielvorgaben für den Bonus zu ersetzen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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