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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: I-24 U 78/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 330
Ein unechtes Versäumnisurteil gegen den abwesenden Kläger ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn nicht behebbare Verfahrensmängel eine Klageabweisung erfordern (hier verneint).
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 78/07

Verkündet am 19. Juni 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., S. und H. im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nach der Sachlage am 12. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.03.2007 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung - an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.880,00 €.

Dem Kläger wird für das Berufungsverfahren ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Bonn in Essen beigeordnet.

Gründe:

I.

Auf Antrag des Klägers ist durch das Amtsgericht Hagen gegen die Beklagte am 14.11.2006 Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von 20.880,00 € aus "Beratung in PR sowie Restaurantführung, Vermittlung von Krediten (Beraterhonorar) vom 01.01.06 - 20.10.06" erlassen worden. Nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten hat das Amtsgericht Hagen das Verfahren an das Amtsgericht Neuss abgegeben. Der Kläger hat dort mit Schriftsatz vom 06.01.2007, eingegangen am 08.01.2007, Ausführungen zur Begründung seines Anspruchs gemacht und Beweismittel bezeichnet.

Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht Neuss das Verfahren durch Beschluss vom 11.01.2007 an das Landgericht Düsseldorf verwiesen. Dort hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen bestellt. Trotz ordnungsgemäßer Ladung ist für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20.03.2007 niemand erschienen. Die Beklagte hat hierauf beantragt, den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hat zugleich beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da der Kläger sie nicht begründet habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.880,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Verfahrensweise des Landgerichts für ordnungsgemäß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Auf den Berufungsantrag zu 2. des Klägers ist das Urteil des Landgerichts gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und das Verfahren an Landgericht zurückzuverweisen, da das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und deswegen eine aufwändige weitere Sachaufklärung erforderlich ist, da die Beklagte auf den Sachvortrag des Klägers im Schriftsatz vom 06.01.2007 noch nicht erwidert hat.

1.

Das Landgericht hat die Klage nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch kontradiktorisches Sachurteil abgewiesen, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung erster Instanz säumig war und auch früher nicht zur Sache verhandelt hatte. Die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage (§§ 251 a, 331 a ZPO) lagen ersichtlich nicht vor. Auch die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Entscheidung durch ein sogenanntes "unechtes" Versäumnisurteil waren nicht gegeben.

Zwar ist ein solches unechtes Versäumnisurteil gegen den abwesenden Kläger dann zulässig, wenn nicht behebbare Verfahrensmängel eine Klageabweisung erfordern. Denn der Kläger soll mit seiner unzulässigen Klage nicht allein deshalb besser gestellt sein, weil er auch noch säumig ist (BGH NJW-RR 1986, 1041; Zöller/Herget, ZPO, 25 Aufl., § 330 Rn. 7). Solche nicht behebbaren Verfahrensmängel lagen hier im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung aber nicht vor. Der Hinweis des Landgerichts, der Kläger habe den geltendgemachten Anspruch nicht begründet, geht fehl. Noch während der Dauer der Anhängigkeit des Verfahrens vor dem Amtsgericht Neuss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.01.2007 zur Anspruchsbegründung vorgetragen. Wird jedoch von dem in jenem Verfahrensstadium postulationsfähigen Kläger der Klagegrund bezeichnet, dann bestehen keine Zweifel daran, dass seine Angaben grundsätzlich auch für das spätere Streitverfahren zu berücksichtigen sind (BGH NJW 1982, 2002; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 697 Rn. 1; OLG Köln, NJW 1981, 2265; Hirtz, NJW 1981, 2234; Schmidt, NJW 1982, 811).

Es kann dahinstehen, ob diese Anspruchsbegründung nach Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht nur dadurch hätte Gegenstand des Verfahrens werden können, dass der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte des Klägers auf sie Bezug genommen hätte. Verneint man die Erforderlichkeit einer solchen Bezugnahme, so hätte der Kläger gemäß § 139 ZPO aufgefordert werden müssen, seinen Anspruch erneut - diesmal ordnungsgemäß vertreten - zu begründen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1988, 2806; Musielak/Voit, ZPO, 5. Auflage, § 697 Rn. 2 m.w.N.). Eine solche Aufforderung ist hier aber nicht erfolgt. Hält man hingegen die Bezugnahme auf die nicht von einem Anwalt verfasste Anspruchsbegründung durch den Prozessbevollmächtigten für ausreichend und erforderlich, so kann diese auch noch in der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden (Musielak/Voit a.a.O.). In beiden Alternativen ist der Mangel einer von einem Anwalt unterzeichneten Anspruchsbegründung behebbar.

Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16.06.1987 (MDR 1988, 973) gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Es unterliegt bereits Bedenken, ob jener Entscheidung zu folgen ist, da sie - unrichtig - auf "unbehobene" statt auf nicht "behebbare" Verfahrensmängel abstellt. Jedenfalls ist der jener Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier zu entscheidenden nicht vergleichbar, weil dort eine Anspruchsbegründung - anders als hier - nicht zu den Akten gelangt war.

2.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Eine Kostenentscheidung ist ebenso wenig wie eine Entscheidung zur Vollstreckbarkeit veranlasst.

Ende der Entscheidung

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