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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: I-24 U 86/07
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 156
ZPO § 529
InsO § 112
BGB § 535
BGB § 543
BGB § 280
1. "Verspäteter" Vortrag liegt nicht vor, wenn er nach einem erforderlichen Hinweis schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug gebracht worden wäre oder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten war.

2. Die Kündigung des Leasingvertrages durch den Leasinggeber ist nach Antrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Leasingnehmers unwirksam, auch wenn es nicht zur Eröffnung kommt.

3. Gibt der Leasingnehmer auf eine fristlose Kündigung des Leasinggebers freiwillig den Leasinggegenstand heraus, so liegt keine einvernehmliche Aufhebung des Leasingvertrages vor.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 86/07

Verkündet am 10. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 08. April 2008 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z., T. und die Richterin H.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 18. April 2007 verkündete Schlussurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklage zu 2) wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin als Bürge neben dem bürgenden Beklagten zu 1) 6.151,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.098,52 EUR seit dem 03.01., 03.02., 03.03., 04.04., 03.05. und aus 659,11 EUR seit dem 03.06.2005 zu zahlen.

Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen, die Anschlussberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.

Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 35%, der Beklagte zu 1) 50% und der Beklagte zu 2) 15%; davon ausgenommen sind die Säumniskosten, die allein dem Beklagten zu 1), und die Kosten der Beweisaufnahme, die allein der Klägerin zur Last fallen. Von den außergerichtlichen Auslagen der Klägerin tragen der Beklagte zu 1) 50 % und der Beklagte zu 2) 15 %. Von den außergerichtlichen Auslagen des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin 80 %. Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin zu 80%, dem Beklagten zu 2) zu 20% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, der Beklagte zu 2) leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

Gründe:

A.

Der Beklagte zu 2 (künftig: Beklagter) und der frühere Erstbeklagte (künftig: Erstbeklagter) waren geschäftsführende, jeweils allein vertretungsberechtigte Gesellschafter der inzwischen im Handelsregister mangels Masse und deshalb im Verfahren 73 IN 301/05 AG Köln abgelehnter Insolvenzeröffnung gelöschten P.-GmbH (künftig: Schuldnerin). Sie haben sich beide für deren Verbindlichkeiten aus zwei Teilamortisations-Leasingverträgen für zwei gebrauchte Kraftfahrzeuge ("sale-and-lease-back") gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin (künftig nur: Klägerin) selbstschuldnerisch und höchstbetraglich verbürgt, wobei die hier umstrittenen Inanspruchnahmen hinter den Höchstbeträgen zurückbleiben. Die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Schuldnerin zahlte ab Januar 2005 die Leasingraten in Höhe von 440,00 EUR/Mon (zzgl. 16% MWSt) für das Kraftfahrzeug BMW 523i Touring, amtliches Kennzeichen ...(künftig: Kfz/Lim) und 507,00 EUR/Mon (zzgl. 16% MWSt) für das Kraftfahrzeug BMW 530d Kombi, amtliches Kennzeichen ...(künftig: Kfz/Kombi) nicht mehr. Mit der an das zuständige Insolvenzgericht gerichteten Schrift vom 31. Mai 2005 beantragte der Erstbeklagte namens der Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen sie. Ihr gegenüber kündigte die Klägerin beide Leasingverträge fristlos wegen Zahlungsverzugs durch Erklärung vom 17. Juni 2005. Die Klägerin verwertete die ihr daraufhin am 19. Juni 2005 zurückgegebenen Kraftfahrzeuge.

Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 18. Juni 2006 ist der Erstbeklagte aus von ihm ferner verbürgten Kreditverbindlichkeiten der Schuldnerin zur Zahlung von 74.831,51 EUR (nebst Zinsen) sowie aus den hier umstrittenen Verträgen wegen rückständiger Leasingraten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zur Zahlung weiterer (13.116,12 EUR + 14.262,51 EUR) 27.378,63 EUR (nebst Zinsen) verurteilt worden.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, auch den Beklagten wegen der Ansprüche aus den verbürgten Leasingverträgen antragsgemäß zur Zahlung von 27.378,63 EUR (nebst Zinsen) verurteilt.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er macht geltend, die Kündigungen gegenüber der Schuldnerin seien mit Blick auf den zuvor beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam gewesen, so dass die Klägerin die Kraftfahrzeuge zu Unrecht und darüber hinaus zu einem viel zu geringen Erlös verwertet habe. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und

hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte zu 2) als Bürge für Verbindlichkeiten der P.-GmbH mit Sitz in K. aus der vorzeitigen Beendigung der Kfz-Leasingverträge vom 10. Juli 2001 (BMW 523i Touring) und 22. August 2001 (BMW 530d Kombi) der Klägerin gegenüber dem Grunde nach haftet.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für richtig, den zweitinstanzlichen Vortrag zum behaupteten Eingang des Insolvenzeröffnungsantrags beim Insolvenzgericht vor den Kündigungserklärungen für verspätet und meint, die Rückgabe der Kraftfahrzeuge durch den Erstbeklagten sei freiwillig und deshalb nicht auf der Grundlage der Kündigungen, sondern eines Aufhebungsvertrags geschehen, zu dessen Abschluss dieser uneingeschränkt befugt gewesen sei.

Der Beklagte bittet um Zurückweisung

des Hilfsantrags.

Der Senat hat Urkundenbeweis erhoben durch Vorlage des namens der Schuldnerin an das Amtsgericht Köln gerichteten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beiziehung der eingangs genannten Akte. Zwischen den Parteien ist nicht (mehr) streitig, dass der Insolvenzeröffungsantrag am 01. Juni 2005 beim zuständigen Gericht eingegangen ist und dass die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse (auch) auf diesem Antrag beruht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist überwiegend begründet. Es führt zur Abänderung des angefochtenen Schlussurteils und in Höhe eines Teilbetrags von 21.226,92 EUR (nebst Zinsen) zur Abweisung der gegen ihn gerichteten, insoweit unbegründeten Klage. Nur in Höhe eines Teilbetrags von 6.151,71 EUR (nebst Zinsen) ist dessen Berufung unbegründet, so dass es insoweit bei dem angefochtenen Urteil unter teilweiser Zurückweisung seines Rechtsmittels bleiben muss. Die Anschlussberufung der Klägerin - um eine solche handelt es sich verfahrensrechtlich bei dem im Senats-termin erstmals gestellten Hilfsantrag - ist als unzulässig zu verwerfen.

I. Der Beklagte haftet (neben dem Erstbeklagten) als Bürge gemäß §§ 765, 535 Abs. 2 BGB für die von der Schuldnerin nicht gezahlten Leasingraten aus der Zeit vom 01. Januar bis 18. Juni 2005, also bis zum Ablauf des Tages, der dem Tag der Rückgabe der geleasten Kraftfahrzeuge vorausgegangen ist:

a) Kfz/Lim

 Leasingraten 01/05 - 05/05 (5 Mon x 440 EUR) 2.200,00 EUR
Leasingrate 01. - 18. 06. 2005 (18/30 x 440 EUR) 264,00 EUR
Zwischensumme 2.464,00 EUR
16% MWSt 394,24 EUR
Summe 1 2.858,24 EUR

b) Kfz/Kombi

 Leasingraten 01/05 - 05/05 (5 Mon x 507 EUR) 2.535,00 EUR
Leasingrate 01. - 18. 06. 2005 (18/30 x 507 EUR) 304,20 EUR
Zwischensumme 2.839,20 EUR
16% MWSt 454,27 EUR
Summe 2 3.293,47 EUR

c) Gesamtforderung 6.151,71 EUR

Gegen diese Verbindlichkeit bringt der Beklagte nach Grund und Höhe nichts Erhebliches vor. Insbesondere ist unerheblich, dass er angeboten haben will, ab Januar 2005 die Leasingverträge persönlich zu übernehmen. Die Klägerin musste dieses Änderungsangebot aus Rechtsgründen nicht annehmen, sondern konnte - ungeachtet der hier nicht zu beantwortenden Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer solchen ablehnenden Haltung - auf Erfüllung des Vertrags durch die Schuldnerin bestehen, für deren Solvenz wiederum der Beklagte als Bürge einzustehen hat. Die Verzugszinsen schuldet er gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II. Der Beklagte kann als Bürge allerdings nicht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Leasingverträge für die Zeit ab 19. Juni 2005 in Anspruch genommen werden. Das scheitert an der insolvenzrechtlichen Unwirksamkeit der von der Klägerin erklärten Kündigungen.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beklagte mit seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht zweitinstanzlich präkludiert. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen dann nicht gebunden, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung wecken. So verhält es sich im Streitfall. Der Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung und erneut mit Schriftsatz vom 20. Juli 2006 - von der Klägerin jeweils unbestritten - vorgetragen, dass am 31. Mai 2005 Insolvenzeröffnungsantrag gestellt worden sei. Mit dem letztgenannten Schriftsatz hat er ferner das Schreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 07. Juli 2005 vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass dieser mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 22. Juni 2005 berufen worden war. Aus dem ferner vorgelegten Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Juli 2005 erschließt sich, dass dieser bereits am 17. Juni 2005 mit dem Insolvenzgericht korrespondiert hat. Alle diese Indizien deuteten darauf hin, dass vor dem Zugang der umstrittenen Kündigungen der Insolvenzeröffnungsantrag bei Gericht eingegangen war, so dass die Anwendung des § 112 InsO in Betracht kam (vgl. die nachstehenden Erwägungen). Das hätte das Landgericht gemäß § 139 ZPO veranlassen müssen, die Parteien auf diesen von ihnen vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz übersehenen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, den genauen Tag des Eingangs des Insolvenzeröffnungsantrags beim AG Köln noch vorzutragen. Wenn das Landgericht (was nahe liegt) diesen rechtlichen Gesichtspunkt zunächst ebenfalls übersehen haben sollte, hätte es, nachdem der Beklagte das in Rede stehende Datum und die insolvenzrechtlichen Konsequenzen für die Kündigungserklärungen im Schriftsatz vom 15. März 2007 noch vorgetragen hatte, die am 28. Februar 2007 geschlossene mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wiedereröffnen müssen, um beiden Seiten Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag zu geben. Der Verstoß gegen die genannten verfahrensrechtlichen Regeln eröffnet dem Beklagten den diesbezüglichen zweitinstanzlichen Vortrag.

2. Die auf die Leasingverträge bezogenen Kündigungserklärungen vom 17. Juni 2005 sind wegen Verstoßes gegen § 112 InsO unwirksam. Danach kann der Vermieter/Verpächter das Miet-/Pachtvertragsverhältnis nach einem gegen den Mieter/Pächter gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen wegen dessen Verzugs mit der Zahlung der Miete/Pacht oder wegen der Verschlechterung von dessen Vermögensverhältnissen nicht kündigen (Kündigungs-sperre). Sinn dieser Bestimmung ist es, in der durch den Insolvenzeröffnungsantrag öffentlich indizierten wirtschaftlichen Krise des Mieters/Pächters im Interesse der dem künftigen Insolvenzverwalter vorbehaltenen Prüfung einer in Betracht kommenden Betriebsfortführung nicht durch die Entziehung von Betriebsmitteln vorzugreifen, was im Interesse der Insolvenzmasse und damit im Interesse aller Gläubiger ist (vgl. nur Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl. Rn. 1483f m.w.N.). Die Kündigung von Miet- und Pachtverträgen zu diesem Zeitpunkt würde vielfach die Prüfung der Betriebsfortführung obsolet machen. Die Anwendbarkeit der insolvenzrechtlichen Kündigungssperre auch auf Leasingverträge, die materiell atypische Mietverträge sind (vgl. BGH NJW 1988, 198), ist ausdrücklich gesetzgeberisches Anliegen gewesen (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 148) und ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt (vgl. BGH NJW 2002, 3326, 3327 [14]; MünchKomm/Eckert, InsO, 1. Aufl., § 112 Rn 5; MünchKomm/Koch, BGB, 5. Aufl., nach § 610, Finanzierungsleasing Rn 138; Wolf/Eckert/Ball, aaO, Rn. 1483 Graf von Westphalen, Leasingrecht, 5. Aufl. Rn 93ff, 1527). Bei der Unwirksamkeit der Kündigung bleibt es auch dann, wenn es - wie hier - nicht zur Insolvenzeröffnung kommt (vgl. MünchKomm/Eckert, aaO Rn 31).

2. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die unwirksamen Kündigungserklärungen seien in ein an die Schuldnerin gerichtetes Angebot zur Aufhebung der beiden Leasingverträge umzudeuten, das diese mit der freiwilligen Herausgabe der beiden Kraftfahrzeuge konkludent angenommen habe. Diesem rechtlichen Ansatz kann nicht gefolgt werden.

a) Die Kündigungserklärung gestaltet das Vertragsverhältnis einseitig um, so dass es einer Mitwirkung des Erklärungsempfängers nicht bedarf, insbesondere hat dessen Widerspruch gegen die Kündigungserklärung keine rechtliche Bedeutung. Liegen die Kündigungsgründe vor, wird das Vertragsverhältnis durch die Kündigungserklärung grundsätzlich auch gegen den Willen des Erklärungsempfängers beendet; liegen sie nicht vor, bleibt es bestehen. Daraus folgt, dass ein Schweigen des Erklärungsempfängers und die Herausgabe der Sache grundsätzlich mehrdeutig sind. Das Schweigen wird regelmäßig als schlichte Hinnahme der für richtig erachteten Rechtslage nach der Kündigungserklärung zu werten sein (Beendigung des Vertragsverhältnisses, §§ 542 Abs. 1, 543 BGB; Herausgabepflicht, § 546 Abs. 1 BGB) und kann deshalb nur ganz ausnahmsweise als (konkludente) Zustimmung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses gedeutet werden (vgl. BGH NJW 1981, 43; 1984, 1028; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 543 Rn 56; ders./Heinrichs, aaO, § 311 Rn 7; Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 841).

b) Im Streitfall liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin mit seinem Schweigen und der freiwilligen Herausgabe der Leasingsachen ein Vertragsaufhebungsangebot der Klägerin annehmen wollte. Das scheitert bereits daran, dass die diesbezüglich selbst unwissende Klägerin mit der Kündigungserklärung und der Abholung der Leasingsache ein solches Angebot mangels Erklärungsbewusstseins konkludent gar nicht abgegeben hat. Sie zeigt auch nicht auf, dem Erklärungsempfänger sei bewusst gewesen, dass trotz der Kündigungserklärungen auf der Grundlage des an sich zur fristlosen Kündigung berechtigenden Zahlungsverzugs (Nr. 9.1 Allgemeine Kauf- und Leasingbedingungen -künftig: AGB - in Verbindung mit § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB) wegen der insolvenzrechtlichen Kündigungssperre das Vertragsverhältnis fortbestehe, er also möglicherweise eine auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gemäß § 311 Abs. 1 BGB erforderliche Willenserklärung abgebe. Demnach kann nicht festgestellt werden, dass im Streitfall zwischen der Klägerin und der Schuldnerin ein Aufhebungsvertrag im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB zustande gekommen ist.

c) Im Übrigen übersieht die Klägerin, dass der Beklagte als Bürge gemäß § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB zwar auch für Sekundäransprüche, insbesondere aus Verschulden und Verzug des Hauptschuldners und damit grundsätzlich für den Kündigungsschaden haftet. Er haftet aber nicht für Erfüllungsansprüche aus einem Rechtsgeschäft, das die Parteien des Hauptvertrags nach Bürgschaftsübernahme abschließen, § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB. Um ein solches Rechtsgeschäft würde es sich aber bei dem von der Klägerin vorgebrachten Aufhebungsvertrag handeln (Novation).

3. In der Abholung der Leasingsachen kann auch keine (konkludente) Wiederholung der Kündigungserklärungen gesehen werden. Das käme in Betracht, wenn zu diesem Zeitpunkt seit dem 1. Juni 2005 erneut ein selbständiger, zur fristlosen Kündigung berechtigender Zahlungsverzug eingetreten wäre. Das war indes nicht der Fall gewesen. Am 17./19. Juni 2005 war die Schuldnerin erst mit einer Leasingrate erneut in Verzug geraten.

4. Die außerordentlich fristlosen Kündigungen sind auch nicht wegen der angeblich vertragswidrigen Verschlechterung der Kraftfahrzeuge aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB gerechtfertigt gewesen. Ob die Schuldnerin bei Wegstreckenzählerständen von rund 265.000 km (Kfz/Lim) bzw. 275.000 km (Kfz/Kombi) die vertraglich vorausgesetzten Laufleistungen (je 15.000 km/Jahr) während der Leasingzeit schuldhaft wesentlich überschritten hat, kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Kraftfahrzeuge gebraucht geleast wurden und der KM-Stand bei Leasingvertragsbeginn nicht bekannt ist. Der übrige äußere Zustand beider Kraftfahrzeuge (vgl. dazu die vorgetragenen Feststellungen des Kfz-Sachverständigen T. in seinen Gutachten vom 09. Juni 2005 -Kfz/Kombi, GA 77ff- und vom 28. Juli 2005 (Kfz/Lim) weicht feststellbar mit Blick auf Alter und Laufleistung nicht wesentlich von anderen Kraftfahrzeugen bei gleich intensiver Nutzung ab. Die Reparaturbedürftigkeit der Motoren rechtfertigte allenfalls eine Reparaturabmahnung, aber keine außerordentlichen fristlosen Kündigungen, zumal die auf 48 Monate Dauer abgeschlossenen Vertragsverhältnisse ohnehin wegen Laufzeitablaufs schon im Juli 2005 (Kfz/Lim) bzw. im August 2005 (Kfz/Kombi) ordentlich geendet hätten.

5. Entgegen ihrer Ansicht hat die Klägerin ersatzweise auch keinen Anspruch auf Vertragserfüllung. Abgesehen davon, dass derartige Erfüllungsansprüche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, scheitert das an §§ 535 Abs. 1 S. 2, 537 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 3.1 AGB, nachdem die Leasinggeberin ihrer Verpflichtung zur Nutzungsüberlassung seit dem 19. Juni 2005 nicht mehr nachgekommen ist (vgl. BGH NJW 2000, 3133, 3135 [30] m.w.N.). Die Schuldnerin hat in feststellbarer Weise (allein) auf Veranlassung der Leasinggeberin den Besitz an den Kraftfahrzeugen aufgegeben. Das Leasinggut ist (allein) im Interesse der Leasinggeberin verwertet worden und die Verschaffung von Mietbesitz zugunsten der Schuldnerin ist seither unmöglich geworden.

6. Auch Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verschlechterung der Kraftfahrzeuge aus §§ 280, 535 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 6.1 AGB bestehen nicht. Abgesehen davon, dass auch solche Ansprüche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, kann aus den obigen Erwägungen (B.II.4) ein schuldhaftes Verhalten der Schuldnerin nicht festgestellt werden. Aus den gleichen Gründen scheidet ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 535 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Nr. 6.2 AGB wegen schuldhafter Verletzung des Reparaturgebots aus. Auch solche Schadensersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Zudem scheitern sie daran, dass der Schuldnerin entgegen der Bestimmung des § 250 Satz 1 BGB keine Gelegenheit zur Reparatur gegeben worden ist. Eine solche Fristsetzung war mit Blick auf die erklärte Übernahmebereitschaft des Beklagten keine leere Förmelei. Durch die vertragswidrige Veräußerung der Kraftfahrzeuge hat die Klägerin deren mögliche Reparatur endgültig vereitelt.

II. Der von der Klägerin in zweiter Instanz verfolgte Hilfsantrag stellt sich verfahrensmäßig als Hilfsanschlussberufung im Sinne des § 524 Abs. 1 ZPO dar (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524 Rn 3 m.w.N.). Über ihn ist zu entscheiden, weil dem Hauptantrag (Zurückweisung der Berufung) nicht vollständig entsprochen wird. Die Anschlussberufung ist unzulässig, weil sie verfristet ist. Gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Anschlussberufung zulässig nur bis zum Ablauf der dem Berufungsgegner gesetzten Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung. Der Klägerin ist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung (nach Verlängerung) Frist bis zum Ablauf des 27. August 2007 gesetzt worden. Die Anschlussberufung hat sie indes erst im Senatstermin vom 08. April 2008 angebracht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 27.878,63 EUR, davon entfallen 500 EUR auf die Anschlussberufung.

Ende der Entscheidung

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