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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.09.2005
Aktenzeichen: I-24 W 45/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 103
ZPO § 310
ZPO § 331
Die Kostenfestsetzung ist gegen einen durch Teilurteil ausgeschiedenen Streitgenossen erst zulässig, wenn die in dem Schlussurteil enthaltene Kostengrundentscheidung auch ihm gegenüber Wirksamkeit erlangt hat, sei es durch Verkündung oder an Verkündungs statt durch Zustellung dieses Urteils.
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

I-24 W 45/05

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Z als Einzelrichter am 20. September 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Zweitbeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld - Rechtspfleger - vom 13. Mai 2005 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil des Zweitbeklagten entschieden worden ist.

Insoweit wird das Kostenfestsetzungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Beschwerdewert: € 1.548,00

Gründe:

I.

Die Klägerin hat von dem Zweitbeklagten und zwei weiteren Beklagten rückständige Leasingraten und Schadensersatz nach fristloser Kündigung des Leasingvertrages verlangt. Gegen die Beklagten zu 1) und 2) hat sie im schriftlichen Vorverfahren am 20. Juli 2004 ein Teilversäumnisurteil erwirkt, das diesen beiden Beklagten an Verkündungs statt am 10. (Erstbeklagter) und 11. August 2004 (Zweitbeklagter) zugestellt wurde. In diesem Urteil ist die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten worden.

Nachdem auch der Drittbeklagten die Klage hatte zugestellt werden können, erging am 9. September 2004 im schriftlichen Verfahren gegen alle Beklagten ein Schlussver-säumnisurteil, in dem u.a. die Kosten des Rechtsstreits allen Beklagten als Gesamt-schuldnern auferlegt worden sind. Dieses Urteil ist nur der Klägerin und der Drittbeklagten an Verkündungs statt am 29. September 2004 zugestellt worden. Auf Antrag der Klägerin hat der Rechtspfleger durch den angefochtenen Beschluss gegen alle Beklagten als Gesamt-schuldner Kosten in Höhe von 1.548,00 EUR festgesetzt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Zweitbeklagten, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Durch Verfügung vom 1. Juni 2005 ist dem Zweitbeklagten eine Kopie des Schlussversäumnisurteils übersandt worden.

II.

1.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Kostenfestsetzung gegen den Zweitbeklagten fehlt es an der notwendigen Kostengrundentscheidung. Dieser Mangel des Verfahrens führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil diesem im Verhältnis zu dem Zweitbeklagten die Entscheidungsgrundlage fehlt.

a) Gemäß § 103 Abs. 1 ZPO kann die Kostenfestsetzung nur auf Grund eines Vollstreckungstitels, der Kostengrundentscheidung, beantragt werden. An diese ist der Rechtspfleger über die allein zulässige und gebotene Auslegung hinaus im Kosten-festsetzungsverfahren gebunden (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rn. 21 "Bindung" m.w.N.).

Voraussetzung der Bindung ist aber ein zur Vollstreckung geeigneter Titel, der die Entscheidung enthält, wer die Kosten zu tragen hat (vgl. Zöller/Herget aaO. Rn. 2; BGH NJW-RR 1991, 1021). Ohne wirksame Kostengrundentscheidung hat eine Festsetzung zu unterbleiben. So liegen die Dinge hier zum Nachteil der Klägerin.

b) Zwar sind Erlass und Zustellung des im schriftlichen Vorverfahren am 20. Juli 2004 erlassenen Teilversäumnisurteils nicht zu beanstanden. Das Urteil wurde den Beklagten zu 1) und 2) wirksam zugestellt, wie den bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunden zu entnehmen ist. In diesem Teilurteil ist aber über die Kosten nicht entschieden worden.

Die Kostengrundentscheidung findet sich - verfahrensrechtlich einwandfrei - erst in dem Schlussversäumnisurteil vom 9. September 2004. Diesem kommt indessen im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2) keine Wirksamkeit zu.

aa) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und - wie hier - Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO).

Des Weiteren werden nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Versäumnisurteile nach schriftlichem Vorverfahren, die an Verkündungs Statt gemäß §§ 331 Abs. 3, 310 Abs. 3 ZPO zuzustellen sind, erst durch die Zustellung an beide Parteien existent, so dass auch erst mit der letzten Zustellung eine Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wird (vgl. BGH NJW 1996, 1969, 1970; NJW 1994, 3359, 3360; VersR 1982, 596, 597). Die dagegen erhobenen Praktika-bilitätsbedenken (vgl. Schneider NJW 1978, 833 aaO) rechtfertigen es nicht, entgegen der gesetzlichen Regelung des § 310 Abs. 3 ZPO auf Säumnisentscheidungen nach § 331 Abs. 3 ZPO die Anfechtungs- und Verlautbarungsregeln des § 329 Abs. 2 ZPO für nicht verkündete Beschlüsse anzuwenden (BGH NJW 1994, 3360). Daran fehlt es hier.

Da das vom Landgericht im schriftlichen Vorverfahren vorbereitete Schlussversäumnisurteil unter diese Vorschrift fiel, hätte nur eine Verlautbarung durch Zustellung an alle Parteien den gesetzlichen Formerfordernissen entsprochen. Hier wurde nur der Klägerin und der Drittbeklagten zugestellt, nicht aber den beiden anderen Beklagten. Diese Zustellungen konnten den Mangel des Urteils im Verhältnis zum Zweitbeklagten nicht ersetzen.

Auf die Prozessrechtsverhältnisse der Klägerin zu den Beklagten ist § 61 ZPO anzuwenden, weil es sich bei den Beklagten um einfache Streitgenossen handelt. Nach dieser Vorschrift stehen die einzelnen Streitgenossen dem Gegner grundsätzlich selbständig gegenüber. Jeder Streitgenosse führt seinen eigenen Prozess - trotz äußerlicher Verbindung der Verfahren - formell und inhaltlich unabhängig von dem anderen, ohne dass die jeweiligen Handlungen Vorteile und Nachteile für andere Streitgenossen bewirken (BGH NJW-RR 2003, 1344; 1989, 1099; GRUR 1984, 37). Zustellungen haben entsprechend § 63 ZPO an sämtliche Streitgenossen zu erfolgen (Zöller/Vollkommer aaO. § 63 Rn, 2).

Nach diesen Grundsätzen war auch dem Zweitbeklagten das Schlussversäumnisurteil zuzustellen. Denn er war an dem Rechtsstreit noch so lange beteiligt, wie über die Kosten nicht entschieden worden war, auch wenn der Rechtsstreit durch das Teilversäumnisurteil vom 20. Juli 2004 in der Hauptsache sein Ende gefunden hatte. Die noch fehlende Entscheidung über die Kosten ist zwar gemäß § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu treffen. Daher wird die rechtskräftig ausgeschiedene Partei trotz noch offener Kostenentscheidung bis zur Verkündung der Schlussentscheidungen nicht mehr am Rechtsstreit beteiligt (vgl. Zöller/Vollkommer aaO. § 63 Rn 1). Deshalb ist es auch nicht erforderlich, der nur noch hinsichtlich der Kosten betroffenen Partei eine Ladung zur letzten mündlichen Verhandlung zuzustellen oder sie vom Verkündungstermin zu benachrichtigen. Wird dann eine den ausgeschiedenen Streitgenossen belastende Kostenentscheidung verkündet, so geschieht dies öffentlich (§§ 173 GVG, 310 ZPO). Damit würde die Schlusskostenentscheidung jedenfalls den Mindestanforderungen der Verlautbarung (s.o. I b. bb. ) genügen. Ergehen aber auch die Schlussentscheidungen nach §§ 331 Abs. 3, 310 Abs. 3 ZPO so unterbleibt eine der öffentlichen Verkündung vergleichbare Verlautbarung gegenüber dem ausgeschiedenen Streitgenossen, wenn sie ihm - wie hier dem Zweitbeklagten - nicht auch zugestellt wird.

bb) Dieser Zustellungsmangel muss allerdings noch nicht zwingend die Unwirksamkeit des Schlussversäumnisurteils bedeuten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen nämlich Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur dann entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Form-erfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH NJW 1985, 1782, 1783).

Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und dass die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar wäre daher eine Bekanntgabe des Urteils durch Verkündung in öffentlicher Sitzung statt durch Zustellung , da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt hätte. Wird z. B. ein unter § 310 Abs. 1 ZPO fallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH NJW 2004, 2019, 2020; VersR 1984, 1192, 1993; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 310, Rn. 6).

Nach diesen Grundsätzen ist das Schlussversäumnisurteil vom 9. September 2004 im Verhältnis zu dem Zweitbeklagten nicht wirksam verlautbart worden. Zwar war dies keineswegs beabsichtigt. Im Gegenteil: Das Urteil ist mit Willen der erkennenden Einzelrichterin in den Geschäftsgang gelangt. Bei der Verlautbarung ist aber ein entscheidender Fehler unterlaufen, weil die Geschäftsstelle nicht die Zustellung des Urteils an die Klägerin und den Zweitbeklagten angeordnet hat und sie daher auch unterblieben ist.

Ferner ist auch die Zustellung an den Zweitbeklagten durch das Landgericht bisher nicht nachgeholt worden, womit sich der Fehler hätte beheben lassen (vgl. BGH NJW 2004, 2020). Die am 1. Juni 2005 verfügte, formlose Übersendung einer Kopie des Schluss-versäumnisurteils an den Zweitbeklagten konnte den Zustellungsmangel nicht heilen, weil sie den o. a. Formvorschriften immer noch nicht entsprach.

Die fehlende Heilung des Zustellungsmangels wird auch durch folgende Überlegung bestätigt: Hätte es sich bei der Kostenentscheidung um eine Beschluss-Entscheidung gehandelt, die wie z. B. im Falle der §§ 269 Abs. 3 und 4, 516 Abs. 3 ZPO einen Vollstreckungstitel bildete, hätte gemäß § 329 Abs. 3 ZPO zugestellt werden müssen. Dass "Vollstreckungstitel" im Sinne von § 329 Abs. 3 ZPO anders verstanden werden muss als ein "zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel" im Sinne von § 103 ZPO ist nicht erkennbar, auch wenn in beiden Fällen die Kostengrundentscheidung selbst mangels Bestimmtheit gar nicht vollstreckbar ist, sondern erst noch der Konkretisierung durch die Kostenfestsetzung bedarf (vgl. zu § 103 ZPO Zöller/Herget aaO. Rn. 21 "Auslegung"). Erst recht gilt dies für das Schlussversäumnisurteil. Denn es ist eine Ergänzung des vorausgegangenen, eine Kostenentscheidung nicht enthaltenden Teilurteils. Das Schlussurteil bildet infolgedessen in diesem Umfang mit dem Teilurteil ein einheitliches, untrennbares Ganzes ( vgl. BGH NJW 1984, 495).

cc) Dass im Verhältnis der Klägerin zu dem Zweitbeklagten nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden war und dies ohne Rücksicht auf die Drittbeklagte gemäß § 128 Abs. 3 ZPO auch ohne mündliche Verhandlung hätte geschehen können, ändert nichts an der Unwirksamkeit der Kostengrundentscheidung. Zum einen hätte dann ein Kosten-schlussurteil ergehen müssen (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1741), das entweder nach den Regeln der Säumnisentscheidung zu verlautbaren war (s.o. bb.) oder im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO hätte verkündet werden müssen. Denn die genannte Vorschrift ist auch auf Entscheidungen nach § 128 Abs. 3 ZPO anzuwenden (Zöller/Greger aaO. § 128 Rn. 17, 14). Beides ist hier unterblieben. II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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