Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: I-24 W 7/06
Rechtsgebiete: EuGVÜ, ZPO


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 27 Nr. 1
ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 4
Weisen Honorarrechnungen eines ausländischen (hier: dänischen) Rechtsanwalts, die zum Erlass eines dänischen Versäumnisurteils geführt haben, zahlreiche Fehler, Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten auf und stehen einzelne Honorare in einem krassen Missverhältnis zu dem anwaltlichen Aufwand, so kann dies den Schluss auf objektiv und subjektiv betrügerisches Handeln zulassen (abschließende Entscheidung zu BGH AnwBl 2006, 214 und WM 2004, 1391).
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 W 7/06

In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines dänischen Urteils

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf seine Richter Z., T. und S. am 11.09.2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 23.09.2002 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag der Antragstellerin, das Urteil des Amtsgerichts Kopenhagen vom 28.02.2000 (Az.: BS 6D-8753/1999) für vollstreckbar zu erklären und die Vollstreckungsklausel zu erteilen, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der Rechtsbeschwerden zu tragen.

Beschwerdewert: bis 9.000 €.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um die Anerkennung eines dänischen Versäumnisurteils.

Die Antragstellerin, eine dänische Anwaltskanzlei, war in der Zeit von 1996 bis 1999 von der Antragsgegnerin damit beauftragt, für sie den dänischen Rechtsanwalt K. J. im Klagewege auf die Auskehr eingenommenen Geldes in Anspruch zu nehmen. Die Parteien vereinbarten dafür ein Honorar zu einem Stundensatz von 470 DM, das die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.11.1996 gefordert hatte. Die Antragstellerin führte den Rechtsstreit in erster Instanz vor dem östlichen Landesgericht in Kopenhagen und in zweiter Instanz vor dem obersten dänischen Gerichtshof bis zur Entziehung des Mandats durch die Antragsgegnerin (vor der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz) am 05.07.1999.

Für von ihr geleistete Anwaltstätigkeit und getätigte Auslagen stellte die Antragstellerin der Antragsgegnerin folgende Beträge in Rechnung:

[Tabelle A]

 Nr.Blatt GADatumBeträgeberechneter
Aufwanderfasst im Versäumnisurteil
14429.11.19965.195,90 DM 11 Zeitstunden 
24530.04.19977.050,00 DM 15 Zeitstunden 
38301.07.19972.600,00 DM 5,5 Zeitstunden 
49421.07.19973.760,00 DM 8 Zeitstunden 
513330.11.19979.870,00 DM 21 Zeitstundenx
614404.12.1997315,21 DM Auslagen Dolmetscher 1.200 DKKx
714527.03.19986.110,00 DM zzgl. 7.476,00 DM a. 13 Zeitstunden; b. Auslagen (Gerichtsgebühr) 
816008.09.19983.290,00 DM 7 Zeitstundenx
916812.01.1999716,00 € 3 Zeitstundenx
1017614.01.1999768,00 € Auslagen (Gerichtsgebühr)x

Summe des abgerechneten Zeitaufwands 83,5 Zeitstunden

Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Rechnungen verwiesen. Die den Rechnungen jeweils zugrundeliegenden Zeitaufstellungen (Journale) fügte die Antragstellerin den der Antragsgegnerin übersandten Rechnungen nicht bei.

Die Antragsgegnerin leistete an die Antragstellerin Abschlagszahlungen in Höhe von 24.696 DM sowie von weiteren 7.476 DM für die mit Rechnung vom 27.03.1998 abgerechneten Auslagen. Mit Schreiben vom 05.07.1999 mahnte die Antragstellerin die Zahlung nach ihrer Auffassung noch ausstehender 62.655,37 Dänische Kronen (DKK) an. Die in jenem Schreiben in dänischen Kronen aufgeführten Einzelbeträge entsprechen den Endbeträgen der oben genannten Rechnungen Nr. 5, 8, 9 und 10. Für Dolmetscherkosten mahnte die Antragstellerin hingegen abweichend von der oben Nr. 6 genannten Rechnung 1.500 DKK an. Die Antragsgegnerin leistete keine weitere Zahlung.

Nach Klageerhebung durch die Antragstellerin mit Klageschrift vom 18.08.1999 hat das Amtsgericht Kopenhagen die Antragsgegnerin mit Versäumnisurteil vom 29.02.2000 zur Zahlung von 62.655,37 DKK nebst "den üblichen Prozesszinsen ab Klageerhebung" (Zinsen von 5% über dem jeweiligen dänischen Diskontsatz ab dem 19.08.1999) und Verfahrenskosten von 3.500,00 DKK an die Antragstellerin verurteilt.

Die Antragstellerin begehrt, dieses Urteil für vollstreckbar zu erklären. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat unter anderem eingewandt, die Antragstellerin habe das Urteil durch vorsätzlich falschen Vortrag über den zeitlichen Umfang der von ihr erbrachten Tätigkeit erschlichen.

Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat der Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kopenhagen in Anwendung von Art. 31 f. EuGVÜ und §§ 2 f. AVAG anerkannt und angeordnet, es mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel. Sie macht geltend, es liege hinsichtlich des dänischen Urteils ein Zustellungsmangel vor, weil die Zustellung der dänischen Klageschrift nebst Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem dänischen Gericht fehlgeschlagen sei. Im übrigen verstoße das Urteil, weil es durch vorsätzlich unrichtigen Prozessvortrag der Antragsstellerin zu der von ihr aufgewendeten anwaltlichen Bearbeitungszeit erschlichen worden sei, gegen den deutschen "ordre public".

Die Antragsgegnerin hat zudem vor dem Landgericht Essen (18 O 20/04) Klage gegen die Antragstellerin auf Rückzahlung eines Betrages von 19.012,00 DM zuzüglich Zinsen erhoben. Das dortige Verfahren ist nicht abgeschlossen und derzeit bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens ausgesetzt .

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (3 W 343/02) hat das Rechtsmittel der Antragsgegnerin zunächst mit Beschluss vom 14.02.2003 zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat der Bundesgerichtshof (IX ZB 43/03 - WM 2004, 1391) diese Entscheidung mit Beschluss vom 06.05.2004 aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Mit weiterem Beschluss vom 05.11.2004 hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (I-3 W 174/04) das Rechtsmittel der Antragsgegnerin wiederum zurückgewiesen. Auf die erneute Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat der Bundesgerichtshof auch diese Entscheidung mit Beschluss vom 15.12.2005 (IX ZB 276/04 - AnwBl 2006, 214) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an den erkennenden Senat zurückverwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen verwiesen.

Der Senat hat die Akten des Rechtsstreits 18 O 20/04 Landgericht Essen zu Beweiszwecken beigezogen und die Parteien darauf hingewiesen, dass die dort bereits erhobenen Beweise im hiesigen Verfahren verwertet werden sollen. Überdies hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen H.; auf das schriftliche Gutachten vom 28.02.2008 sowie auf die beiden im Verfahren vor dem Landgericht Essen vorgelegten Gutachten des Sachverständigen H. vom 23.09.2004 und vom 29.05.2007 wird verwiesen. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B.

Die nach Zustellung am 24.10.2002 innerhalb der Frist von einem Monat (Art. 36 EuGVÜ) am 28.10.2002 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist fristgemäß und auch im übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

I.

Allerdings sind die formalen Voraussetzungen für die angeordnete Vollstreckbarkeitserklärung des dänischen Urteils gegeben. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Oberlandesgerichts - 3. Zivilsenat - vom 14.02.2003 und den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 06.05.2004 (WM 2004, 1391) verwiesen.

II.

Gleichwohl ist der Entscheidung des Amtsgerichts Kopenhagen gem. Art. 34 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ die Anerkennung nach deutschem Recht zu versagen, da diese der öffentlichen Ordnung ("ordre public") der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde. Nachdem die Antragsgegnerin sich im Ausland nicht eingelassen hat, steht ihr der Betrugseinwand im Anerkennungsverfahren uneingeschränkt zur Verfügung (BGH WM 2004, 1391). Nach dem Ergebnis der Ermittlungen des Senats und unter Verwertung der Ermittlungen des Landgerichts Essen im Verfahren 18 O 20/04 steht fest, dass die Antragstellerin das vom Landgericht für vollstreckbar erklärte Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kopenhagen durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erwirkt hat. Ein solches Urteil verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung (vgl. BGH WM 1986, 1370; BGHZ 141, 286; WM 2004, 1391; AnwBl 2006, 214). Denn die Antragstellerin hat in ihrer Klageschrift vom 20.10.1999 zu dem Umfang der von ihr erbrachten Anwaltsdienstleistungen und Auslagen wahrheitswidrig vorgetragen und durch diese Täuschung die Titulierung eines zu ihren Gunsten jedenfalls überhöhten Zahlungsbetrages erlangt. Diese Täuschung geschah durch den Verfasser der Klageschrift - Advokat S. R. - vorsätzlich und in der Absicht, die Antragstellerin auf Kosten der Antragsgegnerin rechtswidrig zu bereichern.

III.

Dem dänischen Versäumnisurteil liegen, wie der von der Antragstellerin vorgelegten Handakte des Honorarprozesses zu entnehmen ist, die Honorarrechnungen vom 30.11.1997, 08.09.1998 und 12.01.1999 (siehe oben Tab. A Nr. 5, 8 und 9) sowie behauptete Auslagen für einen Dolmetscher von 1.500 DKK (vgl. Rechnung vom 04.12.1997 Tab. A Nr. 6, diese allerdings über 1.200 DKK) und Gerichtsauslagen gemäß Rechnung vom 14.01.1999 (Tab. A Nr. 10) zu Grunde. Jedenfalls mit ihren Honorarrechnungen vom 08.09.1998 und 12.01.1999 hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin Anwaltsdienstleistungen in Rechnung gestellt, die sie in diesem Umfang nicht erbracht hat. Überdies hat die Antragstellerin in Höhe von 1.500 DKK Dolmetscherkosten eingeklagt, obwohl sie - wie sie wusste - lediglich 1.200 DKK Auslagenersatz beanspruchen konnte.

1. Rechnung vom 08.09.1998:

Die Antragstellerin hat mit dieser Rechnung ihr Honorar für die Zeit von April bis August 1998 abgerechnet und hierfür einen Zeitaufwand von 7,0 Stunden in Rechnung gestellt. Entsprechend dem auf der Grundlage des Schreibens der Antragstellerin vom 07.11.1996 vereinbarten Honorarsatz von 470 DM (1.800 DKK) je Stunde weist die Rechnung einen Endbetrag von 3.290,00 DM aus.

a)

Der in der Rechnung angesetzte Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit von 7,0 Stunden ist im abgerechneten Zeitraum aber tatsächlich nicht geleistet worden. Dies ergibt sich bereits aus den Eintragungen des der Rechnung zugrunde liegenden Journals vom 31.08.1998 und wird von der Antragstellerin auch ausdrücklich zugestanden. Das Journal weist anwaltliche Tätigkeit unter Zuordnung der bearbeitenden Anwälte mit den Kürzeln "SR" (Advokat S. R.) und "HN" (Advokat Henrik Nebelong) nur im Umfang von 5 Std. und 35 Minuten aus. Dabei unterstellt der Senat die für den 01.07.1998 angesetzten 0:30 Stunden für "HN - Sonstiges - Lesen" noch als für die Antragsgegnerin erbrachte Tätigkeit, obwohl diese allgemein gehaltenen Angaben durchaus zu Zweifeln Anlass geben könnten.

(1)

Die unrichtige Berechnung von 7,0 Honorarstunden beruht nicht etwa auf einem Versehen der Antragstellerin bzw. des für sie handelnden Advokat S. R.. Die Antragstellerin behauptet ein solches Versehen nicht einmal selbst. Vielmehr sind in jener Rechnung nach ihrem Vortrag neben der anwaltlichen Dienstleistung auch Leistungen von Hilfskräften erfasst. Dies gilt für die als Übersetzerin eingesetzte Sekretärin K. K. ("KK"), deren Tätigkeit sie mit 4 Std. 25 Min. zu einem Stundensatz von 650 DKK veranschlagt hat, und für einen "jungen Juristen", dessen Einsatz von 10 Min. mit einem Stundensatz von 1.000 DKK abgerechnet ist. Der im Journal vom 31.08.1998 berechnete Endbetrag von 13.087,02 DKK entspreche - so die Antragstellerin - bei einem Kurs von 1 DM = 3,9778 DKK dem Rechnungsbetrag von 3.290,00 DM und sei "nur der Einfachheit halber in Partnerstunden" angegeben worden. Diese Einlassung der Antragstellerin schließt es aus, dass es sich bei der Abrechnung von 7,0 Partnerstunden um ein bloßes Versehen - etwa einen Rechenfehler - gehandelt hat.

(2)

Die Antragstellerin war - dies war dem für sie handelnden Advokat S. R. auch bekannt - nach dem Inhalt der zwischen den Parteien geschlossenen Honorarvereinbarung nicht dazu berechtigt, den zeitlichen Einsatz ihrer Hilfskräfte, so insbesondere ihrer Sekretärin, in Partnerstunden umzurechnen und verdeckt als Dienstleistung eines "Partners" in Rechnung zu stellen. Vereinbart war entsprechend dem Hinweis der Antragstellerin am Schluss ihres bereits erwähnten Schreibens vom 07.11.1996 ausschließlich für die Anwaltstätigkeit ein Stundenhonorar von 470 DM (1.800 DKK). Nicht vereinbart war eine gesonderte Berechnung des Einsatzes von Hilfskräften, insbesondere des Büropersonals. Der Antragstellerin entstehende Betriebskosten, insbesondere Personalkosten, waren vielmehr bereits durch den für die Anwaltstätigkeit vereinbarten Stundensatz abgedeckt, wie sich schon aus der Höhe des Stundensatzes ergibt. Denn dieser war im Jahre 1996 nach den Erfahrungen des ständig mit Rechtsanwaltshonorarsachen befassten Senats auch unter Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs als überdurchschnittlich anzusehen. Dies wird zusätzlich durch das Schreiben der Antragstellerin vom 07.11.1996 (dort S. 2) bestätigt, mit dem sie einen Honorarrahmen von 1.000 bis 2.400 DKK (Durchschnitt also 1.700 DKK) aufgezeigt hat. Der Sachverständige H. hat den Stundensatz (inklusive Betriebskosten) als "vertretbar" bezeichnet.

Im übrigen ergibt sich die Einbeziehung der Betriebskosten nicht nur schlüssig aus dem Fehlen einer anderweitigen Abrede der Parteien, sondern entspricht auch Abschnitt 3.4 der standesrechtlichen Regelungen der dänischen Anwaltsbehörden. Der Sachverständige H. hat in seinem im Verfahren vor dem LG Essen vorgelegten Gutachten vom 23.09.2004 - vom Senat gemäß § 411 a ZPO verwertet - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dieser Bestimmung "verdeckte Honorarabrechnungen" unzulässig sind. Er hat diesen dänischen Rechtsbegriff dahin erläutert, dass damit solche Rechnungsposten gemeint seien, die als Anwaltsleistungen aufgeführt werden, tatsächlich aber als reine Sekretärarbeit ausgeführt worden seien. Die Antragstellerin hat zwar in jenem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 26.11.2004 beanstandet, der Sachverständige habe durch seine Ausführungen zu den in Dänemark maßgeblichen Rechtsgrundlagen anwaltlicher Honorarforderungen den ihm vom Landgericht Essen erteilten Gutachtenauftrag überschritten. In der Sache ist sie aber seiner Darstellung zur Unzulässigkeit "verdeckter Honorarabrechnungen" nicht entgegengetreten. Im Gegenteil: Ihr Vortrag, sie stelle die in den Zeitjournalen erfasste Tätigkeit ihrer Sekretärinnen in der Rechnung "auf Null", deckt sich genau mit der von dem Sachverständigen mitgeteilten Rechtslage.

Auch die Vertragspraxis der Parteien bestätigt die Feststellung, dass durch die Sekretärin K. K. ("KK") aufgewendete Zeit für Übersetzungen durch das für Anwaltstätigkeiten vereinbarte Stundenhonorar mit abgegolten sein und ohne Einfluss auf das von der Antragsgegnerin zu zahlende Entgelt sein sollte. So weisen die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.07.2004 überreichten Journale vom 01.05.1997, vom 29.11.1997 und vom 26.03.1998 vielfach mit dem Mitarbeiterkürzel "KK" gekennzeichnete Übersetzungstätigkeiten aus, die aber - wie den zugehörigen Eintragungen der Spalte "Betrag" zu entnehmen ist - durchgängig nicht Eingang in die der Antragsgegnerin gestellten Rechnungen gefunden haben. Erst mit ihrer Rechnung vom 08.09.1998 ist die Antragstellerin von dieser Vertragspraxis ohne einen Hinweis an die Antragsgegnerin oder gar eine Absprache abgewichen, indem sie die Übersetzungstätigkeit der Sekretärin "der Einfachheit halber in Partnerstunden" umgerechnet hat. Dieser Hergang bestätigt nicht nur, dass die Abrechnung von Übersetzungstätigkeiten der Sekretärin auch nach der Auffassung der Antragstellerin unzulässig war, sondern zugleich auch die der Rechnung vom 08.09.1998 zugrundeliegende Täuschungsabsicht.

(3)

Dem Journal vom 31.08.1998 ist ferner zu entnehmen, dass sich die Antragstellerin in der Berücksichtigung der Einsatzzeiten ihrer Sekretärin "KK" nicht etwa auf deren Übersetzungstätigkeiten beschränkt hat. Vielmehr hat sie unter dem 21.08.1998 einen Betrag von 1.800 DKK für "Korrespondenz - Prozessschrift" unter dem Kürzel "KK" erfasst und in den Endbetrag von 13.087,02 DKK eingestellt. Dasselbe gilt für die Position "28.08.98 KK Übersetzung Prozessschrift 0:40 433,00 (DKK)". Dies belegt zusätzlich das mit der Abrechnung verfolgte Ziel, der Antragsgegnerin überhöhte Beträge in Rechnung zu stellen.

b)

Überdies steht auf Grund der vom Senat erhobenen Beweise fest, dass auch der in der Rechnung erfasste Zeitaufwand für Anwaltstätigkeiten von 5 Std. und 35 Min. krass - nämlich um rund 116% - überhöht ist und deshalb den Schluss auf eine zum Nachteil der Antragsgegnerin bewusst unrichtige Abrechnung rechtfertigt. Der Senat folgt in eigener Bewertung des von der Antragstellerin vorgelegten Schriftverkehrs den Feststellungen des Sachverständigen H. zu dem für eine auftragsgemäße Bearbeitung des Mandats angemessenen Zeitaufwand. Der von dem Sachverständigen H. in seinem Gutachten vom 28.01.2008 als angemessen geschätzte Zeitaufwand von 2 Std. und 35 Min. unterschreitet bei weitem den in dem Journal vom 31.08.1998 für "SR" (Advokat S. R.) und "HN" (Advokat H. N.) dokumentierten Zeitaufwand von 5 Std. und 35 Min. Der Sachverständige hat hierin die notwendigen Einzeltätigkeiten selbst insoweit berücksichtigt, als sie nur ganz geringen Zeitaufwand - von bis zu 5 Min. - beanspruchen. Da der sachbearbeitende Anwalt R. mit dem Vorgang bereits seit langem vertraut und fortlaufend befasst war, bedurfte es auch nicht der Berücksichtigung einer jeweils nötigen - ggf. kurzen - Einarbeitungszeit.

Auch die Gesamtschau der unter vorstehend a) und b) genannten Umstände bestätigt die Feststellung einer zum Nachteil der Antragsgegnerin betrügerischen Abrechnung nicht erbrachte Leistungen durch die Antragstellerin.

2. Rechnung vom 12.01.1999:

Das Arbeitsjournal vom 12.01.1999 zu dieser Rechnung weist unter den Kürzeln "SR" und "HN" anwaltliche Tätigkeit im Zeitumfang von 2 Std. und 20 Min. aus. In Rechnung gestellt hat die Antragstellerin aber 5.400 DKK (716 €) für einen Zeitaufwand von 3,0 Stunden anwaltlicher Tätigkeit. Auch hier resultiert die Differenz, wie von der Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 24.10.2007 und 08.04.2008 dargestellt, aus der Berücksichtigung von Übersetzungstätigkeiten der Sekretärin K. K.. Aus den oben [1. a) (1)] genannten Gründen war diese Abrechnungsweise, wie den handelnden Mitarbeitern der Antragstellerin und insbesondere dem die Klageschrift vom 18.08.1999 unterzeichnenden Rechtsanwalt R. bekannt war, unzulässig und geschah ebenfalls mit der Absicht, sich zu Lasten der Antragsgegnerin rechtswidrig zu bereichern.

3. Dolmetscherkosten 1.500 DKK:

Die Antragstellerin hat mit ihrer Klage vor dem Amtsgericht Kopenhagen ferner Dolmetscherkosten mit der Behauptung beansprucht, diese seien in Höhe von 1.500 DKK angefallen. Tatsächlich angefallen waren aber lediglich Dolmetscherkosten in Höhe von 1.200 DKK. Dies ergibt sich bereits aus der diesen Betrag ausweisenden und in deutscher Währung auf den entsprechenden Betrag von 315,21 DM lautenden Rechnung vom 04.12.1997. Noch mit Schreiben vom 14.01.1999 hat die Antragstellerin den Betrag von 315,21 DM angemahnt. Zwar hat die Antragstellerin ihrer Klage die angebliche Kopie eines Schecks vom 08.12.1997 zum Ausgleich einer Dolmetscherrechnung über 1.500 DKK beigefügt, der handschriftlich die das Mandat der Antragsgegnerin kennzeichnende Nr. 1431-1 hinzugefügt ist. Trotz des Hinweises der Antragsgegnerin auf den Widerspruch zwischen der Rechnung und dem für sie vorgelegten angeblichen Beleg sowie der Auflage des Senats im Beweisbeschluss vom 06.12.2007 (unter II.) hat die Antragstellerin nichts zur Erläuterung vorgetragen oder gar Beweis angetreten. Aus diesem Widerspruch und dem Fehlen jeder Reaktion der Antragstellerin auf die wiederholten Hinweise der Antragsgegnerin wie auch auf die Auflage des Senats zieht der Senat den Schluss, dass auch hier vorsätzlich rechtswidrig ein überhöhter Betrag in die Klageforderung vor dem Amtsgericht Kopenhagen eingestellt worden ist.

IV.

Die getroffenen Feststellungen zu vorsätzlich überhöhten Abrechnungen der Antragstellerin, die dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kopenhagen zugrunde liegen, werden zweifelsfrei erhärtet durch den wiederholten Ansatz tatsächlich nicht erbrachter Leistungen in anderen, dasselbe Mandat betreffenden Abrechnungen der Antragstellerin:

1.

Die mit Rechnung vom 30.04.1997 abgerechneten Anwaltsdienstleistungen decken sich schon nicht mit den Aufzeichnungen im Journal vom 01.05.1997. Danach entfallen nämlich im abgerechneten Zeitraum November 1996 bis April 1997 nur 13:50 Stunden auf anwaltliche Tätigkeiten, nicht aber 15,0 Stunden. Denn das Journal weist unter dem Kürzel "SR" nur 13 Stunden 50 Minuten aus. Im übrigen sind die anwaltlichen Tätigkeiten, wenn 15,0 Stunden zu Grunde gelegt werden, weitaus, nämlich um annähernd 90%, überhöht abgerechnet. Der Senat folgt unter eigener Bewertung des von der Antragstellerin vorgelegten Schriftverkehrs den im Verfahren vor dem Landgericht Essen eingeholten Gutachten des Sachverständigen H. vom 23.09.2004 und 29.05.2007: Für die Bearbeitung der abgerechneten Tätigkeiten waren lediglich rund 8,0 Zeitstunden angemessen.

a) Schriftwechsel über die Erhebung der Klage 1,0 Std.

b) Entwurf einer Klageschrift (incl. Erörterung) 1,5 Std.

c) Fertigung der endgültigen Klageschrift in dänisch 1,0 Std.

d) Prüfung und Übersetzung der Klageerwiderung 2,0 Std.

e) Prüfung des Entwurfs einer Replik 0,5 Std.

f) Fertigung der Replik in dänischer Sprache 2,0 Std.

Hierbei berücksichtigt der Senat insbesondere, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt R. bereits in das Mandat und die mit ihm verbundenen Rechtsfragen eingearbeitet war und überdies - unstreitig - die dänische wie auch die deutsche Sprache gleichsam muttersprachlich beherrscht.

2.

Der mit Rechnung vom 27.03.1998 abgerechnete Zeitaufwand für anwaltliche Tätigkeit steht in einem besonders groben Missverhältnis zu dem für die erledigten Arbeiten angemessenen Zeitaufwand. Abgerechnet hat die Antragstellerin mit 6.110 DM einen Zeitaufwand von 13,0 Std. Angemessen hingegen waren hingegen nur allenfalls etwa 4,0 Std. Die Rechnung ist damit um 225% überhöht. Auch hier folgt der Senat den genannten Gutachten des Sachverständigen H.. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nach dem Inhalt des Journals vom 26.03.1998 sämtliche Übersetzungen von der Sekretärin K. K. ("KK") gefertigt worden sind, für die - wie ausgeführt - Einsatzzeiten der Antragsgegnerin nicht in Rechnung gestellt werden durften. Entsprechend sind in dem Journal auch alle Übersetzungszeiten mit dem Betrag von 0,00 DKK angesetzt. Angemessen war lediglich ein Zeitaufwand von:

a) Erfassen und Prüfen des Urteils des Urteils des östlichen Landgerichts im Hinblick darauf, dass die Übersetzung durch die Sekretärin K. K. erfolgte, allenfalls: 1,25 Std.

b) Schriftwechsel: 1,0 Std.

c) Fertigung einer Berufungsschrift: 1,0 Std.

d) Einreichung der Berufung beim obersten dänischen Gerichtshof und Auslage einer Gerichtsgebühr allenfalls: 0,5 Std.

3.

Die Abweichung der unter dem 27.03.1998 in Rechnung gestellten anwaltlichen Arbeitszeit von dem angemessenen Zeitaufwand um immerhin 225% beruht nicht nur auf dem Ansatz überhöhter Bearbeitungszeiten. Sie beruht vielmehr zu einem großen Anteil auch darauf, dass die Antragstellerin unzulässig 5,0 Stunden für die Wahrnehmung des Gerichtstermins vom 01.12.1997 durch die nicht sachbearbeitende Anwältin B.-S. ("SBS") abgerechnet hat, obwohl sie genau denselben Zeitaufwand für die Wahrnehmung des Termins vom 01.12.1997 durch den Sachbearbeiter Advokat R. bereits mit der vorangegangenen Rechnung vom 30.11.1997 abgerechnet hatte. Ihre Behauptung, die weitere Anwältin sei auf Wunsch der Antragsgegnerin zu Dolmetscherzwecken beigezogen worden, ist völlig unsubstantiiert und schlechterdings nicht nachvollziehbar. Denn für jenen Termin hatte die Antragstellerin ohnehin, worauf die Antragsgegnerin sogar ausdrücklich hingewiesen hat (Verfahren LG Essen), neben dem beider Sprachen mächtigen Sachbearbeiter S. R. ("SR") einen für die Antragsgegnerin kostenpflichtigen Dolmetscher hinzugezogen. Dem weiteren Vortrag der Antragsgegnerin, Frau B.-S. sei als junge Anwältin vorgestellt worden, die gerne zum Zwecke der eigenen Ausbildung an dem Gerichtstermin teilnehmen wolle, ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten, nachdem der Zeuge F. diesen Vortrag bei seiner Vernehmung durch das Landgericht Essen (Termin vom 25.03.2004) bestätigt hatte. Es bedarf keiner vertiefenden Erörterung, dass der Aufwand für die Anwaltsausbildung der Antragsgegnerin nicht, schon gar nicht zum Stundensatz von 1.500 DKK (~ 393,70 DM), in Rechnung gestellt werden durfte.

Zudem fällt auf, dass der Rechnung vom 27.03.1998 jeglicher Hinweis auf die mit ihr abgerechneten Kosten der Anwältin B.-S. fehlt. Während die Rechnung vom 30.11.1997 den Verhandlungstermin ausdrücklich als Rechnungsposten erwähnt, fehlt in der Rechnung vom 27.03.1998 jeder Hinweis auf die Wahrnehmung eines Verhandlungstermins. Die Abrechnung von 5,0 Std. für die Wahrnehmung des Gerichtstermins durch die Mitarbeiterin "SBS" ergibt sich erst aus dem der Rechnung zugrunde liegenden Zeitjournal. Da die Antragstellerin ihre Journale den Rechnungen aber nicht beifügte, war jener hohe Rechnungsposten für die Antragsgegnerin bei der ersten Kontrolle der Rechnung - wie der Antragstellerin auch bewusst war - nicht erkennbar. Gerade diese Diskrepanz der Rechnungen vom 30.11.1997 und vom 27.03.1998 stützt zusätzlich die Feststellung dolosen Handelns, ganz abgesehen davon, dass mit Datum "30.11.1997" ein Verhandlungstermin abgerechnet wurde, der noch gar nicht stattgefunden hatte, sondern erst für den 01.12.1997 angesetzt war.

Danach ist der Antragstellerin vorzuwerfen, dass sich für die eigentlichen Anwaltstätigkeiten, die aus dem Journal vom 26.03.1998 für "SR" erkennbar sind, nur ein Zeitaufwand von 9:30 Stunden ergibt. Wenn dieser anzusetzen wäre, läge im Verhältnis zu allenfalls gerechtfertigten 4 Stunden immer noch eine überaus deutliche "Aufblähung" um 5:30 Stunden (mithin 137 %) vor (vgl. dazu BGH NJW 2003, 3486; Senat NJW-RR 2007, 129 = GI 2007, 25 = AGS 2006, 530).

V.

Nimmt man die zahlreichen unter IV. aufgezeigten Fehler, Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten hinzu, so ist es für den Senat ausgeschlossen, dass die unrichtigen Angaben der Antragstellerin, die zum Erlass des dänischen Versäumnisurteils geführt haben, auf Nachlässigkeiten, Irrtümern oder Versehen der Antragstellerin und ihrer Sachbearbeiter beruhen. Vielmehr hält der Senat ein systematisches Handeln für gegeben, das der betrügerischen Herbeiführung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Kopenhagen gedient hat.

VI.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Rechtsbeschwerden sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie nicht notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne der §§ 4 AVAG, 788 Abs. 1 ZPO sind.

Ende der Entscheidung

Zurück