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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: I-25 Wx 114/07
Rechtsgebiete: FGG, AdWirkG


Vorschriften:

FGG § 13 a Abs. 2
FGG § 16 a
FGG § 16 a Nr. 4
FGG § 27
FGG § 29 Abs. 2
AdWirkG § 2 Abs. 2
AdWirkG § 5 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 30.10.2007 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung nach dem AdWirkG.

Sie hat die türkische Staatsangehörigkeit und eine Aufenthaltsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland, wo sie seit vielen Jahren in W. lebt.

Nach dem von ihr erwirkten rechtskräftigen Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Trabzon/Türkei vom 03.11.2003 wird zwischen der Antragstellerin und E., dem Sohn ihrer Schwester, ein Adoptionsverhältnis hergestellt. Das Protokoll bezeichnet die Antragstellerin wie folgt: F., T..

Nach den Urteilsgründen ging das Gericht davon aus, dass E.auf Wunsch und im Einverständnis mit der Kindesmutter bereits seit etwa fünf Jahren bei der Antragstellerin leben würde. Diese würde sich um alle Bedürfnisse des Kindes kümmern.

Die Kindesmutter habe in die Adoption eingewilligt und die Freigabe des Kindes zur Adoption beantragt, weil sie selbst keine sozialen Sicherheiten habe und das Kind durch die Antragstellerin besser erzogen werde. Die Freigabe des Kindes zur Adoption entspreche dessen Wohl und auch die Übrigen Voraussetzungen, insbesondere das erforderliche Alter und der Altersunterschied zwischen der Beschwerdeführerin und dem zu adoptierenden Kind lägen vor. Deshalb sein ein Adoptionsverhältnis herzustellen. Das Gericht hat sein Urteil u.a. auf die Aussage in der Sitzung vernommener Zeugen gestützt, die bekundet haben, dass sich die Antragstellerin nach dem Tod des Kindesvaters um das Kind gekümmert habe, dieses etwa seit fünf Jahren bei ihr leben würde und dies dem Interesse des Kindes entspräche. Ein Interessenkonflikt zwischen dem Kind und der Antragstellerin liege nicht vor.

Eine Adoptionsvermittlungsstelle war an dem Verfahren nicht beteiligt. Ein Elterneignungsbericht über die Annehmende wurde nicht gefertigt.

Das Amtsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 06.07.2006 den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Anerkennungsvoraussetzungen seien nicht gegeben. Insbesondere sei die Anerkennung der Adoption nach § 16 a Nr. 4 FGG ausgeschlossen, weil es an einer wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts genügenden Kindeswohlprüfung fehle.

Mit ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin vorgetragen, ihre Schwester habe nach dem Tod des Kindesvaters erneut geheiratet. Der neue Ehemann habe das Kind nicht geduldet. Deshalb lebe das Kind bei ihrem Bruder V. in der Türkei. Sie habe jedoch jeden Urlaub genutzt, um in die Türkei zu E. zu fahren und Kontakt aufzubauen. Dieser habe sie in den Ferien auch regelmäßig in Deutschland besucht. Während der sonstigen Zeit werde er von ihrem Bruder versorgt. Täglich habe man aber Kontakt per Telefon oder Internet. Die Adoption entspreche dem Kindeswohl, weil sie seit vielen Jahren engen Bezug zu dem Kind habe.

Die Adoption habe auch dem Willen des Kindes und der Kindermutter entsprochen.

Artikel 305 Abs. 1 des Türkischen Zivilgesetzbuches (ZGB), der ein Pflegejahr vorsehe, sei Genüge getan. Es sei nicht erforderlich, dass eine einjährige ununterbrochene Versorgung und Erziehung erfolge, wenn bereits zuvor ein enges Verwandtschaftsverhältnis und ein persönlicher Bezug bestanden habe.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass das Landgericht ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen hat. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und trägt insbesondere vor, das zur Entscheidung berufene Gericht in Trabzon sei von richtigen Tatsachen ausgegangen. Ein Verstoß gegen den materiell-rechtliche ordre public liege nicht vor. Es sei auch nicht zutreffend, dass das erkennende Gericht die Subsidiarität der Auslandsadoption nicht geprüft habe. Zwar möge Betreuung und Zusammenleben eines Kindes mit dem lebenden Elternteil Vorrang haben. Hier habe aber die Kindesmutter selber eine Adoption ihres Kindes durch die Tante zugestimmt, weil ihr zweiter Ehemann das Kind nicht gewollt habe. Durch eine alternative Unterbringung des Kindes in einer völlig fremden Familie wäre dem Kind das gewohnte Umfeld nicht erhalten geblieben. Nach einer Adoption durch die Antragstellerin lebe das Kind im Kreise seiner Familienangehörigen in Deutschland. Zahlreiche nahe Verwandte des zu adoptierenden Kindes lebten in räumlicher Nähe zur Antragstellerin.

In der Sitzung vom 03.11.2003 sei das Kind auch durch Gericht persönlich angehört worden und habe erklärt, dass es außerhalb der Schulzeiten ausschließlich mit seiner Tante zusammenlebe und mit ihr auch im Ausland zusammengelebt habe. Es könne deshalb keine Rede davon sein, dass die Kindeswohlprüfung nicht durchgeführt worden sei. Insgesamt handele es sich um den typischen Fall einer Auslandsadoption. In der Türkei habe das Kind außer seinem Onkel niemanden mehr. Selbst die Großeltern lebten in Deutschland.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft, §§ 5 Abs. 4 Satz 2 AdWirkG, 29 Abs. 2 FGG. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden ist (§ 27 Abs. 1 FGG).

Nach § 2 Abs. 2 AdWirkG ist auf Antrag durch das Vormundschaftsgericht festzustellen, ob eine ausländische Adoptionsentscheidung anzuerkennen ist. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Anerkennung nach § 16 a FGG zu erfolgen hat, sofern kein Versagungsgrund besteht, da die Anerkennungsregel des Art. 23 des Haager Adoptionsübereinkommens vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAÜ) auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Denn die Türkei hat das HÄÜ erst am 27.05.2004 ratifiziert. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland ist es erst seit dem 01.09.2004 in Kraft. Das türkische Adoptionsurteil erging hingegen bereits am 03.11.2003.

Zutreffend geht das Landgericht danach davon aus, dass die Anerkennung des türkischen Adoptionsurteils nach § 16 a Nr. 4 FGG ausscheidet, weil die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, dass mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verletzung des Kindeswohls von einigem Gewicht vorliegt (vgl. KG FamRZ 2006, 1405), insbesondere wenn im ausländischen Adoptionsverfahren die vorgeschriebene Kindeswohlprüfung von den Beteiligten umgangen wurde (vgl. KG a.a.O.). Dann verstößt die Entscheidung gegen den materiell-rechtlichen ordre-public.

So liegt der Fall hier.

Zwar wurde ausweislich der vorliegenden Protokolls und des Urteils vom 03.11.2003 eine Kindeswohlprüfung vorgenommen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das erkennende Gericht das Kindeswohl berücksichtigt hat (vgl. BayObLGZ 2000, 180). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich aus der Entscheidung gegenteilige Anhaltspunkte ergeben (vgl. BayObLGZ 2000, 180).

Zu Recht kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass das türkische Gericht das Kindeswohl unzulänglich geprüft hat, weil wesentliche Gesichtspunkte nicht in die Entscheidung miteinbezogen wurden. Artikel 316 ZGB TUR verlangt die Prüfung, ob die Adoptiveltern geeignet sind und die Adoption dem Kindeswohl entspricht. Nicht berücksichtigt wurde dabei insbesondere die Subsidiarität der Auslandsadoption und die Verhältnisse der Antragstellerin in Deutschland. Der diesbezüglich festzustellende Vortrag der Verfahrensbeteiligten war objektiv unwahr. So lebte der zu Adoptierende nicht bei der Antragstellerin, die ausweislich des Protokolls - insoweit ebenfalls falsch - ihren Wohnsitz mit T. angegeben hat. Auch ergibt sich weder aus dem Protokoll noch aus dem Urteil, dass das Kind in ein anderes Umfeld nach Deutschland verbracht werden sollte.

Danach wurde in eklatanter Weise die Kindeswohlprüfung verkürzt, so dass ein Verstoß gegen den ordre-public durch das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt wurde.

Dies gilt unabhängig davon, ob die falschen Sachverhaltsangaben von der Antragstellerin stammen oder aber das Gericht selbst für die falsche Sachverhaltsdarstellung verantwortlich ist. Denn auch dann wurde die Entscheidung nicht am Kindeswohl orientiert (vgl. insoweit das Urteil des VG Berlin vom 17.05.2006 - 4 V 53.04, bei juris RZ 27).

Es führt auch nicht zur Begründetheit der weiteren Beschwerde, dass für die Beurteilung des ordre-public Verstoßes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anerkennung abzustellen ist (BGH FamRZ 1989, 378; BayObLGZ 1987, 439; BayObLGZ 2000, 180), also zugunsten der Antragstellerin auch solche das Kindeswohl betreffende Tatsachen zu berücksichtigen sind, die sich zeitlich nach der ausländischen Entscheidung ergeben haben. Dies bedeutet nämlich nicht, dass eine nicht erfolgte oder aber völlig unzureichende Abwägung der Belange des Kindes durch eine neue von dem mit der Anerkennung betrauten Gericht vorzunehmende Abwägung ersetzt werden könnte. Zum einen werden dadurch nicht nachträglich entstandene Abwägungsbelange berücksichtigt. Zum anderen entspricht die erstmalige Durchführung einer vollständigen Kindeswohlprüfung nicht Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens, dass eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Entscheidungen ermöglichen soll (vgl. BT-Drucks. 14/6011, S. 32). Maßgebend ist allein, ob diese Entscheidung zur Zeit der Anerkennung mit den unverzichtbaren verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen deutschen Rechts vereinbar ist (vgl. LG Dresden JAmt 2006, 360). Insbesondere gibt deshalb das Anerkennungsverfahren keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung berufene Gericht eine am ordre-public orientierte eigene Adoptionsprüfung an die Stelle der ordre-public widrigen ausländischen Entscheidung setzt (vgl. auch Weitzel JAmt 2006, 333, 334 VG Berlin, a.a.O., Rz 27, AG Hamm JAmt 2006, 361 f.).

Soweit in der weiteren Beschwerde neues Vorbringen zur Frage der Auslandsadoption enthalten ist, insbesondere, dass nahezu die gesamte Familie des Kindes in Deutschland lebt, kann dies vom Senat nicht berücksichtigt werden, weil dem Landgericht die entsprechenden Tatsachen nicht bekannt waren. Der Senat ist auf die reine Rechtsüberprüfung beschränkt, § 27 FGG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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