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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: I-25 Wx 71/07
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1846
FGG § 27
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers wird Satz 2 des Tenors des Beschlusses des Landgerichts Kleve vom 18.07.2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Abbruch der lebenserhaltenden Ernährung über eine PEG- Sonde wird vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Die Zuführung von kalorienfreien Flüssigkeiten zur Durstverhinderung und von Medikamenten zur Schmerzlinderung mittels einer PEG-Sonde darf nicht verhindert werden.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten werden nicht erstattet. Jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Auslagen selbst.

Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

Die Betroffene leidet seit über 20 Jahren an Chorea Huntington ("Veitsstanz") und steht seit 1992 unter Betreuung, die vom Amtsgericht zuletzt bis 2010 verlängert worden ist. Durch Beschluss vom 04.05.2004 wurde die Beteiligte zu 2., die Tochter der Betroffenen, neben der Berufsbetreuerin als weitere Betreuerin für den Bereich der Gesundheitsfürsorge bestellt, in dem beide Betreuerinnen jeweils allein vertretungsberechtigt sind.

Zu Beginn dieses Jahres verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Betroffenen, weil sie insbesondere wegen ständiger Schluckreflexe weitgehend die Fähigkeit verlor, Nahrung auf natürlichem Weg aufzunehmen. Die aufgenommene Nahrung wurde überdies anschließend erbrochen und führte zwischen Oktober 2006 und Januar 2007 zu einer Gewichtsreduzierung auf unter 39 Kilo.

Die Berufsbetreuerin hat darauf hin beantragt, die Anlage einer PEG- Sonde vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen, um die Nahrungszufuhr der Betroffenen sicherzustellen. Als die Zusatzbetreuerin diesem Ansinnen widersprach, hat die Berufsbetreuerin ihren Genehmigungsantrag zurückgezogen und um ihre Entlassung als Betreuerin im Bereich der Gesundheitsfürsorge gebeten.

Das Amtsgericht hat darauf hin durch Beschluss vom 02.02.2007 den Aufgabenkreis der Berufsbetreuerin und der Zusatzbetreuerin für die Gesundheitsfürsorge dahingehend eingeschränkt, dass beide für die Entscheidung für oder gegen das Legen einer PEG- Sonde nicht mehr vertretungsberechtigt sind. Außerdem hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf § 1846 BGB von Amts wegen das Anlegen einer PEG- Sonde zur Gewährleistung der Ernährung der Betroffenen angeordnet.

Auf die Erstbeschwerde der Zusatzbetreuerin hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, soweit es den Aufgabenkreis der Zusatzbetreuerin eingeschränkt hat. Außerdem hat es durch Ziffer 2 seiner Beschlussformel den Abbruch der "lebenserhaltenden Ernährung" über eine PEG- Sonde vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

Die Beteiligte zu 3. sowie der Verfahrenspfleger haben gegen die Entscheidung des Landgerichts Rechtsmittel eingelegt.

I.

Der als weitere Beschwerde aufzufassende Widerspruch der Beteiligten zu 3. hat keinen Erfolg. Das Rechtmittel wurde nicht durch Anwaltsschriftsatz eingelegt und ist daher formunwirksam (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG), so dass es schon aus diesem Grund als unzulässig zu verwerfen ist.

II.

Dagegen führt das Rechtsmittel des Verfahrenspflegers zur Abänderung und Klarstellung der landgerichtlichen Entscheidung aus Rechtsgründen, § 27 FGG.

Die weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers richtet sich nicht gegen die uneingeschränkte Wiedereinsetzung der Zusatzbetreuerin in den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge, sondern beanstandet die vom Landgericht erteilte Genehmigung zur Entfernung der Magensonde. Durch Schriftsatz vom 09.08.2007 hat der Verfahrenspfleger sein Beschwerdeanliegen dahingehend präzisiert, dass er sich gegen die Entfernung der PEG- Sonde "an sich" wende, weil die Gabe von Flüssigkeiten und Medikamenten weiterhin durch die Sonde gewährleistet sein müsse, während er nicht beanstande, dass das Landgericht den Abbruch der Versorgung der Betroffenen mit lebenserhaltenden Nahrungsbestandteilen per Sonde genehmigt habe.

Aufgrund dieser Beschränkung des Rechtsmittels steht unangefochten fest, dass der von der Zusatzbetreuerin gewünschte Abbruch der lebenserhaltenden Nahrungszufuhr über die PEG- Sonde vormundschaftsgerichtlich genehmigt ist.

Mit Recht beanstandet die weitere Beschwerde hingegen die darüber hinausgehende Reichweite der vom Landgericht erteilten Genehmigung.

Dem Verfahrenspfleger ist darin beizutreten, dass die vom Landgericht gewählte Formulierung nicht eindeutig ist. Der Begriff "lebenserhaltende Ernährung" stellt nicht hinreichend klar, ob damit nur die Zufuhr von Nahrungsersatz gemeint ist oder jedwede Versorgung über die Magensonde. Letzteres würde darauf hinauslaufen, dass durch die Genehmigung die vollständige Entfernung der Magensonde gestattet würde. Da jedwede Versorgung per Magensonde durch Flüssigkeiten erfolgt, lässt die Anordnung des Landgerichts im Unklaren, ob sich der Abbruch der "lebenserhaltenden Ernährung" auf nahrungsersetzende Flüssigkeiten beschränkt oder auch kalorienfreie Trinkflüssigkeiten zur Durstverhinderung und Flüssigkeiten im Rahmen der Schmerztherapie betrifft. Es kann aus Rechtsgründen aber nicht hingenommen werden, dass die gerichtliche Entscheidung über die Verwendung der Magensonde verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt. Bei einer so wichtigen Frage, muss der gerichtliche Genehmigungsbeschluss daher eindeutig gefasst sein ohne die geringste Unklarheit.

Der Senat muss im Rahmen der Rechtsbeschwerde deshalb bei seinen Überlegungen davon ausgehen, dass die Genehmigung des Landgerichts die Entfernung der Magensonde ohne jede Einschränkung erlaubt.

Eine uneingeschränkte Unterbrechung der Versorgung per Magensonde ist jedoch rechtlich zu beanstanden, weil sie menschenunwürdig ist (Art. 1 GG). Eine solche Maßnahme hätte zur Folge, dass die betreffende Person mangels Trinkflüssigkeit unter Umständen qualvoll verdursten würde und vermeidbare Schmerzen erleiden müsste, weil schmerzlindernde Medikamente nicht zugeleitet werden könnten. Diese Konsequenzen verstoßen gegen das grundrechtlich geschützte Menschenrecht auf ein Sterben in Würde, das nicht durch staatliche Anordnung verletzt werden darf. Auf dieses Recht kann auch die Betroffene selbst nicht verzichten. Deshalb ist es in vorliegendem Fall ohne Belang, dass die Betroffene eine künstliche Ernährung durch Magensonde ablehnt, zumal sich eine solche Ablehnung ohnehin nur auf das "Ob" nicht aber auf das "Wie" des Versorgungsabbruches beziehen würde.

Die vom Landgericht erteilte Genehmigung war daher abzuändern und im vorgeschriebenen Sinne klarstellend neu zu fassen.

Ende der Entscheidung

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