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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: I-26 Sch 5/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VerbrKrG, HausTWG


Vorschriften:

ZPO § 1031 Abs. 1
ZPO § 1031 Abs. 5
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 1062 Abs. 2
BGB § 13
VerbrKrG § 1 Abs. 1 a. F
VerbrKrG § 3 Abs. 1 Nr. 2 a. F.
HausTWG § 6
Die Formvorschrift des § 1031 Abs.5 ZPO greift zu Gunsten von Existenzgründern nicht ein. Existenzgründer erwerben schon in der Phase der Vorbereitung einer selbstständigen Tätigkeit Geschäftskompetenz, sodass sie in ihrer Schutzbedürftigkeit Verbrauchern nicht mehr gleichzustellen sind.
Tenor:

Auf den Antrag des Antragsgegners wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29.05.2002 unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist.

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie betrieben in der Zeit vom 01.07.2002 bis zum 27.06.2003 eine Gemeinschaftspraxis in

Die Antragstellerin war bis zum 30.06.2002 Assistenzärztin am ....... Mit Vertrag vom 23.04.2002 erwarb sie von Herrn dessen Praxisanteile an der gemeinschaftlichen Praxis mit dem Antragsgegner unter der aufschiebenden Bedingung, dass sie als Vertragsärztin zugelassen wird (Bl. 17 GA).

Am 29.05.2002 schlossen die Parteien einen Gemeinschaftspraxisvertrag (Bl. 19 ff GA). Der Vertrag stand unter der auflösenden Bedingung, dass zum einen die Gemeinschaftspraxis nicht vom zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt und zum anderen die Antragstellerin nicht bestandskräftig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wird (Bl. 45 GA). Der Gemeinschaftspraxisvertrag enthält in § 29 auch eine Schiedsklausel, wonach alle Streitigkeiten aus dem Vertrag und über seine Gültigkeit unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht endgültig entschieden werden.

Die Antragstellerin wurde am 01.07.2002 vom Zulassungsausschuss als Vertragsärztin zugelassen.

Mit Schreiben vom 27.06.2003 (Bl. 48 f GA) kündigte der Antragsgegner den Gemeinschaftspraxisvertrag und leitete das Bewertungsverfahren zur Ermittlung des Abfindungswertes ein. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23.11.2003 (Bl. 50 f GA) beantragte der Antragsgegner, die im Zusammenhang mit der Kündigung des Gemeinschaftspraxisvertrages entstehenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht vorzulegen.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages enthaltenen Schiedsklausel.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Schiedsklausel sei nach § 1031 Abs. 5 ZPO unwirksam, da sie nicht in einer eigenhändig unterzeichneten Urkunde niedergelegt worden sei. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei sie noch Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB gewesen. Erst mit der vertragsärztlichen Zulassung zum 01.07.2002 seien die wesentlichen Voraussetzungen für eine selbstständige ärztliche Tätigkeit geschaffen worden.

Sie beantragt,

festzustellen, dass die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29.05.2002, dort unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel mangels ausreichender Förmlichkeit unwirksam ist und das von Seiten des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 23.11.2003 eingeleitete Schiedsverfahren im Ganzen (für sämtliche Streitigkeiten zwischen den Parteien als Gesellschafter aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag über die Gemeinschaftspraxis .... vom 29.05.2002 und über seine Gültigkeit) unzulässig ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen bzw. festzustellen, dass die Schiedsklausel aus § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages zwischen den Parteien vom 29.05.2002 zulässig ist.

Er ist der Auffassung: Die Schiedsklausel erfülle das Formerfordernis des § 1031 Abs. 1 ZPO. § 1031 Abs. 5 ZPO komme nicht zur Anwendung, da die Antragstellerin bei Vertragsabschluss nicht Verbraucherin gewesen sei. Die Antragstellerin habe in der Existenzgründungsphase nicht aus ihren häuslichen Aktivitäten heraus ein Geschäft aufgebaut. Bereits einen Monat zuvor habe sie die Praxisanteile ihres Vorgängers erworben. Damit sei sie bereits ein Engagement zur selbstständigen beruflichen Tätigkeit eingegangen. Auch hätten ihrer Zulassung keinerlei Hindernisse entgegengestanden. Zudem fehle es an dem situationsspezifischen Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Die Antragstellerin habe sich vor Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrages eingehend juristisch beraten lassen.

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der auf positive Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsklausel gerichtete Antrag des Antragsgegners hingegen ist begründet. Die in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages enthaltene Schiedsvereinbarung entspricht dem Formerfordernis des § 1031 Abs. 1 ZPO, da die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht als Verbraucherin im Sinne des § 1031 Abs.5 ZPO zu behandeln ist.

1.

Der Senat ist sachlich und örtlich zuständig. Nach § 1062 Abs.1 Nr.2 ZPO entscheidet das Oberlandesgericht über Anträge betreffend die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahren (§ 1032 ZPO). Zur Entscheidung über den Antrag ist nach § 1062 Abs. 2 ZPO der Senat berufen, da ein Schiedsort noch nicht bestimmt ist, beide Parteien aber ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf haben.

2.

Die in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages vom 29.05.2002 zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsklausel ist formwirksam. Es bedurfte nicht der Vereinbarung in einer von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, wie es § 1031 Abs. 5 ZPO vorschreibt, da die Antragstellerin auch schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mehr als Verbraucherin im Sinne der Vorschrift zu behandeln ist.

Schutzzweck der besonderen Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO ist es, Verbraucher außerhalb gewerblicher und selbstständiger beruflicher Tätigkeit davor zu schützen, sich durch Unterzeichnung umfangreicher Klauselwerke einer Schiedsvereinbarung zu unterwerfen, ohne dies zu bemerken. Voraussetzung für das Eingreifen der verschärften Formvorschriften ist, dass zumindest ein Verbraucher an dem Vertragsschluss beteiligt ist und der Streitkomplex, für den die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründet werden soll, außerhalb der gewerblichen bzw. selbstständigen beruflichen Tätigkeit der betroffenen Person liegt (Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 1031 Rn. 35; Musielak-Voit, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 1031 Rn. 8).

Auch wenn die Antragsstellerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gemeinschaftspraxisvertrages noch nicht über die erforderliche Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügte, ist sie bei den zur Vorbereitung ihrer zukünftigen selbstständigen beruflichen Tätigkeit dienenden Rechtsgeschäften nicht mehr als Verbraucherin zu behandeln.

Das Meinungsbild zur Behandlung von Existenzgründern als Verbraucher ist uneinheitlich. Teilweise wird das Schutzbedürfnis des rechtsunkundigen und geschäftsunerfahrenen Vertragspartners herausgestellt, der vor unangemessenen Benachteiligungen geschützt werden müsse, da er kaufmännische Erfahrungen erst mit der Existenzgründung erwerbe (OLG Koblenz, NJW 1987, 74; MünchKomm-Micklitz, BGB, Band 1, 4. Aufl. 2002, § 13 Rn. 40/41).

Der erkennende Senat hält jedoch die für die besondere Schutzbedürftigkeit der Existenzgründer angeführten Gründe nicht für überzeugend.

Allein das Verbraucherkreditgesetz regelte ausdrücklich die Verbrauchereigenschaft von Existenzgründern. Der Hinweis auf das in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a. F verwandte Abgrenzungskriterium "bereits ausgeübte" Tätigkeit ist allerdings nicht verallgemeinerungsfähig. Dies ergibt sich schon daraus, dass aus dem Schutzbereich des § 3 Abs.1 Nr.2 VerbrKrG a.F. solche Existenzgründer ausgenommen und nicht als schutzbedürftig angesehen werden, die einen Kredit aufnehmen, der einen Nettokreditbetrag von 100.000,-- DM übersteigt. Eine derartige Wertgrenze vermag - darauf weist des OLG Rostock (OLGR 2003,505 ff) zu Recht hin - nicht Kriterium für die Verbrauchereigenschaft des Existenzgründers sein. Wenn der Gesetzgeber die Ausdehnung des Schutzbereichs auch auf Existenzgründer beabsichtigt hätte, hätte es zudem nahegelegen, die Regelung des § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. bei der Übernahme des Gesetzes in das bürgerliche Gesetzbuch in die Legaldefinition des § 13 BGB aufzunehmen. Dies ist geschehen (Münch-Komm-Micklitz, a.a.O., § 13 Rn. 40).

Zudem hat der Bundesgerichtshof zu dem Geltungsbereich des § 6 HausTWG festgestellt, dass die in § 6 zum Ausdruck kommende Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Bereich dafür spreche, auch solche von selbstständigen Erwerbstätigen abgeschlossene Geschäfte vom Geltungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes auszunehmen, die der Vorbereitung der Erwerbstätigkeit dienen. Grund hierfür sei nicht allein die mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit typischerweise verbundene geschäftliche Erfahrung, vielmehr komme es auch auf die Zweckrichtung des Handelns des Kunden an, nämlich den Zusammenhang des Vertragsschlusses mit der Erwerbstätigkeit. Dies entspreche der das Verbraucherrecht kennzeichnenden Differenzierung zwischen geschäftlichem und privatem Bereich (BGH, NJW 1994, 2759, 2760).

Eine Gleichstellung des Existenzgründers mit einem Verbraucher erscheint auch aus dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit nicht zwingend. Während der Existenzgründer in der Phase der Vorbereitung seiner unternehmerischen Tätigkeit nach der eingangs geschilderten Auffassung noch den besonderen Schutz des Verbrauchers in Anspruch nehmen kann, wird ihm, obwohl er noch über keinerlei darüber hinaus gehende Geschäftskompetenz verfügt, mit der ersten geschäftlichen Entscheidung als Unternehmer dieser Schutz entzogen. Diese Trennung ist künstlich (vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 2002, 642). Sie wird zudem auch dem tatsächlichen Schutzbedürfnis eines Existenzgründers nicht gerecht. Die Situation eines Existenzgründers ist mit der eines privat agierenden Verbrauchers nicht zu vergleichen. Existenzgründer eignen sich Geschäftskompetenz nicht erst mit der Aufnahme des eigentlichen Geschäftsbetriebs, sondern schon im Vorfeld an. Banken gewähren Existenzgründungsdarlehen nur bei Vorlage eines überzeugenden Konzepts, das die jeweilige Marktsituation berücksichtigt und eine tragfähige wirtschaftliche Kalkulation enthält. Existenzgründer agieren daher gerade nicht von einer häuslichen Basis aus, sondern sind gezwungen, sich die professionellen unternehmerischen Kenntnisse schon in der Existenzgründungsphase anzueignen. Darüber hinaus weisen die die Existenzgründung konstituierenden Verträge eine solche Bedeutung auf, dass diese Entscheidungen nicht nur mit besonderer Gründlichkeit und Überlegung geplant, sondern häufig auch professionell beraten begleitet werden. Zugleich hat jeder Existenzgründer mit der Entscheidung, selbstständig oder gewerblich tätig zu werden, die Entscheidung getroffen, sich den strengeren für Unternehmen geltenden Regeln zu unterwerfen. Wer einen Vertrag schließt, um den Schutzbereich der Konsumentenschutzgesetze zu verlassen, bedarf ihres Schutzes nicht mehr (OLG Rostock, a.a.O., OLG Oldenburg, a.a.O.).

Mit dem Erwerb der Praxisanteile an der Gemeinschaftspraxis mit dem Antragsgegner von Dr.... mit Vertrag vom 23.04.2002 hat die Antragstellerin die unternehmerische Entscheidung getroffen, als Ärztin künftig nicht mehr abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig zu sein. Mit dieser Entscheidung muss sie sich ungeachtet der noch ausstehenden Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wie eine selbstständige Ärztin behandeln lassen. Die fehlende Zulassung im Zeitpunkt des Abschlusses des Gemeinschaftspraxisvertrages steht der Existenzgründereigenschaft der Antragstellerin nicht entgegen. Die Konsumentenschutzgesetze wollen den rechtsgeschäftlich unbedarften Privatmann schützen. Bei der Antragstellerin ist aber davon auszugehen, dass sie sich bei einem Kaufpreis von 143.000,-- EUR für die Geschäftsanteile von Dr. K eingehend mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen ihrer Entscheidung auseinandergesetzt hat, so dass der durch die Formvorschrift des § 1031 Abs.5 ZPO intendierte Schutz vor Übereilung oder Überrumpelung nicht geboten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1064 Abs. 2 ZPO.

Streitwert: 7.000 EUR

Ende der Entscheidung

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