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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.09.2009
Aktenzeichen: I-3 U 3/09
Rechtsgebiete: EEG


Vorschriften:

EEG § 11 Abs. 2
EEG § 11 Abs. 3
Eine bauliche Anlage (hier: Schattenhalle zum Schutz sonnenempfindlicher Pflanzen) kann auch dann ein Gebäude im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG darstellen, wenn ihr Dach erst durch die Fotovoltaikmodule gebildet wird, für die der Betreiber die (erhöhte) Einspeisungsvergütung beansprucht.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I-3 U 3/09

Verkündet am 16. September 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und v. W.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Dezember 2008 verkündete Urteil der 01. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, und zwar in Höhe von 603,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 10. April 2008 als unzulässig, im Übrigen als unbegründet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug: beträgt Bis 9.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Einspeisung von Strom aus einer Fotovoltaikanlage in das Netz der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 0,492 Euro je Kilowattstunde nach § 11 Abs. 2 des Erneuerbare - Energien - Gesetzes (EEG) beanspruchen kann. Die Rechnung des Klägers für 2007 in Höhe von 8.246,48 Euro wird mit der Klage eingefordert.

Der Kläger kaufte 2004 in Meckenheim einen Gartenbaubetrieb mit zwei aus Holz konstruierten Schattenhallen für die Aufzucht sonnenempfindlicher Pflanzen. Die Hallen verfügen über eine Tragkonstruktion für den Sonnenschutz; Dichtigkeit gegen Niederschläge besteht nicht; eintretendes Regenwasser wird für die Bewässerung genutzt.

Der Kläger ersetzte die vorgefundene, von ihm für baufällig gehaltene, Holzkonstruktion nach Einholung einer Baugenehmigung durch eine Konstruktion, bei der die aus einer Unterspannbahn (Schattierungsgewebe) und den auf einer Unterkonstruktion aufgebrachten Modulen bestehende Sonnenschutzdecke von einer Stahlkonstruktion getragen wird.

Die vom Kläger angebrachten Fotovoltaikanlagen, die pro Schattenhalle 29,16 kW leisten, nahm der Kläger am 07. August 2007 in Betrieb und meldete sie bei der Beklagten als Netzbetreiberin an.

Für Stromeinspeisungen in der Zeit vom 07. August bis zum 07. November 2007 berechnete er unter dem 12. November 2007 für eingespeiste 14085 kW/h Strom zu einem Preis von 0,492 Euro je Kilowattstunde eine Vergütung von 8.246,48 Euro (6.929,82 Euro +19 % Mehrwertsteuer) und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04. Dezember 2007 zur Zahlung auf.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 8.246,48 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit 05. Dezember 2007 zu zahlen.

2. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,70 Euro zzgl. Zinsen i. H. v. 8 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (09. April 2008) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Fotovoltaikanlage des Klägers sei nicht an oder auf einem Gebäude angebracht. Die Schattenhallen verfügten nämlich nicht über ein Dach. Das über den Hallen angebrachte Schattiergewebe könne nicht als Dach angesehen werden. Die darüber angebrachten Module der Stromerzeugungsanlage hätten deshalb selbst die Funktion eines Daches. Da zwischen den Modulen jeweils ein Abstand von etwa zwei Zentimetern sei, fehle eine geschlossene Dachfläche. Die Voraussetzungen für eine förderungswürdige Anlage nach § 11 Abs. 2 EEG seien damit nicht erfüllt.

Darüber hinaus falle die Anlage auch nach § 11 Abs. 3 EEG nicht unter die förderungswürdigen Anlagen. Die neuen Hallen mit der Stahlkonstruktion seien nämlich vorrangig zum Zweck der Stromerzeugung errichtet worden. Für die Baumschule des Klägers sei diese aufwendige Konstruktion nicht notwendig gewesen. Zum Schutz der Pflanzen habe wie in der Zeit davor die Fernhaltung des Sonnenlichts durch Schattiergewebe ausgereicht, zu dessen Befestigung eine Stahlkonstruktion nicht erforderlich sei.

Das Landgericht hat am 23. Dezember 2008 - unter Abweisung der weitergehenden Klage (Zinsmehrforderung) - die Beklagte verurteilt, an den Kläger 8.246,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2007 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603, 70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2008 zu zahlen.

Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr ursprüngliches Klageabweisungsbegehren weiter.

Sie macht geltend, eine Einspeisungsvergütung nach § 11 Abs. 1 EEG scheide aufgrund § 11 Abs. 3 und 4 EEG aus; die Schattenhallen des Klägers seien in ihrer Art und Weise vorrangig zu Stromerzeugungszwecken errichtet. Eine erhöhte Vergütung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 bestehe ebenfalls nicht; die Fotovoltaikanlagen seien nämlich nicht ausschließlich "an oder auf einem Gebäude" angebracht. Hierzu sei es erforderlich, dass das Gebäude bereits vor der Montage bestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen

Der Kläger bittet um

Zurückweisung der Berufung.

Auch er wiederholt und vertieft seinen früheren Vortrag. Er macht geltend, die Module seien nicht unmittelbar auf die Stahlkonstruktion montiert, sondern besäßen eine eigene Unterkonstruktion. Die Schattenhallen seien überdies nicht vorrangig zu Stromerzeugungszwecken errichtet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. a) Hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs in Höhe von 603,70 Euro Anwaltskosten (Antrag zu 2) nebst Zinsen ist das Rechtsmittel bereits unzulässig. Das Landgericht hat diesen Anspruch zuerkannt. Mit der Berufung stellt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag insoweit zwar erneut, sagt aber nicht, auf welcher unrichtigen tatsächlichen oder rechtlichen Bewertung des Landgerichts die Zuerkennung des Anspruchs beruhen soll. Damit fehlt es an einer Begründung im Rechtssinne, §§ 522 Abs. 1, 520 Abs. 3 ZPO.

b) Im Übrigen hat das Rechtsmittel in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht zugesprochen.

Die angefochtene Entscheidung lässt weder einen Rechtsfehler erkennen, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klage wie vom Landgericht zugesprochen, begründet ist, der Kläger also gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG unter Berücksichtigung der Degression (§ 11 Abs. 5 EEG) für eingespeiste 14085 kW/h Strom zu einem Preis von 0,492 Euro je Kilowattstunde eine Vergütung von 8.246,48 Euro (6.929,82 Euro +19 % Mehrwertsteuer) beanspruchen kann, wenn die Anlage ausschließlich an oder auf einem Gebäude und nicht an oder auf einer baulichen Anlage angebracht ist, die vorrangig zu anderen Zwecken als der Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie errichtet worden ist (§ 11 Abs. 3 EEG).

Beides hat das Landgericht zutreffend bejaht.

3. a) Zu Unrecht meint die Beklagte, da § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG verlange, dass die Fotovoltaikanlage "auf einem Gebäude" angebracht ist, sei es erforderlich, dass das Gebäude bereits vor der Montage bestanden habe.

Dass dies nicht erforderlich ist, ergibt sich nämlich - wie bereits vom Landgericht angesprochen - aus einem Umkehrschluss zu § 11 Abs. 2 Satz 2 EEG. Danach erhöht sich die Mindestvergütung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG um jeweils weitere 5,0 Cent pro Kilowattstunde, wenn die Anlage nicht auf dem Dach oder als Dach angebracht ist und wenn sie einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes bildet, das heißt z. B. bei integrierten Fassadenanlagen.

Hieraus folgt, dass trotz § 11 Abs. 2 Satz 3 EEG, wonach Gebäude selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet und bestimmt sind dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, eine bauliche Anlage bei Vorliegen der - hier zu bejahenden und nicht angegriffenen - weiteren Voraussetzungen auch dann als Gebäude im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG anzusehen ist, wenn ihr Dach erst durch die Fotovoltaikmodule gebildet wird.

Die Entscheidung des BGH vom 29.10.2008 (VIII ZR 317/07 - NJOZ 2009, 783) steht nicht hiergegen. Die Beklagte meint dieser zu entnehmen, dass solche Anlagen nicht unter § 11 Abs. 2 EEG fallen, " ...bei denen das Gebäude erst durch Benutzung einer Trägerkonstruktion mittels Anbringung von Bedachungsmaterialien entstanden sei ...". Dies hat der BGH (a.a.O. [13]) - insoweit zitiert die Beklagte unvollständig - nur für Anlagen bejaht, "welche eine eigenständige, vom Gebäude unabhängige Tragekonstruktion auf wiesen ...". Die hier in Rede stehende Anlage (Schattenhallen) weist indes - wie sich u. A. aus den eingereichten Fotos ergibt - nicht eine eigenständige, vom Gebäude unabhängige, sondern eine auf der baulichen Anlage befestigte Tragekonstruktion auf. Die Module stellen die Dacheindeckung dar, das heißt sie komplettieren das Gebäude. Gerade wenn § 11 Abs. 2 Satz 2 EEG, worauf die Beklagte hinweist, Indachanlagen erfassen sollte, spricht dies dafür, dass das Dach der Anlage - wie hier - erst durch die Module gebildet werden darf. Beim Indachsystem werden nämlich die Fotovoltaikelemente anstelle von Dachpfannen harmonisch in das Dach eingefügt; die Elemente können in beliebiger Zahl neben- und übereinander angeordnet werden, was nichts anderes bedeutet als dass beim Indachsystem die Module das Dach decken und hierdurch die Anlage ggf. zum Gebäude vervollständigen.

b) Dass die Schattenhallen nicht - und nicht in ihrer Art und Weise - vorrangig zu Stromerzeugungszwecken errichtet worden sind und die Vergütungspflicht der Beklagten deshalb nicht gemäß § 11 Abs. 3 EEG ausgeschlossen ist, hat die Kammer überzeugend dargestellt.

Sie hat ausgeführt, der Kläger habe 2004 den Gartenbaubetrieb gekauft und am 01. März 2005 auf dem Betriebsgelände eine Baumschule mit einem veränderten Pflanzenspektrum eröffnet. Der Betrieb habe schon beim Ankauf über zwei Schattenhallen verfügt, die der Kläger weiter genutzt habe. Er trage nachvollziehbar vor, er habe während des Betriebes bemerkt, dass die Holzhallen baufällig gewesen seien und für die von ihm darin gezogenen Pflanzen auch nicht über genügend Höhe verfügt hätten. Deshalb habe er 2006 unter teilweiser Verwendung der alten Holzkonstruktion die neuen Hallen errichten lassen. Der wahrnehmbare Lebenssachverhalt spreche dafür, dass die neue Konstruktion vorrangig für den Gartenbaubetrieb des Klägers errichtet worden sei. Die zur Akte gereichten Fotos belegten, dass die Hallen für die Pflanzenproduktion genutzt werde. Die Stahlrohrkonstruktion habe bei der vorhandenen Notwendigkeit, neue Beschattungshallen zu bauen, greifbare Vorteile geboten. Sie habe eine deutlich längere Lebensdauer als neue Holzkonstruktionen. Dies sei bei der Beanspruchung durch gewollt in die Halle hineinlaufendes Regenwasser von Gewicht. Die Beschattungselemente könnten bei den neuen Hallen kostengünstig mit einer Tragseilkonstruktion angebracht werden.

Diese Ausführungen erweisen sich als zutreffend und nachvollziehbar und erscheinen auch mit Blick auf das Berufungsvorbringen kaum ergänzungsbedürftig. Insbesondere aus der gegenüber der früheren Konstruktion massiveren Bauweise lässt sich nicht herleiten, dass die Schattenhallen in ihrer Art und Weise vorrangig zu Stromerzeugungszwecken errichtet worden sind, zumal die Schattenhallen - wenn auch nicht als Gebäude, so doch als bauliche Anlage (§ 11 Abs. 3 EEG) - bereits vor dem Umbau unter Verwendung der Stahlkonstruktion errichtet waren.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten - soweit nicht schon als unzulässig zu verwerfen (603, 70 Euro) - zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1; 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

3. Es besteht Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1/2 ZPO).

Ob die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EEG zu entrichtende Vergütung für Strom aus solarer Strahlungsenergie voraussetzt, dass die Anlage an oder auf einem bereits vorhandenen Gebäude angebracht ist oder ob es ausreicht, dass das die Anlage zum Gebäude komplettierende Dach durch die Module gebildet wird, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Denn es handelt sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. OLG Dresden 2009, 521; Wenzel in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage 2007, § 543 Rn. 6). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift oder über das Verhältnis mehrerer Bestimmungen zueinander Unklarheiten bestehen. Das ist dann der Fall, wenn sich zu der Frage - wie hier der Fall - bislang weder eine Meinung noch eine Gegenmeinung gebildet hat (OLG Dresden, a.a.O.; Wenzel, a.a.O., Rn. 7).



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