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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.04.2006
Aktenzeichen: I-3 VA 12/05
Rechtsgebiete: HZÜ


Vorschriften:

HZÜ Art. 1
HZÜ Art. 13
1. Eine Klage nach us-amerikanischem Recht, mit der unbeziffert Strafschadensersatz (punitive damages) gefordert wird, gehört zu den Zivil- oder Handelssachen gemäß Art. 1 HZÜ.

2. Die Vorbehaltsklausel des Art. 13 HZÜ eröffnet grundsätzlich nicht die Möglichkeit, die Zustellung einer solchen der Klage in Deutschland zu verhindern; wegen Verstoßes gegen deutsches Verfassungsrecht kann etwas anderes ausnahmsweise dann gelten, wenn feststeht, dass die im Klageweg geltend gemachte Forderung offenkundig keine substanzielle Grundlage hat oder das Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offensichtlich missbräuchlichen Art und Weise genutzt werden soll, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 VA 12/05

934 E 1-7.351-05 Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf

93 Ea - 70/05 Präsident des Amtsgerichts Düsseldorf

In dem Verfahren

auf gerichtliche Überprüfung der Bewilligung einer Zustellung einer Klageschrift aus dem Ausland (hier: USA)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf den Antrag der Antragstellerin vom 7. Oktober 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L und des Richters am Oberlandesgericht B am 21. April 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 500.000,00 EUR.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag vom 07.10.2005 gegen die von der Antragsgegnerin nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen - BGBl. II 1977, 1452 ff. (HZÜ) vermittelte und am 22.09.2006 erfolgte Zustellung einer unbezifferten Schadenersatzklage.

In ihrer gegen die Antragstellerin und weitere genannte und unbekannte Beklagte gerichteten Klage behaupten die dort namentlich aufgeführten Kläger, als Anwohner einer Fabrikanlage in N/Kalifornien durch von diesem Werk ausgehende Umweltverschmutzungen geschädigt worden zu sein. Sie machen geltend, das Werk sei von einem zumindest zeitweise zum Konzern der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der V AG, gehörenden Unternehmen betrieben worden. Sie kündigen an, die Klage zur Zeit der Verhandlung zu ergänzen, da das Ausmaß der Schäden noch nicht festliege. Sie beantragen unter anderem "ein Urteil gegen alle Beklagten ... für vergangene und zukünftige Schäden je nach Beweis" und die Festsetzung eines "Strafe einschließenden und abschreckenden Schadensersatz(es) in einer bei der Verhandlung zu bestimmenden Höhe."

Die Antragstellerin macht geltend:

Die Klage sei nicht als Zivil- und Handelssache im Sinne des Art. 1 HZÜ anzusehen. Ein Strafschadensersatz, wie er hier gefordert werde, diene hauptsächlich der Abschreckung und Sanktionierung. Hierdurch werde die Verfolgung von Rechtsverstößen auf private Initiative gefördert. Bei funktionaler Betrachtung würden daher mit der Klage öffentliche Zwecke verfolgt. Auch die gewählte Klageart der Sammelklage diene öffentlichen Interessen. Schließlich weiche auch die Klage in unbestimmter Höhe von dem die Zivil- und Handelssachen prägenden Bild einer Klage nach der Parteimaxime ab.

Selbst bei einer Anwendbarkeit des Abkommens stehe Art. 13 Abs. 1 HZÜ der Klagezustellung entgegen. Ein Zustellungsersuchen sei dann abzulehnen, wenn die Zustellung eine schwere Beeinträchtigung der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte.

Das sei hier der Fall. Sie (die Antragstellerin) werde ohne erkennbare Anspruchsgrundlage in ein auf Verhängung von Strafschadensersatz abzielendes Verfahren vor US-amerikanischen Gerichten einbezogen. Die Zustellung einer Klage aber, die offenkundig keine substantielle Grundlage habe, verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und verletze damit unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaats (BVerfG NJW 2003, 2598, 2599).

Neben dem Gerichtsverfahren betrieben die Kläger eine öffentliche Kampagne. Es liege auf der Hand, dass das Verfahren in einer offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt werde, um sie (die Antragstellerin) als solventen Kontrahenten neben den anderen verklagten Unternehmen mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung in einen Vergleich zu zwingen.

Angesichts der Besonderheiten der Verfahrensumstände sei hier ein erweiterter Prüfungsmaßstab des mit der Zustellung befassten Gerichts anzunehmen.

Bei Klagen, die augenscheinlich auf einen erzwungenen Vergleich, statt auf ein Urteil im Sinne von § 328 ZPO abzielten und die schon mit der Zustellung erhebliche Kostentragungspflichten für die beklagte Partei mit sich brächten, müsse bereits bei Prüfung der Zustellbarkeit der allgemeine ordre public-Vorbehalt als Maßstab angesetzt werden. In diesen Fällen sei nicht erst die Überprüfung eines künftigen Urteils, das voraussichtlich gar nicht ergehen werde, sondern schon die Klagezustellung der maßgebliche Eingriffsakt, der am ordre public zu messen sei (OLG Koblenz NJOZ 2005, 3122, 3140). Danach dürfe eine Zustellung nicht erfolgen, denn es sei allgemein anerkannt, dass die Klage auf Strafschadensersatz wegen Verletzung des im Rechtstaatsprinzip verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vom ordre public-Vorbehalt erfasst werde (BGH NJW 1992, 3096, 3104).

Schon durch die mit der Zustellung der Klageschrift auf sie zukommenden erheblichen Anwalts- und sonstigen Verfahrenskosten einschließlich der Möglichkeit der Klägerseite zur Initiierung von pre-trial discovery-Verfahren werde ihr Vermögen konkret und massiv belastet.

Es treffe nicht zu, dass sie (die Antragstellerin) sich der weiteren Vollstreckung entziehen könne und somit hinreichende Schutzmechanismen existierten. Denn mit Zustellung der Klage werde der Zugriff auf das im Ausland belegene Vermögen des Unternehmens eröffnet.

Der Einwand, das Unternehmen habe sich dieser Gefahr selbst durch seine Betätigung in den USA ausgesetzt, greife zu kurz. Zwar könne die Betätigung durch ausländische Tochtergesellschaften im Ausland dazu führen, dass eben diese ausländischen Tochtergesellschaften verklagt würden; was vorliegend ja auch geschehen sei und wogegen sie (die Antragstellerin) sich nicht wehre. Davon losgelöst zu betrachten sei jedoch der bei einem Rechtsstreit im Ausland gegen das deutsche Unternehmen über die bloße Klagezustellung eröffnete Zugriff auf das im Ausland belegene Vermögen des deutschen Unternehmens. Einen solchen Zugriff auf ihr Vermögen habe sie gerade dadurch zu vermeiden versucht, dass sie im Ausland nicht selbst, sondern nur über ihre jeweiligen ausländischen Tochtergesellschaften tätig werde.

Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung wie folgt begründet:

Punitive-damages-Klagen seien aus deutscher Sicht als Zivilsache anzusehen. Das ergebe sich daraus, dass es sich um eine besondere Art des Schadensersatzes zwischen Privatpersonen handele, der auf Veranlassung eines Einzelnen geltend gemacht und beigetrieben werde und in der Regel auch nur ihm zugute komme (BGH NJW 1992, 3096). Das Rechtsinstitut des Strafschadensersatzes sei zwar dem deutschen Recht fremd, jedoch folge hieraus nicht, dass die Zustellung einer entsprechenden Klage unzumutbar sei. Zweck dieser Klageart sei es, dass der Beklagte, der ein absichtliches, bösartiges oder rücksichtsloses Verhalten gezeigt habe, für dieses Verhalten bestraft werde. Der Geschädigte solle für die Durchsetzung des Rechts - zur Stärkung der Rechtsordnung - belohnt werden. Der Strafschadensersatz diene teilweise Zielen, die mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar seien. Unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates würden jedenfalls nicht schon durch die Möglichkeit der Verhängung von Strafschadensersatz verletzt. Insbesondere könne in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit punitive-damages auch immaterielle Schäden ausgeglichen werden könnten, was auch dem deutschen Schadensersatzrecht nicht fremd sei. Im übrigen sei zu bedenken, dass die Zustellung der Klage als verfahrenseinleitendes Schriftstück allenfalls eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Antragstellerin zur Folge habe. Ob und in welcher Höhe eine Verurteilung erfolge, sei bloße Spekulation. Allein die theoretische Möglichkeit der Verurteilung zu einer Schadensersatzleistung bedeute nicht, dass durch die Zustellung gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien verstoßen würde. Der deutsche Zustellungsempfänger sei vor den Rechtsnachteilen einer Verurteilung zu Strafschadensersatz hinreichend durch das inländische Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren geschützt. Dementsprechend und mit Rücksicht auf die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Zugriff des Gläubigers auf das inländische Vermögen zu verhindern, sei die Einbeziehung einer beklagten Partei in Deutschland in das ausländische Verfahren durch Zustellung der Klageschrift zumutbar (vgl. BVerfG NJW 1995, 649).

Die Zustellung einer Klage auf Verhängung von Strafschadensersatz könne nicht schon wegen der Unvereinbarkeit des Klagebegehrens mit dem innerstaatlichen ordre public verweigert werden, sondern nur dann, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet halte, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Würden die Grundsätze der innerstaatlichen Rechtsordnung bereits zum Maßstab für die Zustellung gemacht, so würde der internationale Rechtshilfeverkehr erheblich beeinträchtigt. Zum einen könne die Prüfung der Klagen auf ihre Vereinbarkeit mit dem innerstaatlichen ordre public zu großen Verzögerungen bei der Zustellung führen. Zum anderen käme sie einer Erstreckung inländischer Rechtsvorschriften auf das Ausland gleich und würde dem Ziel zuwiderlaufen, dem ausländischen Kläger die Führung eines Verfahrens gegen einen inländischen Beklagten im Ausland zu ermöglichen. Die Zustellung für ein ausländisches Gericht fördere unmittelbar lediglich den ausländischen Prozess und entfalte keine inländischen Wirkungen. Die Zustellung sei nicht präjudiziell für die spätere Entscheidung über die Anerkennung.

Im Rahmen der Klagezustellung sei nicht zu prüfen, ob die Klage offensichtlich unbegründet bzw. unsubstantiiert sei. Das Zustellungsverfahren sei ein formales Verfahren der Justizverwaltung, welches den Bestimmungen der völkerrechtlichen

Übereinkünfte folgend vornehmlich dem Verfahren in dem Ausgangsstaat diene und dieses Verfahren sichern solle. Die Überprüfung der Absichten der klagenden Partei obliege dem Erstrichter, dem die rechtsstaatliche Überprüfung durch die Beteiligung der beklagten Partei ermöglicht werden solle. Er habe auch zu überprüfen, ob eine Partei Rechtsmissbrauch betreibe (OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 357).

Dass die Antragstellerin mit Zustellung der Klage Partei des Verfahrens in den USA werde und sie damit den mit einem Klageverfahren verbundenen Zahlungsverpflichtungen und Risiken wie auch der pre-trial discovery ausgesetzt sei, sei unerheblich. Grundsätzlich könnten deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig seien, mittels des HZÜ nicht vor Rechtsnachteilen bzw. ausländischem Verfahrensrecht und Risiken wie Prozesskosten geschützt werden, denen sie dort in gleicher Weise ausgesetzt seien, wie ihre einheimischen Konkurrenten (vgl. Morisse RIW 1995, 370, 372). Nicht die Zustellung der Klage, sondern allein die geschäftliche Betätigung der Antragstellerin in den USA setze sie zwangsläufig den in den USA herrschenden Marktbedingungen und der dort geltenden Rechtsordnung aus.

Es sei nicht so, dass die Zustellung der Klageschrift einen unmittelbaren Zugriff auf das im Inland belegene Vermögen der Antragstellerin ermögliche. Die deutsche Zustellungsempfängerin sei vor den Rechtsnachteilen einer - zum Zeitpunkt der Zustellung noch rein spekulativ erfolgenden - Verurteilung zu Strafschadensersatz hinreichend durch das inländische Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren geschützt. Wenn die Antragstellerin vortrage, die Vereinbarung mit der A Inc., die die von der Tochtergesellschaft (V LLC) der E AG veräußerte W Electronics im Jahre 2000 erwarb, sehe vor, dass der ausschließliche Gerichtstand für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis Frankfurt am Main sei, stehe es ihr anheim, dies in dem vor dem amerikanischen Gericht laufenden Erstverfahren geltend machen. Der Einwand sei jedenfalls nicht im formellen Zustellungsverfahren zu beachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

B.

Der gemäß § 23 ff. EGGVG zulässige Antrag ist unbegründet.

I.

Der Antrag ist zulässig.

Der Zulässigkeit des fristgerecht (§ 26 Abs. 1 EGGVG) gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Zustellung der Klageschrift bereits erfolgt ist. Die Unwirksamkeit der Zustellung im internationalen Rechtshilfeverkehr kann auch nach der Vornahme der Zustellung noch geltend gemacht werden (vgl. Senat NJW 1992, 3110; OLG Frankfurt RIW 1991, 417, 418). Das gilt erst recht, wenn - wie hier - das Zustellungszeugnis noch nicht ausgestellt bzw. weitergeleitet worden ist (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 357). Denn wenn die Zustellung vorliegend als unwirksam angesehen werden sollte, dürfte das Zustellungszeugnis nach Art. 6 HZÜ nicht mehr ausgestellt werden. Damit unterbliebe die Mitteilung über die Zustellung an das amerikanische Gericht. Das genau aber ist das Rechtsschutzziel der Antragstellerin.

II.

Das Begehren der Antragstellerin ist jedoch unbegründet, weil die Zustellung von der Antragsgegnerin als der zuständigen Zentralen Behörde nach Art. 2 HZÜ zu Recht genehmigt worden ist.

1.

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Entscheidung sind zutreffend, ergänzend ist festzustellen:

a)

Vorliegend findet das Haager Zustellungsübereinkommen Anwendung, denn Gegenstand der zuzustellenden Klageschrift ist eine Zivilsache im Sinne des Art. 1 dieses Übereinkommens.

aa)

Hierbei ist zugrunde zu legen, dass mit der Klage auch Ansprüche auf Strafschadensersatz (punitive damages) geltend gemacht werden.

Punitive damages werden nach dem Recht der meisten Einzelstaaten der USA - einschließlich Kaliforniens - als weiterer Geldbetrag zum rein ausgleichenden Schadensersatz zuerkannt, wenn dem Täter erschwerend zu einem allgemeinen Haftungstatbestand ein absichtliches, bösartiges oder rücksichtsloses Fehlverhalten zur Last fällt. Gegebenfalls kann schon eine bewusst fahrlässige, offenkundige Missachtung der Sicherungsinteressen der Allgemeinheit ausreichen. Die Verhängung steht regelmäßig im freien Ermessen des Gerichts. Der Täter soll für sein rohes Verhalten bestraft werden. Täter und Allgemeinheit sollen präventiv von künftigem sozialschädlichem Verhalten abgeschreckt werden, soweit das bloße Risiko der Kompensationspflicht keine ausreichende Verhaltenssteuerung gewährleistet. Der Geschädigte soll für die auf seinem Einsatz beruhende Rechtsdurchsetzung - zur Stärkung der Rechtsordnung im allgemeinen - belohnt werden. Schließlich soll das Opfer eine Ergänzung zu einer als unzureichend empfundenen Schadensbeseitigung erhalten, wobei sich unter anderem eine fehlende soziale Absicherung auswirken kann; auf diese Weise kommt auch ein Ausgleich für die nicht selbständig erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in Betracht. Die Höhe der zuerkannten Beträge richtet sich nach dem Ermessen des Gerichts, das üblicherweise den Charakter der Verletzungshandlung, Art und Ausmaß der Beeinträchtigung für den Kläger, aber auch die Vermögensverhältnisse des Schädigers berücksichtigt. Zuweilen werden zugesprochene Schmerzensgeldbeträge (damages for pain and suffering) und Strafschadensersatz nicht getrennt ausgewiesen, so dass eine einheitliche Summe zur Abgeltung anderer als materieller Schäden zugleich einen Schmerzensgeldanteil enthält. Nicht einmal Verdienstausfallschäden werden stets ausgesondert. Werden mehrere durch eine einzige Handlung geschädigt, so kann im allgemeinen jedem Opfer selbständig Strafschadensersatz in voller Höhe zuerkannt werden (vgl. BGH NJW 1992, 3096, 3102, mwN).

Damit ist ein solcher Strafschadensersatzanspruch ein zivilrechtlicher Zahlungsanspruch. Hierfür bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob diese Frage allein nach ausländischem Recht, allein nach deutschem Recht oder im Wege einer Doppelqualifikation nach beiden Rechtsordnungen übereinstimmend zu beantworten ist. Sowohl aus us-amerikanischer wie aus deutscher Sicht ist eine Zivilsache anzunehmen. Nach amerikanischem Rechtsverständnis werden punitive damages ungeachtet ihrer Bestrafungs- und Abschreckungsfunktion allgemein dem Zivilrecht zugeordnet. Aus deutscher Sicht gilt nichts anderes. Danach stellen punitive damages grundsätzlich eine besondere Art des Schadensersatzes zwischen Privatpersonen dar, unabhängig von den rechtspolitischen Erwägungen, aus denen dieser eingeführt worden ist (vgl. BGH a.a.O; OLG München, NJW 1989, 3102; Zöller-Geimer, ZPO, 24. A., § 328 Rn. 77; jew mwN).

Dem steht die von der Antragstellerin vorgelegte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (NJOZ 2005, 3122) nicht entgegen. Gegenstand des dortigen Verfahrens sind sogenannte treble damages; diese stellen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts Koblenz einen Sonderfall der richterrechtlich entwickelten punitive damages bei Kartellrechtsverstößen dar; sie werden nur in gesetzlich bestimmten Fällen zugesprochen, und zwar in Form einer dreifachen Erhöhung des Kompensationsschadens, der durch eine unerlaubte Handlung verursacht wurde; ihr Zweck liegt, soweit es um die Erhöhung des eigentlichen Schadens geht, auch in der Bestrafung und Abschreckung; systematisch stehen treble damages in engem Zusammenhang mit den Straftatbeständen, in deren Umfeld sie im Recht der US-Bundesstaaten als zusätzlicher Tatbestand geregelt sind (aaO, 3136).

Wenn das Oberlandesgericht Koblenz annimmt, solche Ansprüche seien jedenfalls im Umfang des auf Bestrafung und Abschreckung ausgerichteten Erhöhungsbetrags über den Kompensationsschaden hinaus öffentlich-rechtlicher Natur, so ändert dies an der Einordnung der Strafschadensansprüche, um die es vorliegend geht, nichts. Diese sind, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, als zivilrechtliche Ansprüche anzusehen, und zwar sowohl nach deutschem Recht als auch nach amerikanischer Rechtsauffassung und auch bei einer vertragsautonomen Auslegung des Haager Zustellungsübereinkommens (vgl. Böhmer NJW 1990, 3049, 3051).

bb)

Der weitere Einwand der Antragstellerin, aufgrund des potenzierten Schadensersatzbegehrens einer Sammelklage entstehe ein zusätzlicher Abschreckungseffekt, der zu der Strafwirkung von punitive damages hinzutrete, eine solche Abschreckung sei aber generell keine Aufgabe des Zivil- und Handelsrechts, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Es ist nicht dargetan, dass vorliegend eine Sammelklage erhoben werden soll.

Bei einer Sammelklage (class action-Verfahren) handeln die Kläger im eigenen Namen und als Repräsentanten für alle anderen von dem streitgegenständlichen Ereignis betroffenen Personen. Diese Gruppenmitglieder sind den Parteien weder bekannt, noch müssen sie vor Gericht erscheinen. Gleichwohl ist eine Entscheidung in dem Rechtsstreit oder ein Vergleich auch für sie bindend (vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, mwN).

Um ein solches Verfahren handelt es sich vorliegend nicht. Hier machen vielmehr einzelne in der Klageschrift bezeichnete Kläger unbezifferte Schadensersatzansprüche unter anderem gegen die Antragstellerin geltend. Dass mehrere Kläger die Klage gemeinsam erheben wollen, führt nicht schon dazu, dass es sich um eine Sammelklage im zuvor dargestellten Sinn handelt, die im sogenannten class action-Verfahren (Rule 23 der Federal Rules of Procedure) eingeleitet werden müsste.

b)

Das Zustellungsersuchen kann auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ abgelehnt werden.

aa)

Das Haager Zustellungsübereinkommen will die gegenseitige Rechtshilfe unter den Vertragsparteien dadurch verbessern, dass die technische Abwicklung der Zustellung vereinfacht und beschleunigt wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihren Empfängern rechtzeitig zur Kenntnis gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599; NJW 1995, 649). Diese Erwägungen schließen es grundsätzlich aus, dass die innerstaatliche Rechtsordnung zum Prüfungsmaßstab für die Zustellung gemacht wird. Andernfalls könnte die materielle Prüfung des Zustellungsersuchens zu Verzögerungen bei der Zustellung oder, wegen der Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen, zu einer Vereitelung der Zustellung führen, die durch das Haager Zustellungsübereinkommen gerade ausgeschlossen werden sollten. Ein Zustellungsersuchen kann nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 HZÜ jedoch abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Dieser Vorbehalt in Art. 13 HZÜ für die Anwendung ausländischen Rechts ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Übereinkommens eng auszulegen. Ein Zustellungsersuchen kann nur dann abgelehnt werden, wenn die Zustellung besonders schwere Beeinträchtigungen der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staats mit sich brächte (vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599; Senat NJW 1992, 3110 f. und WM 2003, 1587; OLG Frankfurt NJW-RR 2002 357; jew mwN).

bb)

Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht (NJW 2003, 2598, 2599; NJW 1995, 649, 650 f.) entschieden, dass die Gewährung von Rechtshilfe durch die Zustellung einer Klage, mit der Ansprüche auf Strafschadensersatz nach US-amerikanischem Recht geltend gemacht werden, in der Regel nicht die allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. In den genannten Entscheidungen ist allein offen gelassen worden, ob die Zustellung einer solchen Klage mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren ist, wenn das mit der ausländischen Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt. Die aus dem Übereinkommen folgende Respektierungspflicht könnte ihre Grenze erreichen, wo die ausländische, im Klageweg geltend gemachte Forderung - jedenfalls in ihrer Höhe - offenkundig keine substanzielle Grundlage hat. Auch wenn Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt werden, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, kann dies deutsches Verfassungsrecht verletzen (BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 unter Hinweis auf Art. 40 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB, wonach Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, nicht geltend gemacht werden können, wenn sie offensichtlich anderen Zwecken als der Entschädigung des Verletzten dienen).

cc)

Dass nach diesen Grundsätzen eine Zustellung der Klageschrift nach dem Haager Zustellungsübereinkommen zu unterbleiben hat, weil das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates verstößt, kann nicht festgestellt werden.

aaa)

Vorliegend machen bestimmte Anwohner einer Fabrik, die zumindest zeitweise von einem zum Konzern der Antragstellerin gehörenden Unternehmen betrieben wurde, (noch) nicht bezifferte Schadensersatzansprüche gegen diese geltend. Damit geht es um die Feststellung einer umfassenden Schadensersatzverpflichtung auch der Antragstellerin dem Grunde nach. Dies ist, selbst wenn man deutsches Recht zugrunde legen würde, nicht zu beanstanden. Dass darüber hinaus ein (noch) nicht bezifferter Strafschadensersatzanspruch rechtshängig gemacht werden soll, rechtfertigt - wie ausgeführt - nicht die Zurückweisung des Zustellersuchens.

bbb)

Dass die Klage nur erhoben worden sei und gleichzeitig eine öffentliche Kampagne betrieben werde, um Druck auf die Antragstellerin auszuüben, damit diese einen Vergleich mit den Klägern abschließe, wird von der Antragstellerin zwar pauschal behauptet. Nachprüfbar dargelegt wird dies jedoch nicht. Es spricht derzeit nichts dagegen, dass die Klage erhoben werden soll, um eine Verurteilung der Antragstellerin in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu erreichen.

ccc)

Die Antragstellerin wird auch nicht völlig willkürlich in Anspruch genommen. Sie räumt ein, dass ein früher zu ihrem Konzern gehörendes Unternehmen das fragliche Werk betrieben hat. Dass die Kläger nicht allein hierauf und auf eine behauptete Vereinbarung mit dem Käufer des Tochterunternehmens eine Verantwortlichkeit für etwa eingetretene Schäden stützen können, ist unerheblich. Eine Schlüssigkeitsprüfung im engeren Sinn ist vor der Zustellung der Klage nicht vorzunehmen. Eine solche Prüfung ist auch der deutschen Rechtsordnung fremd. Vor der Zustellung der Klage sind danach keine Ermittlungen über Hintergrund, Anlass oder Berechtigung der Klage anzustellen. Die Zustellung kann nicht von solchen Ermittlungen abhängig gemacht werden (vgl. Senat NJW 1992, 3110, 3111).

ddd)

Der Zustellung steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin in dem Rechtsstreit möglicherweise einer pre-trial discovery ausgesetzt ist. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Abschnitt im amerikanischen Zivilprozess nach Abschluss der als pleading bezeichneten Einleitung des Verfahrens. Die pre-trial discovery enthält verschiedene Möglichkeiten, einer Prozesspartei Beweismaterial zugänglich zu machen, das sich im Besitz der anderen Partei oder eines Dritten befindet (Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 3. A., S. 44). Für sich genommen stellt das discovery-Verfahren trotz der damit regelmäßig verbundenen Ausforschung noch kein Anerkennungshindernis dar (vgl. BGH NJW 1992, 3096). Erst recht kann es dann im Zustellungsverfahren keinen vorbeugenden Schutz vor diesem Verfahrensinstrument geben. Grundsätzlich können deutsche Unternehmen, die - und sei es wie hier durch ein Tochterunternehmen - im Ausland tätig sind, durch das Haager Zustellungsübereinkommen nicht vor Rechtsnachteilen geschützt werden, denen sie dort in gleicher Weise ausgesetzt sind wie ihre einheimischen Konkurrenten (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 357, 358).

c)

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (NJOZ 2005, 3122) und die dort angestellten Erwägungen geben dem Senat zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.

Der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz formuliert u.a. die Rechtsfrage, ob der Vorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ der Anordnung der Zustellung einer Klage entgegen steht, wenn diese (Sammel-)klage aus den im Vorlagebeschluss näher bezeichneten Gründen rechtsmissbräuchlich erscheine.

Ungeachtet der Frage, ob diese Vorlage den Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG genügt, geht es dem Oberlandesgericht Koblenz ausdrücklich - nur - darum, durch die Versagung der Zustellung in dem dort zugrunde liegenden Fall, einen - vom Oberlandesgericht Koblenz angenommenen - Rechtsmissbrauch im Einzelfall abzuwenden (vgl. die Ausführungen unter Bustabe C), weil die Klage erkennbar nicht auf die Herbeiführung eines Gerichtsurteils ausgerichtet sei, sondern auf die Abpressung eines Vergleichs unter Entfaltung publizistischen Drucks, durch schikanöse Ausforschung und durch den Zwang zur Aufwendung erheblicher Kosten ohne Erstattungsmöglichkeit ziele (so unter C, II des Vorlagebeschlusses). Bei dieser Lage sei nicht erst ein künftiges Urteil, das voraussichtlich nicht ergehen werde, sondern schon die Klagezustellung der maßgebende Eingriffsakt, der am deutschen ordre public zu messen sei.

Diese Erwägungen sind nicht auf den vom Senat zu entscheidenden Fall zu übertragen.

Denn aus den zuvor dargelegten Gründen kann im Rahmen der auf Evidenz beschränkten Prüfung gerade nicht festgestellt werden, dass das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates (ordre public) verstößt.

d)

Es besteht schließlich auch keine Veranlassung, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über den Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz auszusetzen.

Selbst wenn man entgegen der dargelegten Auffassung des Senats annehmen würde, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aufgrund der Vorlage des Oberlandesgerichts Koblenz für das hiesige Verfahren von Bedeutung ist, wäre eine Aussetzung nicht veranlasst.

Der Senat weicht mit der vorliegenden Entscheidung nicht von der bisherigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. In einem solchen Fall ist eine Aussetzung des Verfahrens wegen der Vorlage eines Oberlandesgerichts, das von dieser Rechtsprechung abweichen will, nicht zwingend. Die Entscheidung ist vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei sind die Auswirkungen der mit einer Aussetzung verbundenen Verfahrensverzögerung und die Bedeutung der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gegeneinander abzuwägen (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. A., § 28 Rn. 21 und Keidel/Schmidt § 12 Rn. 98 ff; mwN). Bei dieser Abwägung überwiegt das Interesse der beschleunigten Zustellung der Klageschrift, dem das Haager Zustellungsübereinkommen dient, deutlich gegenüber dem Interesse, zunächst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den Vorlagefragen abzuwarten, um dann dessen möglicherweise geänderte Rechtsauffassung dieser Entscheidung zugrunde zu legen.

III.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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