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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: I-3 Va 2/08
Rechtsgebiete: EGGVG, BGB, HGB, GVO, GVGA


Vorschriften:

EGGVG §§ 23 ff.
BGB § 185
BGB § 1207
BGB §§ 1234 ff.
HGB § 366 Abs. 3
HGB § 441
HGB § 464
GVO § 26 Nr. 1/2
GVGA § 238 Nr. 2 Satz 5
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Pfandsachen berechtigen den Gerichtsvollzieher im Anwendungsbereich des § 366 Abs. 3 HGB nicht zur Ablehnung der Pfandverwertung.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 VA 2/08

In dem Verfahren zur Pfandverwertung

(hier: Gesuch der Antragstellerin um gerichtliche Entscheidung)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie der Richter am Oberlandesgericht von W. und D. am 29. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2008 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird angewiesen, die Zwangsverwertung nicht mit der Begründung abzulehnen, die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen seien ungeklärt.

Geschäftswert: 18.000 €

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Pfandverwertung gestellt und zur Begründung ausgeführt, als Speditionsunternehmen stehe ihr ein gesetzliches Pfandrecht an sechs sogenannten Swap-Anlagen, die im Zuge der Verwertung des Pfandrechts öffentlich versteigert werden sollten, zu. Diesen Antrag hat die Beteiligte zu 2. mit Bescheid vom 29. Januar 2008 abgelehnt, da die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen ungeklärt seien.

Daraufhin hat die Antragstellerin unter dem 14. Februar 2008 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG gestellt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Pfandverwertung durch öffentliche Versteigerung vorzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

1.

Anerkanntermaßen ist gegen eine von einem Gerichtsvollzieher ausgesprochene Ablehnung einer öffentlichen Versteigerung in einem ihm gesetzlich zugewiesenen Bereich, insbesondere bei einem Pfandverkauf nach §§ 1234 ff BGB aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff EGGVG eröffnet (OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 1998 in Sachen 15 VA 1/98; OLG Frankfurt DGVZ 1998, S. 121 f.; OLG Köln OLGR 2000, S. 340 ff.; OLG München, Beschluss vom 15. März 2006 in Sachen 9 VA 1/06; Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 23 EGGVG Rdnr. 10). Um eine Versteigerung aufgrund gesetzlicher Ermächtigung geht es hier, da sich die Antragstellerin eines gesetzlichen Pfandrechts berühmt.

2.

Der Antrag hat auch - in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfange - Erfolg. Die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen sind im vorliegenden Fall, soweit die Tätigkeit der Antragsgegnerin betroffen ist, ohne Belang.

a)

Nach § 26 Nr. 1 der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) hat ein Gerichtsvollzieher nur Aufträge zur Vornahme unzulässiger Amtshandlungen abzulehnen; nach den bestehenden Vorschriften zulässige Aufträge, für deren Erledigung er zuständig ist, darf er nur dann ablehnen, wenn er dies nach der Geschäftsanweisung oder sonstigen Verwaltungsbestimmungen muss oder kann (§ 26 Nr. 2 Satz 1 GVO). Ein derartiger Ablehnungsfall ist in § 238 Nr. 2 Satz 5 GVGA geregelt, wonach der Gerichtsvollzieher einen Auftrag zu einem offenbar unzulässigen Pfandverkauf abzulehnen hat. Eine Unzulässigkeit des beabsichtigten Pfandverkaufs ergibt sich hier jedoch nicht aus den Eigentumsverhältnissen an den Pfandsachen.

aa)

Die gesetzlichen Pfandrechte des Spediteurs nach § 464 HGB und des Frachtführers nach § 441 HGB entstehen auch dann, wenn der Versender bzw. Absender nicht Eigentümer des Gutes ist; es genügt, dass er Verfügungsmacht gemäß § 185 BGB über das Gut hat (Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 441 Rdnr. 1). Im Anwendungsbereich des § 366 Abs. 3 HGB - der hier einschlägig ist - entsteht das gesetzliche Pfandrecht des Spediteurs oder Frachtführers aber auch dann, wenn dieser in gutem Glauben an die Verfügungsmacht des Verfügenden ist; mit anderen Worten kann in diesen Fällen das gesetzliche Pfandrecht an beweglichen Sachen gutgläubig erworben werden (OLG Hamm a.a.O. m.w.Nachw.). Auf dieser Grundlage darf die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Antragstellerin das von ihr beanspruchte Pfandrecht entweder deshalb erworben hat, weil die Versenderin bzw. Absenderin Eigentümerin des Gutes war oder deshalb, weil sie in gutem Glauben von diesem Eigentum ausging oder von der Befugnis der Versenderin bzw. Absenderin, über das Gut einen Speditions- bzw. Frachtvertrag abschließen zu können (§ 366 Abs. 3 HGB i.V.m. § 1207 BGB).

Für die Durchführung des Auftrags zur Pfandverwertung unerheblich ist, dass die Antragstellerin auch bösgläubig gewesen sein und dass es sich bei dem Pfandgut um abhandengekommene Sachen im Sinne des § 935 BGB handeln, ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts mithin ausgeschlossen sein könnte. Diese Möglichkeiten stehen einer öffentlichen Versteigerung indes nicht entgegen, weil ein solcher Sachverhalt hier nicht "offenbar" ist. Insoweit hatte die Antragsgegnerin lediglich ihren Hinweispflichten nach § 238 Nr. 2 Satz 4 GVGA zu genügen. Darüber hinaus ist jedoch nicht sie als Gerichtsvollzieherin, sondern der Auftraggeber dem etwaigen anderweitigen Eigentümer der Pfandsachen dafür verantwortlich, dass das Pfand unter den gesetzlichen Voraussetzungen veräußert wird, § 238 Nr. 2 Satz 2 GVGA. Im übrigen wäre ein Gerichtsvollzieher nach den ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten regelmäßig auch nicht in der Lage, verlässliche Feststellungen zu den Eigentums- oder Besitzverhältnissen oder gar zu den rechtlich eingeräumten Befugnissen hinsichtlich des Gutes zum Zeitpunkt des Abschlusses des Speditions- bzw. Frachtvertrages und der Besitzverschaffung an den Spediteur oder Frachtführer zu treffen (vgl. zu allem Vorstehenden auch OLG Hamm a.a.O.).

bb)

Sonstige Gesichtspunkte, die eine Feststellung des Eigentümers des Gutes geböten, sind nicht ersichtlich. Zwar bestehen die Androhungs- und Benachrichtigungspflichten der §§ 1234 Abs. 1 Satz 1, 1237 Satz 2, 1241 BGB maßgeblich gegenüber dem Eigentümer, doch sind bei einer Verwertung wegen der hier in Rede stehenden gesetzlichen Pfandrechte diese Vorschriften ersetzt durch die Regelung in §§ 441 Abs. 4, 464 Satz 2 HGB, wonach Androhung und Benachrichtigungen an den Empfänger des Gutes oder unter bestimmten Umständen gegenüber dem Versender bzw. Absender zu erfolgen haben.

b)

Trotz der vorstehend dargestellten Rechtslage kann der Senat aufgrund des bisherigen Vorbringens der Antragstellerin nicht die von ihr begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vornahme der öffentlichen Versteigerung aussprechen. Denn bislang hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargetan, dass ihr an dem Gut ein gesetzliches Pfandrecht als Spediteur oder Frachtführer zusteht.

Ein Gerichtsvollzieher hat einen Auftrag zur Pfandverwertung als offenbar unzulässig abzulehnen, solange ihm der Auftraggeber nicht dargetan hat, dass ihm an der betreffenden Sache ein Pfandrecht zustehe (OLG Frankfurt DGVZ 1983, S. 23; AG Iburg DGVZ 1994, S. 31; Winterstein DGVZ 1991, S. 51/52). Die gesetzlichen Pfandrechte der §§ 464, 441 HGB setzen voraus, dass die durch die Pfandrechte am Gut gesicherten Forderungen gegen den jeweiligen Versender bzw. Absender bestehen, mag es sich dabei um sogenannte konnexe Forderungen aus dem betreffenden Speditions- bzw. Frachtvertrag oder um sogenannte inkonnexe Forderungen aus anderweitigen Speditions- oder Frachtverträgen handeln, §§ 464 Satz 1, 441 Abs. 1 Satz 1 HGB.

Hier berühmt sich die Antragstellerin eines gesetzlichen Pfandrechts als Spediteur, wohingegen sich die zur Substantiierung ihres Vortrages vorgelegten Unterlagen - Frachtbriefe (Anlagenkonvolut AS 2) - über Frachtverträge verhalten. Darüber hinaus und vor allem ergibt sich aus diesen Frachtbriefen als Versenderin nicht dasjenige Unternehmen, gegen welches die Antragstellerin Forderungen aus Transportverträgen von etwas über 90.000 € haben will.

III.

Ein Ausspruch über die gerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Senat erübrigt sich, §§ 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Eine Erstattungsanordnung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin nach § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG ist nicht veranlasst. Eine derartige Erstattung ist die Ausnahme, hierfür müssen besondere Billigkeitsgründe sprechen. Daran fehlt es. Der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin stellt kein offensichtlich oder gar grob fehlerhaftes Verwaltungshandeln dar. Darüber hinaus steht zur Zeit noch nicht fest, dass der Auftrag der Antragstellerin von der Antragsgegnerin im Endergebnis ausgeführt werden muss.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 30 Abs. 3 Satz 1 EGGVG, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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