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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: I-3 W 53/04
Rechtsgebiete: EuInsVO


Vorschriften:

EuInsVO Art. 3
EuInsVO Art. 16
EuInsVO Art. 17
EuInsVO Art. 26
EuInsVO Art. 27
Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens im Inland hindert zwar die Wirkungserstreckung der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens durch ein britisches Gericht auf das Inlandsvermögen des Schuldners, steht aber der Vollstreckbarerklärung der Eröffnungsentscheidung des ausländischen Gerichts regelmäßig nicht entgegen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 W 53/04

In dem Verfahren

auf Vollstreckbarerklärung eines britischen Titels

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Januar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und W-L.

am 9. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel des Antragsgegners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 4.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die I. GmbH (HRB X. AG Neuss) wurde 1979 mit einem Stammkapital von 500.000,- DM gegründet. Alleingesellschafterin ist die P. Beteiligungs-GmbH. Alleingeschäftsführerin der I. Deutschland GmbH ist Frau F..

Unter dem 16. Mai 2003 ordnete der High Court of Justice in Leeds auf Antrag des englischen Geschäftsführers der P. Beteiligungs-GmbH R. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die I. Deutschland GmbH an ("Administration-Order") und bestellte die Herren K., G. und T., Partner bei PC. zu gemeinschaftlichen Insolvenzverwaltern ("Joint Administrators").

Unter dem 17./19. Mai 2003 beantragte die Alleingeschäftsführerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I. Deutschland GmbH.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2003 (502 IN 124/03) bestellte das Insolvenzgericht Düsseldorf den Beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der I. Deutschland GmbH.

Am 6. Juni 2003 stellte das Insolvenzgericht Düsseldorf - 502 In 124/03 - im Beschlusswege fest, dass die Administration Order des High Court of Justice in Leeds vom 16. Mai 2003 für das in Düsseldorf anhängige Insolvenzverfahren keine Rechtswirkungen entfalte, da es sich bei der I. Deutschland GmbH um ein im Handelsregister Neuss eingetragenes wirtschaftlich und rechtlich selbständiges Unternehmen handele.

Am 10. Juli 2003 eröffnete das Insolvenzgericht Düsseldorf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. Deutschland GmbH unter gleichzeitiger Bestellung des Beschwerdeführers zum Insolvenzverwalter.

Der Beschwerdegegner bzw. die Joint Administrators legten gegen den Insolvenzeröffnungsbeschluss Beschwerde ein, die sie kurz darauf zurücknahmen.

Unter dem 21. November 2003 änderte der High Court of Justice in Leeds seine Administration Order vom 16. Mai 2003 ("Amended Administration Order") ab.

Der Antragsteller hat unter dem 21. Oktober/4. Dezember 2003 beantragt, die Amended Administration Order (No 861 to 876 of 2003) des High Court of Justice in Leeds, England vom 16. Mai 2003 in der geänderten Fassung vom 21. November 2003 für vollstreckbar zu erklären.

Die Vorsitzende der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat am 5. Januar 2004 beschlossen:

"Die Administration Order des High Court of Justice - Chancery division - Nr. 861 bis 876 aus2003 vom 16. Mai 2003, in Verbindung mit der Amended Administration Order vom 21. November 2003 ist mit folgendem Tenor mit der Vollstreckungsklausel zu versehen:

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die I. Deutschland GmbH wird angeordnet.

Zu den Befugnissen der Administratoren gehört insbesondere, aber ohne darauf beschränkt zu sein, das Vermögen der Gesellschaft in Besitz zu nehmen, einzuziehen und Vermögenswerte beizutreiben."

Gegen diesen Beschluss beschwert sich der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des Landgerichts zu ändern und das Gesuch auf Zulassung der Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung aus der Administration Order vom 16. Mai 2003 des High Court of Justice, Leeds, Nr. 861 - 876/ 2003 in Verbindung mit der Amended Administration Order vom 21. November 2003 zurückzuweisen.

Er hat zunächst vorgetragen, die Administration Order des High Court of Justice, Leeds, Nr. 861 - 876/ 2003 vom 16. Mai 2003 sei mit dem deutschen Insolvenzeröffnungsbeschluss vom 10. Juli 2003 im Sinne des Art. 34 Ziffer 3 EuGVVO unvereinbar. Der Antragsteller ist dem entgegen getreten.

Am 8. März 2004 beantragten die Joint-Administrators die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin.

Am 12. März 2004 stellte das Amtsgericht Düsseldorf auf die Beschwerde des Joint-Administrators gegen den Insolvenzeröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts Düsseldorf das Insolvenzverfahren gemäß Art. 102 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGInsO zu Gunsten der Verfahrenseröffnung vom 16. Mai 2003 vor dem High Court of Justice, Leeds (NO 861-867/03) ein, eröffnete mit Beschluss vom selben Tage (502 IE 1/04) ein Sekundärinsolvenzverfahren nach Art. 3 Abs. 2, Art. 27 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) und bestellte den Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter.

Der Beschwerdeführer macht nunmehr geltend, die im Staat der Eröffnung des Sekundärverfahrens belegenen Vermögensgegenstände und Rechtsverhältnisse könnten nicht mehr in das Hauptverfahren einbezogen werden; sie bildeten die Insolvenzmasse des Sekundärverfahrens. Eine Zwangsvollstreckung und Klauselerteilung aus der Administration Order vom 16. Mai 2003 des High Court of Justice, Leeds, Nr. 861 - 867/2003 in Verbindung mit der Amended Administration Order vom 21. November 2003 komme daher seit Eröffnung des Sekundärverfahrens in Deutschland nicht mehr in Betracht. Dem widerspricht der Antragsteller.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

a)

Prinzipiell führt die Eröffnungsentscheidung des zuständigen Gerichts gemäß Art. 16 Abs. 1 EuInsVO zu einer automatischen Anerkennung in dem gesamten Anwendungsbereich der Verordnung.

b)

Der einzige Grund für eine Versagung der Anerkennung findet sich in Art. 26 EuInsVO. Hiernach kann jeder Mitgliedsstaat sich weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung gegen den ordre - public verstößt, also zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist.

c)

Ziel und Folge der Anerkennung ist die Wirkungserstreckung, dass nämlich die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 EuInsVO in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, grundsätzlich die Wirkungen entfaltet, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt. Die universelle Geltung der Rechtswirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens erfährt allerdings eine Einschränkung insoweit als sie nur solange besteht wie in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 EuInsVO eröffnet ist. Ist indes in einem anderen Mitgliedsstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, ein Sekundärinsolvenzverfahren (Art. 17 Abs. 1 EuInsVO) eröffnet worden, so wird hierdurch die Wirkungserstreckung des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens auf das in dem anderen Mitgliedsstaat befindliche Schuldnervermögen gehindert. Die Wirkungen des Sekundärinsolvenzverfahrens sind auf das im Gebiet des letzteren Mitgliedsstaates belegene Vermögen des Schuldners beschränkt (Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 EuInsVO) und dürfen in den übrigen Mitgliedsstaaten nicht in Frage gestellt werden (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO).

2.

Dies vorausgeschickt hat das Landgericht zu Recht die " Administration Order des High Court of Justice - Chancery division - Nr. 861 bis 876 aus 2003 vom 16. Mai 2003, in Verbindung mit der Amended Administration Order vom 21. November 2003 mit dem Tenor der Anordnung einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die I. Deutschland GmbH für vollstreckbar erklärt.

a)

Die Eröffnungsentscheidung unterliegt gemäß Art. 16 Abs. 1 EuInsVO der automatischen Anerkennung in dem gesamten Anwendungsbereich der Verordnung, demnach auch der in der Bundesrepublik Deutschland.

b)

Gründe für eine Versagung der Anerkennung aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public (Art. 26 EuInsVO) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

c)

Die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen der I. Deutschland GmbH (HRB X. AG Neuss) durch das Amtsgericht Düsseldorf (502 IE 2/04) am 7. April 2004 (GA 102 f.) steht der von der Antragstellerin begehrten Vollstreckbarerklärung der "Administration Order" des High Court of Justice - Chancery division - Nr. 861 bis 876 aus 2003 vom 16. Mai 2003 in Verbindung mit der Amended Administration Order vom 21. November 2003 mit dem Tenor der Anordnung einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die I. Deutschland GmbH letztlich nicht entgegen.

Zwar ist die Wirkungserstreckung der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens durch das britische Gericht auf das Inlandsvermögen der Schuldnerin gehindert (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO). Dies führt aber nicht zu einer Verweigerung der Vollstreckbarerklärung der Administration-Order des High Court of Justice in Leeds vom 16. Mai 2003 in Verbindung mit der in Abänderung derselben erlassenen Amended Administration Order vom 21. November 2003. Denn zum Einen ist die vorbezeichnete Einschränkung der Wirkungserstreckung in Art. 26 EuInsVO nicht als Versagungsgrund aufgeführt. Zum Anderen erscheint es aus Gründen des Gläubigerschutzes gerechtfertigt, dass die Wirkung des Hauptinsolvenzverfahrens sich - sollte das Hindernis Sekundärverfahren entfallen - wiederum auf das Schuldnervermögen im gesamten EU-Raum erstreckt (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 EuInsVO - "solange").

Schließlich sind in Art .31 EuInsVO umfangreiche wechselseitige Kooperations- und Informationspflichten der Verwalter des Haupt- und des Sekundärinsolvenzverfahrens vorgesehen, wobei der Gang des Sekundärverfahrens regelmäßig den Bedürfnissen des Hauptverfahrens untergeordnet ist (vgl. Art 31 Abs. 3 EuInsVO).

Hiernach bleibt festzuhalten, dass der Vorsitzende der Kammer zu Recht die Vollstreckungsklausel erteilt hat. Das Rechtsmittel war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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