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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 163/08
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, FGG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 4
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 1
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 16 Abs. 1
FEVG § 16 Abs. 1 Satz 1
FEVG § 16 Satz 2
FGG § 13 a
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
FGG § 20 a Abs. 2
FGG § 27 Abs. 1 Satz 1
FGG § 27 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den Beschluss des Senats vom 18. April 2008 verwiesen.

Im Anschluss an die Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht die im Senatsbeschluss als geboten bezeichneten Ermittlungen angestellt. Hierzu hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 30. April 2008 - dies unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Zentralen Ausländerbehörde Köln - und 7. Mai 2008 geäußert. Mit weiterem Schreiben vom 8. Mai 2008 hat er erklärt, er habe eine wiederholte Anfrage zum Stand des Identifizierungsverfahrens an die Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld gerichtet, die ihm mit Schreiben vom 8. Mai 2008 mitgeteilt habe, bislang liege keine Rückmeldung der indischen Innenbehörde beim indischen Generalkonsulat in Frankfurt vor; daraufhin habe er sofort die Entlassung des Betroffenen aus der JVA Büren veranlasst.

Nunmehr erklärt der Betroffene durch seinen Verfahrensbevollmächtigten die Hauptsache im Hinblick auf seine Entlassung für erledigt und beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens in allen Instanzen einschließlich seiner notwendigen Auslagen dem Antragsteller aufzuerlegen. Zur Begründung führt er im Kern an, die Abschiebungshaft sei schon vor der ersten Entscheidung des Landgerichts vom 26. März 2008 rechtswidrig geworden.

Durch den angegriffenen Beschluss hat das Landgericht entschieden, dass der Betroffene die Kosten des gesamten Verfahrens und seine ihm insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen habe. Hierzu hat es erwogen:

Die Haftanordnung sei nicht von vornherein nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig gewesen, denn zum Zeitpunkt der Haftanordnung habe nicht festgestanden, dass die Abschiebung des Betroffenen nicht innerhalb von drei Monaten durchführbar sein werde. Allerdings sei das Verfahren an den acht Arbeitstagen zwischen dem 19. und 28. Februar 2008 nicht mit der erforderlichen Beschleunigung betrieben worden. Bei einer zügigen Bearbeitung innerhalb von drei Arbeitstagen hätte bereits am 21. Februar 2008 ein Vorführtermin beantragt werden können, was vermutlich zur Gewährung eines früheren Termins beim indischen Generalkonsulat geführt hätte. Es sei somit davon auszugehen, dass bei der gebotenen zügigeren Bearbeitung acht Tage früher, als tatsächlich erfolgt, festgestanden hätte, dass in absehbarer Zeit eine Abschiebung des Betroffenen nicht möglich sein werde. Diese Umstände blieben indes ohne Auswirkung auf die Kostenentscheidung. Die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 16 Satz 2 FEVG seien nicht gegeben; das Verfahren habe nicht ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags auf Anordnung der Abschiebungshaft nicht vorgelegen habe. Auch der hierneben anwendbare § 13 a FGG führe zu keinem anderen Ergebnis, denn angesichts des geringen Teilerfolges im Vergleich zur gesamten Haftdauer sei eine Überbürdung unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht gerechtfertigt.

Diese Entscheidung greift der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde an, mit der er seinen Kostenantrag weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus, es möge zwar sein, dass ein begründeter Anlass zur Beantragung von Abschiebungshaft bestanden habe; jedoch sei die Haft im Laufe des Verfahrens durch die langsame Arbeitsweise der beteiligten Behörden unverhältnismäßig und damit rechtswidrig geworden, dementsprechend hätte er schon zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem die zögerliche Bearbeitung erfolgt sei, mithin spätestens in der Woche zwischen dem 19. und 28. Februar 2008, aus der Haft entlassen werden müssen.

Der Antragsteller tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

1.

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig.

Anwendung finden nach §§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 3 Satz 2 FEVG die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gemäß §§ 27 Abs. 2, 20 a Abs. 2 FGG ist eine weitere Beschwerde nach § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG in Fällen einer sogenannten isolierten Kostenentscheidung nur dann eröffnet, wenn erstmals das Erstbeschwerdegericht diese isolierte Kostenentscheidung getroffen hat. So liegen die Dinge hier. Der amtsgerichtliche Beschluss vom 14. Februar 2008 hat sich über die Hauptsache - die Haftanordnung - verhalten und über die Kosten lediglich im Nebenpunkte entschieden. Erstmals das Landgericht hat im Anschluss an die infolge der Entlassung des Betroffenen eingetretene Erledigung der Hauptsache durch den angegriffenen Beschluss eine isolierte Kostenentscheidung getroffen.

2.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel des Betroffenen jedoch ohne Erfolg.

Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass (richtig:) § 16 Abs. 1 Satz 1 FEVG hier nicht zu Gunsten des Betroffenen entsprechend angewendet werden kann, weil ein begründeter Anlass zur Stellung des Haftantrages vorgelegen hatte. Dies nimmt die Rechtsbeschwerde auch hin.

Des weiteren ist es bedenkenfrei, dass das Landgericht als Grundlage seiner Kostenentscheidung neben der vorbezeichneten Vorschrift § 13 a FGG erwogen hat. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, dass im Freiheitsentziehungsverfahren § 16 Abs. 1 FEVG die Erstattung außergerichtlicher Kosten zwar abweichend von § 13 a FGG, jedoch nicht abschließend regelt, da die erstgenannte Vorschrift ihrem Regelungsgehalt nach den Verfahrensgegenstand einer erst im Laufe der Zeit rechtswidrig werdenden Haftanordnung und deren weiteren Vollzuges nicht abdeckt; in diesem Fall tritt die Bedeutung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG in den Vordergrund (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2007 in Sachen I-3 Wx 200/07 m.w.Nachw.).

Wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles erweist sich aber auch die vom Landgericht auf der Grundlage des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG getroffene Kostenentscheidung im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum.

Das Landgericht hat seine Entscheidung zunächst damit begründet, weder unter dem Gesichtspunkt des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG noch wegen eines - dies lässt sich den landgerichtlichen Ausführungen im Gegenschluss entnehmen - nach dem 29. Februar 2008 den beteiligten Behörden unterlaufenen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot, an dem es nämlich gefehlt habe, entspreche die Auferlegung gerichtlicher und außergerichtlicher Kosten auf den Antragsteller der Billigkeit. Dieser Standpunkt kann rechtsfehlerfrei mit den Angaben der Zentralen Ausländerbehörde Köln in ihrer, dem Schreiben des Antragstellers vom 30. April 2008 beigefügten Stellungnahme - dort die Ausführungen zu den Fragen 2 und 3 - begründet werden. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde auch nicht.

Im Zeitraum bis zum 29. Februar 2008 wurde demgegenüber gegen das Beschleunigungsverbot verstoßen. Dies hatte jedoch lediglich zur Folge, dass ein Vorführtermin für den Betroffenen bei dem indischen Generalkonsulat maximal zwei Wochen später, als es möglich gewesen wäre, "beantragt" wurde und auch maximal zwei Wochen später als möglich stattfand. Hingegen war, wie sich im hier gegebenen Fall ausnahmsweise gesichert feststellen lässt, diese Verzögerung für die Haftfortdauer über den 29. Februar 2008 hinaus nicht kausal.

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot führt nur dann zur Rechtswidrigkeit weiterer Haft, wenn dieser Verstoß für die längere Haftdauer auch ursächlich geworden ist. Zwar versteht sich in manchen Fällen diese Kausalität von selbst (beispielsweise, wenn ein Betroffener nach Eintritt der Entlassungsvoraussetzungen zu spät entlassen wird) oder muss von ihr jedenfalls zugunsten des Betroffenen ausgegangen werden, etwa bei Verzögerungen der Beschaffung von Passersatzpapieren, deren Auswirkungen sich zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung noch nicht absehen lassen. In diesen Fällen hat die Feststellung des Verstoßes daher faktisch zugleich die Aufhebung der Haftanordnung zur Folge. Vorliegend aber besteht die Besonderheit, dass sich die weitere Entwicklung des Geschehens bis zu der sechs Tage vor angeordnetem Fristablauf erfolgten Entlassung, d.h. praktisch während der gesamten gerichtlich angeordneten Höchsthaftdauer, beurteilen lässt. Danach steht fest, dass auch eine frühere Durchführung des Vorführtermins beim Generalkonsulat am weiteren Ablauf und damit an der Haftfortdauer nichts geändert hätte, mit anderen Worten der Betroffene auch dann die volle oder nahezu volle Haftzeit hätte absitzen müssen. Denn wenn bei dem tatsächlichen Ablauf am 8. Mai 2008 noch nicht einmal eine Rückmeldung der indischen Innenbehörde beim indischen Generalkonsulat vorlag, kann ausgeschlossen werden, dass im Falle eines "Vorziehens" um 14 Tage bis zum Fristablauf am 14. Mai 2008 eine Abschiebung hätte bewerkstelligt werden können.

Dieser Beurteilung der Ursächlichkeit des Beschleunigungsgebotsverstoßes für die Haftfortdauer lässt sich nicht - wie vom Betroffenen der Sache nach geltend gemacht - entgegenhalten, es sei nicht auf die Erkenntnislage zur Zeit der Entscheidung über den Kostenantrag abzustellen, sondern allein darauf, wie das Erstbeschwerdegericht bei seinem Beschluss vom 26. März 2008 hätte entscheiden müssen. In der Tat hätte das Landgericht seinerzeit, wäre es rechtsfehlerfrei verfahren, den Betroffenen wegen damals zu seinen Gunsten zu unterstellender Kausalität des Beschleunigungsgebotsverstoßes auf freien Fuß setzen müssen. Es ist jedoch nicht geboten, im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG eine derartige fiktive Betrachtung anzustellen und damit von dem Grundsatz abzuweichen, dass das Gericht den Erkenntnisstand zur Zeit seiner (hier: Kosten-) Entscheidung zugrunde zu legen hat. Dies liefe nämlich darauf hinaus, dass ein gerichtlicher Rechtsfehler - hier durch mangelnde Sachverhaltsermittlung - im Wege der Auferlegung der Kosten auf die Gegenseite "sanktioniert" würde. Eine solche Folge ließe sich weder bezüglich der gerichtlichen noch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten rechtfertigen. Was die Gerichtskosten anbelangt, käme allenfalls eine Niederschlagung in Betracht. Deren Voraussetzungen sind jedoch, wie bereits die Begründung des Senatsbeschlusses vom 18. April 2008 und deren Umfang zeigt, hier keinesfalls gegeben.

III.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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