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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.10.2005
Aktenzeichen: I-3 Wx 164/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 16 Abs. 1 Satz 2
Bestimmt die Teilungserklärung, dass die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums aller Wohnungs- bzw. Teileigentümer im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen sind und soll diese Bestimmung auch für die Verteilung der Kosten gelten, die mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden sind, sofern nicht ein anderes Kostenverteilungsverhältnis beschlossen wurde, so ist ein Mehrheitsbeschluss über eine abweichende Kostenverteilung im Zusammenhang mit künftig erforderlich werdenden Terrasseninstandsetzungen mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft nichtig.

Die Öffnungsklausel ist nicht im Wege der Auslegung auf Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung auszuweiten.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 164/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage I. 49, 50, 51, 52, 53 und 54, Düsseldorf,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24. Mai 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht B. und von W.

am 21. Oktober 2005

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten der dritten Instanz.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 3.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Mitglieder der eingangs näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 1 ist.

Unter § 14 Abschnitt 1 der Teilungserklärung vom 21. Februar 1973 ist festgehalten, dass die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums aller Wohnungs- bzw. Teileigentümer und die Kosten der Bewirtschaftung des Objektes von den Wohnungs- bzw. Teileigentümern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen sind. Nach Abschnitt 2 gelten die Bestimmungen des Absatzes 1 auch für die Verteilung der Kosten, die mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden sind, sofern die zuständige Wohnungs- bzw. Teileigentümerversammlung nicht ein anderes Kostenverteilungsverhältnis beschlossen hat.

Nach Abschnitt 5 hat jeder Wohnungs- bzw. Teileigentümer die mit seinem Wohnungseigentum verbundenen Lasten und Kosten allein zu tragen, soweit sie nicht nach Abschnitt 1 bis 4 anders verteilt oder umgelegt werden.

In der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 fassten die Wohnungseigentümer unter TOP 9 b) folgenden Mehrheitsbeschluss:

"Sofern ein Balkon oder eine Terrasse wegen Undichtigkeit saniert werden muß, gilt folgende Kostenregelung: Bei einer Terrassensanierung übernimmt die Gemeinschaft die Kosten für die Sanierung von 23,25 Metern Randfläche. Bei einer Balkonsanierung übernimmt die Gemeinschaft die Kosten der Randsanierung, die maximal 13,75 Meter Randfläche betragen kann. Die Kosten für den laufenden Meter werden wie folgt pauschaliert: 2,9050522 DM multipliziert mit dem aktuellen Bauindex (Bezugsjahr 1985). Die übrigen Kosten trägt der jeweilige Sondereigentümer, dessen Terrasse oder Balkon saniert wird."

Aufgrund dieses Beschlusses wurden in der Folgezeit diverse Terrassensanierungen durchgeführt und abgerechnet.

Einer der Miteigentümer, die E., teilte der Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 18. September 2001 mit, sie sei der Auffassung, dass die Terrassensanierungskosten von der Gemeinschaft insgesamt zu tragen seien, da es sich um Gemeinschaftseigentum handele.

Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin beantragt, die Nichtigkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b) festzustellen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 30. Juni 2004 festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b zur Kostenregelung bei Balkon-/Terrassensanierungen nichtig sei.

Der Amtsrichter hat ausgeführt, dass durch den genannten Beschluss der in der Teilungserklärung festgelegte Schlüssel für die Kosten der Instandsetzung für die Zukunft auf Dauer abgeändert werde. Damit handele es sich um einen vereinbarungsändernden Beschluss im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000.

Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt.

Er hat beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Beschlusses, den Antrag abzuweisen.

Die Kammer hat nach mündlicher Verhandlung am 24. Mai 2005 die Beschwerde zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 1 und 3 bislang nicht entgegen getreten sind.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei nicht begründet. Die Kammer schließe sich zur Begründung den überzeugenden Ausführungen des Amtsrichters an.

Der Mehrheitsbeschluss vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b sei mangels Beschlusskompetenz als gesetzes- bzw. vereinbarungsändernder Mehrheitsbeschluss nichtig.

Gemäß § 14 Abschnitt 1 der Teilungserklärung seien die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Verhältnis der Miteigentumsanteile von den Wohnungs- und Teileigentümern zu tragen. Nach § 14 Abschnitt 2 der Teilungserklärung seien auch die mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums verbundenen Kosten nach Miteigentumsanteilen zu verteilen, sofern die zuständige Wohnungs- bzw. Teileigentümerversammlung nicht ein anderes Kostenverteilungsverhältnis beschlossen hat.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 1994 beinhalte eine Änderung des geltenden Kostenverteilungsschlüssels der Wohnungseigentümergemeinschaft dahingehend, dass bei einer Terrassensanierung die Gemeinschaft die Kosten für die Sanierung von 23,25 m Randfläche übernimmt und bei einer Balkonsanierung von maximal 13,75 m Randfläche. Die übrigen Kosten tragen danach die jeweiligen Sondereigentümer, deren Terrasse oder Balkon saniert wird.

Für einen solchen Beschluss stehe der Eigentümerversammlung grundsätzlich die Beschlusskompetenz nicht zu. Eine Kompetenz der Eigentümerversammlung für einen solchen Beschluss, obwohl er auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet sei, zur mehrheitlichen Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 1 WEG stehe ihr nur zu, wenn diese ihrerseits durch Vereinbarung bzw. die ihr gleichstehende Teilungserklärung begründet worden ist (BGH NJW 2000, 3500, 3502; OLG Hamm, NZM 2003, 803).

Eine solche sogenannte Öffnungsklausel enthalte § 14 Abschnitt 2 der Teilungserklärung für Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten nicht. Bei der Auslegung einer Grundbucheintragung sei auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergebe (BGH, ZMR 2004, 834).

In § 14 Abschnitt 2 der Teilungserklärung werde eine Öffnungsklausel festgelegt, doch bezieht sich diese nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Teilungserklärung nur auf Veränderungen oder Erneuerungen des gemeinschaftlichen Eigentums, und nicht auf Instandhaltung und Instandsetzung. Die Öffnungsklausel sei auch nicht auf die Instandhaltung und Instandsetzung auszuweiten, da in der Teilungserklärung ausdrücklich zwischen Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung und Kosten, die mit einer ordnungsgemäß beschlossenen Veränderung oder Erneuerung verbunden sind, unterschieden werde und für beide unterschiedliche Kostenregelungen in die Teilungserklärung eingefügt worden seien.

Eine über den Sonderfall der Veränderung oder Erneuerung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehende Öffnungsklausel für weitere Bereiche sehe die Teilungserklärung nicht vor. Unter Berücksichtigung des das Grundbuchrecht beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes führe die Auslegung somit nicht zu einer Erweiterung der Öffnungsklausel. Die Öffnungsklausel müsse eindeutig und klar sein. Bei Zweifeln sei eine Öffnungsklausel nicht anzunehmen (vgl. OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2005, 7 ff).

Mangels Beschlusskompetenz verbleibe es daher bei der Nichtigkeit des Beschlusses vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b).

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand. Gesichtspunkte, die darauf hindeuten, dass die Überlegungen der Kammer in dem mit der weiteren Beschwerden angegriffenen Punkt von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern im Sinne des § 27 FGG beeinflusst sein könnten, hat der Rechtsmittelführer nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

a)

aa)

Der Anteil, den der einzelne Wohnungseigentümer an den Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen hat, bestimmt sich in erster Linie nach den im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsquoten (§ 16 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 WEG). Diese Regelung ist abdingbar, wozu es einer Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 WEG bedarf, ein Mehrheitsbeschluss reicht nicht aus. Im Regelungsbereich des § 16 WEG (Kostenverteilung) fehlt der Eigentümergemeinschaft jegliche Beschlusskompetenz (BGH NZM 2000, 1184). Ein Mehrheitsbeschluss ist allerdings möglich, wenn in der Gemeinschaftsordnung eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten ist (vgl. OLG Frankfurt NZM 2001, 140; KG NZM 2001, 959). Auch in diesem Fall muss jedoch für die Änderung durch Mehrheitsbeschluss ein sachlicher Grund gegeben sein und der einzelne Wohnungseigentümer darf gegenüber dem vorherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (OLG Zweibrücken NZM 1999, 1060). Der Umstand allein, dass die gesetzliche Regelung unzweckmäßig ist, genügt nicht, um von ihr abzuweichen, auch nicht die hypothetische Erwägung, dass die Wohnungseigentümer oder der teilende Eigentümer, wenn sie den Fall bedacht hätten, ihn anders geregelt haben würden (Weitnauer-Gottschalg WEG 9. Auflage 2005, § 16 Rdz. 19).

bb)

Beschlüsse der Wohnungseigentümer wie im Grundbuch eingetragene Regelungen der Gemeinschaftsordnung sind "aus sich heraus" objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt (BGH NJW 1998, 3713 (3714). Maßgebend sind dabei der Wortlaut und die Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für Jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Eigentümerbeschlüsse sind auch einer ergänzenden Auslegung zugänglich (BayObLG WE 1994, 154). Die Grundsätze der ergänzenden Auslegung greifen aber nur ein, wenn im Wege der normativen Auslegung zunächst festgestellt wird, dass der Beschluss einen regelungsbedürftigen Punkt nicht regelt, das heißt eine Regelungslücke aufweist (Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Auflage 2003 § 23 Rdz. 55). Im gerichtlichen Verfahren nach § 43 WEG obliegt die Auslegung von Beschlüssen dem Tatrichter, der zunächst die für die Auslegung relevanten Tatsachen zu ermitteln hat, bevor er sie im Wege der Auslegung rechtlich würdigen kann. Das Rechtsbeschwerdegericht kann aber jedenfalls solche Beschlüsse uneingeschränkt selbst auslegen, die als Dauerregelung auch für den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers gelten sollen (BGH NJW 1998, 3713, 3714). Soweit ein Beschluss - objektiv und normativ - "aus sich heraus" auszulegen ist, und nur für Jedermann erkennbare Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses herangezogen werden dürfen, stehen die für die Auslegung relevanten Umstände von vornherein fest. Auch in diesem Fall besteht deshalb kein Grund, die Auslegung als rechtliche Würdigung dem Tatrichter vorzubehalten (BGH a.a.O.; Bärmann/Pick/Merle a.a.O. § 23 Rdz. 57).

b)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Kammer - ohne dass ihr hierbei ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen ist - die Nichtigkeit der Beschlussfassung zu TOP 9 b angenommen.

aa)

Es mag offen bleiben, ob die Nichtigkeitsfolge im Falle der von dem Beschwerdeführer befürworteten Interpretation der Beschlussqualität überhaupt entfiele. Denn insbesondere der Fassung des Eigentümerbeschlusses vom 12. Dezember 1994 zu TOP 9 b lässt sich nicht die von den Beschwerdeführern favorisierte, keineswegs zwingende Bedeutung im Sinne einer Bestätigung bzw. Klarstellung früherer Beschlüsse über die Behebung von - anfänglichen - Baumängeln und die Verteilung dieser Kosten entnehmen. Die Formulierung eingangs des letztgenannten Beschlusses ("Der Verwalter erklärt die aufgrund der gefassten Versammlungsbeschlüsse durchgeführte bisherige Kostenregelung bei Terrassen- und Balkonsanierungen und bittet zur Klarheit um entsprechende Beschlussfassung.") belegt dies nicht hinreichend. Insbesondere findet sich kein Anhalt für eine Bezugnahme auf eine bereits auf dem Beschlusswege (?) rechtswirksam (?) zuvor getroffene Kostenregelung und deutet nichts auf eine Einzelfallregelung hin. Aufklärungsansätze, denen die Kammer nach dem von ihr zu bewertenden Sachstand mit Blick auf § 12 FGG hätte nachgehen müssen, sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.

bb)

Auch kann § 14 Abschnitt 2 der Teilungserklärung bei verständiger Würdigung nur im Sinne der rechtsfehlerfrei entwickelten landgerichtlichen Auslegung verstanden werden, der sich der Senat anschließt. Demnach bezieht sich die Öffnungsklausel nur auf Veränderungen und Erneuerungen und nicht auf Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung und ist auch nicht auf solche auszuweiten.

Das Beschwerdevorbringen in dritter Instanz hat Auslegungsdefizite der landgerichtlichen Entscheidung insoweit nicht aufgezeigt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es bestand kein Anlass, dem Beteiligten zu 2 außergerichtliche Kosten der Beteiligten zu 1 und 3 aufzuerlegen, zumal diese sich nicht am Verfahren in dritter Instanz beteiligt haben.

Ende der Entscheidung

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