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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 185/04
Rechtsgebiete: WEG, BGB, FGG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
FGG § 27
1. Unter die in der Teilungserklärung festgelegte Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, Glasschäden an Fenstern und Türen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zu beheben, kann auch die Auswechslung "blind gewordener" Scheiben in rundum (Seiten- und Dachbereich) verglasten Dachgauben fallen.

2. Die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen ohne Dauerregelung ist Sache des Tatrichters.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 185/04

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. März 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L. und des Richters am Oberlandesgericht Dr. S. am 9. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2. tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 9.000 €.

Gründe:

I.

Die o.a. Wohnungseigentumsanlage bestand zunächst aus vier Wohnungen und die Gemeinschaft aus vier Mitgliedern. In der Teilungserklärung vom 31.03.1980 war unter Ziff. 3 folgendes geregelt:

Die Behebung von Glasschäden an Fenstern und Türen im räumlichen Bereich des Sondereigentums, auch wenn sie zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, obliegt ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens dem Wohnungseigentümer. Die rechtzeitige Vornahme von Schönheitsreparaturen ist Sache des Wohnungseigentümers.

Im Jahre 1982 wurden im Dachgeschoss des Hauses von der Eigentümergemeinschaft zwei weitere Wohnungen errichtet und zwei neue Wohnungseigentumseinheiten gebildet. Zu diesem Zweck wurde die Teilungserklärung entsprechend geändert. Für die neuen "Maisonette-Wohnungen" im Dachgeschoss wurden Dachgauben errichtet, die aus einer zweistöckigen Rahmenkonstruktion mit jeweils 36 Glasscheiben erstellt wurden.

In der Versammlung vom 19.04.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig unter den Tagesordnungspunkten 1 - 5 folgende Sanierungsarbeiten an den Dachgauben an die jeweils günstigsten Anbieter zu vergeben:

1. Gerüst

2. Austausch beschädigter Scheiben z.Zt. 5 Stück durch einen Glaser

3. Neuanstrich des Holzes der beiden Dachgauben

4. Abdeckung der stark der Witterung ausgesetzten Hölzer durch Zinkverkleidungen (Dachschrägen und Fenstersimse) damit der Anstrich nicht alle drei Jahre nötig wird

5. Reinigung durch einen Fensterputzer

Bei Beginn dieser Arbeiten im Sommer 2002 stellte sich heraus, dass insgesamt 14 Scheiben beschädigt waren. Die Beteiligte zu 3. teilte dies den Miteigentümern mit und veranlasste das Auswechseln aller defekten Glaselemente, nachdem seitens der Wohnungseigentümer kein Widerspruch erfolgte. Mit Schreiben vom 29.08.2002 teilte die Beteiligte zu 3. den übrigen Wohnungseigentümern mit, die vorhandenen Rücklagen in Höhe von rund 10.000 € reichten für die entstandenen Reparaturkosten betreffend die Dachgauben nicht aus, so dass eine Sonderumlage in Höhe von 5.350 € erforderlich sei.

Am 02.11.2002 fand eine weitere Eigentümerversammlung statt, in der die Wohnungseigentümer unter TOP 5 mehrheitlich die erfolgte Auftragsvergabe an den Glaser zum Ersatz aller defekten Glasscheiben in den Dachgauben sowie die im Schreiben vom 29.08.2002 errechnete Sonderumlage nachträglich billigten.

Die Beteiligte zu 1. hat mit am 02.12.2002 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten unter Berufung auf die in § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung getroffenen Regelung beantragt, den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 02.11.2002 zu TOP 5 für ungültig zu erklären. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass ausschließlich die Eigentümer der Dachgeschosswohnungen im Haus S. 11 in Düsseldorf verpflichtet sind, die Kosten für Instandsetzungsarbeiten an beschädigten Glasscheiben im Bereich der Dachgauben und für den Austausch dort vorhandener Glasscheiben zu tragen.

Das Amtsgericht hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, der Beschlussfassung vom 02.11.2002 komme lediglich eine bestätigende Wirkung zu, die das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung entfallen lasse, weil bereits in der Versammlung vom 19.04.2002 der Austausch aller beschädigten Glasscheiben auf Kosten der Gemeinschaft beschlossen worden sei und der darüber hinausgehende Beschlussinhalt (Erhebung einer Sonderumlage) ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Auch für den Feststellungsantrag sei ein Rechtsschutzinteresse nicht gegeben.

Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert. Es hat den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 02.11.2002 zu TOP 5 für ungültig erklärt und festgestellt, dass den jeweiligen Wohnungseigentümern der Dachgeschosswohnungen die Behebung von Glasschäden an den Dachgauben obliegt und diese die damit verbundenen Kosten zu tragen haben.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich die Beteiligten zu 2. und 3. mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie sind der Auffassung, bei den Glasscheiben in den Dachgauben handele es sich nicht um "Fenster" sondern um die Außenfassade bzw. das Dach der Wohnungseigentumsanlage. Abgesehen davon, dass von den jeweils 36 Glasscheiben in den Dachgauben nur vier zu öffnen seien, ersetzten die seitlichen Glasscheiben lediglich das ansonsten bei Dachgauben übliche Mauerwerk und die in der Schräge eingebauten Scheiben das ansonsten erforderliche Dach. Bei der Errichtung der Teilungserklärung im Jahre 1980 sei an die Verwendung von Glas als Fassaden bzw. Dachmaterial nicht gedacht worden. Nach der Entscheidung des Landgerichts würden allein die Sondereigentümer der Dachgeschosswohnungen mit einem unverhältnismäßig hohen Witterungsrisiko belastet, das prinzipiell alle Miteigentümer zu tragen hätten. Im übrigen seien die Schäden an den Glasscheiben unstreitig nicht auf mechanische Einwirkung zurückzuführen und kein "Glasbruch" sondern durch Eindringen feuchtigkeitsgeschwängerter Luft seien die Scheiben lediglich blind geworden.

Die Beteiligte zu 1. ist dem Rechtsmittel entgegen getreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, der Beschluss vom 02.11.2002 zu TOP 5 sei mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) nicht vereinbar und deshalb für ungültig zu erklären. Er widerspreche der in § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung getroffenen Regelung, wonach die Behebung von Glasschäden an Fenstern und Türen im räumlichen Bereich des Sondereigentums, auch wenn sie zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens dem Wohnungseigentümer obliegt. Diese Bestimmung enthalte sogleich die Verpflichtung des jeweiligen Wohnungseigentümers, die Kosten solcher Instandsetzungsarbeiten zu tragen. Das gelte hier auch für die beiden Dachgeschosswohnungen. Die innerhalb der Dachgauben befindlichen Glasscheiben seien Fenster und würden deshalb von § 7 der Teilungserklärung erfasst. Die durch Quer- und Längsverstrebungen getrennten Glasscheiben der Dachgauben hätten die Funktion von Fenstern, nämlich Licht in einen geschlossenen Raum dringen zu lassen. Dass sie zugleich auch insgesamt das Dach bzw. die Außenwand der jeweiligen Dachgauben bildeten, ändere daran nichts.

Die übrigen Wohnungseigentümer seien allerdings verpflichtet, die anteiligen Kosten für den Austausch von 5 Scheiben in den Dachgeschosswohnungen mitzutragen. Dies ergebe sich aus dem Beschluss vom 19.04.2002. Dieser Beschluss begründe aber keine Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer, auch die Kosten evtl. später auftretender weiterer Glasschäden in den Dachgauben mit zu tragen.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelung in § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung nicht nur die Verpflichtung des betreffenden Wohnungseigentümers zur "Vornahme" bzw. "Durchführung" von Instandsetzungsarbeiten wegen eingetretener Glasschäden, sondern auch die Verpflichtung zur Übernahme der dadurch entstehenden Kosten enthält (vgl. OLG Düsseldorf NZM 1999, 277; BayObLG WUM 1995, 326).

b) Ohne Rechtsfehler hat die Kammer auch angenommen, die in § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung getroffene Regelung gelte auch für die "neuen" Dachgeschosswohnungen. Das Landgericht hat - entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. und 3. - den Begriff des Fensters nicht verkannt. Das Vorbringen in der weiteren Beschwerde, hier liege nicht etwa nur eine verglaste Öffnung der im übrigen aus undurchsichtigem Material erstellten Außenfassade des Hauses vor, sondern eine große verglaste Fläche, welche die Außenfassade des Hausobjektes selbst darstelle, hindert die Anwendung des § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung auf die "verglasten" Dachgauben nicht. Es kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, dass die "Verglasung" der Dachgauben ebenso wie die Verglasung der in den übrigen Geschossen vorhandenen Fenster der notwendigen "Belichtung" der dahinter liegenden bzw. darüber liegenden Räume dient. Der Beteiligte zu 2c) hat bereits im Schreiben vom 03.03.2003 an das Amtsgericht (Bl. 55 d.A.) darauf hingewiesen, die anstelle der ursprünglich vorhandenen Dachgauben geplanten beiden "gläsernen" zweistöckigen Dachgauben sollten die im Maisonette-Stil zu errichtenden Dachwohnungen "in ihrer jeweils zweiten Etage straßenseitig mit direktem Tageslicht versorgen". Auch im Schreiben vom 24.05.2004 hat er diese Erklärung wiederholt und angegeben, "die Zweigeschossigkeit der Dachgauben habe den Sinn, die im Maisonette-Stil ausgebauten Dachgeschosswohnungen auch auf ihre obersten Ebene straßenseitig mit Tageslicht zu versorgen".

Das lassen auch die bei den Akten befindlichen Fotos (Bl. 46 und 48 d.A.) deutlich erkennen. Ohne die an den Seiten der Dachgauben senkrecht und die in den Schrägen der Gauben eingebauten Scheiben wäre die "oberen Geschosse" der Maisonette-Wohnungen mangels Lichtzufuhr nur "dunkle Löcher". Wären die Dachgauben - wie es früher üblich war - nur an der Vorderseite mit Glasscheiben versehen, wären insoweit großflächige Dachfenster (Veluxfenster o.ä.) notwendig gewesen, um die Wohnungen überhaupt nutzbar zu machen. Dass der Einbau großer verglaster Flächen im Fassaden- oder Dachbereich von Gebäuden auch als architektonisches Gestaltungselement dient, ändert nichts daran, dass diese Flächen als "Fenster" einzuordnen sind, wenn sie in erster Linie der Lichtzufuhr für die dahinter liegenden Räume dienen.

Dass es sich bei den Schäden an den Glasscheiben nicht um "Glasbruch" handelt, ist unerheblich, denn unter "Glasschaden" ist auch das Trüb- oder Blindwerden von Isolierglas zu verstehen (vgl. BayObLG WUM 1995, 326; 2000, 560).

c) Die Entscheidung des Landgerichts weist auch keinen Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 19.04.2002 dahin ausgelegt hat, dass lediglich für die dort genannten 5 Glasscheiben eine Verpflichtung aller Wohnungseigentümer begründet worden ist, die Kosten der Beseitigung der Schäden mitzutragen.

Die Auslegung von Wohnungseigentümerbeschlüssen ist Sache des Tatrichters (vgl. BayObLG ZMR 1998, 643, 644; OLG Düsseldorf FG-Prax 1995, 192; KG ZMR 1996, 279). Das gilt auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, dass das Rechtsbeschwerdegericht jedenfalls solche Beschlüsse uneingeschränkt selbst auslegen kann, die als Dauerregelung auch für Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers gelten sollten (BGH NJW 1998, 3000, 713, 3714; BayObLG ZWE 2000, 305, 306).

Soll der Beschluss der Wohnungseigentümer nur einen abgeschlossenen Einzelfall - wie hier die Sanierungskosten von den Dachgauben - regeln, also gerade keine für die Zukunft bedeutsamen Dauerregelung treffen, so kann das Rechtsmittelgericht die Auslegung des Tatrichters nur eingeschränkt auf Rechtsfehler überprüfen.

Die Auslegung des Wohnungseigentümerbeschlusses durch das Landgericht enthält keinen Rechtsfehler. Es kann dahinstehen, ob die vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkte zwingend dafür sprechen, dass nur bezüglich der 5 bereits beschädigten Glasscheiben eine Kostenregelung getroffen worden ist. Dies ist nämlich nicht erforderlich, es genügt, dass die Auslegung des Landgerichts möglich ist. Das ist hier der Fall. Die Auslegung verstößt weder gegen den klaren Sinn des Wohnungseigentümerbeschlusses noch gegen Denk- und Erfahrungssätze. Das Landgericht hat auch alle in Betracht kommenden Gesichtspunkte gewürdigt. Seine Auslegung ist zudem nicht nur möglich, sondern auch naheliegend. Dass die Wohnungseigentümer trotz des Wortlautes des § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung bei der Gesamtsanierung der Dachgauben die Kosten der 5 beschädigten Scheiben mit den übrigen Kosten zusammen auf die Wohnungseigentümer insgesamt verteilen wollten, erscheint angesichts des geringen Umfangs dieser Position verständlich und nachvollziehbar. Dafür, dass sie sich aber auch für alle bis zur späteren Durchführung der Arbeiten, deren Beginn noch nicht feststand, weiter entstehenden Beschädigungen an den Glasscheiben ebenfalls mit verpflichten wollten, ist angesichts des insoweit nicht überschaubaren Kostenrisikos wenig naheliegend.

3.

Das Landgericht hat auch zu Recht dem Feststellungsbegehren der Beteiligten zu 1. entsprochen. An dem Feststellungsinteresse der Beteiligten zu 1. an der begehrten Feststellung besteht angesichts der Rechtsauffassung der Beteiligten zu 2. und 3. hinsichtlich der Bedeutung des § 7 Ziff. 3 der Teilungserklärung und der dadurch bedingten Rechtsunsicherheit bezüglich der Kostentragung bei Glasschäden an den Dachgauben kein Zweifel.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beteiligten zu 2. die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen. Für die Anordnung der Erstattung auch außergerichtlicher Kosten bestand kein Anlass.



Ende der Entscheidung

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