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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 190/04
Rechtsgebiete: WEG, ErbbauVO


Vorschriften:

WEG § 30 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
ErbbauVO § 1 Abs. 2
Der Wohnungserbbauberechtigte ist - ebenso wie ein Wohnungseigentümer - im Verhältnis zu den Mitberechtigten ohne deren Zustimmung zu beeinträchtigenden baulichen Umgestaltungen der gemeinschaftlichen Grundstücksfläche (Erbbaurechtsfläche) nicht befugt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 190/04

In der Wohnungserbbaurechtssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 09.06.2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L. und des Richters am Oberlandesgericht von W-L. am 30. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in den Vorinstanzen angeordnete Erstattung außergerichtlicher Kosten entfällt.

Die Gerichtskosten des dritten Rechtszuges trägt der Antragsgegner. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet auch in dieser Instanz nicht statt.

Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder einer Gemeinschaft von Wohnungserbbauberechtigten. Nach Teil I § 2 und Teil II § 5 des Erbbaurechtsvertrages vom 27.04.1984 erstreckt sich das Mitbenutzungsrecht der Erbbauberechtigten auch auf die gemeinschaftlichen Erbbaugrundstücksflächen. Hierzu heißt es in Teil II § 5 Nr. 7:

"Für die Nutzung des Grundstücks gelten insbesondere nachstehende Regelungen:

Die in der Anlage 1 blau angelegte Fläche reicht von der Grenze zur F. bis 1,5 m hinter die Anbauten. Diese Fläche ist ausschließlich der gemeinsamen Nutzung vorbehalten. Die übrige Fläche, welche in der Anlage 1 grün angelegt ist, wird in der Weise aufgeteilt, dass zu jedem Miterbbaurechtsanteil ein diesem Anteil entsprechender Teil an der grün angelegten Fläche zugeordnet wird. Dabei wird jedem Miterbbaurechtsanteil der Grundstücksteil zugeordnet, der sich unmittelbar vor bzw. hinter oder neben dem jeweiligen Sondereigentum befindet."

Mit Schreiben vom 01.07.2003 beanstandete die Verwalterin, dass der Antragsgegner auf dem Innenhof ein Betonfundament gesetzt habe und forderte ihn auf, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Der Antragsgegner hatte ferner damit begonnen, im hinteren Gartenbereich einen schulterhohen Holzlamellenzaun zu errichten. Wegen der von dem Antragsgegner vorgenommenen Veränderungen wird auf die Fotos Bl. 43, 67 - 75 d.A. verwiesen.

In der Eigentümerversammlung vom 17.09.2003 wurde zu TOP 3 mehrheitlich folgender Beschluss gefasst, der nicht angefochten worden ist:

"Das Gartengrundstück hinter den Häusern F. 4 - 4a wird mittig geteilt und steht den Eigentümern K. und H. zur Sondernutzung zur Verfügung.

Die Hoffläche muss durch Herrn K. wiederhergestellt werden, die Hofsenke muss ebenfalls wiederhergestellt werden und an die Entwässerung angeschlossen werden.

Der Hof muss von Arbeitsmaterial und Privatgegenständen freigehalten werden. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Abzäunung nicht erlaubt ist."

Im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller den Antragsgegner auf Beseitigung der baulichen Veränderungen und Wiederherstellung des früheren Zustandes in Anspruch genommen. Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, er sei als Erbbauberechtigter berechtigt, die Terrasse zu ändern, weil Interessen des Grundstückseigentümers und der Miterbbauberechtigten hierdurch nicht berührt wurden. Gleiches gelte für die von ihm geschaffene Einfriedigung mittels eines Zaunes.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 17.02.2004 verpflichtet

a) das auf der Hoffläche hinter den Häusern F. 4 und 4 a in Duisburg vom Beteiligten zu 4) eingebrachte Betonfundament fachgerecht zu beseitigen und alsdann die Plattierung mit Bodenplatten derselben Art und Güte und im selben Höhenniveau wieder herzustellen, wie sie bereits hinter dem Haus F. 4 vorhanden ist,

b) den innerhalb des Gartenbereichs hinter den unter a) bezeichneten Häusern gesetzten, jenen Gartenbereich teilenden Zaun fachgerecht zu entfernen.

Zugleich ist angeordnet worden, dass der Antragsgegner die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten hat.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist durch Beschluss des Landgerichts vom 09.06.2004, mit der Begründung, die Verpflichtung des Antragsgegners ergebe sich schon aus dem bestandskräftigen Beschluss der Miterbbauberechtigten vom 17.09.2003, ohne dass es auf die Frage einer baulichen Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG ankomme, zurückgewiesen worden. Das Landgericht hat ebenfalls die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller angeordnet. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners, der die Antragsteller entgegengetreten sind.

Im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 43, 45 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässig, aber nicht begründet. Die auf zulässige Erstbeschwerde ergangene Entscheidung des Landgerichts hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§§ 27 FGG, 561 ZPO).

Die Vorinstanzen haben den Antragsgegner mit Recht verpflichtet, die baulichen Veränderungen im Bereich der Hoffläche rückgängig zu machen und den eigenmächtig gesetzten Trennzaun im Gartenbereich zu entfernen. Diese Verpflichtung ergibt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht bereits aus dem Eigentümerbeschluss vom 17.09.2003 (Bl. 41 d.A.), wohl aber aus §§ 30 Abs. 3 Satz 2, 22 Abs. 1, 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB.

1. Auf den unangefochten gebliebenen Eigentümerbeschluss vom 17.09.2003 kann die Beseitigungspflicht nicht gestützt werden, weil dieser Beschluss nichtig ist und deshalb auch nicht in Bestandskraft erwachsen konnte. Das Landgericht hat verkannt, dass der Eigentümerbeschluss zu TOP 3 im wesentlichen die Begründung und Abgrenzung von Sondernutzungsflächen im Gartenbereich zum Inhalt hatte. Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.09.2000 (NJW 2000, 3500 = MZM 2000, 1184) ist jedoch anerkannt, dass Sondernutzungsrechte nicht durch Eigentümerbeschluss begründet oder verändert werden können, sondern dass es hierzu einer neuen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer bedarf, die hier nicht vorliegt. Da die Regelung der Sondernutzung im Vordergrund der Beschlussfassung steht, ist der gesamte Beschluss zu TOP 3 entsprechend § 139 BGB nichtig, also auch insoweit, als Beseitigungs- und Rückbauverpflichtungen des Antragsgegners bestimmt worden sind.

2. Die angeordnete Beseitigungs- und Wiederherstellungsverpflichtung des Antragsgegners ist jedoch gerechtfertigt, weil er ohne Zustimmung der übrigen Wohnungserbbauberechtigten bauliche Veränderungen auf der gemeinschaftlichen Erbbaurechtsfläche vorgenommen hat, die zu Beeinträchtigungen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus führen und deshalb nicht zu dulden sind.

Insofern kommt es nicht auf die Rechtsbeziehungen des Antragsgegners zu der Stadt Duisburg als Grundstückseigentümerin und Begründerin der Wohnungserbbaurechte, sondern allein auf das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungserbbauberechtigten an, das sich nach den Vorschriften des WEG bestimmt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 WEG). In diesem internen Verhältnis bestimmt sich die Befugnis des Antragsgegners zu baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums (Erbbaurechts) nach den §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG.

3. Auf ein Sondernutzungsrecht an der Hof- und/oder Gartenfläche kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg berufen. Nach Teil II § 5 Nr. 7 des Erbbaurechtsvertrages (Bl. 26 d. Beiakte) ist die blau markierte Hoffläche im Bereich der Anbauten ohnehin der gemeinsamen Nutzung vorbehalten. An der übrigen grün bezeichneten Gartenfläche sollten zwar Sondernutzungsrechte begründet werden. Eine inhaltlich hinreichend bestimmte Vereinbarung ist jedoch der Regelung in § 5 Nr. 7 nicht zu entnehmen. Dies bestätigt der Antragsgegner in seiner weiteren Beschwerdebegründung vom 28.06.2004, in der er verschiedene Alternativen der Abgrenzung der zur Sondernutzung vorgesehenen Flächen aufzeigt. Selbst wenn dem Antragsgegner aber eine bestimmte Gartenfläche zur Sondernutzung rechtswirksam zugewiesen wäre, wäre damit nicht automatisch die Gestattung der Vornahme baulicher Veränderungen verbunden (vgl. OLG Köln NZM 2002, 458).

4. Die Antragsteller brauchen die von dem Antragsgegner vorgenommenen baulichen Veränderungen nicht zu dulden, weil diese objektiv zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Die Umgestaltung der Hoffläche verändert durch die entstandene Stufe das früher einheitliche Erscheinungsbild, ist - insbesondere bei Dunkelheit - mit Stolpergefahren verbunden (vgl. Foto Bl. 43 d.A.) und verändert insbesondere durch die Versiegelung der vorher unstreitig vorhandenen Hofsenke den Wasserabfluss zum Nachteil des Wohnungsnachbarn.

Der Holzflechtzaun im Gartenbereich (vgl. Fotos Bl. 43, 67 d.A.) zerstört den zuvor einheitlichen Charakter des ohnehin relativ kleinen Gesamtgrundstücks und vermittelt den Eindruck einer optisch ungünstigen "Absperrung". Insofern kann sich der Antragsgegner weder darauf berufen, auch andere Wohnungserbbauberechtigte hätten bauliche Veränderungsmaßnahmen getroffen - eine "Aufrechnung" unzulässiger baulicher Veränderungen findet nicht statt - noch kommt es darauf an, ob Vorschriften des Nachbarrechts die Aufstellung eines derartigen Zauns im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer erlauben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der unterliegende Antragsgegner die Gerichtskosten sämtlicher Instanzen zu tragen hat. Dagegen entspricht die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller nicht der Billigkeit, da wegen der Besonderheiten des Wohnungserbbaurechts komplexe Rechtsbeziehungen zu beurteilen sind und die Begründung der Vorinstanzen voneinander abweicht. Daher waren die Erstattungsanordnungen der Vorinstanzen aufzuheben. Auch für den dritten Rechtszug verbleibt es bei dem Grundsatz, dass in Wohnungseigentumssachen jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.



Ende der Entscheidung

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