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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.07.2003
Aktenzeichen: I-3 Wx 203/03
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 19
BGB § 880 Abs. 2 Satz 1
BGB § 881
Eine nach ihrem Inhalt und Umfang sowie einer Gesamtwürdigung des maßgeblichen Urkundeninhalts am Ziel der Finanzierung und des Grundbuchvollzuges eines Grundstückskaufvertrages orientierte, die Bestellung von Dienstbarkeiten einschließende Vollmachtgewährung an Mitarbeiter des Notars legt die Auslegung nahe, dass sämtliche auf das angestrebte Ziel gerichtete "Vollzugsmaßnahmen" im Rahmen der Zweckmäßigkeit bzw. Dienlichkeit von der Vollmacht erfasst werden sollten; Letzteres gilt auch hinsichtlich der für den grundbuchlichen Vollzug nachträglicher Rangrücktritte von Grundpfandrechten gegenüber einer Dienstbarkeit erforderlichen Erklärungen in der Form des § 29 GBO.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 203/03

In dem Verfahren

betreffend den im Grundbuch von G, Blatt X1, eingetragenen Grundbesitz, G, Flur X, Flurstück X, Gebäude- und Freifläche, B 19, groß: 152 qm, nebst den zugeschriebenen Miteigentumsanteilen,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. H, der Richterin am Oberlandesgericht T und des Richters am Oberlandesgericht W

am 28. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und die zugrunde liegenden Zwischenverfügungen des Amtsgerichts - Grundbuchamt - vom 31. Januar und 17. April 2003 werden aufgehoben.

Die Rechtspflegerin - Grundbuchbeamtin - wird angewiesen, von den in ihren vorbezeichneten Zwischenverfügungen erhobenen Bedenken gegen die beantragten Rangrücktritte Abstand zu nehmen.

Der Wert wird zugleich auch für das Beschwerdeverfahren - insoweit unter Änderung der landgerichtlichen Festsetzung - auf 2.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der eingangs bezeichnete Grundbesitz gehört zu einem größeren Bauvorhaben zur Errichtung von Einfamilienhäusern. Im Vorfeld der Bebauung und der Veräußerung der einzelnen Grundstücke ließ die damalige Eigentümerin, die H GmbH, eine Grundlagenurkunde zu dem Bauprojekt verfassen, in der die Einzelheiten zu dem Gesamtbauprojekt geregelt wurden (Urkunde des Notars T, X, vom 23. März 1999, Urkundenrollen-Nr. x/). Unter Punkt IX. dieser Urkunde wurden Einzelheiten zur Regelung der Abwasserableitung festgelegt. Danach erfolgt der Anschluss der Reiheneigenheime und Garagen an den öffentlichen Kanal ganz oder zum Teil über Leitungen bzw. Sammelleitungen, welche über private Grundstücksflächen von Mitgliedern des Wohnparks laufen. Nach IX. 6. soll die Inanspruchnahme fremder Grundstücke durch Grunddienstbarkeiten gesichert werden.

Gemäß XII. wird die nach der Urkunde vorgesehenen Grunddienstbarkeiten der Verkäufer bestellen. Darüber hinaus behält dieser sich das Recht vor, jederzeit weitere Gemäß XII. wird die nach der Urkunde vorgesehenen Grunddienstbarkeiten der Verkäufer bestellen. Darüber hinaus behält dieser sich das Recht vor, jederzeit weitere Dienstbarkeiten oder Baulasten zu bestellen, soweit solche Rechte zur Sicherstellung der Erschließung und/oder zur Regelung nachbarrechtlicher Verhältnisse innerhalb des Baugebiets notwendig oder auch nur zweckmäßig sind.

Mit Kaufvertrag vom 23. April 1999 (Urkunde des Notars Schmidt, Wuppertal, zu Urkundenrollen-Nr. 605/1999) erwarben die Beteiligten zu 1 den eingangs genannten Grundbesitz. § 13 Abs. 1 b der Urkunde lautet:

"Der Käufer bevollmächtigt hiermit den Verkäufer und beide Vertragsteile ermächtigen zugleich die in § 6 Abs. 2 näher bezeichneten Personen in dem dort angegebenen Umfang, mit dem Recht auf Erteilung von Untervollmacht zu folgenden Handlungen:

...

"b) nach näherer Maßnahme der oben genannten Grundlagenurkunde Dienstbarkeiten oder Baulasten zur Eintragung zu bringen, die bei dem Gesamtbauvorhaben zur Sicherung von nachbarrechtlichen Verhältnissen, insbesondere von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen dienen. Den Inhalt bestimmt der Verkäufer nach § 315 BGB, ..."

In Abs. 6 der Vorbemerkung des Vertrages war auf die Grundlagenurkunde vom 23. März 1999 (Urkundenrollen-Nr. 404/1999) verwiesen worden.

Am 01. Oktober 1999 wurde in Abteilung III des Grundbuchs von V Blatt 12836 unter laufender Nr. 3 eine Grundschuld in Höhe von 338.000,- DM nebst Zinsen für die Beteiligte zu 2 eingetragen.

Am 29. Juni 2000 wurde in der Abteilung III unter laufender Nr. 4 eine Hypothek in Höhe von 100.400,- DM nebst Zinsen zugunsten der Beteiligten zu 3 eingetragen.

Am 11. März 2002 wurde in Abteilung II unter laufender Nr. 2 eine Grunddienstbarkeit - Duldung der Mitbenutzung von Abwasseranlagen - für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung V, Flur 50, Flurstück 2421 zur Zeit eingetragen in V Blatt 12811 eingetragen.

Ende des Jahres 2002 erklärten die Beteiligten zu 2 und 3 jeweils, dass sie dem in Abteilung II Nr. 2 eingetragenen Recht den Vorrang vor den zu ihren Gunsten in Abteilung III eingetragenen soeben genannten Rechten einräumen.

Unter dem 21. Januar 2003 beantragten die Beteiligten zu 1 die Eintragung der Rangrücktritte der Grundpfandrechte Abteilung III Nr. 3 und 4 hinter das Recht Abteilung II Nr. 2.

Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - hat mit Zwischenverfügung vom 31. Januar 2003 beanstandet, dass zur Eintragung noch die Zustimmung der Beteiligten zu 1 zum Rangrücktritt in öffentlich beglaubigter Form gemäß § 29 GBO fehle und eine Monatsfrist für die Behebung des Mangels gesetzt.

Mit Urkunde des die Beschwerdeführer vertretenden Notars vom 09. April 2003 (Urkundenrollennummer 362/2003) erklärte eine Mitarbeiterin des Notars in Vertretung der Beteiligten zu 1 die Zustimmung zu den vorgesehenen Rangänderungen.

Die Beteiligten zu 1 haben die Auffassung vertreten, dass die Mitarbeiterin des Notars aufgrund der in § 13 1 b des Kaufvertrages eingeräumten Vollmacht die Zustimmung habe erteilen dürfen.

Mit Zwischenverfügung vom 17. April 2003 hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin -weiterhin die Zustimmung der eingetragenen Grundstückseigentümer in öffentlich beglaubigter Form verlangt.

Die gegen die Zwischenverfügungen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2003 zurückgewiesen und zugleich die in den Zwischenverfügungen gesetzten Fristen bis zum 31. Juli 2003 verlängert.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu1 ihr ursprüngliches Begehren weiter.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 71 Abs. 1, 78, 80 Abs. 1 GBO zulässige weitere Beschwerde ist begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

1.

Die Kammer hat ausgeführt: Zurecht beanstande das Grundbuchamt die fehlenden Zustimmungserklärungen der Beteiligten zu 1. in öffentlich beglaubigter Form bzw. die durch die Mitarbeiterin des Notars zu Urkundenrollen-Nr. x2 abgegebene Zustimmungserklärung als nicht von der Vollmacht der Eigentümer gedeckt. Gemäß § 880 Abs. 2 Satz 1 BGB sei zu einer Rangänderung die Einigung des zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten und die Eintragung der Änderung in das Grundbuch erforderlich. Solle eine Hypothek, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld zurücktreten, so sei außerdem die Zustimmung des Eigentümers erforderlich (§ 880 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Beteiligten zu 1 hätten selbst ihre Zustimmung nicht in der gemäß § 29 GBO erforderlichen Form erklärt. Die durch die Mitarbeiterin des Notars in angeblicher Vollmacht der Beteiligten zu 1 abgegebene Zustimmungserklärung vom 09. April 2003 sei nicht durch die Vollmacht in § 13 Abs. 1 b des Kaufvertrages gedeckt und könne mithin nicht zur Eintragung der Rangänderung führen. Durch einen Vertreter abgegebene Eintragungsbewilligungen habe das Grundbuchamt im Hinblick auf Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht als Grundbucherklärungen auszulegen. Der ausdrückliche Wortlaut des § 13 Abs. 1 b des Kaufvertrages nenne den Fall einer nachträglichen Rangänderung von bereits eingetragenen Grunddienstbarkeiten nicht. Auch im Wege der Auslegung könne der Fall einer nachträglichen Rangänderung der bereits eingetragenen Grunddienstbarkeit nicht unter die Vertragsklausel gefasst werden. Es handele sich hierbei im Vergleich zur Eintragung selbst nämlich nicht um ein Minus, sondern um ein Aliud und erfordere deshalb eine gesonderte Vollmacht.

2.

Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das in den Zwischenverfügungen angenommene Eintragungshindernis (vgl. BayObLG MittRhNotK 1996, 218, 219). Hier machen die Vorinstanzen die begehrte Eintragung der Rangrücktritte der in Abteilung III Nr. 3 und 4 eingetragenen Grundpfandrechte hinter die in Abteilung II unter der laufenden Nr. 2 eingetragene Grunddienstbarkeit von der Zustimmung der eingetragenen Eigentümer, nämlich der Beteiligten zu 1, abhängig, wobei Streitpunkt ist, ob der erstrebte Rangwechsel in der öffentlich beglaubigten Form des § 29 GBO seitens der Eigentümer persönlich zu erklären ist oder ob eine solche förmliche Erklärung seitens der Mitarbeiterin des Notars im Rahmen der ihr erteilten Vollmacht abgegeben werden kann.

a)

Bestehen wie hier Zweifel an dem Umfang einer - überwiegend zur Vornahme von Verfahrenshandlungen, z.B. Eintragungsanträge im Rahmen des grundbuchlichen Vollzugs erteilten - Vollmacht, so ist diese nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen (vgl. Demharter, GBO 24. Auflage 2002 § 78 Rdz. 15). Wegen des das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes kommt die Auslegung nur insoweit in Betracht, als sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Bleibt danach die Reichweite einer Vollmacht zweifelhaft, so ist von ihrem geringeren, eindeutig festzustellenden Umfang auszugehen (BayObLG MittRhNotK 1996, 218, 219; Senat, OLGR 1998, 398, 399).

b)

Dies vorausgeschickt hält der Senat es - entgegen den Vorinstanzen - für erwiesen, dass die Beantragung und Bewilligung der Rangwechsel beim Grundbuchamt zum Vollzug der Urkunde erforderlich, also von der Vollmacht der Beteiligten zu 1 gedeckt sind. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen lässt sich nämlich - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der "Grundbuchstrenge" - allein daraus, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 b des Kaufvertrages eine nachträgliche Rangänderung nicht erwähnt, nicht schließen, dass auf deren Herbeiführung gerichtete Erklärungen nicht von der Vollmacht gedeckt seien.

aa)

Die Vollmacht ist überwiegend weit und generalisierend gefasst: So bevollmächtigt z.B. § 13 (1) a des Kaufvertrages nicht nur zur Erklärung und Entgegennahme der Auflassung, sondern darüber hinaus dazu, "alle sonstigen Erklärungen abzugeben oder Handlungen vorzunehmen, welche der formellen Durchführung des Vertrages dienen". § 13 (1) b des Kaufvertrages bevollmächtigt dazu, nach näherer Maßnahme der oben genannten Grundlagenurkunde Dienstbarkeiten oder Baulasten zur Eintragung zu bringen, die bei dem Gesamtbauvorhaben zur Sicherung von nachbarrechtlichen Verhältnissen, insbesondere von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen dienen und verleiht darüber hinaus ein Recht zur Inhaltsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 315 BGB). Durch den Verweis auf die Grundlagenurkunde (u.a. XII. Nr. 2) kann der Bevollmächtigte jederzeit weitere Dienstbarkeiten oder Baulasten ... bestellen, soweit solche Rechte zur Sicherstellung der Erschließung und/oder zur Regelung nachbarrechtlicher Verhältnisse innerhalb des Baugebiets notwendig oder auch nur zweckmäßig sind". Die den Mitarbeitern des Notars erteilte Finanzierungsvollmacht (§ 6 b des Kaufvertrages) verleiht diesen die Rechtsmacht "alle den Käufern als Darlehnsnehmer betreffenden Erklärungen abzugeben oder sonstige Handlungen vorzunehmen, worunter ausdrücklich auch der Rangrücktritt mit der Auflassungsvormerkung hinter Finanzierungsgrundpfandrechte fallen soll.

bb)

Eine Gesamtwürdigung des maßgeblichen Urkundeninhalts ergibt mithin, dass der Bevollmächtigung der Mitarbeiter des Notars im Zusammenhang mit der Finanzierung und dem Grundbuchvollzug kaum Grenzen gesetzt werden sollten. Die einzigen inhaltlichen Beschränkungen bilden die Zweckmäßigkeit bzw. Dienlichkeit in Bezug auf das angestrebte Ziel (Finanzierung/Grundbuchvollzug), während § 13 (2) des Kaufvertrages die Geltungsdauer der Bevollmächtigung - hinsichtlich der Dienstbarkeiten "ein Jahr nach vollständiger Bebauung des gesamten Flurstücks 2054" - festlegt.

cc)

Die nach ihrem Inhalt und Umfang zielorientierte Vollmachtgewährung legt deshalb die Auslegung nahe, dass sämtliche auf das angestrebte Ziel gerichtete "Vollzugsmaßnahmen" im Rahmen der Zweckmäßigkeit bzw. Dienlichkeit von der Vollmacht erfasst sein sollten.

Da die Vollmacht der Mitarbeiterin des Notars die Bestellung der Dienstbarkeit sowie die Rangwahl deckt und anders lautende Regelungen nicht getroffen sind, kann es demnach keinen Unterschied machen, ob die hier in Rede stehende Rangfolge der Dienstbarkeit im Verhältnis zu den Grundpfandrechten die Folge einer ursprünglichen Rangwahl ist oder dieselbe nachträglich innerhalb des - vorliegend zweifellos nicht überschrittenen - zeitlichen Geltungsrahmens der Vollmacht durch die bewilligte Rangänderung erreicht wird. Letzteres gilt um so mehr als eine bereits bei Bestellung der Grundpfandrechte abgegebene rangwahrende Erklärung in Gestalt eines Rangvorbehalts (§ 881 BGB) für die Grunddienstbarkeit von der Mitarbeitervollmacht zweifellos gedeckt gewesen wäre.

Es bleibt deshalb festzuhalten, dass es über die bereits erteilte Vollmacht hinaus einer Zustimmung der Beteiligten zu 1 in Bezug auf die beantragten Rangrücktritte nicht bedarf und die Vorinstanzen demnach solche zu Unrecht verlangen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO).

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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