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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: I-3 Wx 254/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4 Satz 1
WEG § 28 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 5
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
1. Macht die Gemeinschaft auf der Basis angefochtener Eigentümerbeschlüsse (hier: Jahresabrechnung 2004 und Wirtschaftsplan 2005) in den Tatsacheninstanzen erfolgreich ihren Wohngeldanspruch geltend und wird sodann in einem Parallelverfahren bestandskräftig die Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse beschlossen, so ist der in der Rechtsbeschwerdeinstanz weiterverfolgte Antrag in Ermangelung einer Erledigungserklärung abzulehnen.

2. Auf nicht bestandskräftige Eigentümerbeschlüsse einer korrigierten Jahresabrechnung 2004 oder der inzwischen vorgelegten Jahresabrechnung 2005 kann der Wohngeldanspruch im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gestützt werden.

3. Da dem anwaltlich beratenen Wohnungseigentümer klar sein muss, dass er regelmäßig auch aufgrund angefochtener Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnung oder den Wirtschaftsplan bis zu deren rechtskräftiger Ungültigerklärung einstweilen zur Zahlung verpflichtet ist, entspricht es der Billigkeit, ihm trotz seines auf der unterbliebenen Erledigungserklärung der Antragstellerin basierenden Erfolges im dritten Rechtszug die Kosten der Vorinstanzen aufzuerlegen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 254/06

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft R.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den am 2. November 2006 verkündeten Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W.

am 9. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 werden die Entscheidungen der Vorinstanzen - bis auf die Kosten- und Auslagenentscheidungen - aufgehoben.

Der Antrag der Beteiligten zu 1 wird abgelehnt.

Hinsichtlich der Kosten und Auslagen der ersten beiden Rechtszüge verbleibt es bei den Entscheidungen der Vorinstanzen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die Beteiligte zu 1.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet insoweit nicht statt.

Wert für das Beschwerdeverfahren: Bis 10.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten zu 1 und 2 bilden die Wohnungseigentumsanlage R.

Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 auf Zahlung rückständigen Wohngeldes u. a. auf der Grundlage der zu TOP 2 und 3a der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 (BA 4) beschlossenen Abrechnung für das Jahr 2004 sowie dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2005 in Anspruch genommen und die Forderung wie folgt aufgeschlüsselt:

(1) Fehlbetrag aus Jahresabrechnung für 2004 3.501,36 Euro

(2) Hausgeld Januar 2005 -April 2006 laut Wirtschaftsplan 2005 (16 x 1.257,- Euro) = 20.112,- Euro abzüglich gezahlter Vorauszahlungen (15 x 914 Euro für Januar 2005 -März 2006) 13.710,- Euro 9.903,36 Euro.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, den Beteiligten zu 2 zu verpflichten, an sie 9.903,36 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 17. März 2006 zu zahlen.

Der Beteiligte zu 2, der um Ablehnung des Antrags gebeten hat, hat gemeint, es sei zu beachten, dass er die Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnung 2004 und den Wirtschaftsplan 2005 angefochten habe. Beide Berechnungen seien fehlerhaft. Er dürfe daher insoweit nicht in Anspruch genommen werden.

Das Amtsgericht hat am 7. August 2006 dem Antrag der Beteiligten zu 1 stattgegeben und ausgeführt, der Beteiligte zu 2 sei gemäß §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 2, 28 Abs. 5 WEG verpflichtet, seinen Anteil am Hausgeld entsprechend dem genehmigten Wirtschaftsplan für die Monate Januar 2005 bis einschließlich April 2006 und entsprechend der genehmigten Jahresabrechnung für das Jahr 2004 zu zahlen. Das Rechenwerk der Beteiligten zu 1 ergebe keinen Anlass zu Beanstandungen. Der Beteiligte zu 2 könne im vorliegenden Verfahren nicht mit dem Argument gehört werden, er habe die genehmigenden Beschlussfassungen zu der Jahresabrechnung 2004 und zum Wirtschaftsplan 2005/2006 angefochten.

Nach § 23 Abs. 4 WEG seien die genehmigenden Beschlussfassungen nur ungültig, wenn diese gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG für ungültig erklärt worden seien. Eine solche rechtskräftige Gerichtsentscheidung liege nicht vor.

Hiergegen hat der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat am 2. November 2006 das Rechtsmittel zurückgewiesen und dabei im Wesentlichen auf die Begründung des Amtsgerichts Bezug genommen.

Mit der am 22. November 2006 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 sein ursprüngliches Begehren weiter.

Die Beteiligte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Am 27. Oktober 2006 hat das Landgericht im Verfahren 19 T 86/06 (= 73 II 7/06 WEG Amtsgericht Neuss) die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 zu TOP 2 (Verwalterabrechnung 2004) und TOP 3 (Wirtschaftsplan 2005) für ungültig erklärt. Der Beschluss ist seit dem 22. November 2006 rechtskräftig.

Nunmehr ist in der Eigentümerversammlung vom 10. Januar 2007 zu TOP 3 die Jahresabrechnung 2005 vom 16. November 2006 beschlossen worden, die mit einem Gesamtfehlbetrag zu Lasten des Beteiligten zu 2 von 5.552,14 Euro (unter Einbeziehung eines Fehlbetrages von 3.344,05 Euro aus der Jahresabrechnung 2004 und eines Fehlbetrages von 2.208,09 Euro aus der Jahresabrechnung 2005) endet.

Des Weiteren hat die Eigentümerversammlung vom 1. Februar 2007 zu TOP 2 folgenden Beschluss gefasst:

"2. Geänderte Verwaltungsabrechnung

In der Eigentümerversammlung vom 30.11.2006 wurde in der Niederschrift unter Punkt 2 festgehalten:

"Durch den Verwalter wurde bekanntgegeben, daß

a.) die Versicherungsprämien zusammengefaßt und nach Miteigentumsanteilen aufgeteilt wurden.

d.) die Verwaltervergütung nach Miteigentumsanteilen aufgeteilt wurde.

e.) die Fehlbeträge bzw. Guthaben aus den Abrechnungen 2004 in die Verwaltungsabrechnung 2005 übernommen wurden.

Dies entspricht dem Beschluß des Landgerichtes Düsseldorf 19 T 86/06 und 73 II 706 WEG vom 27.10.2006."

Da die Mitteilung durch den Verwalter über die Änderung nicht ausreicht, ist über die Änderung, wie oben, ein Beschluß der Eigentümer zu fassen."

Die Eigentümer beschlossen einstimmig die geänderte Verwaltungsabrechnung 2004."

Die geänderte Verwaltungsabrechnung 2004 weist gegenüber der ursprünglichen (3.501,36 Euro) einen Fehlbetrag von 3.344,05 Euro, und damit 157,31 Euro weniger, aus.

Hinsichtlich des Reduzierungsbetrages von 157,31 Euro begründet die Beteiligte zu 1 ihren Antrag nunmehr hilfsweise mit einem aus einer Minderzahlung für Mai 2006 (914.,- Euro statt 1.257 Euro) resultierenden Hausgeldfehlbetrag.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

1.

Der Senat hat als Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG zu prüfen, ob die angefochtene landgerichtliche Entscheidung von einem entscheidungserheblichen Rechtsfehler beeinflusst ist.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG findet u. a. § 561 (jetzt § 559 ZPO) entsprechende Anwendung. Danach ist für die dritte Instanz grundsätzlich der Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der Beschwerdeentscheidung maßgeblich. Auf dieser Grundlage ist die hier angefochtene Entscheidung des Landgerichts rechtsfehlerfrei. Die Wohnungseigentümer sind zur Zahlung von Vorschüssen und Abschlüssen verpflichtet, wenn die Wohnungseigentümer - wie hier zu TOP 2 und 3a der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 hinsichtlich der Abrechnung für das Jahr 2004 sowie des Wirtschaftsplans für das Jahr 2005 geschehen - einen Wirtschaftsplan mit der Festsetzung der Wohngelder oder eine Abrechnung mit den Fehlbeträgen und Überschüssen durch einen Beschluss auf einer Versammlung mit Stimmenmehrheit genehmigen (§ 28 Abs. 5,27 Abs. 1 Nr. 1 WEG; BGH NJW 1985, 912; Happ in Riecke/Schmid WEG 2005 § 16 Rdz. 31). Die Anfechtung allein lässt die Verpflichtung zur Zahlung unberührt. Da zur Zeit des Erlasses der Entscheidung der Kammer (2. November 2006) der Umlagebeschluss der Eigentümer zu TOP 2 und 3a der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 noch nicht bestandskräftig für ungültig erklärt war, waren die Zahlungsansprüche der Beteiligten zu 1 demnach begründet.

2.

Zu prüfen ist aber, ob und ggf. wie es sich auswirkt, dass die Entscheidung des Landgerichts 19 T 86/06 (= 73 II 7/06 WEG Amtsgericht Neuss) vom 27. Oktober 2006, wonach die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 zu TOP 2 (Verwalterabrechnung 2004) und TOP 3 (Wirtschaftsplan 2005) für ungültig erklärt wurden, am 22. November 2006 rechtskräftig geworden ist, die Eigentümerversammlung vom 10. Januar 2007 zu TOP 3 die Jahresabrechnung 2005 vom 16. November 2006 beschlossen hat und durch die Eigentümerversammlung vom 1. Februar 2007 zu TOP 2 einstimmig die geänderte Verwaltungsabrechnung 2004 beschlossen worden ist.

a)

Ausgeschlossen ist grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag (OLG Hamburg ZMR 2005, 394; Abramenko in Riecke/Schmid WEG 2005 § 45 Rdz. 24), sofern dieser nicht ohne weitere Tatsachenermittlung feststeht (BayObLG WuM 1999, 127). Zu berücksichtigen sind hingegen nachträglich entstandene Tatsachen, die keiner weiteren Ermittlung bedürfen, wenn schutzwürdige Belange nicht entgegen stehen (Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rdz. 45). Ausnahmsweise können neue Tatsachen auch dann berücksichtigt werden, wenn sie offenkundig sind (KG ZMR 2002, 550). Offenkundig können auch rechtskräftige Entscheidungen über die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen sein, auf die ein in der sofortigen weiteren Beschwerde streitgegenständlicher Anspruch gestützt wird (Senat ZMR 2000, 327 f; BayObLG ZMR 2000, 851; Abramenko a.a.O). Eine Ausnahme gilt ferner, wenn sich der neue Sachvortrag gerade auf Verfahrensverstöße oder Verfahrensvoraussetzungen bezieht.

Abgesehen hiervon kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht selbstständig Tatsachen feststellen (BGH, NJW 83, 1908). Die Änderung von Anträgen, durch die in die Rechtsbeschwerdeinstanz ein neuer Anspruch und Sachverhalt eingeführt werden, ist unzulässig (BayObLG, NJW-RR 98, 470: Sachantrag; BayObLG, NJW 96, 3217: Hilfsantrag).

b)

aa)

Dies vorausgeschickt ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14. Dezember 2005 zu TOP 2 (Verwalterabrechnung 2004) und TOP 3 (Wirtschaftsplan 2005) nunmehr am 27. Oktober 2006 im Verfahren 19 T 86/06 (= 73 II 7/06 WEG Amtsgericht Neuss), rechtskräftig seit dem 22. November 2006, für ungültig erklärt hat. Dies hat zunächst einmal zur Folge, dass die Basis für den Wohngeldanspruch der Beteiligten zu 1 entfallen und der Antrag der Beteiligten zu 1 in Ermangelung einer Erledigungserklärung abzulehnen ist.

bb)

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn dadurch, dass die Eigentümerversammlung vom 10. Januar 2007 zu TOP 3 die Jahresabrechnung 2005 vom 16. November 2006 und die Eigentümerversammlung vom 1. Februar 2007 zu TOP 2 einstimmig die geänderte Verwaltungsabrechnung 2004 beschlossen hat, eine neue berücksichtigungsfähige Basis für den Antrag der Beteiligten zu 1 entstanden ist.

Dies ist indes nicht der Fall. Die Jahresabrechnung ersetzt nicht den Wirtschaftsplan, sondern stellt eine rechtsverstärkende Grundlage zum Anspruch aus dem Wirtschaftsplan dar, eine neue Rechtsgrundlage nur in Höhe der Mehrkosten (sog. Abrechnungsspitze; BGH NJW 1999, 3713; Weitnauer/Gottschalg WEG 8. Auflage 2005 § 28 Rdz. 22). Der Grund, dass die Beteiligte zu 1 ihren Wohngeldanspruch nicht mehr auf den Wirtschaftsplan 2005 stützen kann, liegt nicht in dessen Überholung durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2005, sondern in dessen rechtskräftig erkannter Unwirksamkeit. Da die Jahresabrechnung 2005 den Wirtschaftsplan 2005 wegen dessen bestandskräftig festgestellter Unwirksamkeit nicht im vorgenannten Sinne verstärken kann, stellt sich die Begründung des Wohngeldanspruchs mit der beschlossenen Jahresabrechnung 2005 als im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht einzuführender neuer Streitgegenstand dar.

Die geänderte Jahresabrechnung 2004 gem. Beschluss der Eigentümer vom 1. Februar 2007 kann ebenfalls nicht als in der Rechtsbeschwerdeinstanz berücksichtigungsfähiger unstreitiger Vortrag behandelt werden.

Die Stützung des Antrags auf die neue Beschlusslage ist trotz vordergründiger Beibehaltung des Zahlungsantrags als die - unzulässige - Einführung eines neuen Anspruchs und Sachverhalts in das Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. BayObLG, NJW-RR 98, 470: Sachantrag; BayObLG, NJW 96, 3217 mit Anm. Ebenroth, Koos: Hilfsantrag), jedenfalls aber als ein vergleichbarer verfahrensrechtlicher Vorgang zu bewerten.

Hiernach verbleibt es bei der ursprünglich unter aa) angesprochenen Folge, dass die - verfahrensrechtlich berücksichtigungsfähige - Basis für den Wohngeldanspruch der Beteiligten zu 1 entfallen und der Antrag der Beteiligten zu 1 in Ermangelung einer Erledigungserklärung abzulehnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Erstattungsanordnung zu Lasten des Beteiligten zu 2 für das Verfahren der Vorinstanzen entspricht auch nach dem gegenwärtigen Stand der Billigkeit. Denn dem anwaltlich beratenen Beteiligten zu 2 hätte von vornherein klar sein müssen, dass er - ungeachtet der Frage, ob die Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnung 2004 und den Wirtschaftsplan 2005 Bestandskraft erlangen würden oder nicht - nach der für die damalige Sachlage geltenden gesetzlichen Regelung des 23 Abs. 4 Satz 1 WEG bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse einstweilen zur Zahlung verpflichtet war (vgl. Senat, ZMR 2000, 327).

Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten im dritten Rechtszug bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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