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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.04.2006
Aktenzeichen: I-3 Wx 299/05
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO, InsO


Vorschriften:

WEG § 16
WEG § 18
FGG § 12
ZPO § 287 Abs. 2
InsO § 32 Abs. 3
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 61 Abs. 1
InsO § 90
InsO § 208
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 210
1. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Wohnungseigentümers sind Wohngeldverbindlichkeiten, die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückständig sind, Altmasseverbindlichkeiten, soweit sie vor Masseunzulänglichkeitsanzeige (§ 208 InsO) des Insolvenzverwalters begründet wurden.

Sie können nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden.

2. Nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige fällig gewordene Wohngeldschulden sind Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 InsO, sofern der Insolvenzverwalter die Gegenleistung dadurch in Anspruch genommen hat, dass er über einen längeren Zeitraum - hier 4 1/2 Jahre - von der Möglichkeit der Freigabe der Eigentumswohnung keinen Gebrauch gemacht hat.

3. Neumasseforderungen können grundsätzlich im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden. Unzulässig ist die Leistungsklage, wenn die im Verfahren vom Insolvenzverwalter eingewandte erneute - nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige entstandene - Masseunzulänglichkeit hinreichend dargelegt und ggf. bewiesen worden ist.

In einem solchen Fall in Betracht kommende Schadensersatzansprüche nach § 61 InsO sind beim Wohnungseigentumsgericht geltend zu machen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 299/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage G. in Neuss

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11.11.2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G., des Richters am Oberlandesgericht von W. und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L. am 28.04.2006

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben, soweit der Zahlungsantrag zu 1. (in Höhe von 74.906,21 €) abwiesen worden ist.

Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der weiteren Beschwerden vorbehalten bleibt.

Wert: 82.214,52 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin verwaltet die eingangs näher bezeichnete Wohnungseigentumsanlage. Sie ist ermächtigt, Wohngeldansprüche gegenüber einzelnen Miteigentümern im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.

Der Antragsgegner ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma B. in C. (im folgenden Schuldnerin). Die Schuldnerin ist Miteigentümerin der Wohnungseigentümergemeinschaft und Sondereigentümerin von 12 Wohnungen. Sie ist außerdem Miteigentümerin der Tiefgarage und Sondernutzungsberechtigte von 21 Stellplätzen.

Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.07.2001 ist für die Sondereigentumseinheiten der Schuldnerin kein Wohngeld mehr gezahlt worden.

Der Antragsgegner hat gegenüber dem Insolvenzgericht unter dem 27.12.2001 die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf Zahlung rückständigen Wohngeldes für die Zeit vom 01.08.2001 bis 31.12.2003 in Anspruch genommen, gestützt auf die genehmigten Jahresabrechnungen für 2001 und 2002 sowie auf den genehmigten Wirtschaftsplan für das Jahr 2003.

Die Antragstellerin hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, an die Antragstellerin 86.591,26 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 13.06.2004 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2004 hat der Antragsgegner den Einwand der erneuten Masseunzulänglichkeit erhoben.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin abgewiesen.

Die Antragstellerin hat sofortige Beschwerde eingelegt und in diesem Zusammenhang die Wohngeldforderungen für 2003 nicht mehr auf den Wirtschaftsplan, sondern auf die in der Eigentümerversammlung vom 29.09.2004 genehmigte Jahresabrechnung 2003 gestützt. Sie hat zweitinstanzlich beantragt:

1.) den Beschluss des AG Neuss vom 03.01.2005 abzuändern und dem Antragsgegner aufzugeben, an die Antragstellerin 82.214,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2004 zu zahlen;

2.) hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, an die Antragstellerin 82.214,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft G., Neuss gegen die Insolvenzmasse der Firma B. GmbH in C.;

3.) weiterhin hilfsweise festzustellen, dass der Antragstellerin als Verwalterin der WEG G., Neuss, gegen die Insolvenzmasse der Firma B. GmbH, in C., eine Forderung in Höhe von 82.214,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2004 zusteht.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde und die hilfsweise gestellten Anträge zurückzuweisen.

Das Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.) Es wird festgestellt, dass der Antragstellerin als Verwalterin der WEG G., Neuss, gegen die Insolvenzmasse der Firma B. GmbH, C., eine Forderung in Höhe von 82.214,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2004 zusteht. Davon ist ein Betrag in Höhe von 7.308,31 € Altmasseverbindlichkeit und der Restbetrag in Höhe von 74.906,21 € Neumasseverbindlichkeit.

2.) Der hilfsweise gestellte Antrag zu Ziffer 2.) wird als unzulässig verworfen.

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster Instanz hat die Antragstellerin zu tragen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3 zu tragen

Die Antragstellerin hat sofortige weitere Beschwerde eingelegt mit den Anträgen

1. den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2005 (19 T 52/05) dahin abzuändern, dass

a) dem Antragsgegner aufgegeben wird, an die Antragstellerin als Verwalterin der WEG G., Neuss, € 74.906,21 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13. Juni 2004 zu zahlen;

b) festgestellt wird, dass der Antragstellerin als Verwalterin der WEG G., Neuss, gegen die Insolvenzmasse der Firma B. GmbH, C., eine Forderung in Höhe von € 7.308,31 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13. Juni 2004 als Altmasseverbindlichkeit zusteht;

2. hilfsweise den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2005 (19 T 52/05) dahin abzuändern, dass dem Antragsgegner aufgegeben wird, an die Antragstellerin als Verwalterin der WEG G., Neuss, € 82.214,52 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13. Juni 2004;

3. äußerst hilfsweise den Rechtsstreit zur Entscheidung über den Zahlungsantrag zu 2. zu verweisen an das zuständige Landgericht Hamburg.

Der Antragsgegner hat seinerseits sofortige weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf in der Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens die Antragstellerin zu tragen hat.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig. Das gilt auch für die - isolierte - Kostenbeschwerde des Antragsgegners, da es sich hierbei um ein Anschlussrechtsmittel handelt (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Winkler FGG, 15. Aufl., § 20 a Rn. 4).

In der Sache führt die weitere Beschwerde der Antragstellerin zur Aufhebung und Zurückverweisung, da das Landgericht seiner Ermittlungspflicht gemäß § 12 FGG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist und die angefochtene Entscheidung auf diesen Rechtsfehler beruhen kann.

Die Kammer ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die seit Insolvenzeröffnung rückständigen Wohngeldverbindlichkeiten sämtlich Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind (vgl. Braun Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 55 Rn. 7; Vallender NZI 2004, 401), wobei es sich hinsichtlich der Rückstände August bis Dezember 2001 um Altmasseverbindlichkeiten handelt, weil sie vor der Masseunzulänglichkeitsanzeige des Antragsgegners begründet wurden (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten gilt das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO (BGH NJW 2003, 2454; NZI 2005, 680) mit der Folge, dass die betreffenden Forderungen nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können. Dementsprechend hat das Landgericht auf den Hilfsantrag der Antragstellerin festgestellt, dass ihr gegen die Insolvenzmasse (u.a.) eine Altmasseforderung von 7.308,31 € zusteht. Dies wird mit der weiteren Beschwerde nicht angegriffen.

Weiter hat die Kammer ausgeführt: Prinzipiell zulässig sei die Leistungsklage für die Geltendmachung von Neumasseverbindlichkeiten. Das seien Verbindlichkeiten, die nach Abgabe der Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 27.12.2001 begründet und fällig gewesen seien. Neben den Ansprüchen auf Wohngelder und Abrechnungsspitzen hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 seien die sich aus der am 02.12.2002 genehmigten Jahresabrechnung 2001 ergebenden Abrechnungsspitzen ebenfalls Neumasseverbindlichkeiten. Insgesamt stellten also die restlichen 74.906,21 € Neumasseverbindlichkeiten dar. Im vorliegenden Fall sei der Zahlungsantrag aber auch insoweit unzulässig.

Dies folge daraus, dass die Antragstellerin ernstlich nur mit einer quotalen Befriedigung rechnen könne und die Quote noch nicht feststehe. Nach der Überzeugung der Kammer gemäß § 287 Abs. 2 ZPO sei davon auszugehen, dass (erneute) Masseunzulänglichkeit vorliege. Unabhängig von dem Umstand der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Antragsgegner am 27.12.2001 habe der Antragsgegner unter Vorlage zahlreicher Unterlagen hinreichend dargelegt, dass die Masse nicht zur Begleichung der (Neumasse-)Verbindlichkeiten ausreiche. Er habe dargelegt, in welchem Umfang die beiden Konten Guthaben aufwiesen, welche Einnahmen und Ausgaben seit der Insolvenzeröffnung erfolgt seien, welche der Wohnungen zu welchem Preis verkauft werden konnten, aus welchen Gründen die weiteren Wohnungen bisher nicht verkauft worden seien, in welcher Höhe insgesamt Grundvermögen vorhanden sei, in welcher Höhe - soweit bekannt - Rechte Dritter darauf lasteten und in wieweit daher bei einem evtl. Verkauf mit einem Erlös gerechnet werden könne. Die von der Antragstellerin gegen diesen umfangreichen Vortrag erhobenen Einwände griffen nicht durch. Angesichts der überreichten Unterlagen, die auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzgericht vorgelegt worden seien und noch vorgelegt würden, sowie der nachvollziehbaren Darlegungen des Antragsgegners habe sich die Kammer nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO die Überzeugung gebildet, dass das Vermögen der Gemeinschuldnerin nicht ausreiche, um die Verbindlichkeiten und die geltend gemachten Forderungen der Antragstellerin zu begleichen. Weitere Ermittlungen etwa dazu, ob das vom Antragsgegner vorgelegte Zahlenmaterial in allen Einzelpositionen sicher sei, seien durch die Kammer vor diesem Hintergrund nicht anzustellen.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die hier geltend gemachten Wohngeldansprüche in Höhe von 74.906,21 € sind Neumasseverbindlichkeiten.

1. Neumasseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die nach der gem. Jahresabrechnungen 2001, 2002 + 2003 erstmaligen Masseunzulänglichkeitsanzeige begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Allerdings sind diese Wohngeldansprüche keine Neumasseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Unmittelbar im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist ein Schuldverhältnis "begründet" worden, wenn der Insolvenzverwalter den Rechtsgrund dafür erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegt hat, insbesondere durch eine Handlung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies ergibt nicht nur der Wortsinn, sondern auch der systematische Zusammenhang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der erweiternden Vorschrift seines 2. Absatzes sowie den Fällen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Insolvenzordnung; hierbei handelt es sich jeweils um Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter durch selbstbestimmtes Handeln auslöst.

Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die Wohngeldschuld ist eine originäre, aus dem Gemeinschaftsverhältnis entspringende Verbindlichkeit des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern (Weitnauer/Gottschalg WEG, 9. Aufl., § 28 Rn. 1) bzw. gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Verpflichtung zur Zahlung des laufenden Wohngeldes bzw. rückständiger Wohngelder beruht auf dem jeweils durch Wohnungseigentümerbeschluss genehmigten Wirtschaftsplan bzw. auf der genehmigten Jahresabrechnung.

Nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO gelten als Neumasseverbindlichkeiten auch diejenigen aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte. Dies entspricht allgemein der ersten Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO und knüpft an das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO an. Darum geht es hier ebenfalls nicht. Der Antragsgegner hat nicht von einem Erfüllungswahlrecht Gebrauch gemacht.

Auch § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift geltend als Neumasseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte. Diese Fallgruppe ist hier ebenfalls nicht einschlägig, weil das Verhältnis zwischen Wohnungseigentümer bzw. Insolvenzverwalter und Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls kein kündbares Dauerschuldverhältnis ist.

Schließlich sind Neumasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 03.04.2003 (NZI 2003, 369) für ein Mietverhältnis die "Inanspruchnahme der Gegenleistung" durch den Insolvenzverwalter bejaht, weil dieser nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige den Klägern (Vermietern) noch das Recht hätte verschaffen können, die Miete einzuziehen. Der Insolvenzverwalter sei gehalten gewesen, von sich aus alles zu unternehmen, um die weitere Inanspruchnahme der Gegenleistung (Mietzins) zu verhindern; soweit er durch eine noch laufende Kündigungsfrist gebunden sei, habe er den Vermieter im Zusammenhang mit der Masseunzulänglichkeitsanzeige aus dessen Überlassungspflicht "freizustellen", indem er ihm die weitere Nutzung der Mietsache anbietet.

Das Amtsgericht Neukölln (ZMR 2005, 659) hat Wohngeldforderungen als Neumasseschulden angesehen, soweit der Insolvenzverwalter aus dem Dauerschuldverhältnis "vermietetes Wohnungseigentum" Gegenleistungen in Form eingehender Mieten in Anspruch genommen habe.

Vorliegend hat der Antragsgegner nach eigener Angabe nur in geringem Umfang "Gegenleistungen" in Form von Mietzins in Anspruch genommen.

Andererseits hat er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Eigentumswohnungen der Schuldnerin in Besitz genommen. Damit sind grundsätzlich die Rechte und Pflichten der Schuldnerin als Wohnungseigentümerin auf ihn übergegangen, unter anderem das Nutzungsrecht, dem die Verpflichtung zur anteiligen Kostentragung, § 16 WEG, gegenübersteht. Geht man mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass bei dem Begriff der "Inanspruchnahme" auf die Möglichkeit des Insolvenzverwalters zur Verhinderung der Masseverbindlichkeit abzustellen ist, was dem systematischen Zusammenhang des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO mit der Regelung in korrespondierenden Vorschriften entspricht (§ 209 Abs. 2 Nr. 2, § 61 Abs. 1, § 90 InsO), dann erscheint die Einordnung der hier in Frage stehenden Wohngeldschulden als Neumasseverbindlichkeiten gerechtfertigt: Denn zur Verhinderung der Masseverbindlichkeiten hätte sich für den Antragsgegner die Freigabe der Eigentumswohnungen angeboten (§ 32 Abs. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter ist im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und ggf. auch verpflichtet, Gegenstände, die für die Masse wertlos sind, was der Antragsgegner für die zur Insolvenzmasse gehörenden Wohnungen geltend gemacht hat, freizugeben (Braun a.a.O. § 148 Rn. 9). Von dieser Möglichkeit hat der Antragsgegner ca. 4 1/2 Jahre lang keinen Gebrauch gemacht. Vor diesem Hintergrund ist die vom Landgericht vorgenommene Bewertung der nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige aufgelaufenen Wohngeldverbindlichkeiten in der Gesamthöhe von 74.906,21 € als Neumasseverbindlichkeiten nicht zu beanstanden.

2. Allerdings hat das Landgericht nicht genügend berücksichtigt, dass hinsichtlich Neumasseverbindlichkeiten nur dann die Leistungsklage unzulässig ist, wenn die im Verfahren (hier mit Schriftsatz vom 16.08.2004) vom Insolvenzverwalter eingewendete erneute Masseunzulänglichkeit hinreichend dargelegt und ggf. bewiesen ist. Insofern ist der Masseunzulänglichkeitseinwand von der erstmaligen Masseunzulänglichkeitsanzeige nach § 208 InsO zu unterscheiden. Die erstmalige Masseunzulänglichkeitsanzeige gem. § 208 InsO hat eine für das Prozessgericht verbindliche Wirkung (BGH a.a.O.); das gilt nicht für den Masseunzulänglichkeitseinwand im Prozess. Erst nach ausreichendem Vortrag und Nachweis der erneuten Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter darf das Gericht nach § 287 Abs. 2 ZPO entscheiden, wenn die vollständige Auflösung der maßgebenden Umstände mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre.

Der Antragsgegner hat sich zur Darlegung der im vorliegenden Verfahren eingewandten Masseunzulänglichkeit u.a. auf seine Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 27.12.2001 bezogen. Das ist kein erhebliches Vorbringen, da es gerade um die Frage geht, ob nach der Anzeige gem. § 208 InsO auch die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse wiederum nicht ausreicht, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken. Der Antragsgegner hat ferner sein gegenüber dem Insolvenzgericht unter dem 27.07.2001 erstattetes Gutachten angeführt. Hierfür gilt dasselbe.

Schließlich hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 05.07.2005 nebst Anlagen detailliertere Angaben gemacht, insbesondere eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben per 29.06.2005 vorgelegt (Anlage 8), die sich aber pauschal zum Zeitraum "nach Eröffnung (brutto)" verhält und zwischen den Eigentumswohnungen der Schuldnerin in Köln und Neuss nicht differenziert. Dabei fallen außerdem Widersprüche zu früherem Vorbringen des Antragsgegners auf: Während der Antragsgegner im Insolvenzgutachten noch von 26 Mietverhältnissen - in Köln und Neuss - über Wohn- und Ladenräume gesprochen hatte und mit Schriftsatz vom 20.09.2004 erklärt hatte, ihm seien nur 2 Wohnungsmieter und 2 Mieter von Stellplätzen bekannt (in seinem Schriftsatz vom 04.10.2004 sind es 5 Wohnungs- und 2 Stellplatzmieter), sind in der Aufstellung in Anlage 8 acht Mietverhältnisse, nicht näher aufgeschlüsselt, aufgezählt, die allerdings in dem gesamten Zeitraum von 4 1/2 Jahren nur 36.141,72 € an Mieteinkünften erbracht haben sollen.

Dies ist keine ordnungsgemäße Darlegung, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZI 2003, 369) vom Insolvenzverwalter gefordert wird. Danach genügt die pauschale Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva zur Darlegung der im Prozess vorgebrachten Masseunzulänglichkeit nicht. Der Verwalter hat mindestens die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 208 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 InsO) des für Neumasseverbindlichkeiten gebildeten, abgesonderten Massebestandteils im einzelnen darzulegen. Ein gegenständlich begrenzter Überschuldungsstatus kann dafür nur ein Beweisanzeichen sein.

Das Landgericht hat in dem neuen Verfahren auf die ordnungsgemäße Darlegung der vom Antragsgegner eingewandten (erneuten) Masseunzulänglichkeit hinzuwirken und, wenn die Antragstellerin ein den Anforderungen genügendes Vorbringen des Antragsgegners weiterhin bestreitet, Beweis zu erheben.

3. Steht am Ende die Masseunzulänglichkeit fest und bleibt es somit auch hinsichtlich der Neumasseverbindlichkeit von 74.906,21 € beim Ausspruch der Feststellung, dass der Antragstellerin eine Forderung in dieser Höhe gegen die Insolvenzmasse zusteht, dann hat das Landgericht über den Hilfsantrag der Antragstellerin auf Schadensersatz zu entscheiden. Denn ein möglicher Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter knüpft an den etwaigen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Begründung von Wohngeldforderungen als Masseverbindlichkeiten.

Der Schadensersatzanspruch nach § 61 InsO ist entgegen der Auffassung der Kammer nicht rechtswegfremd, sondern fällt in die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nach § 43 Abs.1 Nr. 1 WEG. Nach heute herrschender Meinung ist § 43 Abs. 1 WEG weit auszulegen (vgl. insbesondere BGH NJW 2002, 3709; Weitnauer/Mansel a.a.O. Rn. 1 nach § 43 und § 43 Rn. 4 und 15 a). Im Zweifel spricht eine Vermutung für die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen; maßgeblich ist allein, ob ein innerer Zusammenhang der Forderung mit einer wohnungseigentumsrechtlichen Angelegenheit besteht.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Antragsgegner habe es zu verantworten, dass ihre Wohngeldforderungen aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden können, da er jahrelang nichts oder nur wenig unternommen habe, um Mietzins einzuziehen oder im Falle der Uneinbringlichkeit bzw. des Leerstandes von Wohnungen eine angemessene Verwertung herbeizuführen. Damit habe er ihr Vermögensnachteile zugefügt.

Solche Vermögensnachteile, wenn sie denn vorliegen, sind gemeinschaftsbezogen. Der Insolvenzverwalter rückt als Träger der Rechte und Pflichten des insolvent gewordenen Wohnungseigentümers weitgehend in dessen Rechtsstellung ein (BGH NJW 2002, 3709; BGHZ 108, 44). Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse über das Wohnungseigentum gehen auf ihn über. Ein pflichtgemäß handelnder Wohnungseigentümer hätte die geschuldeten Wohngelder gezahlt. Notfalls hätte die Wohnungseigentümergemeinschaft von ihrem Recht auf Entziehung des Wohnungseigentums gem. § 18 WEG Gebrauch machen können. Hieran sah sich die Antragstellerin durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die bis heute nicht erfolgte Freigabe der Immobilien gehindert. Deshalb ist ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nicht mangels ausreichenden inneren Zusammenhangs mit einer wohnungseigentumsrechtlichen Angelegenheit auszuschließen (vgl. im übrigen BayObLG ZMR 1999, 119; OLG Karlsruhe ZMR 1988, 269; KG NJW - RR 1994, 85; Staudinger/Wenzel § 43 WEG Rn. 13 sowie BAG ZIT 2003, 1617 und OLG Hamburg ZMR 2003, 134).

Was die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten des Beschwerdeverfahrens angeht, die vom Antragsgegner mit der weiteren Beschwerde angegriffen worden ist, so ist darauf hinzuweisen, dass der Feststellungsantrag nach § 182 InsO mit dem Betrag zu bewerten ist, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Die voraussichtliche Quote ist vom Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Erforderlichenfalls ist eine erneute Auskunft des Insolvenzverwalters einzuholen (Braun a.a.O. § 182 Rn. 3 ff.).

Ende der Entscheidung

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