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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 3/08
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
BGB § 242
BGB § 1004
1. Der Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers, der ohne Genehmigung der Gemeinschaft den zu seinem Sondereigentum gehörenden Dachboden zur Wohnung ausgebaut hat, ist nicht verpflichtet, verbliebene Wände und Decken zu beseitigen.

2. Ist der Rechtsnachfolger als unmittelbarer Besitzer des Dachbodens in der Lage, die verbliebenen Bauteile zu beseitigen und lässt er dies aber nicht zu, so ist er Zustandsstörer und auf Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend zu verpflichten.

3. Gegenstand der Duldungspflicht des Zustandsstörers ist die einheitliche Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes und nicht bloß eines solchen, der die Wohnnutzung nicht oder nicht mehr ermöglicht.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 3/08 In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft G.,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den am 19. Dezember 2007 verkündeten Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W.

am 9. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2 tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Wert: 3.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft G.. Die Beteiligten zu 1 sind Eigentümer der im Erdgeschoss gelegenen etwa 68 qm großen Wohnung; die Beteiligten zu 2 sind Eigentümer der etwa gleich großen Wohnung im ersten Obergeschoss. Inhalt des Sondereigentums der Wohnung der Beteiligten zu 2 ist nach der Teilungserklärung vom 28. November 1992 "das alleinige Recht, den Dachboden unter Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer allein zu nutzen". Ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 bauten die Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 2 und später die Beteiligten zu 2 selbst den Dachboden zu einer Wohnung bestehend aus drei Wohnräumen und einem voll ausgestatteten Badezimmer aus.

Das Amtsgericht Duisburg-Hamborn (9 II 36/04 WEG) verpflichtete die Beteiligten zu 2 auf Antrag der Beteiligten zu 1 am 20. Mai 2005 rechtskräftig (vgl. Senatsbeschluss I-3 Wx 244/05 vom 7. Februar 2006), die von ihnen im Dachgeschoss des Hauses für die Herstellung einer Wohnung errichteten Trennwände und Decken sowie die darauf und darin verlegten sanitären Leitungen, die sanitären Einrichtungen (Toilettenschüssel, Spülkasten, Waschbecken, Duschtasse, Badewanne) und die in den Räumen verlegten Bodenbeläge auf ihre Kosten zu beseitigen sowie den Rückbau der zum Dachgeschoss führenden Steigleitungen für Wasser, Abwasser und Heizung auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.

Neben den in dem Verfahren 9 II 36 / 04 WEG streitgegenständlichen, zwischenzeitlich jedenfalls teilweise zurück gebauten, baulichen Veränderungen der Beteiligten zu 2 selbst (und deren Rechtsvorgänger) stehen in dem Dachgeschoss heute noch (Trenn-) Wände und Decken des Badezimmers.

Die Beteiligten zu 1 holten bei der Firma H. Bauunternehmung einen über 8.109,85 Euro lautenden Kostenvoranschlag vom 19. März 2007 über die Beseitigung der noch vorhandenen Trennwände, Decken und Steigleitungen ein.

Am 28. März 2007 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der die Beteiligten zu 1 beantragten:

"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die im Dachgeschoss errichteten Badezimmer-Trennwände und Decken zusammen mit den zu dem Dachgeschoss führenden Steigleitungen für Wasser, Abwasser und Heizung auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu entfernen. [...]."

Die Beteiligten zu 2 stimmten diesem Antrag nicht zu, weshalb ein Beschluss nicht gefasst wurde.

Die Beteiligten zu 1 haben erstinstanzlich vorgetragen, aufgrund der noch vorhandenen Umbauten würde nach wie vor die Möglichkeit einer Wohnraumnutzung des Dachgeschosses bestehen; außerdem entstünden ihnen durch die noch vorhandenen Wände und Decken preisliche Nachteile bei etwaigen Kaufinteressenten.

Die Beteiligten zu 1 haben beantragt,

die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, den Rückbau der im Dachgeschoss des Hauses G. für die Herstellung eines Badezimmers errichteten Trennwände und Decken auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.

Die Beteiligten zu 2 haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, zur Durchsetzung der Duldung ihnen gegenüber bedürfe es eines rechtmäßigen Eigentümerbeschlusses; das Begehren der Beteiligten zu 1 falle in den Zuständigkeitsbereich der Wohnungseigentümergemeinschaft. Da sie, die Beteiligten zu 2, gegen den Beschlussvorschlag gestimmt hätten, könne der Anspruch nun nicht durchgesetzt werden. Es entspreche im Übrigen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, eine Maßnahme, die nach einem Kostenvoranschlag der Firma H. Bauunternehmung 8.109,85 Euro koste, durchzuführen, während andererseits die Außenfassade renovierungsbedürftig sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juli 2007 den Antrag zurückgewiesen, weil dem Duldungsanspruch aus § 1004 BGB entgegen stehe, dass der Aufwand zur Beseitigung der Wände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung verbundenen Erfolg stehe.

Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss haben die Beteiligten zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 19. Dezember 2007 verkündetem Beschluss die Beteiligten zu 2 verpflichtet, den Rückbau der im Dachgeschoss des Hauses für die Herstellung eines Badezimmers errichteten Trennwände und Decken auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 2 ihr auf Zurückweisung des Verpflichtungsantrags gerichtetes Begehren weiter.

Die Beteiligten zu 1 treten dem Rechtsmittel entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei begründet. Die Beteiligten zu 1 könnten gemäß § 1004 BGB von den Beteiligten zu 2 die Duldung der Beseitigung der noch vorhandenen Trennwände des Badezimmers und der Decken in dem Dachgeschoss beanspruchen. Die Beteiligten zu 2 hätten geltend gemacht, dass nicht sie selbst, sondern ihre Sonderrechtsvorgänger diese Wände gezogen hätten, weshalb sie sich nicht bereits aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren 9 II 36/04 WEG, Amtsgericht Duisburg-Hamborn, zur Beseitigung verpflichtet sähen.

Habe indes der Sonderrechtsvorgänger eine unzulässige bauliche Veränderung im Sinne von § 22 WEG durchgeführt, so sei der Sonderrechtsnachfolger zwar nicht selbst gemäß § 1004 BGB zur Beseitigung, jedoch zur Duldung der Beseitigung durch die Gemeinschaft verpflichtet [vgl. KG, NJW-RR 1991, 1421; Merle, in: Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl. 2003, § 22 Rn. 266; Bub, in: Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 2005, § 22 WEG Rn. 235, jeweils mit weiteren Nachweisen]. So verhalte es sich hier. Bei dem Ausbau des Dachbodens, wozu auch die Errichtung der noch vorhandenen Badezimmerwände und -decken zähle, handele es sich um eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte. Dies habe bereits das Amtsgericht, das Landgericht und auch der Senat in dem Verfahren 9 II 36/04 WEG, Amtsgericht Duisburg-Hamborn, angenommen. Die erforderliche Zustimmung der Beteiligten zu 1 habe insoweit nicht vorgelegen. Dies sei bereits Gegenstand des vorgenannten Verfahrens gewesen. Dass eine diesbezügliche Zustimmung erteilt worden sei, behaupteten die Beteiligten zu 2 daher nicht mehr.

Die Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 entfalle nicht etwa deshalb, weil die noch verbliebenen Mauern, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, für sich genommen eine Wohnnutzung u. U. nicht mehr ermöglichen und deshalb von ihnen insoweit möglicherweise eine unmittelbare Beeinträchtigung der Beteiligten zu 1 nicht mehr ausgehe. Entscheidend komme es darauf an, dass die Beteiligten zu 2 und ihre Rechtsvorgänger den gesamten Dachboden unzulässigerweise zu einer Wohnung ausgebaut gehabt hätten. Daher bestehe auch insgesamt ein Duldungs- und Beseitigungsanspruch der Beteiligten zu 1 auf Entfernung aller Umbauten, die zu der Erstellung der Wohnung geführt haben.

Die Durchsetzung des Anspruchs sei nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Beseitigungsverlangen könne zwar unter Umständen in Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Beseitigung / Duldung unverhältnismäßig große Aufwendungen erfordert und deshalb unzumutbar sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand. Die Kammer hat ihre Entscheidung überzeugend begründet. Gesichtspunkte, aus denen sich ergibt, dass die Überlegungen der Kammer von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern beeinflusst sein könnten, haben die Beteiligten zu 2 nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

a)

Dass es sich bei dem Ausbau des Dachbodens, wozu auch die Errichtung der noch vorhandenen Badezimmerwände und -decken zählt, um eine bauliche Veränderung handelt, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte und der die Beteiligten zu 1 nicht zugestimmt haben, haben bereits das Amtsgericht (9 II 36/04 WEG) und das Landgericht (11 T 128/05) angenommen und hat auch der Senat in seinem Beschluss vom 7. Februar 2006 (I-3 Wx 244/05) bestätigt.

b)

Soweit die Beteiligten zu 2 die noch vorhandenen Wände und Decken nicht selbst errichtet haben, ist ihnen deren Beseitigung weder durch den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Mai 2005 im Verfahren 9 II 36 / 04 WEG Amtsgericht Duisburg-Hamborn noch durch den angefochtenen Beschluss aufgegeben. Dies entspricht der Rechtslage, die zur Beseitigung nur den Handlungsstörer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet (BayObLG NZM 2002, 351; NJW-RR 1991, 1234 f.), nicht aber den Sonderrechtsnachfolger des Handlungsstörers.

c)

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Beteiligten zu 2 für verpflichtet gehalten, als Zustandsstörer die Beseitigung der von ihnen im Rahmen der Wohnnutzung übernommenen Bauteile durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Zwecke der Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes auf deren Kosten zu dulden (vgl. BGH NJW 2007, 432; BayObLG NZM 2002, 351; KK-WEG-Drabek 2006, § 22 Rdz. 60).

Die Eigenschaft der Beteiligten zu 2 als Zustandsstörer folgt allerdings nicht schon daraus, dass sie sich weigern, den zur Störungsbeseitigung erforderlichen (vollständigen) Rückbau zu dulden.

aa)

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt nämlich für sich genommen weder die Sachherrschaft über die störende Sache noch die damit einhergehende Möglichkeit, die Störung zu beseitigen, um Jemanden als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen. Zustandsstörer ist vielmehr Derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgeblichen Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird (BGH a.a.O. mit Nachweisen). Notwendig ist zunächst, dass der in Anspruch Genommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit der Beseitigung hat, ferner, dass ihm die Beeinträchtigung zurechenbar ist, weil er aus irgend einem Rechtsgrund zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet ist (BGH a.a.O.).

bb)

Diese Voraussetzungen sind in der Person der Beteiligten zu 2 erfüllt. Denn diese sind als unmittelbare Besitzer des Dachbodens in der Lage, die verbliebenen Bauteile zu beseitigen. Auch geht die Beeinträchtigung mittelbar auf ihren Willen zurück, weil sie die Beseitigung der vorhandenen Wände und Decken nicht zulassen wollen. Dies zu dulden sind die Beteiligten zu 2 rechtlich verpflichtet. Dies lässt sich zum Einen aus § 15 Abs. 3 WEG herleiten, wonach jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, der dem Gesetz, den Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht und ergibt sich zudem auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander eine gesteigerte Bedeutung zukommt (vgl. Senat NZM 2007, 529).

c)

Darauf, ob sich die verbliebenen Bauteile für sich genommen (noch) zur Wohnnutzung eignen, hat die Kammer zu Recht nicht abgestellt. Denn Gegenstand der Duldungspflicht des Zustandsstörers ist die einheitliche Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes und nicht bloß eines solchen, der eine Wohnnutzung nicht oder nicht mehr ermöglicht.

Deshalb kann es - abgesehen von ganz marginalen Beeinträchtigungen, die nach § 242 BGB zu beurteilen wären - auch nicht darauf ankommen, ob ein verbliebenes bauliches Zwischenstadium nach Teilbeseitigung sich noch als nachteilig für die Gemeinschaft darstellt.

d)

Ohne Beanstandung hat die Kammer schließlich eine aus wirtschaftlichen Gründen rechtsmissbräuchliche Wahrnehmung des Gemeinschaftsinteresses verneint.

Sie hat im Einzelnen unter Bewertung des Kostenvoranschlages der Firma H. vom 19. März 2007 plausibel ausgeführt, dass die Beteiligten zu 2 durch die Duldung der Maßnahme auf Kosten der Gemeinschaft anteilig mit einem 2.000,- Euro unterschreitenden Betrag belastet würden. Diese auf § 287 ZPO basierende Schätzung erweist sich ebenso wenig als rechtlich fehlerhaft, wie die Beurteilung eines solchen Aufwandes als zumutbar.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs.1, 47 a. F. WEG. Eine Erstattungsanordnung im Hinblick auf die im dritten Rechtszug notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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