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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: I-3 Wx 44/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1946
BGB § 1953
1. Über einen "neuen" Antrag (hier: Gesuch um einen Teilerbschein anstelle des ursprünglich nachgesuchten gemeinschaftlichen Erbscheines) muss das Erstbeschwerdegericht entscheiden, sofern dieser der Vorinstanz bei der Entscheidung über die Nichtabhilfe vorgelegen hat.

2. Setzen Ehegatten einander in einem Erbvertrag gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden von ihnen, zu unbeschränkten alleinigen Erben ein und treffen sie darüberhinaus Regelungen der weiteren Erbfolge, so führt die Erbausschlagung des überlebenden Ehegatten grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit des Erbvertrages und der Folge des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 44/07

In der Nachlasssache

betreffend den Nachlass der am 18. April 2006 in Essen, mit letztem Wohnsitz in Heiligenhaus, verstorbenen Frau R. geb. B.,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 7. Februar 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W. am 18. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erstbeschwerde, gerichtet auf die Anweisung des Amtsgerichts den Teilerbschein dahin zu erteilen, dass die Erblasserin zu 1/3 von der Beteiligten zu 1 beerbt worden ist, als unbegründet zurückgewiesen wird.

Wert: 33.000,- EUR.

Gründe:

I.

Die am 18. April 2006 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 2 verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, nämlich die Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 3 und 4.

Die Erblasserin und der Beteiligte zu 2 errichteten unter dem 28. November 1980 ein gemeinschaftliches Testament (UR-Nr. 45/1980, Notar G.). Unter dem 12. Mai 1999 (UR-Nr. 652/1999, Notar H.) schlossen die Parteien einen Erbvertrag, durch das sie alle früheren Verfügungen von Todes wegen aufhoben, auch das Testament vom 28. November 1980. Unter dem 6. April 2004 schlossen die Erblasserin und der Beteiligte zu 2 einen weiteren Erbvertrag (UR-Nr. 397/2004, Notar H.), in dem wiederum alle bereits errichteten Verfügungen von Todes wegen aufgehoben wurden. In dem Erbvertrag vom 6. April 2004 heißt es unter anderem:

"§ 2 Gegenseitige Erbeinsetzung

Wir setzen uns hiermit gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden von uns zu unbeschränkten alleinigen Erben ein, ohne Rücksicht darauf, ob und welche Pflichtteilsberechtigte bei unserem Tode vorhanden sein werden.

§ 3 Erbfolge nach dem Überlebenden von uns

1. Der Überlebende ernennt zu seinem alleinigen Erben unseren Sohn, Herrn C. T., geb. am 19. April 1966, wohnhaft bei uns.

Ersatzerbe ist sein Bruder, Herr B. T., geb. am 13. März 1961, ....

2. Unser Sohn C. T. ist Vorerbe. (...) Nacherbe ist sein Bruder B. T., vorgenannt, ersatzweise dessen Abkömmlinge entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

(...)

5. Ersatzvermächtnisnehmer für unseren Sohn B. sind dessen Abkömmlinge entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

(...)

§ 5 Enterbungsbestimmung

Unsere Tochter, Frau D., enterben wir mit ihrem Stamm.

§ 6 Gleichzeitiges Versterben

Die vorstehenden Bestimmungen in §§ 3, 4 und 5 gelten entsprechend für den Nachlass eines jeden von uns für den Fall, dass wir zur gleichen Zeit oder aus gleichem Anlass kurz hintereinander versterben."

Der Beteiligte zu 2 schlug durch notariell beglaubigte Urkunde vom 31. Juli 2006 (UR-Nr. 889/2006, Notar H.) die Erbschaft nach der Erblasserin aus allen Berufungsgründen aus.

Mit Erbscheinsantrag vom 4. September 2006 (UR-Nr. 152/2006, Notar E.) hat die Beteiligte zu 1 beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, wonach sie und die Beteiligten zu 3 und 4 zu je 1/3 Erben der Erblasserin geworden seien. Da der Beteiligte zu 2 die Erbschaft ausgeschlagen habe, sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Die Beteiligten zu 3 und 4 sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 15. November 2006 (berichtigt am 11. Dezember 2006) hat das Amtsgericht wie folgt beschlossen:

"Der Antrag der Beteiligten zu 1 vom 4. September 2006 auf Erteilung eines Erbscheins des Inhalts, dass sie die am 29.12.1935 geborene R. geb. B., verstorben am 18.04.2006 in Heiligenhaus, zu 1/3 beerbt habe, wird zurückgewiesen."

Gegen diese Entscheidung hat sich die Beteiligte zu 1 mit ihrem Rechtsmittel gewendet und hat beantragt:

"(...) das Amtsgericht anzuweisen, den Teilerbschein zu erteilen des Inhalts, dass die am 29.12.1935 geborene R., geb. B., verstorben am 18.04.2006 in Heiligenhaus, zu 1/3 beerbt worden ist von der Beteiligten zu 1. (...)."

Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landgericht hat am 7. Februar 2007 die Beschwerde der Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen.

Die Beteiligte zu 1 wendet sich gegen diese Entscheidung mit der weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 3 und 4 entgegen treten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler (§ 27 FGG).

1.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, das an sich gemäß §§ 19 ff. FGG als Beschwerde statthafte Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 sei unzulässig. Denn die Kammer sei bereits aus prozessualen Gründen gehindert, das Amtsgericht anzuweisen, einen Teilerbschein des Inhalts zu erteilen, wie mit der Beschwerdeschrift vom 22. Dezember 2006 beantragt. Im Erbscheinsverfahren könne das Beschwerdegericht nämlich nur dann zur Erteilung eines Erbscheins anweisen, wenn ein entsprechender Antrag beim Nachlassgericht gestellt ist. Das Beschwerdegericht könne nur über den beim Nachlassgericht zuletzt gestellten Erbscheinsantrag entscheiden. Neue Anträge zum Inhalt des Erbscheins seien unzulässig; sie müssten beim Nachlassgericht gestellt werden [vgl. BayObLG, NJW-RR 1994, 1032; Schellhammer, Erbrecht, Rdz. 122]. Vorliegend begehre die Beteiligte zu 1 mit ihrer Beschwerdeschrift vom 22. Dezember 2006 die Erteilung eines Teilerbscheins, der sie als Erbin der Erblasserin zu 1/3 ausweist. Beim Nachlassgericht habe die Beteiligte zu 1 einen abweichenden Antrag gestellt. Dort habe sie die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für sich und die Beteiligten zu 3 und 4 beantragt. Die Kammer könne aber - wie ausgeführt - nicht über einen Erbscheinsantrag entscheiden, der bisher nicht beim Nachlassgericht gestellt worden ist.

Im übrigen weise die Kammer darauf hin, dass der Beteiligten zu 1 kein Erbschein zu erteilen sein dürfte. Gemäß § 5 des Erbvertrages vom 6. April 2004 sei die Beteiligte zu 1 von der Erblasserin und dem Beteiligten zu 2 enterbt worden. Die Enterbung durch die Erblasserin werde ersichtlich nicht dadurch hinfällig, dass der Beteiligte zu 2 die Erbschaft nach der Erblasserin ausgeschlagen hat.

2.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung zwar insoweit nicht stand als die Kammer hat die Erstbeschwerde für unzulässig gehalten hat; dieses Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, was auf die weitere Beschwerde auszusprechen ist.

a)

Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass das Beschwerdegericht prinzipiell nur über den beim Nachlassgericht zuletzt gestellten Antrag entscheiden kann (vgl. OLG Hamm OLGZ 1970, 117; Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Auflage 2003 § 19 Rdz. 113; Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. § 23 Rdz. 4; Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. § 84 Rdz. 2).

Einen in der Beschwerdeinstanz gestellten neuen Antrag muss das Beschwerdegericht daher grundsätzlich unbeachtet lassen, da über ihn zuerst das Amtsgericht zu entscheiden hat (Kahl a.a.O.). Hat allerdings dem Amtsgericht der neue Antrag vor der Entscheidung zur Stellungnahme vorgelegen (Nichtabhilfe), so ist das Beschwerdegericht nicht gehindert, über diesen Antrag zu entscheiden (BayObLGZ 1981, 69; OLG Hamm a.a.O; Kahl a.a.O.; Winkler a.a.O.).

b)

Dies vorausgeschickt, konnte und musste die Kammer über den Antrag der Beteiligten zu 1, das Amtsgericht anzuweisen, den Teilerbschein dahin zu erteilen, dass die Erblasserin zu 1/3 von ihr, der Beteiligten zu 1, beerbt worden ist, entscheiden und durfte das Rechtsmittel nicht als unzulässig verwerfen. Denn die Beschwerdeschrift mit dem entsprechenden Antrag lag dem Amtsgericht bei seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 29. Januar 2007 nicht nur vor, sondern die Nichtabhilfe bezieht sich ausdrücklich auf den beantragten Teilerbschein.

c)

aa)

Die Sache ist nicht an das Landgericht zum Zwecke der Herbeiführung einer inhaltlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Zwar ist die Zurückverweisung in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zulässig, wenn der angefochtene Beschluss nur über die Zulässigkeit entschieden hat. Eine eigene Sachentscheidung ist aber angezeigt, wenn nach Lage des Einzelfalles der baldigen Beendigung des Verfahrens der Vorzug vor dem Verlust einer Tatsacheninstanz gebührt (vgl. Briesemeister in Jansen FGG 3. Auflage 2006 § 25 Rdz. 22 f.). Dies ist vorliegend der Fall, weil sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen feststehen.

bb)

Ein Teilerbschein kann der Beteiligten zu 1 nicht erteilt werden, weil sie durch § 5 des Erbvertrages vom 6. April 2004 enterbt worden ist.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn dieser Vertrag unwirksam wäre. Hierfür besteht indes kein Anhalt. Insbesondere führt der Umstand, dass der Beteiligte zu 2 die Erbschaft ausgeschlagen hat, nicht zur Unwirksamkeit des Erbvertrages und zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden nicht als erfolgt, § 1953 Abs. 1 BGB. Die Erbschaft fällt Demjenigen zu, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalles nicht gelebt hätte, § 1953 Abs. 2 BGB.

Hätte der Beteiligte zu 2 den Erbfall nicht erlebt, so wäre gemäß § 3 Nr. 1 des Erbvertrages der Beteiligte zu 4 zum Vorerben berufen. Dass die Ausschlagung auch nach dem Willen der Vertragsschließenden nicht zur Unwirksamkeit des Erbvertrages führen sollte, ergibt sich indiziell auch aus § 7 Nr. 2 des Erbvertrages, wonach der Überlebende u. a. berechtigt sein sollte, über sein aufgrund dieses Erbvertrages ererbtes Vermögen zu Lebzeiten beliebig zu verfügen. Eine vergleichbare Wirkung hat nämlich die Ausschlagung.

Hiernach bleibt festzuhalten, dass bei fortbestehendem Erbvertrag die Beteiligte zu 1 kein Erbrecht und damit keinen Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins oder auf eine entsprechende Anweisung des Nachlassgerichts hat.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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