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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: I-3 Wx 56/05
Rechtsgebiete: WE


Vorschriften:

WEG § 24 Abs. 5
WEG § 43 Abs. 4
WEG § 47
Dem nicht zum Kreis der Verfahrensbeteiligten gehörenden Leiter der Wohnungseigentümerversammlung (hier: Rechtsanwalt) können im Wohnungseigentumsverfahren keine Kosten auferlegt werden.

Die fehlerhafte Beschlussfeststellung des von den Wohnungseigentümern beauftragten Versammlungsleiters kann nicht dem das Protokoll führenden Verwalter mit der Folge zugerechnet werden, dass dieser mit den Kosten des Beschlussanfechtungsverfahren belastet wird.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 56/05

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Eigentümergemeinschaft A 3 - 5, M.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 24.02.2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. sowie der Richter am Oberlandesgericht von W. und B. am 29.04.2005

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Kostenentscheidung zu TOP 8 wird abgeändert.

Die Gerichtskosten 1. und 2. Instanz werden insoweit den Beteiligten zu 2. auferlegt. Die Gerichtskosten des 3. Rechtszuges fallen den Beteiligten zu 1. zur Last. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die Antragsteller haben die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.06.2003 zu TOP 6, 7, 8 und 12 gefassten Eigentümerbeschlüsse rechtzeitig angefochten, den Anfechtungsantrag zu TOP 12 jedoch später zurückgenommen.

Das Amtsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 19.04.2004 zurückgewiesen.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben die Beteiligten zu 1. beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu TOP 8 (Verwalterbestellung ab dem 01.01.2004) vom 12.06.2003 für ungültig erklärt wird. Nachdem die Eigentümergemeinschaft in der Versammlung vom 08.12.2004 erneut einen Beschluss über die Verwalterbestellung der Beteiligten zu 3. bis zum 31.12.2006 gefasst hatte und dieser Beschluss bestandskräftig geworden war, haben die Beteiligten zu 1. hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beteiligten zu 2. haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24.02.2005 den Tenor der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 19.04.2004 zur Klarstellung neu gefasst und bezüglich des Antrags zu TOP 8 die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten der Beteiligten zu 3. (Verwalterin) auferlegt. Das Landgericht ist insofern von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Hauptsache ausgegangen und hat sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen nach billigem Ermessen der Verwalterin auferlegt, weil die Beschlussanfechtung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand begründet gewesen wäre und dies insbesondere auf fehlerhaftes Verhalten der Verwalterin bei der Abstimmung und Beschlussfeststellung zurückzuführen sei.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3. mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie vorbringt:

Im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 8 sei Rechtsanwalt E. Versammlungsleiter gewesen; dessen Verschulden bei der Ermittlung des Beschlussergebnisses könne der Verwalterin nicht angelastet werden.

Die Beteiligten zu 1., die Rechtsanwalt E. den Streit verkündet haben, treten der sofortigen weiteren Beschwerde unter Hinweis darauf entgegen, das falsche Abstimmungsergebnis sei von der Verwaltung zu vertreten, Herr D. habe seine Mitarbeiterin, Frau R. bei der Überwachung der Stimmrechtsvollmachten kontrollieren müssen.

Die Beteiligten zu 2. stellen keinen Antrag.

Im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die isolierte weitere Kostenbeschwerde der Beteiligten zu 3. ist gemäß §§ 43, 45 WEG, 20 a Abs. 2, 22,. 27, 29 FGG zulässig und begründet. Die Kostenbelastung der Beteiligten zu 3. ist gemäß § 47 WEG nicht gerechtfertigt.

1. Soweit die Beschlussanfechtung zu TOP 8 betroffen ist, ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der hilfsweisen Erledigungserklärung der Beteiligten zu 1., der sich die Antragsgegner angeschlossen hatten, nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden war. Dass das Landgericht den Tenor der amtsgerichtlichen Entscheidung aus Klarstellungsgründen im übrigen neu gefasst hat, ist keine Sachentscheidung und steht deshalb der Zulässigkeit der isolierten Kostenbeschwerde der Beteiligten zu 3. nicht entgegen.

2. Die Kostenbelastung der Beteiligten zu 3. hält jedoch der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Die Kammer hat hierzu ausgeführt:

"Die Feststellung des Abstimmungsergebnisses zu der Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 8 über die Substraktionsmethode entsprach im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Anzahl der anwesenden bzw. vertretenen Eigentümer nicht feststand. Insbesondere bei den gegebenen knappen Mehrheitsverhältnissen war daher der Anlass gegeben, von der Substraktionsmethode Abstand zu nehmen (vgl. BGH, NJW 2002, 3629).

Die Substraktionsmethode wurde vorliegend bei TOP 8 angewandt. Aus der Aussage des Zeugen E. ergibt sich nicht anderes. Er hat lediglich ausgesagt, dass ständig überprüft wurde, wie viele Eigentümer noch anwesend bzw. vertreten waren. Anhand dessen sei das Abstimmungsergebnis - insbesondere zu TOP 8 - ausgezählt worden. Daraus lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Ja-Stimmen ausdrücklich abgefragt wurden. Vielmehr wurde auch hier die Substraktionsmethode angewandt und lediglich anhand der Überprüfung der anwesenden bzw. vertretenen Eigentümer ausgezählt.

Laut des Protokolls der Eigentümerversammlung vom 12.06.2003 waren auch bei TOP 8 noch 23 Wohnungseigentümer anwesend bzw. vertreten. Das Protokoll enthält keine Angaben zu den Eigentümern, die die Versammlung verlassen haben. Tatsächlich haben jedoch mehrere Eigentümer die Versammlung vorzeitig verlassen, ohne sodann ordnungsgemäß vertreten zu sein.

Im Einzelnen wird hierzu folgendes ausgeführt:

Frau M. hat die Versammlung unstreitig vorzeitig verlassen. Eine schriftliche Vollmacht liegt nicht vor. Eine solche ist gemäß § 15 Ziffer 5 der Teilungserklärung jedoch erforderlich. Frau M. war daher weder anwesend noch vertreten und somit waren in jedem Fall nur noch 22 Eigentümer anwesend bzw. vertreten. Das festgestellte Abstimmungsergebnis ist bereits für diesen Fall nicht korrekt. Eine Mehrheit lag dann bereits schon nicht mehr vor, da allenfalls 11 zu 11 Stimmen gegeben waren.

Auch Herr K. ist vorzeitig gegangen. Er hatte seinerseits die Eheleute W. vertreten. Eine schriftliche Vollmacht liegt insoweit nicht vor. Herr K. hat bezüglich seiner Stimme Frau G. eine schriftliche Vollmacht erteilt. Aus dieser Vollmacht ist allerdings nicht ersichtlich, dass er auch Untervollmacht für die Eheleute W. erteilt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Eheleute W. ihm die Erlaubnis zur Unterbevollmächtigung erteilt haben. Nach der der Einladung beigefügten Vollmachtserklärung ist dies nur für den Fall vorgesehen, dass der Vertreter selbst nicht stimmberechtigt ist. Das war hier nicht der Fall. Wenn Herr K. hinsichtlich der Eheleute W. keine Untervollmacht erteilt hat und auch nicht erteilen durfte, sind diese nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Dann wäre bereits eine weitere Stimme weniger zu berücksichtigen.

Die Anzahl der anwesenden und vertretenen Eigentümer ist vor dem dargestellten Hintergrund nicht eindeutig festzustellen. Diese Unklarheit führt dazu, dass im Falle der Anfechtung davon ausgegangen wird, dass die Zahl der Ja-Stimmen vom Versammlungsleiter zu Unrecht festgestellt worden ist (vgl. OLG Köln, NZM 2002, 458).

Der zu TOP 8 der Versammlung vom 12.06.2003 gefasste Beschluss wäre daher aufzuheben gewesen. Die Beschlussanfechtung beruht aus den dargestellten Gründen insbesondere auf dem fehlerhaften Verhalten der Verwalterin, die nicht in ausreichendem Maße dafür Sorge getragen hat, dass die Abstimmung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Daher entsprach es billigem Ermessen gemäß § 47 WEG, ihr hinsichtlich der Beschlussanfechtung zu Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom 12.06.2003 sowohl für die erste als auch die zweite Instanz die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten aufzuerlegen."

a) Den Ausführungen zur Unzulässigkeit der Anwendung der Substraktionsmethode und zur Notwendigkeit der Ermittlung des tatsächlichen Abstimmungsergebnisses im konkreten Fall (vgl. hierzu BGH NZM 2002, 992 und OLG Düsseldorf NZM 2000, 763) stimmt der Senat in vollem Umfang zu.

b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch insoweit die Schuldzuweisung an die Beteiligte zu 3. Zwar ist anerkannt, dass im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 47 WEG auch eine etwaige Schadensersatzpflicht des WEG-Verwalters zu berücksichtigen ist und zu dessen Kostenbelastung führen kann (BGH, NJW 1997, 2956 = WE 1997, 466; BGH NJW 1998, 755; Weitnauer/Mansel, WEG, 9. Aufl., § 47 Rn. 6); indessen hat das Landgericht übersehen, dass im vorliegenden Fall nicht die Verwalterin, sondern der von den Wohnungseigentümern mit der Versammlungsleitung beauftragte Rechtsanwalt E. für die fehlerhafte Feststellung des Abstimmungsergebnisses und für die fehlerhafte Beschlussfeststellung verantwortlich war. Rechtsanwalt E., der zunächst als Berater für verschiedene Tagesordnungspunkte zu der Eigentümerversammlung am 12.06.2003 hinzugezogen worden war, ist ausweislich des Versammlungsprotokolls ab 21.35 Uhr durch einstimmigen Geschäftsordnungsbeschluss der Wohnungseigentümer zum Versammlungsleiter gewählt worden (vgl. Bl. 63, 66 unten d.A.). Herr D. hat von diesem Zeitpunkt an lediglich das Protokoll geführt (Bl. 68 d.A.). Die Beschlussverkündung zu TOP 8 ist somit durch Rechtsanwalt E. als Versammlungsleiter erfolgt (Bl. 71 d.A.).

Unter diesen Umständen ist für eine Kostenbelastung der Beteiligten zu 3. kein Raum. Rechtsanwalt E. war nicht etwa Erfüllungsgehilfe der Beteiligten zu 3., sondern eigenverantwortlicher Versammlungsleiter. Da Rechtsanwalt E. an dem vorliegenden Wohnungseigentumsverfahren nicht materiell beteiligt ist (§ 43 Abs. 4 WEG), kann er nicht in die zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 47 WEG einbezogen werden.

Der Hinweis der Beteiligten zu 1. auf die Protokollführung durch die Beteiligte zu 3. und das Fehlverhalten der Mitarbeiterin der Verwalterin Frau R. bei der Überwachung der Stimmrechtsvollmachten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Für die richtige Ermittlung des Abstimmungsergebnisses und für die konstitutive Beschlussfeststellung im Sinne der BGH-Entscheidung vom 23.08.2001 (NZM 2001, 961) war allein der Versammlungsleiter zuständig und verantwortlich. Der dem Vorsitzenden der Wohnungseigentümerversammlung nach den Feststellungen des Landgerichts am 12.06.2003 unterlaufene Abstimmungsfehler ist der Beteiligten zu 3. nicht zuzurechnen.

3. Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz fallen, soweit die Beschlussanfechtung zu TOP 8 betroffen ist, den Beteiligten zu 2. zur Last, denn die Beschlussanfechtung, der die Antragsgegner entgegengetreten sind, hätte insoweit, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ergibt, ohne den Erledigungstatbestand Erfolg gehabt. Die Kostenbelastung der Beteiligten zu 2. entspricht daher gemäß § 47 Satz 1 WEG billigem Ermessen. Die Gerichtskosten des dritten Rechtszuges sind dagegen den Beteiligten zu 1. aufzuerlegen, da sie die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. erfolglos bekämpft haben, während sich die Beteiligten zu 2. in dritter Instanz nicht formell beteiligt haben. Für die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat aus besonderen Billigkeitsgründen gemäß § 47 Satz 2 WEG keine Veranlassung.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse.

Ende der Entscheidung

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