Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 65/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28
WEG § 23
1. Rückstände aus Abrechnungen früherer Jahre sind offene Forderungen und grundsätzlich nicht Bestandteil der Jahresabrechnung.

2. Sind Vorjahressalden in die Jahresabrechnung einbezogen worden, werden sie von der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung erfasst und nehmen an der Bestandskraft des Beschlusses teil, wenn die Wohnungseigentümer dies gewollt haben.

3. An die rechtsfehlerfreie Auslegung des Beschlusses durch den Tatrichter ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, wenn es dabei nur um die Regelung eines Einzelfalles geht.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 65/04

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage M-Straße 28 - 30 in M,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 5. Januar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G, der Richterin am Oberlandesgericht S-L und des Richters am Oberlandesgericht Dr. S

am 30. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beklagte zu 1. trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.528,74 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1. ist als Verwalterin der o.a. Wohnungseigentumsanlage zur gerichtlichen Geltendmachung von Wohngeldforderungen im eigenen Namen berechtigt. Sie nimmt dem Beteiligten zu 2., der - neben seiner Ehefrau - zu 1/2 Anteil Sondereigentümer der Wohnung Nr. 13 ist, auf Zahlung rückständigen Wohngelds aus der Jahresabrechnung 2001 i.H.v. 1.314,89 €, einer Klagegebühr i.H.v. 177,93 € sowie Mahnkosten i.H.v. 106,80 € abzgl. einer Gutschrift von 77,88 € in Anspruch.

In der Versammlung vom 27.03.2002 haben die Wohnungseigentümer die von der Beteiligten zu 1. erstellte Jahresabrechnung (Gesamt- und Einzelabrechnungen) für das Jahr 2001 beschlossen. Die Einzelabrechnung wies für den Beteiligten zu 2. (und dessen Ehefrau) zunächst einen auf ihn entfallenden Teil der Gesamtausgaben i.H.v. 1.238,45 €, dann Einnahmen von 1.227,56 € und als "Zwischenergebnis" eine Nachforderung von 10,89 € aus. Anschließend heißt es sodann:

Kontostand vom 31.12.01 Nachforderung 1.304,00

Abrechnungsergebnis Nachforderung 1.314,89

Die Beteiligte zu 1. hat die Ansicht vertreten, in der Abrechnung sei der Betrag von 1.314,89 € als Abrechnungsergebnis ausgewiesen und als solches auch von dem Beschluss der Wohnungseigentümer umfasst worden.

Der Beteiligte zu 2. hat sich darauf berufen, eine "Nachforderung" von 1.314,89 € sei in der Versammlung vom 27.03.2002 nicht beschlossen worden, die Einzelabrechnung für das Jahr 2001 ende mit einem Saldo von nur 10,89 € zu seinen Lasten. Die von der Beteiligten zu 1. geltend gemachte Klagegebühr und die Mahnkosten seien nicht berechtigt.

Das Amtsgericht hat dem Antrag i.H.v. 1.468,32 DM nebst Zinsen stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 27.03.2002 erstrecke sich ausdrücklich auf die Mitteilung des Kontostandes vom 31.12.2001, so dass die Zahlungspflicht des Beteiligten zu 2. sich auch auf die Nachzahlungsforderungen aus 2001 beziehe. Die geltend gemachte Klagegebühr müsse der Beklagte zu 2. in voller Höhe zahlen, die geltend gemachten Mahnkosten dagegen nur zur Hälfte.

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antrag der Beteiligten zu 1. insgesamt zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. mit dem Antrag, den landgerichtlichen Beschluss aufzuheben und die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, an sie 1.627,89 € abzgl. am 19.12.2002 gezahlter 106,15 € zu zahlen. Der Beteiligte zu 2. ist dem Rechtsmittel entgegen getreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das gemäß §§ 43, 45 WEG, 27, 29, 22 FGG statthafte und zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, aus der bestandskräftig beschlossenen Einzelabrechnung für das Jahr 2001 ergebe sich keine Zahlungspflicht des Beteiligten zu 2. hinsichtlich des als "Kontostand vom 31.12.01 Nachforderung" ausgewiesenen Betrages von 1.304 €. Auf diese "bloße Kontostandsmitteilung" beziehe sich die Beschlussfassung nicht. Zwar sei es grundsätzlich möglich, einen Vorjahresrückstand in die Jahresrechnung mit einzubeziehen, dies setze aber voraus, dass die Auslegung des Beschlusses einen entsprechenden Willen der Wohnungseigentümer ergebe. Das sei hier nicht der Fall. Grundsätzlich erstrecke sich nämlich ein Eigentümerbeschluss, durch den Jahresabrechnung gebilligt wird, im Zweifel nicht auf die das Vorjahresergebnis und den sich bei dessen Berücksichtigung ergebenden abschließenden Saldo enthaltene Kontomitteilung. Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnungseigentümer auch den Vorjahressaldo in die Beschlussfassung hätten einbeziehen wollen, seien nicht ersichtlich. Gebilligt hätten sie lediglich die Gesamt- und Einzelabrechnung. Dass damit auch der Vorjahressaldo gemeint gewesen sei, könne der Versammlungsniederschrift nicht entnommen werden. Da die sich aus der Abrechnung ergebende Nachforderung von 10,89 € für das Jahr 2001 durch das Guthaben des Beteiligten zu 2. i.H.v. 77,88 €, welches die Beteiligte zu 1. zu Gunsten des Beteiligten zu 2. in die Abrechnung einbezogen hat, ausgeglichen sei, könne der Beschluss vom 27.03.2002 keine ausreichende Grundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch sein. Danach könne die Beteiligte zu 1. auch weder die geltend gemachte Klagegebühr noch die Gebühr für Mahnschreiben verlangen.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung Stand. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss gebilligte Einzelabrechnung des Beteiligten zu 2. für 2001 ein Soll von lediglich 10,89 € ausweist. Ebenso wie die Gesamtabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft als einfache Einnahme/Ausgaben-Überschussrechnung aufzustellen ist und deshalb lediglich die tatsächlich im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Gesamteinnahmen den tatsächlich geleisteten Ausgaben gegenüber zu stellen hat, ist die Einzelabrechnung die Gegenüberstellung des von dem einzelnen Wohnungseigentümer auf der Grundlage der Gesamtjahresabrechnung geschuldeten Betrages und der von ihm hierauf geleisteten Vorauszahlungen mit dem sich daraus ergebenden Saldo in Form eines Fehlbetrages oder einer Überzahlung.

Das bedeutet, dass Grundlage einer Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers insoweit nur ein seine Wohngeldzahlungen für das betreffende Jahr übersteigender Teil der Ausgaben in dem betreffenden Jahr ist, der Saldo aus früheren Jahresabrechnungen daher nicht in die Einzelabrechnung gehört. Allerdings können - und das hat das Landgericht nicht verkannt - auch Vorjahressalden in die Jahresabrechnung einbezogen werden und - wenn sie von der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung umfasst werden sollen - an der Bestandskraft dieses Beschlusses teilnehmen. Ob die Wohnungseigentümer dies im Einzelfall gewollt haben, ist durch Auslegung des Beschlusses zu ermitteln.

Die Auslegung eines Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, das Gericht der weiteren Beschwerde kann sie nur auf Rechtsfehler überprüfen. Dies gilt jedenfalls für Beschlüsse, die - wie hier - einen abgeschlossenen Einzelfall regeln und keine für die Zukunft bedeutsamen Dauerregelungen treffen (vgl. BGH NJW 1998, 3713, 3714; BayObL NJW RR 1994, 1104).

Die Auslegung des Landgerichts, der Vorjahressaldo sei nicht in die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer vom 27.03.2002 einbezogen worden, weist keinen Rechtsfehler auf. Sie ist nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich - sie muss nicht zwingend sein - steht mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang, widerspricht nicht dem klaren Sinn und Wortlaut des Beschlusses und berücksichtigt alle wesentlichen Tatsachen.

Wie der Senat bereits früher ausgeführt hat (3 Wx 170/02 vom 19.08.2002) bewirkt die jährliche "Weiterübertragung" angeblich offener Altschulden eines Wohnungseigentümers nicht jedes mal eine neue Festlegung seiner Verpflichtung (vgl. Bärmann/ Pick/Merle, WEG 9. Aufl., Rn. 80 zu § 28). Das bedeutet, dass hinreichende Anhaltspunkte, die sich aus den Begleitumständen, insbesondere aus den näheren Umständen der Beschlussfassung, die sich möglicherweise aus dem Sitzungsprotokoll der Wohnungseigentümerversammlung ergeben, der Darstellung der Einnahmen und Ausgaben in der Einzelabrechnung usw. vorliegen müssen, aus denen sich ein Wille der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung feststellen lässt, die Vorjahressalden in ihre Beschlussfassung mit einzubeziehen.

Solche Umstände hat das Landgericht zu Recht nicht festgestellt. Das Protokoll über die Wohnungseigentümerversammlung bietet keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Wohnungseigentümer. Nach dem Wortlaut des Protokolls haben die Wohnungseigentümer nur die "Gesamt- und Einzelabrechnung 2001" angenommen und fällig gestellt. Die Fälligstellung der Abrechnungsergebnisse zum 01.05.2002 spricht nicht unbedingt für die Einbeziehung der Vorjahressalden, zumal diese bereits nach der entsprechenden Beschlussfassung der Abrechnung des Vorjahres, durch die für den Abrechnungssaldo die Zahlungspflicht begründet wurde, fällig waren.

Die optische Gestaltung der Einzelabrechnung lässt ebenfalls nicht nur den einen Schluss zu, dass die Salden aus den Vorjahren in die Beschlussfassung über die Abrechnung einbezogen werden sollten. Dass das Abrechnungsergebnis aus dem Jahr 2000 in die Kontenmitteilung, die - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - von der Beteiligten zu 1. im Jahr mehrfach aufgestellt und versandt worden ist, mit aufgenommen worden ist, bedeutet nicht, dass der Vorjahressaldo den tatsächlichen Ausgaben des Abrechnungsjahres 2001 gleichgestellt werden sollte. Die Abrechnung hat auch den Saldo aus der Jahresabrechnung 2000 nicht der Jahresabrechnung 2001 voran gestellt, sondern hat - im Gegenteil - zunächst korrekt die Ausgaben und Einnahmen des Jahres 2001 gegenüber gestellt, das sich hieraus ergebende Ergebnis ermittelt und erst sodann den sich unter Berücksichtigung des Vorjahrssaldo ergebenden Kontosaldo zum 31.12.2001 angefügt. Dass die Verwaltung davon ausging, durch die von ihr praktizierte Art der Buchhaltung und der Erstellung der Jahresabrechnung würden die Salden aus Vorjahresabrechnungen in die jeweilige Jahresabrechnung mit übernommen und von der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer umfasst, bedeutet nicht zwingend, dass auch alle Wohnungseigentümer ohne eine vorausgegangene "Aufklärung" oder entsprechende Erläuterung durch die Verwaltung oder ohne einen anderen Schluss nicht zulassende Art der Darstellung der Jahresabrechnung, von der gleichen Überlegung und damit der Einbeziehung der Salden in die Jahresabrechnung und ihre Beschlussfassung ausgingen.

Die sofortige weitere Beschwerde konnte danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligte zu 1. die gerichtliche Kosten der weiteren Beschwerde trägt. Für die Einordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

Zurück