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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 66/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 22 Abs. 1
Der nachträgliche Einbau und Anschluss eines Heizkörpers in einem zum Sondereigentum gehörenden verglasten Balkon (Wintergarten) ist als bauliche Veränderung nicht deshalb zustimmungspflichtig, weil damit eine intensivere Nutzung des Wintergartens verbunden ist.

Die nach der Teilungserklärung für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums vorgeschriebene schriftliche Zustimmung des Verwalters ist entbehrlich, wenn bereits ein Beschluss der Wohnungseigentümer herbeigeführt worden ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 66/04

Im den Wohnungseigentumsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandegerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., des Richters am Oberlandesgericht von W-L. und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L.

am 2. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung sowie die Entscheidungen des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19. Juni 2002 und 28. Mai 2003 werden aufgehoben.

Der Antrag der Beteiligten zu 3) und 4) vom 18. September 2001 (Entfernung des Heizkörpers pp.) wird zurückgewiesen.

Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) vom 15. August 2002 wird der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 23. Juli 2002 zu TOP 10 für ungültig erklärt.

Die Beteiligten zu 3) und 4) tragen sämtliche Gerichtskosten der drei Instanzen.

Wert: 3.000,00 EUR (i. W. dreitausend Euro).

Gründe:

1.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind bzw. waren die Mitglieder der eingangs näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 8) ist. Die Anlage umfasst 6 Wohneinheiten. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Sondereigentümer der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung Nr. 3.

Im rückwärtigen Teil befand sich ein Balkon, den die Beteiligten zu 1) und 2) mit Glas eingefasst haben, so dass daraus ein Wintergarten (Größe ca. 10,5 qm) entstanden ist. Zuvor verfügte der Balkon über eine Überdachung und eine seitliche Abschottung oberhalb der Gebäudetrennwand aus Stahl und Glas.

Das zwischen den Beteiligten anhängige Verfahren bezüglich der Verglasung des Balkons wurde nach Erteilung der Baugenehmigung durch das Bauordnungsamt für erledigt erklärt.

In dem Verfahren auf Erteilung der Baugenehmigung stellte der Architekt S. einen Befreiungsantrag nach § 73 BauO NRW. Unter dem Abschnitt "Nutzung" wurde ausgeführt, dass der Charakter des ehemaligen offenen Balkons erhalten bleiben soll und er weiterhin als untergeordneter Raum und nicht als Aufenthaltsraum genutzt werde. Eine Heizung werde nicht installiert.

Im Sommer des Jahres 2001 bauten die Beteiligten zu 1) und 2) einen Heizkörper ein und schlossen ihn dergestalt an den Heizkreislauf an, dass das Zu- und das Ablaufrohr mit dem gartenseitigen Heizkörper im Wohnzimmer verbunden wurden.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben beantragt,

die Beteiligten zu 1) und 2) zu verpflichten, den im Wintergarten installierten Heizkörper sowie die Zuleitungen zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 19. Juni 2002 hat das Amtsgericht die Beteiligten zu 1) und 2) antragsgemäß verpflichtet.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt.

In der Eigentümerversammlung vom 23. Juli 2002 wurde unter TOP 10 über folgenden Antrag abgestimmt:

"Die Eigentümergemeinschaft genehmigt den Einbau eines Heizkörpers in den Wintergarten der Miteigentümer Eheleute S./S.-T. mit der Maßgabe, dass die Verbrauchskosten sowie die Kosten möglicher Reparaturen ab dem Zuleitungssystem von den Miteigentümern S./S.-T. zu übernehmen sind."

Das Abstimmungsergebnis wurde wie folgt festgehalten (Protokoll Bl. 4 - 9 d. A. - 290 II 135/02 WEG Amtsgericht Düsseldorf):

"Ja - Stimmen 3 Wg Herr A., Herr B., Eheleute S.

Nein - Stimmen 2 Wg Frau C.

Enthaltungen 1 Wg Eheleute Dr. P.

Beschluss: Die WE stimmen dem Antrag der Miteigentümer Eheleute S. nicht zu.

Damit ist der Antrag der Miteigentümer Eheleute S. abgelehnt."

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben den ablehnenden Beschluss angefochten und beantragt,

den Beschluss zu TOP 10 der Eigentümerversammlung vom 23. Juli 2002 dergestalt aufzuheben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet wird, der Maßnahme zuzustimmen.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auch gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2) sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat beide Rechtsmittel zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

2.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beteiligten zu 1) und 2) seien mit Recht zur Beseitigung des Heizkörpers nebst Zuleitungen verpflichtet worden. Der nachträgliche Heizkörpereinbau stelle eine bauliche Veränderung dar, die grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfe, § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG. Vorliegend sei mit der Maßnahme ein nicht unerheblicher Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer verbunden (§ 14 Nr. 1 WEG), weil die Beheizung des Wintergartens zu einer intensiveren Nutzung führe, sodass eine Duldung durch die übrigen Wohnungseigentümer nicht in Betracht komme.

Zutreffend habe das Amtsgericht auch den ablehnenden Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23. Juli 2002 bezüglich der Genehmigung des Heizkörpereinbaus nicht für ungültig erklärt. Die Beteiligten zu 1) und 2) hätten keinen Anspruch auf Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu der baulichen Veränderung. Ein solcher ergebe sich auch nicht aus § 242 BGB, weil die Beteiligten zu 1) und 2) in ihrem Befreiungsantrag vom 28. August 1998 zugesichert hätten, dass der Charakter des ehemaligen offenen Balkons erhalten bleiben solle und der Raum weiterhin als untergeordneter Raum genutzt werde sowie dass eine Heizung nicht eingebaut werde. Auf diese Angaben hätten sich die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft verlassen dürfen.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist der nachträgliche Heizkörpereinbau zutreffend als bauliche Veränderung bewertet worden, die grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf. Denn eine solche Maßnahme stellt einen Eingriff in das gemeinschaftseigene Zentralheizungssystem dar (Staudinger-Bub, WEG, § 22 Rn. 150; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 22 Rn. 184).

Zu beanstanden ist aber die Einschätzung der Kammer, die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 14 WEG seien nicht gegeben.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG ist die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu einer baulichen Veränderung insoweit nicht erforderlich, als dessen Rechte dadurch nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Nach § 14 Nr. 1 und 3 WEG gilt dabei als Maßstab, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein solcher Nachteil ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht zu erkennen. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind bereit, die mit dem Heizkörpereinbau verbundenen Verbrauchskosten sowie die Kosten eventueller Reparaturen ab dem Zuleitungssystem zu tragen. Darüber hinaus haben sie schriftsätzlich zugesagt, die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten der von ihnen installierten Wärmeerfassungsgeräte zu tragen. Im Übrigen gilt § 16 Abs. 3 Satz 2 WEG. Danach ist ein Wohnungseigentümer, der einer baulichen Veränderung nicht zugestimmt hat, nicht verpflichtet Kosten zu tragen, die durch eine solche Maßnahme verursacht sind.

Die intensivere Nutzung des Wintergartens, die infolge des Heizkörpereinbaus unstreitig (vergleiche Seite 6 des Schriftsatzes vom 29. Oktober 2002) gegeben ist, beeinträchtigt die übrigen Wohnungseigentümer nicht. Die intensivere Nutzung findet innerhalb des Sondereigentums statt. Dass die Funktionstüchtigkeit der gemeinschaftseigenen Heizungsanlage durch den Einbau des Heizkörpers beeinträchtigt würde, ist nicht ersichtlich.

Was das Vorbringen der Beteiligten zu 3) und 4) bezüglich einer angeblich infolge des Heizkörpereinbaus notwendigen Änderung der Wohn- /Nutzflächenberechnung und damit einer Änderung der notariellen Urkunde vom 8. November 1993 betrifft, so ist dieses nicht schlüssig. In der betreffenden notariellen Urkunde sind unter Ziffer III die Wohn-/Nutzflächen als Grundlage für die Verteilung der Bewirtschaftungskosten festgeschrieben. Im Anschluss daran heißt es jedoch:

"Von der vorstehenden Kostenverteilung ausgenommen sind Kosten, die durch gesonderte Zähler oder in anderer Weise gesondert ermittelt werden können und dem jeweiligen Wohnungseigentümer in Rechnung gestellt werden; diese hat der jeweilige Wohnungseigentümer allein zu tragen."

Hinzu kommt, dass ein höherer Wärmeverbrauch in der Wohnung der Beteiligten zu 1) und 2) nicht erst durch den Einbau eines zusätzlichen Heizkörpers entstanden ist, sondern bereits durch die - längst nicht mehr streitige - Umwandlung des Balkons in einen Wintergarten.

Soweit die Beteiligten zu 3) und 4) in dritter Instanz in Abrede stellen, dass der Heizkörpereinbau baurechtlich zulässig ist, kann auf den bisher unangefochten gebliebenen Vortrag zu 1) und 2) (Schriftsatz vom 29. Januar 2002) verwiesen werden, wonach das Bauaufsichtsamt der Stadt Düsseldorf in einer Besprechung mit dem Architekten S. am 26. Juli 2001 den nachträglichen Einbau des Heizkörpers "akzeptiert" hat.

Der Befreiungsantrag vom 28. August 1998, in dem versprochen worden war, dass eine Heizung in dem Wintergarten nicht installiert würde, ist dadurch überholt.

Insbesondere bietet das an das Bauaufsichtsamt gerichtete Schreiben des Architekten S. vom 28. August 1998 keine Vertrauensgrundlage für die übrigen Wohnungseigentümer dergestalt, dass sie deshalb den nachträglichen Heizkörpereinbau nicht dulden müssten. Es kommt für die Frage, ob eine bauliche Veränderung mehrheitlich beschlossen werden kann, allein darauf an, ob Nachteile im Sinne des § 14 WEG gegeben sind; das ist, soweit ersichtlich, nicht der Fall.

Zwar bedürfen nach § 5 Nr. 3 der Teilungserklärung bauliche Veränderungen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Eine schriftliche Zustimmung liegt nicht vor, wenngleich der Akteninhalt darauf hindeutet, dass der Verwalter keine Einwände erhoben hat oder erheben wollte (vergleiche sein Schreiben vom 15. August 2001 als Antwort auf das Schreiben der Beteiligten zu 1) und 2) vom gleichen Tage). Das Fehlen einer schriftlichen Verwalterzustimmung ist aber unschädlich angesichts des von den Wohnungseigentümern gefassten Mehrheitsbeschlusses, welcher nach den vorstehenden Ausführungen hier ausreicht. Denn § 5 Nr. 4 der Teilungserklärung bestimmt:

"Erteilt der Verwalter die nach den vorstehenden Absätzen erforderliche Zustimmung nicht, so kann ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 25 WEG herbeigeführt werden."

Wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 10. März 1997 (NJW-RR 1997, 1103) entschieden hat, in dem eine vergleichbare Regelung der Teilungserklärung zu beurteilen war, hat eine solche Bestimmung nur den Inhalt, dass die Verweigerung der Zustimmung des Verwalters bzw. deren Widerruf durch die Wohnungseigentümer überprüft werden soll. Im vorliegenden Fall haben die Wohnungseigentümer entschieden. Damit ist die schriftliche Verwalterzustimmung nicht mehr notwendig.

Aus diesen Gründen war der ablehnende Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 23. Juli 2002 für ungültig zu erklären. Der weitergehende Antrag der Beteiligten zu 1) und 2), die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verpflichten, der baulichen Maßnahme zuzustimmen, ist gegenstandslos.

Die übrigen Wohnungseigentümer brauchen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dem Heizkörpereinbau nicht eigens zuzustimmen; sie müssen ihn jedoch dulden, weshalb der Beseitigungsantrag der Beteiligten zu 3) und 4) keine Grundlage im Gesetz findet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Für die Anordnung von Kostenerstattung bestand aus Billigkeitsgründen keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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