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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: I-3 Wx 77/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 5
1.

Ein Wirtschaftsplan begründet grundsätzlich nur eine auf die betreffende Wirtschaftsperiode begrenzte Vorschusspflicht.

2.

Die Wohnungseigentümer können die Fortgeltung des für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr beschlossenen Wirtschaftsplanes durch eine Vereinbarung oder einen wirksamen Mehrheitsbeschluss festlegen.

3.

Ein Beschluss, der unabhängig von einem konkreten Wirtschaftsplan generell die Fortgeltung eines jeden Wirtschaftsplanes - bis zur "Verabschiedung" eines neuen - zum Gegenstand hat, ist mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 77/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage B-Straße in L.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 19. Februar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. H, der Richterin am Oberlandesgericht T und des Richters am Oberlandesgericht Dr. T

am 11. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und die Entscheidung des Amtsgerichts vom 12. November 2002 werden abgeändert. Der Antrag der Beteiligten zu 2. wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu 2. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. ist seit Anfang 2002 Mitglied der o. a. Wohnungseigentümergemeinschaft. Er hält das Sondereigentum an zwei Wohnungen (Nr. 07 und 10) und drei Garagen (Nr. 20, 21 und 22). Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Wohnungseigentümergemeinschaft sind seit längerem schlecht. Die Wohnungseigentümer wohnen sämtlich nicht in der Anlage. Die Wohnungen und Ladenlokale sind nur zum Teil vermietet. Der am 16. August 2000 bestellte Verwalter G hatte einen Finanzbedarf in Höhe von rund 160.000,00 DM ermittelt.

In der Eigentümerversammlung vom 20.03.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig die Genehmigung der von der Verwaltung vorgelegten Wirtschaftspläne vom 09. und 20.03.2001. Danach war das Wohngeld für die Monate Januar bis April 2001 bis zum 31. März auf das Verwaltungskonto zu zahlen. Ab Mai sollte das Wohngeld jeweils bis zum 3. des Monats fällig sein.

Auf den Beteiligten zu 1. entfielen dabei für die beiden Wohnungen ein monatliches Wohngeld von 245,93 € bzw. 254,11 € und für die Garagen jeweils ein Wohngeld von 32,11 €.

Bereits zuvor hatten die Wohnungseigentümer in einer außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 16.08 2000 unter TOP 5: "Organisationsbeschlüsse" zu C) beschlossen:

Der jeweilige Wirtschaftsplan hat Gültigkeit bis zur Verabschiedung eines neuen Wirtschaftsplanes.

Der Beteiligte zu 1. zahlt seit November 2001 das Wohngeld nicht mehr. Er ist von der Firma Elektro N auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 5.917,24 DM für Arbeiten in Anspruch genommen worden, die vom Verwalter in Auftrag gegeben waren, mangels Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft aber nicht gezahlt werden konnten. Den von der Firma N geltend gemachten Betrag hat der Beteiligte zu 1. zwischenzeitlich beglichen.

Die Beteiligten zu 2. haben den Beteiligten zu 1. auf rückständige Wohngelder für die Zeit ab November 2001 abzüglich des Rechnungsbetrages der Firma N in Höhe von 5.917,24 DM in Anspruch genommen. Darüber hinaus haben sie ab September 2002 fortlaufend jeweils zum 3. eines jeden Monats das mit Beschluss vom 21.03.2001 für die jeweiligen Wohnungen und Garagen des Beteiligten zu 1. festgelegte Wohngeld verlangt.

Der Beteiligte zu 1. ist dem Antrag entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, der Antrag der Beteiligten zu 2. sei nicht hinreichend bestimmt, da sie lediglich einen nicht näher bezeichneten Teilbetrag geltend machten. Außerdem könne der Beschluss vom 21.03.2001 nicht für seine Zahlungsverpflichtungen für das Jahr 2002 herangezogen werden, denn ein Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 sei nicht aufgestellt und beschlossen.

Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 1. verurteilt,

an die Wohnungseigentümergemeinschaft B-Straße in L zu Händen des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft, Herrn ... G, 3.023,10€ nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 14.10.2002 sowie ab dem 01.09.2002 fortlaufend und fällig jeweils zum 03 eines jeden Monats für die Wohnung mit der Nummer 07 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 245,93 €, für die Wohnung mit der Nummer 10 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 254,11 €, für die Garage mit der Nummer 20 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 32,21 €, für die Garage mit der Nummer 21 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 32,21 € und für die Garage mit der Nummer 22 ein monatliches Wohngeld in Höhe von 32,21 € zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1. seinen Antrag auf Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 2. weiter.

Die Beteiligten zu 2. sind dem Rechtsmittel entgegengetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 f. GG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht Stand (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, der Zahlungsantrag der Beteiligten zu 2. sei begründet, denn sie hätten gemäß § 28 Abs. 2 WEG in Verbindung mit dem Beschluss vom 21.03.2001 betreffend die Genehmigung des Wirtschaftsplanes einen Anspruch auf Zahlung von 3.023,10 € gegen den Beteiligten zu 1. für Wohngeldvorauszahlungen in der Zeit ab November 2001 bis August 2002. Diesen Anspruch könnten sie auch entsprechend § 259 ZPO für die Zeit ab 1. September 2002 geltend machen. Die Zahlungsverpflichtung des Beteiligten zu 1. sei nicht auf das Jahr 2001 beschränkt. Sie bestehe vielmehr, bis aufgrund eines neuen Wirtschaftsplanes für das Folgejahr eine Anpassung der monatlichen Voraussetzungen berechnet werden könne. Dies ergebe sich aus dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.08.2000, wonach der jeweilige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen Wirtschaftsplanes gültig sein solle. Auch ergebe eine Auslegung des Beschlusses vom 21.03.2001, dass die Verpflichtung zur Leistung der Wohngeldvorauszahlung nicht auf das Jahr 2001 beschränkt sein sollte. Hierfür spreche schon der Wortlaut des Beschlusses, wonach ab Mai das Wohngeld jeweils bis zum 3. des Monats fällig sein sollte, eine zeitliche Begrenzung sei darin nicht enthalten. Diese Auslegung entspreche auch dem Interesse der Wohnungseigentümer, da grundsätzlich die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft gewährleistet werden müsse, hierzu benötige sie aber regelmäßig finanzielle Mittel. Es müsse deshalb gewährleistet sein, dass die Vorschüsse weiter gezahlt werden, auch wenn das Wirtschaftsjahr verstrichen ist, bis ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen ist. Auch wenn bisher ein Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 nicht erstellt worden sei, würde der Beteiligte zu 1. nicht von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Vorschüsse befreit, denn das substantielle Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer an der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft könne durch eine mangelhafte Amtsführung eines Verwalters nicht beseitigt werden. Mit Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner schon seit November 2001 kein Wohngeld mehr gezahlt habe, bestünde die Besorgnis, dass er auch in Zukunft keine Zahlungen vornehmen werde. Die Beteiligten zu 2. könnten deshalb entsprechend § 259 ZPO mit Erfolg auch insoweit gerichtlich in Anspruch genommen werden, als es sich um künftige Fälligkeitstermine der durch Beschluss festgelegten Wohngeldzahlungen handelt.

Gegen diese Erwägungen des Landgerichts bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich eine Pflicht des Beteiligten zu 1, Wohngeldvorschüsse zu zahlen, aus § 28 Abs. 1, 2 und 5 WEG in Verbindung mit dem Eigentümerbeschluss vom 31.03.2001 ergibt. Diese Zahlungsverpflichtung des Beteiligten zu 1. besteht aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nur hinsichtlich der noch offenstehenden Beträge für die Monate November und Dezember 2001.

Auf den Wirtschaftsplan für das Kalenderjahr 2001 können Zahlungsansprüche grundsätzlich auch nur für dieses Jahr gestützt werden, denn ein Wirtschaftsplan begründet mangels anderweitiger Regelung in der Teilungserklärung oder im Beschluss selbst nur eine auf die betreffende Wirtschaftsperiode begrenzte Vorschusspflicht, also nicht auch stets darüber hinaus bis zur Verabschiedung eines neuen Wirtschaftsplanes (vgl. KG WE 1988, 167; BayObLG WE 1989, 107, ZMR 2003, 280).

Eine Pflicht zur Zahlung von Wohngeldvorschüssen auch schon für das Jahr 2002 hätte daher für den Beteiligten zu 1. nur bestanden, wenn die Fortgeltung des für das Jahr 2001 beschlossenen Wirtschaftsplanes durch eine Vereinbarung oder einen wirksamen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer festgelegt worden wäre. Das ist indes nicht der Fall. Zwar haben die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 16.08.2000 beschlossen, dass der jeweilige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen Wirtschaftsplanes gültig sein solle. Ein solcher Beschluss, der unabhängig von einem konkreten Wirtschaftsplan generell die Fortgeltung eines jeden Wirtschaftsplanes - bis zur Verabschiedung eines neuen - zum Gegenstand hat, überschreitet aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - Beschluss vom 20.09.2000 (NJW 2000, 3500 = VZM 2000, 1184 = ZMR 2000, 711) - die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer und ist deshalb nichtig. Rechtlich zulässig ist es lediglich, bei Beschlussfassung über einen konkreten Wirtschaftsplan dessen Fortgeltung bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan zu bestimmen, nur ein solcher Beschluss übersteigt nicht die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. KG ZMR 2002, 460, 462; BayObLG ZMR 2003, 280; Merle, DWE 2001, 45; Bielefeld DWE 2001, 11).

Soweit das Landgericht den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 21.03.2001 dahin ausgelegt hat, dass die Verpflichtung zur Leistung der Vorauszahlungen nicht nur auf das Jahr 2001 beschränkt sein sollte, ist diese Auslegung rechtsfehlerhaft.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts spricht der Wortlaut des Beschlusses nicht bereits für die vom Landgericht vorgenommene Auslegung. Dass der Beschluss eine "zeitliche Begrenzung" nicht ausdrücklich enthält, besagt nichts für einen "Fortgeltungswillen" der Wohnungseigentümer, denn die zeitliche Begrenzung ergibt sich unmittelbar aus der Begrenzung des Wirtschaftsjahres auf den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2001. Der Umstand, dass es grundsätzlich dem Interesse von Wohnungseigentümern entspricht, dass die Weiterzahlung der Vorschüsse gewährleistet ist, auch wenn das Wirtschaftsjahr, für das ein Wirtschaftsplan beschlossen ist, bereits verstrichen ist, rechtfertigt nicht die vom Landgericht vorgenommene Auslegung. Dem steht nämlich entgegen, dass die Wohnungseigentümer sich bei der Beschlussfassung vom 31.03.2001 über die Frage der Fortgeltung des Wirtschaftsplanes keine Gedanken machen mussten, weil sie ein halbes Jahr zuvor in dem Organisationsbeschluss vom 16.08.2000 die generelle Fortsetzung ein jeden Wirtschaftsplanes beschlossen hatten. Wollte man gleichwohl auch nach diesem Organisationsbeschluss jeden von den Wohnungseigentümern später gefassten Beschluss über einen Wirtschaftsplan dahin auslegen, dass die Fortgeltung auch konkret dieses Wirtschaftsplanes gewollt war, so würde - gleichsam durch die Hintertür - dem nichtigen Organisationsbeschluss dennoch Bedeutung mit der Folge zukommen, dass alle späteren Wirtschaftspläne gültig wären.

Auch der Umstand, dass der Organisationsbeschluss vom 16.08.2000 vor der maßgebenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.09.2000 gefasst worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit Rücksicht darauf, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Gültigkeit bestandskräftiger Mehrheitsbeschlüsse mit Vereinbarungsinhalt und die Frage der Fortgeltung eines Wirtschaftsplanes in den Jahren 2001 und 2002 in Rechtsprechung und Literatur erörtert worden ist, der Beteiligte zu 1. zudem bereits noch im Jahre 2002 im laufenden Verfahren auf diese Problematik hingewiesen hat, bestand für die Beteiligten zu 2. sowie den Verwalter hinreichend Zeit und Gelegenheit, entweder einen neuen Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 aufzustellen und zu beschließen oder aber die Fortgeltung des für das Jahr 2001 verabschiedeten Wirtschaftsplanes konkret zu beschließen.

2.

Ein Anspruch der Beteiligten zu 2. gegen den Beteiligten zu 1. auf Zahlung von Wohngeld für die Monate November und Dezember 2001 besteht aber im Ergebnis nicht, denn die Beteiligten zu 2. haben die von dem Beteiligten zu 1. an die Firma N erbrachten Zahlungen in Höhe von 3.025,44 € nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen zunächst mit den ältesten Forderungen, d. h. mit dem Rückstand für die Monate November und Dezember 2001 für die Wohnungen 07 und 10 sowie die Garagen 20, 21 und 22 verrechnet. Danach bleibt keine Forderung auf Zahlung von Wohngeld für diesen Zeitraum gegen den Beteiligten zu 1. offen.

Auf die Frage, ob auch ab September 2002 fällige Zahlungen von den Beteiligten zu 2. gemäß § 259 ZPO geltend gemacht werden können, kommt es danach nicht mehr an.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beteiligten zu 2. die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens tragen.

Dagegen bestand keine Veranlassung, von dem Wohnungseigentumsrecht geltenden Grundsatz abzuweichen, dass alle Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 12.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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