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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: I-3 Wx 97/03
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 3
FGG § 15 Abs. 1 S. 1
1.

Zur Frage, ob das Fällen mehrerer Bäume in einer Wohnungseigentumsanlage als bauliche Veränderung oder als Instandsetzungsmaßnahme zu werten ist.

2.

Auf eine Feststellung der örtlichen Verhältnisse durch Augenscheinseinnahme an Ort und Stelle kann (nur) verzichtet werden, wenn etwa Fotografien, Zeichnungen o. ä. hinreichende Klarheit über die in Frage stehende Örtlichkeit vermitteln.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 97/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage K... in Mülheim an der Ruhr

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 19. Februar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., der Richterin am Oberlandesgericht S... und des Richters am Oberlandesgericht Dr. S...

am 30. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des 3. Rechtszuges an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 3.000 €.

Gründe:

Die Beteiligten zu 1. bis 7. bilden die o.a. Wohnungseigentümergemeinschaft.

In der Versammlung vom 10.01.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich auf Antrag des Beteiligten zu 6, der dies schon in der Vergangenheit mehrfach angeregt hatte, zwei (bzw. 3) auf dem gemeinschaftlichen Grundstück stehende Birken zu fällen.

Die Beteiligten zu 1. haben beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären.

Sie haben vorgetragen, es bestehe kein Grund, die in Rede stehenden Birken, die etwa 8 - 9 m von dem Gebäude entfernt stehen, zu fällen, denn sie beeinträchtigten die Lichtverhältnisse in der Wohnung des Beteiligten zu 6. nicht wesentlich.

Sie führten auch nicht zu einer "Verschattung" der Wohnung und des Balkons des Beteiligten zu 6, denn auf seine Wohnung falle erst am späten Nachmittag Sonne.

Die Beteiligten zu 2 - 4 und 6-7 haben angegeben, die groß gewachsenen Birken führten zu einer massiven Verschattung der Westseite des Gebäudes. Eine Genehmigung der Gemeinde zum Fällen der Birken liege vor. Der Beschluss vom 10.01.2002 entspreche deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung.

Das Amtsgericht hat nach in Augenscheinnahme der Örtlichkeit dem Antrag der Beteiligten zu 1 stattgegeben.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 - 4 und 6 und 7 hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und den Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie rügen, das Landgericht habe - ohne die örtlichen Verhältnisse hinreichend zu prüfen - eine nachteilige Veränderung des Erscheinungsbildes der Wohnanlage verneint und das Fällen der Bäume als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung angesehen.

Die Beteiligten zu 2 - 4 und 6 und 7 sind dem Rechtsmittel entgegen getreten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht, denn die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern i.S.d. § 27 FGG.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, der Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer sei durch § 21 Abs. 3 WEG "gedeckt". Die Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Beseitigung der Birken sei nicht erforderlich, denn es handele sich insoweit nicht um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG. Selbst wenn man aber das Fällen dieser Bäume als bauliche Veränderung im Sinne der genannten Vorschrift ansehe, sei eine Zustimmung der Beteiligten zu 1 gleichwohl nicht notwendig, denn durch die vorgesehene Maßnahme würden ihre Rechte nicht über das in § 14 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt. Zwar könne auch eine Veränderung des optischen Bildes des gemeinschaftlichen Eigentums einen Nachteil im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG darstellen, es könne aber nicht festgestellt werden, dass das Entfernen der beiden Birken sich nachteilig auf den optischen Gesamteindruck der Anlage auswirke. Im Gartenbereich der Anlage befänden sich - wie die bei den Akten befindliche Skizze zeige - zehn Birken, eine Beeinträchtigung der Rechte der Beteiligten zu 1 könne bei dem Entfernen von zwei von zehn beieinander stehenden Bäumen nicht angenommen werden. Im übrigen ließen die bei den Akten befindlichen Fotos erkennen, das die dort gezeigten Birken nahezu den gesamten Horizont verstellten, es spreche "vieles dafür", das die Birken zu einer ständigen Verschattung der Wohnungen, insbesondere der Beteiligten zu 6 und 7, führten.

Im übrigen entspreche die vorgesehene Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, denn nach der vom Amtsgericht durchgeführten in Augenscheinnahme stehe fest, dass durch die "erwähnten zehn Birken" eine erhebliche Verschattung insbesondere der Wohnung der Beteiligten zu 6 und 7 eintrete. Durch die Beseitigung der zwei bezeichneten Birken werde jedenfalls für zwei bis drei Stunden eine erhebliche Verbesserung des Lichteinfalls für diese Wohnungen erreicht.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a)

Das Landgericht hat das Entfernen von zwei Birken auf dem gemeinschaftlichen Grundstück nicht als bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums angesehen, ohne dies und seine nachfolgende Annahme, die Beteiligten zu 1 würden zudem durch das Fällen der Bäume nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, auf hinreichende tatsächliche Feststellungen zu stützen.

Ob das Fällen von Bäumen eine bauliche Veränderung darstellt und insoweit der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf oder als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung mit Mehrheit beschlossen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine bauliche Veränderung ist anzunehmen, wenn die Bäume (oder auch ein einzelner Baum) die gärtnerische Gestaltung des gemeinschaftlichen Grundstücks so nachhaltig beeinflussen, dass sie den optischen Gesamteindruck der Wohnungseigentumsanlage maßgeblich prägen mit der Folge, dass ihre Beseitigung den Charakter der Außenanlage deutlich verändern würde (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 1994, 376). Wird dagegen in einer größeren Anlage ein einzelner Baum (oder mehrere Bäume), aus einer größeren Baumgruppe entfernt, ohne dass dies spürbare Auswirkungen auf den optischen Gesamteindruck der gärtnerischen Anlage mit sich bringt, kann darin eher eine Maßnahme der gärtnerischen Pflege bzw. Gestaltung der Gartenanlage gesehen werden (vgl. BayObLG ZMR 2001, 565).

Ob die hier zur Beseitigung vorgesehenen Bäume den Gesamteindruck der Anlage und insbesondere des Gartens wesentlich prägen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Soweit die Kammer sich zur Begründung ihrer Annahme, es könne "nicht festgestellt werden" die Beseitigung der beiden Birken wirke sich nachteilig auf den optischen Gesamteindruck der Anlage aus, auf die bei den Akten befindliche Skizze und die beiden Fotos bezogen hat, hat sie - insoweit rechtsfehlerhaft - die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch eine in Augenscheinnahme außer acht gelassen. Eine Augenscheinnahme wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn durch bei den Akten befindliche Fotos, Skizzen o.a. das Gesamterscheinungsbild der Wohnanlage hinreichend klar vermittelt würde (vgl. OLG Hamm NZM 2000, 910, 911). Das ist indes hier nicht der Fall. Die bei den Akten befindliche Skizze lässt zwar den Standort der einzelnen Birken erkennen, bringt aber keine Erkenntnisse über das gesamte Erscheinungsbild der Gartenanlage.

Welche Bedeutung die hier in Rede stehenden - zu beseitigenden - Birken, die im Mittelpunkt der Gartenanlage stehen, für das gesamte Erscheinungsbild haben, lässt sich der Skizze nicht ohne weiteres entnehmen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Beseitigung möglicherweise eine deutliche Lücke in die Gartenanlage reißt und eine harmonische Gartenanlage dadurch nicht mehr gewährleistet ist. Die bei den Akten befindlichen Fotos sind wenig aussagekräftig. Sie bieten weder einen Gesamtüberblick über die Gartenanlage noch lassen sie erkennen, aus welchem Blickwinkel und mit welcher Brennweite des Objektivs sie aufgenommen worden sind (ob sie belegen, dass die Birken zu einer ständigen Verschattung der Wohnungen, insbesondere der Beteiligten zu 6 - 7 führen, ist fraglich, kann aber bei der Frage, ob der optische Gesamteindruck der Gartenanlage bzw. Wohnanlage bei Beseitigung der Birken verändert wird, außer Betracht bleiben).

Die Frage, ob die Beseitigung der Birken zu einer Veränderung des Charakters der Gartenanlage führt, bedarf daher weiterer Aufklärung durch das Landgericht.

b)

Auch die Ausführungen des Landgerichts, der Zustimmung aller Wohnungseigentümer zum Fällen der Bäume bedürfe es nicht, weil die beschlossene Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG entspreche, begegnen rechtlichen Bedenken. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt nämlich voraus - was bisher noch offen ist - dass die Beseitigung der Bäume sich gerade nicht als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG, sondern lediglich als Maßnahme ordnungsgemäßer Instandsetzung oder Instandhaltung erweist. Das kann aber gerade nur dann angenommen werden, wenn der ursprüngliche Gesamteindruck der Gartenanlage nicht verändert wird. Sollten die durchgeführten Ermittlungen des Landgerichts ergeben, dass die hier in Rede stehenden Birken den Charakter der Gartenanlage nicht maßgeblich beeinflussen (und damit keine baulichen Veränderungen vorliegen), so bedeutet dies aber noch nicht, dass damit feststeht, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Insoweit wird es darauf ankommen, ob die Lichtverhältnisse in den nach Westen gelegenen Wohnungen durch die in Rede stehenden Bäume in erheblicher weise nachteilig beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, ob insoweit durch den jahrelangen Wuchs der Bäume eine nachteilige Veränderung eingetreten ist oder die Bäume schon seit vielen Jahren die jetzige Höhe erreicht haben. Außerdem wird zu überlegen sein, ob - sollten sich die Lichtverhältnisse nachteilig erheblich verschlechtert haben - eine völlige Beseitigung der Bäume oder evtl. nur eine Auslichtung oder ein Rückschnitt der Bäume zum gewünschten Erfolg führen wird. Auch insoweit reichen die bisherigen, lediglich auf die bei den Akten befindliche Skizze und die Fotos gestützten Feststellungen des Landgerichts nicht aus. Dies gilt um so mehr, als die Augenscheinnahme des Amtsgerichts ergeben hat, dass bei Beseitigung der Bäume zwar ein "direkter Sonneneinfall" von zwei bis drei Stunden erfolgen werde, eine Verdunkelung der Wohnung aber durch die hier in Rede stehenden Birken in Frage gestellt worden ist.

Ende der Entscheidung

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