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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.08.2008
Aktenzeichen: I-4 U 114/08
Rechtsgebiete: ZPO, VHB 2000, VVG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
VHB 2000 § 27 Nr. 2
VHB 2000 § 27 Nr. 2 lit. a)
VHB 2000 § 27 Nr. 2 lit. b)
VHB 2000 § 27 Nr. 1 lit. c)
VVG § 6 Abs. 3 a.F.
VVG § 6 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 24. April 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 10. September 2008 Stellung zu nehmen.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf € 9.775,00 festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Landgerichts hat keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung nicht erfordern, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1.

Die Beklagte ist nach § 27 Nr. 1 lit. c) in Verbindung mit § 27 Nr. 2 der vereinbarten Hausratversicherungsbedingungen (VHB 2000) und § 6 Abs. 3 VVG a.F. von der Leistung befreit, weil die Klägerin die Obliegenheit verletzt hat, bei der zuständigen Polizeidienststelle unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Gegenstände einzureichen.

Zweck einer solchen Stehlgutliste ist es, zum einen der Polizei eine erfolgversprechende Fahndung nach den entwendeten Gegenständen zu ermöglichen, um den vom Versicherer gegebenenfalls auszugleichenden Schaden zu vermindern und zum anderen auch den Versicherungsnehmer zu veranlassen, den eingetretenen Schaden zeitnah zu ermitteln und sich insoweit frühzeitig festzulegen, um die Hemmschwelle für vorgetäuschte Schäden und nachträgliche Aufbauschung des Schadens zu erhöhen und somit die Vertragsgefahr zu mindern (OLG Köln, Urteil vom 19. Oktober 1999, 9 U 46/9, RuS 2000, 248).

In dem Verzeichnis sind die abhanden gekommenen Gegenstände möglichst genau zu beschreiben. Bloße Gattungsangaben reichen nicht aus. Mit ihnen lässt sich eine Zuordnung zu möglicherweise aufgefundenem Diebesgut nicht treffen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1988, IVa ZR 205/86, NJW-RR 1988, 728).

Hiervon ausgehend hat die Klägerin ihre Obliegenheit objektiv verletzt, indem sie der Polizeibehörde keine Stehlgutliste vorgelegt hat. Die Angaben in der Strafanzeige vom 14. April 2006, nach denen eine Rado-Herrenarmbanduhr, eine R.-Herrenarmbanduhr und € 20,00 an Bargeld entwendet worden sein sollen, stellen schon deshalb keine Stehlgutliste dar, weil sie die abhanden gekommenen Gegenstände nicht in einer Weise individualisieren, dass sie der Polizei zielgerichtete Ermittlungen ermöglicht hätten.

Die Tatsache, dass sie zum Zeitpunkt des angeblichen Schadensereignisses urlaubsbedingt nicht vor Ort gewesen ist, entlastet die Klägerin nicht. Jedenfalls nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub hätte die Klägerin ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Gegenstände bei der Polizei einreichen können. Ausweislich des in der beigezogenen Akte 90 UJs 655/06 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf enthaltenen Ermittlungsberichts vom 14. April 2006 ist sie hierzu eigens aufgefordert worden, indem ihrem Sohn ein entsprechendes Formular ausgehändigt worden ist. Gleichwohl hat sie dieses Formular nicht vervollständigt und an die zuständige Polizeibehörde zurückgegeben. Dass die Klägerin dazu in der Lage gewesen ist, die bei der Strafanzeige vom 14. April 2006 nur gattungsmäßig angegebenen Gegenstände gegenüber der Polizei näher zu individualisieren, folgt aus ihrer e-mail vom 27. April 2006 an die Beklagte (Anlage B1), in der die Schmuckstücke und Uhren unter Vorlage eines Lichtbildes näher beschrieben werden.

2.

Steht daher der Tatbestand einer objektiven Obliegenheitsverletzung fest, wird ein vorsätzlicher Verstoß des Versicherungsnehmers kraft Gesetzes (§ 6 Abs. 3 VVG a.F.) vermutet (vgl. Prölls/Martin, Kommentar zum VVG, 27. Aufl., § 6 VVG, Rdnr. 124). Diese Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt. Durch das von den Polizeibeamten ausgehändigte Formular ist sie dazu aufgefordert worden, eine Stehlgutliste einzureichen. Wenn sie dieser Aufforderung keine Folge geleistet hat, so hat sie sich hierüber wissentlich und willentlich hinweggesetzt. In jedem Fall trifft sie der Vorwurf der grob fahrlässig begangenen Pflichtverletzung, indem sie die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und nicht dasjenige beachtet hat, was in ihrer Lage jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Prölls/Martin, Kommentar zum VVG, 27. Aufl., § 6 VVG, Rdnr. 117). Jedermann, auch der Klägerin, leuchtet es ohne weiteres ein, dass sie die Stehlgutliste unverzüglich nach der Entdeckung eines Einbruchsdiebstahls bei der Polizei einzureichen hatte, um gezielte Sachfahndungsmaßnahmen zu ermöglichen. War die Klägerin in ihrer Vorlagepflicht gleichwohl nicht sicher, hätte sie sich hierüber informieren müssen, entweder durch Einsichtnahme in die Versicherungsbedingungen oder durch Rückfrage bei der Beklagten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. Juni 1991, 20 U 32/91, VersR 1992, 489; OLG Köln, Urteil vom 19. Oktober 1999, 9 U 46/99, aaO.). Einer vorhergehenden Aufforderung zur Vorlage der Stehlgutliste durch den Versicherer mit entsprechender Belehrung bedarf es angesichts der in § 27 Nr. 1 lit. c) VHB 2000 ausdrücklich hervorgehobenen Obliegenheit nicht (OLG Köln, Urteil vom 14. Februar 1995, 9 U 298/94, NJW-RR 1996, 1055).

3.

Die Klägerin hat auch nicht den ihr nach § 6 Abs. 3 S. 2 VVG und § 27 Nr. 2 lit. a) VHB 2000 obliegenden Kausalitätsgegenbeweis geführt. Hiernach behält der Versicherungsnehmer bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung den Versicherungsschutz insoweit, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der Leistung gehabt hat.

Jedenfalls unter dem ersten der beiden vorstehend bezeichneten Gesichtspunkten ist die Obliegenheitsverletzung hier kausal gewesen.

Die Anforderungen an den vom Versicherungsnehmer zu führenden Kausalitätsgegenbeweis hinsichtlich eventueller Fahndungserfolge der Polizei müssen sich daran ausrichten, ob unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls überhaupt ein Fahndungserfolg realistisch gewesen wäre. Dies hängt insbesondere von der Art der Diebesbeute ab, insbesondere von seiner Individualisierbarkeit (OLG Köln, Urteil vom 19. Oktober 1999, 9 U 46/99, aaO.). Hier besteht das angebliche Stehlgut im wesentlichen aus individualisierbaren Schmuckstücken und teuren, vergleichsweise selten vorkommenden Markenuhren. Bei einer solchen Sachlage hätte die Vorlage einer Stehlgutliste zielgerichtete Sachfahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen ermöglicht und eine deutlich größere Chance mit sich geführt, die Beute wiederzuerlangen.

4.

Die Leistungsbefreiung der Beklagten ist schließlich nicht nach § 27 Nr. 2 lit. b) VHB 2000 weggefallen.

Hiernach bleibt der Versicherer in Fällen, in denen die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung der Entschädigung bzw. deren Umfang Einfluss genommen hat, zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft.

Mit der Klausel wollten die Versicherer die sogenannte Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 13. Juli 1977, IV ZR 127/76, VersR 1977, 1021) in ihre Versicherungsbedingungen aufnehmen. Für die Leistungspflicht des Versicherers genügt es daher, wenn eine der beiden Voraussetzungen vorgetragen und erforderlichenfalls bewiesen wird (zum inhaltsgleichen § 21 Nr. 4 VHB 84 vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1993, IV ZR 33/92, VersR 1993, 830).

Dies ist hier allerdings nicht der Fall.

Grundsätzlich dient die Stehlgutliste dazu, der Polizei die Fahndung nach gestohlenen Sachen zu erleichtern. Der Versicherer hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dass der Versicherungsnehmer eine Liste der abhanden gekommenen Gegenstände bei der Polizei einreicht (BGH, Urteil vom 21. April 1993, IV ZR 33/92, aaO).

Ein erhebliches Verschulden der Klägerin an der Obliegenheitsverletzung liegt gleichfalls vor. Kein einsichtiger Versicherungsnehmer hätte der Polizei die nach den Versicherungsbedingungen einzureichende Stehlgutliste vorenthalten, durch die eine zielgerichtete Fahndung ermöglicht worden wäre. Das Verschulden er Klägerin wiegt hier umso schwerer, weil sie durch die Aushändigung eines entsprechenden Formulars von der Polizei eigens dazu aufgefordert worden ist, ein Verzeichnis über die abhanden gekommenen Gegenstände vorzulegen.

Ende der Entscheidung

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