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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: I-4 U 12/08
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 49
VVG § 61
AKB § 12 Nr. 1 Abs. 1 lit. a)
AKB § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e)
ZPO § 280 Abs. 2
ZPO § 286 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Dezember 2007 - 11 O 564/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.465,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit dem 03. November 2004 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der ersten In-stanz trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Eigentümer und Halter des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Pkws D. C. ..., amtliches Kennzeichen ..., der bei der Beklagten fahrzeugteil- und -vollversichert gewesen ist. Die Selbstbeteiligung in der Teilversicherung beträgt € 150,00. Dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegen haben die Bestimmungen der AKB, zuletzt in der seit dem 01. September 2003 bestehenden Fassung.

Am 19. Oktober 2004 erlitt der Kläger mit seinem Fahrzeug einen Schaden, nachdem er auf der Bundesautobahn 57 an der Raststätte N. versehentlich nicht Diesel-, sondern Ottokraftstoff getankt hatte. Der Kläger konnte seine Fahrt zunächst bis auf den S. in D. fortsetzen, ehe er nach Überqueren der Kreuzung zur F. Straße feststellte, dass der Motor unrund lief. Daraufhin lenkte er sein Fahrzeug auf das Gelände einer ...-Tankstelle, von der aus er sich mit der M.-B.-Niederlassung in N. telefonisch in Verbindung setzte. Noch während er telefonierte, stellte er im Fahrzeuginneren starke Rauchentwicklung fest. Wenige Augenblicke später schlugen Flammen aus dem Kühlergrill.

Ursache für diesen Brand war eine Überhitzung des Katalysators. Worauf diese Überhitzung zurückzuführen gewesen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Durch den Brand erlitt der Wagen des Klägers Totalschaden. Nach einem von der Beklagten eingeholten Schadensgutachten beträgt der Fahrzeugwiederbeschaffungswert € 41.225,00, der Restwert wird mit € 25.610,00 bemessen.

Mit Schreiben vom 02. November 2004 lehnte die Beklagte die Schadensregulierung ab.

Der Kläger hat gemeint, bei dem vorstehend beschriebenen Schadensereignis habe es sich um einen vom Versicherungsschutz umfassten Brandschaden gehandelt. Die Falschbetankung habe sich nicht ursächlich auf den Schadensfall ausgewirkt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 15.615,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03. November 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Katalysator habe sich infolge der falschen Betankung überhitzt und dann den Brand ausgelöst. Folglich handele es sich bei dem vorliegenden Schaden um einen nicht versicherten Betriebsschaden.

Das Landgericht Düsseldorf hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 28. Dezember 2007 abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei wegen des vorliegenden Brandschadens nicht zur Leistung verpflichtet, weil der Kläger nicht bewiesen habe, dass der Schaden nicht durch eine Falschbetankung hervorgerufen worden sei. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten stehe ein entsprechender Ursachenzusammenhang vielmehr fest. Dann aber sei der Schaden nicht durch einen von der Fahrzeugversicherung umfassten Unfall oder unverschuldeten Defekt entstanden.

Gegen das ihm am 02. Januar 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger mit am 17. Januar 2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27. Februar 2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Er macht im wesentlichen geltend, selbst wenn sein Fahrzeug durch eine Falschbetankung in Brand geraten sei, bestehe für ein solches Schadensereignis in der Fahrzeugteilversicherung Versicherungsschutz. Hieran könne der Haftungsausschluss in der Vollkaskoversicherung nichts ändern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Dezember 2007, Az. 11 O 564/04, teilweise aufzuheben (gemeint ist: abzuändern) und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 15.465,00 nebst 5% Zinsen (gemeint sind: Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten) über dem Basiszinssatz seit dem 03. November 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, zu dem sie ergänzend ausführt, der Kläger habe den Versicherungsfall durch das falsche Betanken in jedem Fall grob fahrlässig herbeigeführt.

Der Senat hat den Kläger in der Sitzung vom 23. September 2008 zu dem Betankvorgang vom 19. Oktober 2004 informatorisch angehört.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet, so dass die angefochtene Entscheidung in der aus dem Tenor zu ersehenden Weise abzuändern ist.

Die Beklagte ist dem Kläger wegen des Schadensereignisses vom 19. Oktober 2004 aus §§ 1, 49 VVG in Verbindung mit § 12 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) AKB zur Leistung verpflichtet.

Nach § 12 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) AKB werden von der Fahrzeugteilversicherung die Beschädigung, die Zerstörung und der Verlust des Fahrzeuges durch Brand umfasst.

Es steht zwischen den Parteien inzwischen außer Streit, dass der Pkw des Klägers durch einen überhitzten Katalysator in Brand geraten und hierdurch zu Schaden gekommen ist, so dass es hierzu keiner näheren Ausführungen bedarf. Auch ist es nicht erforderlich, die Ursache für die Überhitzung am Katalysator weiter aufzuklären, zumal der Kläger in der Berufung nicht mehr ausdrücklich bestritten hat, dass die Überhitzung - wie von der Beklagten bereits erstinstanzlich vorgetragen - auf eine falsche Betankung seines Fahrzeuges zurückzuführen gewesen ist. Vielmehr hat er einen solchen Ursachenzusammenhang zur Begründung seiner Klageforderung unterstellt.

Das falsche Betanken des Fahrzeuges mit Otto-Kraftstoff mag zwar einen Betriebsfehler darstellen, der nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e) AKB in der Fahrzeugvollversicherung vom Versicherungsschutz ausgenommen ist. Es entspricht inzwischen höchstrichterlich bestätigter Rechtsprechung, dass die Versorgung eines Kraftfahrzeuges mit den für die Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln zu den Bedienvorgängen gehört und die Wahl des falschen Kraftstoffs ein nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e) AKB nicht versicherter Bedienungsfehler ist (BGH, Urteil vom 25. Juni 2003, IV ZR 322/02, VersR 2003, 1031; OLG Rostock, Urteil vom 09. Februar 2004, 3 U 85/03, OLGR Rostock 2004, 247).

Dies führt hier allerdings nicht dazu, dass der Kläger seinen Schaden nicht aufgrund der bestehenden Fahrzeugteilversicherung ersetzt verlangen kann. Dafür, dass der § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e) AKB auch für die Fahrzeugteilversicherung gilt, gibt sein Wortlaut keinen Hinweis. Dieser besagt, dass Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden keine von der Vollversicherung umfassten Unfallschäden sind. Eine Bezugnahme auf in der Teilversicherung versicherte Beschädigungen und Zerstörungen durch Brand enthält die Regelung nicht. Als allgemeine Geschäftsbedingungen des Versicherers ist für den Sinn- und Regelungsgehalt der AKB das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse maßgebend (BGH, Urteil vom 05. November 1997, IV ZR 1/97, VersR 1998, 179, BGH, Urteil vom 25. Juni 2003, IV ZR 322/02, aaO.). Ein solcher Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus. Dieser nimmt bestimmte Schadensereignisse aus der Fahrzeugvollversicherung heraus. Dafür, dass dieser Ausschluss auch für die Teilversicherung gelten soll, findet sich für ihn kein Hinweis. Folglich finden die in § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e) AKB formulierten Ausnahmen auf eine Zerstörung oder Beschädigung durch Brand keine Anwendung (Stiefel/Hofmann, AKB-Kommentar, 17. Aufl., § 12 AKB, Rdnr. 20).

Dem steht die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 25. Juni 2003, IV ZR 322/02, aaO.) nicht entgegen. Gegenstand dieser Entscheidung ist allein die Frage gewesen, ob die Wahl des falschen Kraftstoffs ein nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 lit. e) AKB von der Fahrzeugvollversicherung ausgenommener Bedienungsfehler ist. Darüber, ob sich ein solcher Ausschluss auch auf die Fahrzeugteilversicherung auswirkt, gibt die Entscheidung keinen Aufschluss. Denn gebrannt hatte das Fahrzeug in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht; allein der Motor war durch den falschen Kraftstoff beschädigt worden.

Von ihrer daher grundsätzlich bestehenden Leistungspflicht ist die Beklagte nicht nach § 61 VVG befreit. Hiernach braucht der Versicherer solche Versicherungsfälle nicht zu entschädigen, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt und als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1996, IV ZR 321/95, VersR 1997, 351; Senat, Urteil vom 31. März 1992, 4 U 127/91, VersR 1992, 1086).

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit bemisst sich nach dem Grundgedanken des § 61 VVG, nach dem der Versicherungsnehmer, der sich in Bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos verhält, keine unverdiente Vergünstigung erhalten soll (BGH, Urteil vom 29. Januar 2003, IV ZR 173/01, VersR 2003, 364).

Für solche Umstände, die einen entsprechend hohen subjektiven Verschuldensmaßstab begründen, ist der Versicherer, der sich auf den Ausschlusstatbestand des § 61 VVG beruft, darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 29. Januar 2003, IV ZR 173/01, aaO.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. November 2003, 12 U 89/03, aaO.).

Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Allein in dem Umstand, dass der Kläger sich beim Betanken seines Fahrzeuges in der Kraftstoffsorte vergriffen hat, ist eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls noch nicht zu sehen. Dazu gibt auch die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 26. Februar 2004, 2 A 11982/03 OVG, ZfS 2004, 535) keinen Anlass. Denn das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht mit einer versehentlichen Falschbetankung, sondern damit begründet, dass der zum Schadensersatz verpflichtete Beamte sich nicht versichert hatte, mit welcher Art von Kraftstoff das ihm überlassene Fahrzeug zu betanken war.

Für die Frage, ob dem Versicherungsnehmer eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls vorgeworfen werden kann, ist immer eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGH, Urteil vom 29. Januar 2003, IV ZR 173/01, aaO).

Hierzu hat der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung widerspruchsfrei und lebensnah angegeben, zum Zeitpunkt der Falschbetankung habe es bei dem Mineralölkonzern ... erst seit kurzer Zeit V-Power-Dieselkraftstoff gegeben. Diese Erweiterung der Kraftstoffproduktpalette ist dem Senat bekannt. Mehrere, nämlich wenigstens 4 bis 5 Zapfpistolen für Diesel- und Ottokraftstoff hätten an der Tankstelle N. nebeneinander an einer gemeinsamen Zapfsäule gehangen. Hierbei sei die Zapfpistole für den V-Power-Dieselkraftstoff noch nicht in der herkömmlichen Weise farblich gekennzeichnet gewesen. Erst nach Schadenseintritt habe er aus der Tankquittung ersehen, dass er versehentlich Ottokraftstoff getankt habe.

Bei dem vom Kläger geschilderten Tankvorgang hat es sich unzweifelhaft um eine fahrlässige Falschbetankung gehandelt. Bei gehöriger Sorgfalt hätte der Kläger auch in dieser Situation bemerken können und müssen, dass er eine Zapfpistole für Ottokraftstoff in die Hand nahm. Wegen der nicht fernliegenden Gefahr, sich bei den nebeneinander angeordneten, auch noch nicht durchgehend farblich deutlich gekennzeichneten Zapfpistolen zu vergreifen, wiegt dieser Sorgfaltspflichtverstoß jedoch nicht so schwer, dass er als schlechthin unentschuldbar und damit als grob fahrlässig anzusehen wäre.

Wenn aber der Versicherungsfall nach dem vom Kläger aufgrund seiner sekundären Darlegungslast geschilderten Geschehen nicht grob fahrlässig herbeigeführt worden ist, hätte die Beklagte im einzelnen dartun und beweisen müssen, welche anderen Umstände zum Versicherungsfall geführt haben sollen, aus denen auf grobe Fahrlässigkeit geschlossen werden könnte. Das hat sie nicht. Dazu ist ihr auch keine weitere Gelegenheit einzuräumen. Dass es sich um einen der Fahrzeugteilversicherung unterfallenden Versicherungsfall handelt, musste ihr von Anfang an klar sein und ist ihr mit der Berufungsbegründung sowie mit dem fernmündlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden Mitte August dieses Jahres nochmals deutlich vor Augen geführt worden.

Die Höhe des hier durch den Brand hervorgerufenen Schadens steht zwischen den Parteien mit € 15.615,00 außer Streit, so dass die Beklagte nach Abzug der mit € 150,00 in der Teilversicherung ausbedungenen Selbstbeteiligung € 15.465,00 an Entschädigung zu leisten hat.

In Höhe der Selbstbeteiligung bleibt es bei der mit der Berufung nicht angefochtenen Klageabweisung.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

V.

Streitwert für die Berufungsinstanz: € 15.465,00.

Ende der Entscheidung

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