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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.05.2006
Aktenzeichen: I-4 U 128/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 529
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 94 % und der Beklagten zu 6 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat ist an die Feststellung des Landgerichts, dass die Beklagte aufgrund des Unfalls vom 05.11.2001 nicht zur Zahlung einer Invaliditätsleistung verpflichtet ist, nach § 529 ZPO gebunden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründen, liegen nicht vor.

Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität nicht erfolgte. Nach Nr. 2.1.1.1 Victoria AUB 2000 (im Folgenden AUB; Bl. 40 ff GA) ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass diese innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt wird. Diese Voraussetzung hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

1.

Nr. 2.1.1.1 AUB ist wirksam. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Dieses gebietet, dass der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen diese so klar und verständlich formuliert, dass für den Vertragspartner Nachteile und Belastungen hinreichend deutlich erkennbar sind (BGH NJW-RR 2005, 773 - 774). Dabei kommt es auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an (BGH a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die Regelung in Nr. 2.1.1.1 AUB. Unter der fettgedruckten Überschrift "2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung:" folgt unter 2.1.1.1 zunächst eine Definition von Invalidität und unmittelbar im Anschluss der Hinweis, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden muss. Bei aufmerksamem Lesen der Versicherungsbedingungen wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer die Bedeutung der 15-Monatsfrist als Leistungsvoraussetzung deutlich vor Augen geführt. Es kann keine Rede davon sein, dass der Versicherungsnehmer durch die Ausgestaltung der Regelung in die Irre geführt und der Versicherer hierdurch einseitig begünstigt wird.

2.

Die ärztliche Feststellung der Invalidität ist Anspruchsvoraussetzung (Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94, Rdnr. 22 a.E.; Manthey NVersZ 2001, 57). Eine solche ärztliche Feststellung hat der Kläger nicht vorgelegt.

Eine Feststellung der Invalidität im Sinne von Nr. 2.1.1.1 bedeutet, dass ein Arzt schriftlich festgestellt haben muss, dass bestimmte Gesundheitsbeeinträchtigungen auf den Unfall zurück zu führen sind und diese zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit führen. Es muss sich die ärztlicherseits angenommene Ursache der Invalidität und die Art der Auswirkung auf den Gesundheitszustand des Versicherten entnehmen lassen, unabhängig davon, ob die Feststellungen zutreffend sind (BGH RuS 1997, 84; Naumburg OLGR 2005, 179 - 180). Aus keinem der in der Akte befindlichen ärztlichen Atteste, Berichte und Gutachten ergibt sich eine unfallbedingte Invalidität im Sinne der Bedingungen.

Dem Bericht des Durchgangsarztes Dr. K. vom 04.11.2001 (Bl. 11 GA) ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger "multiple Prellungen ("re. Knie, bd. Schultern, re. Handgelenk)" und eine "Zerrung der Brustwirbelsäule" erlitten hat. Eine Aussage über Dauerfolgen enthält er nicht. Dem Bericht des Krankenhauses N. vom 20.02.2003 (Bl. 116 f GA) ist zu entnehmen, dass dort im November 2001 festgestellt wurde, dass der Kläger sich am 05.11.2001 Unfallverletzungen "im Sinne von Prellungen und Zerrungen" zugezogen hat. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass der Heilverlauf sich unkompliziert und zeitgerecht gestaltete und eine Wiedererkrankung aufgrund der Unfallfolgen nicht zu erwarten ist. Der Bericht enthält daher keinerlei Hinweis auf eine unfallbedingte Invalidität. Dem Schreiben des Dr. med. S. vom 18.02.2003 (Bl. 111 GA) ist zu entnehmen, dass dieser am 21.02.2002 eine "endgradige Funktionseinschränkung im rechten Schultergelenk" feststellte. Es werden keine Aussagen zur Unfallbedingtheit und zu eventuellen Dauerfolgen getroffen. Das sozialmedizinische Gutachten des Dr. W. vom 26.03.2002 (Bl. 56 ff GA) stellt fest, dass die orthopädische Behandlung des Klägers noch nicht abgeschlossen ist und dass eine endgültige Aussage über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht getroffen werden kann. Es sagt daher weder etwas über die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beeinträchtigungen des Klägers noch über deren Dauerhaftigkeit aus. Mit dem ärztlichen Attest vom 12.08.2002 (Bl. 12 GA) bescheinigt die Fachärztin für Allgemeinmedizin D., dass der Kläger "am 22.08.2002 eine stationäre Kurmaßnahme antritt, die vorwiegend wegen der Schulterbeschwerden re. (bei Zustand nach Unfall vom 05.11.01) empfohlen worden ist". Diesem Attest ist keine Aussage hinsichtlich einer etwaigen Invalidität zu entnehmen. Im Bericht derselben Ärztin vom 25.02.2003 (Bl. 113 GA) werden "chronisch rezidive Schmerzen im Bereich der rechten Schulter" bescheinigt. Dass diese auf den Unfall zurück zu führen sind oder die Leistungsfähigkeit auf Dauer beeinträchtigen werden, wird nicht bestätigt. Nach einem Attest der Ärztin D. vom 02.08.2004 (Bl. 93 GA) berichtet der Kläger, "weiterhin nach dem Unfall am 05.11.2001 Schulter/Handgelenk- und Kniebeschwerden zu haben". In dem Attest vom 21.12.2005 (Bl. 228 GA) schildert die Ärztin D. den Behandlungsverlauf. Die Feststellung einer unfallbedingten Invalidität enthalten beide Atteste nicht. In der ärztlichen Bescheinigung der L. Kliniken vom 10.09.2002 (Bl. 61 GA) ist die Rede von "chronischen Schulterbeschwerden rechts, BWS-Syndrom, Gonarthrose rechts" und einem "degenerativen WS-Syndrom". Ein Zusammenhang mit dem Unfall wird nicht hergestellt. Der Entlassungsbericht der L. Kliniken vom 12.09.2002 (Bl. 62 ff GA) bescheinigt dem Kläger eine "aktive Abduktionsfähigkeit des rechten Schultergelenks bis 90 Grad" und entlässt ihn als weiterhin arbeitsunfähig. Weder über die Frage der Invalidität noch über die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden des Klägers wird eine Aussage getroffen. Das Versorgungsamt bescheinigt dem Kläger am 23.07.2002 (Bl. 19 GA) einen Grad der Behinderung von "30" und am 23.07.2004 von "50". Die ärztliche Invaliditätsfeststellung kann jedoch durch einen Bescheid des Versorgungsamt über den Grad der Behinderung nicht ersetzt werden (OLG Hamm NVersZ 2001, 551 - 552).

Der von der Beklagten eingeschaltete Sachverständige Dr. med. L. kommt in seinem Gutachten vom 03.08.2003 (Bl. 73 ff GA) zu dem Ergebnis, dass "objektivierbare Gesundheitsschäden" des Klägers nicht vorliegen.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass keine der vorliegenden ärztlichen Atteste, Bescheinigungen und Gutachten eine unfallbedingte Invalidität des Klägers feststellen.

Die ärztliche Feststellung einer Invalidität des Klägers ist auch nicht den von ihm eingereichten Attesten und Gutachten auf psychiatrischem Gebiet zu entnehmen. Nach Nr. 5.2.6 AUB sind krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dieser Ausschlusstatbestand umfasst psychische Fehlverarbeitungen eines Geschehens nach einer unfallbedingten Gesundheitsschädigung (BGH NJW-RR 2003, 881-882 ; OLG Oldenburg RuS 2004, 34-35). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die psychische Erkrankung eine körperliche Ursache hat (BGH VersR 2004, 1149-1450). Voraussetzung wäre daher, dass ärztlich festgestellt wurde, dass die psychische Erkrankung des Klägers ihre Ursache in einer organischen Beeinträchtigung hat. Dieses ist nicht der Fall. Der Kläger leidet nach den vorliegenden Bescheinigungen als Folge des Unfalls vom 09.70.2001 unter einer reaktiven posttraumatischen Depression (Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S. vom 03.05.2005 (Bl. 235 ff GA); Bescheinigungen der Psychiaterin D. vom 17.02.2003 (Bl. 109 ff GA), vom 05.07.2004 (Bl. 94 GA), vom 27.01.2005 (Bl. 142 GA) und vom 25.11.2005 (Bl. 229 GA), Gutachten der Psychiaterin D. vom 11.05.2006 (Bl. 248 ff GA)). (Hirn)organische - und damit körperliche - Ursachen der psychischen Erkrankung wurden nicht ärztlich festgestellt.

3.

Da bis zum heutigen Tag die bedingungsgemäß geforderte ärztliche Feststellung der Invalidität nicht vorliegt, kann dahinstehen, ob es der Beklagten aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt wäre, sich auf den Ablauf der 15-Monatsfrist zu berufen.

II.

Die Anschlussberufung hat keinen Erfolg. 17 Der Senat ist an die Feststellung des Landgerichts, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Kurbeihilfe in Höhe von 1.000,00 Euro hat, gemäß § 529 ZPO gebunden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen begründen, liegen nicht vor.

Nach Nr. 2.9.1 AUB ist Voraussetzung für die Zahlung einer Kurbeihilfe, dass die versicherte Person nach einem unter den Vertrag fallenden Unfall im Sinne von Ziffer 1, wegen der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung und deren Folgen, innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens 3 Wochen eine medizinisch notwendige Kur durchgeführt hat.

Dass der Kläger einen Unfall im Sinne von Nummer 1 der AUB erlitten hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Darüber hinaus greift die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht an, dass der Kläger innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach dem Unfall, wegen der durch den Unfall hervorgerufenen Gesundheitsschädigungen für einen zusammenhängenden Zeitraum von 3 Wochen eine medizinisch notwendige Kur durchgeführt hat. Die Beklagte beschränkt die Anschlussberufung auf einen Betrag von 950,00 Euro. Dementsprechend geht sie davon aus, dass zumindest teilweise die Kur auf die unfallbedingten Verletzungen zurück zu führen war.

Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert die Voraussetzungen einer Leistungsbeschränkung nach Nr. 2.9.2.1 i.V.m Nr. 3 AUB dargelegt. Nach diesen Vorschriften mindert sich die Leistung der Beklagten insoweit, als Krankheiten oder Gebrechen bei der durch den Unfall verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung oder deren Folgen mitgewirkt haben. Dass unfallunabhängige Krankheiten oder Gebrechen ursächlich für den Kuraufenthalt des Klägers waren, hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere wird ihre Behauptung nicht durch die vorliegenden ärztlichen Atteste, Bescheinigungen und Gutachten gestützt. Die von dem Kläger vorgelegten Atteste und Bescheinigungen lassen keinen Schluss auf unfallunabhängige Krankheiten und Gebrechen zu, die ursächlich für den Kuraufenthalt des Klägers waren. Selbst der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. med. L. kommt in seinem Gutachten vom 03.08.2003 (Bl. 73 ff GA, insbesondere Bl. 86 GA) zu dem Ergebnis, dass vor dem Schadenereignis keine Funktionsbeeinträchtigungen der Gliedmaßen bestanden.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung einer Revision liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.950,00 Euro (Berufung 15.000,00 Euro, Anschlussberufung 950,00 Euro).

Ende der Entscheidung

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