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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: I-4 U 170/02
Rechtsgebiete: VVG, AHB, BGB


Vorschriften:

VVG § 6 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 1 u. 2
VVG § 67
AHB § 5 Nr. 2
AHB § 6
BGB § 209 Abs. 1 a. F.
BGB § 426
1.

Zur Verjährung von Ansprüchen aus der Betriebshaftpflichtversicherung, wenn die Versicherungsnehmerin wegen der Lieferung mangelhafter Bauteile in Anspruch genommen wird

a) durch ihren Abnehmer, der seine Ansprüche daraus herleitet, dass er seinen Kunden für Mangelfolgeschäden an seinen Werkleistungen Schadensersatz durch erneute Erbringung seiner Werkleistungen leisten musste,

b) durch den Haftpflichtversicherer des Abnehmers, der nach § 67 VVG im Zuge eines Vergleichs mit dem Montageversicherer der Werkleistungsempfänger deren Produkthaftungsansprüche gegen die Versicherungsnehmerin erworben hat.

2.

Zur Leistungsfreiheit des Versicherers aus einer Betriebshaftpflichtversicherung für den Handel mit Spezialstahl "ausschließlich als Streckengeschäft" wegen Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige jedes Versicherungsfalles, wenn die in Deutschland ansässige Versicherungsnehmerin die von einem verbundenen Herstellerwerk im Ausland produzierten Bauteile im Streckengeschäft an ihren Abnehmer geliefert hat und auch die Rechnungsstellung durch das Herstellerwerk erfolgte.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 170/02

Verkündet am 29. April 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. R... und der Richterin am Landgericht B...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Dezember 2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30,000 € abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Durch Beschluss vom 31. Oktober 2000 hat das Amtsgericht Frankfurt/Main das Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Klägerin, der G... (im Folgenden: Schuldnerin), eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Für die Schuldnerin bestand bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung für den Handel mit Spezial-Stahl ausschließlich als Streckengeschäft.

Die Schuldnerin verkaufte 1993 Stahlmahlkugeln, die von einem verbundenen Unternehmen in Italien hergestellt wurden, an die H.W. GmbH (im Folgenden: H.W.). H.W. benötigte die Stahlmahlkugeln für Kugelmühlen, die sie im Auftrag der V... AG (im Folgenden: V...) für deren Kraftwerke in B... und J... zu errichten hatte.

In diesen Kugelmühlen kam es im Frühjahr 1995 verstärkt zu Ab- und Zerplatzungen der von der Klägerin gelieferten Kugeln. Mit Schreiben vom 7. Juni 1995 rügte H.W. daher (B2a, dort K 11):

"Da auch in B... nach wenigen Stunden Laufzeit der Mühlen die gleichen Probleme wie in J... auftraten, möchten wir Sie hiermit auffordern, uns bis zum 30.06.1995 für beide Vorhaben kostenlosen Ersatz zu liefern an Kugeln, die für diese Einsatzfälle geeignet sind.

Des weiteren kündigen wir Schäden an Stellantrieben und Regelkugelhähnen an, die auf die zerbrochenen Kugeln zurückzuführen sind. Nach Kenntnis des Reparatur- bzw. Neubeschaffungswertes werden wir Ihnen die Werte anlasten."

Da die Schuldnerin die unentgeltliche Nachlieferung von mangelfreien Kugeln ablehnte und ihre Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden bestritt, nahm H.W. sie vor dem LG D... auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch. Außerdem begehrte sie anfänglich die Feststellung, dass die Schuldnerin ihr den entstandenen Mangelfolgeschaden zu ersetzen habe (LG D... 3 O 400/95). Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil vom 30. Juni 2000 hat das LG D... die Schuldnerin zur Zahlung in Höhe von 642.500 DM verurteilt (BA Bd. III, Bl. 91). Den Feststellungsantrag hatten die Parteien zuvor übereinstimmend für erledigt erklärt, da - so H.W. - ihr Schaden "insoweit durch Versicherungsleistungen abgedeckt" sei (BA Bd. I, Bl. 192).

Für die Schäden, die V und den am Betrieb der Kraftwerke beteiligten Firmen M..., St... und N... erwachsen sind, kam zunächst die G...-AG (im Folgenden: G...) als Montage-Versicherer in Höhe von 5.170.027 DM auf. Sie nahm jedoch bei dem H... VVaG (im Folgenden: H...) als Haftpflichtversicherer von H.W. Rückgriff. Im Zuge eines im Juli 1999 geschlossenen Vergleichs zahlte der H... zur Abgeltung sämtlicher gemäß § 67 VVG auf G... übergegangenen Ansprüche gegen H... und sonstige Dritte, insbesondere gegen die Schuldnerin (GA 204), aus und im Zusammenhang mit den im Jahre 1995 eingetretenen Schadensfällen 2.934.882,82 DM.

Ersatzansprüche in entsprechender Höhe hat der H... - nach Vorankündigung im Oktober 1998 (GA 57) - mit Schreiben vom 9. Juli 1999 (73), 1. Dezember 1999 (GA 75) und 11. Januar 2000 (GA 78) gegenüber der Schuldnerin erhoben. Diese nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz in Anspruch. Mit Schreiben vom 30. November 1999 hat sie jedoch die Gewährung von Versicherungsschutz abgelehnt, da die Schuldnerin ihre Anzeigepflichten verletzt habe (GA 69 ff.). Außerdem hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr aus der Betriebshaftpflichtversicherung Nr. 000035 032 Deckungsschutz für die durch Ab- und Zerplatzungen von Mahlkugeln im Juni/Juli 1995 in den beiden Kraftwerken B... und J... entstandenen Schäden zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 7. Dezember 2000 hat das Landgericht D... die Klage abgewiesen, da die zweijährige Verjährungsfrist bereits Ende 1997 abgelaufen sei. Der Lauf der Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 1995 begonnen, da H.W. die Schuldnerin bereits mit Schreiben vom 7. Juni 1995 auf Schadensersatz in Anspruch genommen habe. Mit dem Zugang des Schreibens des H... vom 1. Oktober 1998 sei keine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt worden, da der Versicherer keinen eigenen Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe, sondern nur den Anspruch, der gem. § 67 WVV von H.W. auf ihn übergegangen sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er beanstandet, das Landgericht habe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft, welche Ansprüche wegen des Schadensereignisses im Juni bzw. Juli 1995 gegen die Schuldnerin geltend gemacht worden seien. Mit der Zahlung des Vergleichsbetrages von 2.934.882,82 DM seien auf den H... die Ansprüche der geschädigten Dritten sowohl gegen H.W. als auch gegen die Schuldnerin übergegangen. Gerade die gegen die Schuldnerin gerichteten Ansprüche von V..., St..., M... und N... habe der H... gegenüber der Schuldnerin zunächst mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 und sodann spezifiziert mit Schreiben vom 9. Juli 1999 geltend gemacht. Diese Ansprüche seien aber nicht deckungsgleich mit denen, die H.W. in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht D... gegen die Schuldnerin erhoben habe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Betriebshaftpflichtversicherung Nr. 000035032 Deckungsschutz für die durch Ab- und Zerplatzungen von Mahlkugeln im Juni/Juli 1995 in beiden Kraftwerken B... und J... entstandenen Schäden zu gewähren.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil verteidigt, beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil sowie den Inhalt der Gerichtsakten und der zu Informationszwecken beigezogenen Akten des LG D... (3 O 400/95) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsmittel mit der Berufungsschrift vom 4. August 2002 rechtzeitig eingelegt worden, obwohl das angefochtene Urteil den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin bereits im Dezember 2000 zugestellt worden ist, denn das nach der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2000 durch Beschluss vom 31. Oktober 2000 über das Vermögen der Schuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren hinderte sowohl den Beginn der Frist zur Einlegung als auch zur Begründung der Berufung (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 249 Rn. 2).

II.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, da die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Außerdem ist sie leistungsfrei, weil die Schuldnerin ihre Anzeigeobliegenheit verletzt hat.

1.

Haftpflichtversicherungsansprüche wegen der angeblichen Schadenersatzansprüche, die H.W. dadurch entstanden sein sollen, weil sie aufgrund der Lieferung von mangelhaften Stahlmahlkugeln eigene Werkleistungen erneut erbringen und beschädigte Bauteile von V..., M..., N... und St... entschädigen musste, sind bereits im Januar 2000, mithin noch vor Eingang der Klage im Mai 2000, verjährt.

a) Deckungsansprüche aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag verjähren in zwei Jahren (§ 12 Abs. 1 S. 1 VVG). Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 VVG mit Fälligkeit der Versicherungsleistung (Römer in: Römer/ Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rn. 8). Diese tritt in der Haftpflichtversicherung ein, wenn Regressansprüche gegen den Versicherten ernsthaft und unmissverständlich geltend gemacht werden (Voit in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 149 Rn. 5). Ob sich - wie das Landgericht angenommen hat - ein solches Erfüllungsverlangen in Bezug auf die H.W. erwachsenen Mangelfolgeschäden bereits aus dem Schreiben vom 7. Juni 1995 ergibt, ist indes zweifelhaft, weil damit Ersatzansprüche wegen Schäden an Stellantrieben und Regelkugelhähnen nur "angekündigt" wurden und die bloße Ankündung VOR Forderungen, die erst nach Ermittlung der Schadenshöhe durchgesetzt werden sollen, im Regelfall zur Geltendmachung nicht ausreicht (vgl. Langheid in: Römer/Langheid, a.a.O., § 153 Rn. 7). Das kann jedoch dahinstehen, weil der Haftpflichtanspruch jedenfalls im Verlauf des Jahres 1996 fällig geworden ist. Mit der Anfang 1996 zugestellten Klageschrift vom 6. Dezember 1995 hat H.W. nämlich in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht D... die Feststellung begehrt, dass die Schuldnerin für die ihr entstandenen Mangelfolgeschäden aufzukommen habe (B 2 a)). Mit Schriftsatz vom 11. September 1996, mit dem sie diese Klage erweitert hat, hat sie ferner klargestellt, dass sie als Mangelfolgeschäden sowohl ihre Aufwendungen für die Wiederinstandsetzung der Kugelmühlen als auch die Ansprüche von N... und von V... betrachtet, denen sie wegen der Lieferung von mangelhaften Stahlmahlkugeln ausgesetzt war. Daher begann der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist spätestens am 1. Januar 1997 (§ 12 Abs. 1 S. 2 VVG).

b) Noch vor Eintritt der Verjährung, die danach am 31. Dezember 1998 eingetreten wäre, ist diese Frist allerdings durch die Anmeldung des Haftpflichtanspruchs bei der Beklagten gehemmt worden (§ 12 Abs. 2 VVG): Die Hemmung trat am 17. November 1998 mit dem Eingang des Schreibens des H... bei der Beklagten ein (B 2), Ob die Geltendmachung von Ansprüchen durch Dritte den Lauf der Verjährungsfrist hemmt, ist zwar zweifelhaft (vgl. Römer, a.a.O., § 12 Rn. 23). Da die Schuldnerin jedoch unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie noch vor Erhalt des an sie gerichteten Schreibens der Beklagten vom 4. Dezember 1998 (GA 60) telefonisch mit dieser in Kontakt gestanden hat, kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass die Beklagte mit ihr noch am selben Tag in Verbindung getreten ist, als sie vom H... die Mitteilung über die auf ihn übergegangenen Regressansprüche erhielt. Dann blieben vom 17. November 1998 bis zum Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist am 31. Dezember 1998 noch 44 Tage offen.

c) Die Hemmungswirkung entfiel jedoch wieder mit der schriftlichen Entscheidung der Beklagten über die Gewährung des Haftpflichtversicherungsschutzes (§ 12 Abs. 2 VVG). Deren Leistungsverweigerung ging der Schuldnerin und ihrem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 1. Dezember 1999 zu (GA 69, 70). Die von da an weiterlaufende Verjährungsfrist ist somit im Januar 2000 endgültig verstrichen.

d) Dem Eintritt der Verjährung steht nicht entgegen, dass die Regressansprüche erstmals nach dem Anspruchsübergang auf den H... bei der Beklagten angemeldet worden sind. Denn die Rechtsnachfolge auf Seiten des Gläubigers des Haftpflichtanspruchs lässt die Verjährung des Deckungsanspruchs unberührt.

2.

Ebenso ist der Deckungsschutzanspruch verjährt, den der Kläger daraus herleitet, dass ursprünglich V..., ML., N... und St... Produkthaftungsansprüche gegen die Schuldnerin zugestanden haben sollen, die dann im Rahmen der Schadensabwicklung zunächst gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf H.W. und dann gemäß § 67 VVG ebenfalls auf den H... übergegangen sind. Dasselbe gilt auch für den damit zusammenhängenden Ausgleichsanspruch, der sich zunächst für H.W. aus § 426 Abs. 1 BGB ergeben haben soll, weil er als Gesamtschuldner für die Ansprüche aufgekommen ist, die V..., M..., N... und St... sowohl gegen ihn als Lieferanten als auch unter dem Blickwinkel der unerlaubten Handlung gegen die Schuldnerin erwachsen sein sollen.

a) Fällig wurde der Deckungsanspruch der Schuldnerin in Ansehung dieser Regressansprüche durch das Schreiben des H... vom 9. Juli 1999 (GA 73), weil er damit alle aufgrund des Vergleichs mit G... auf ihn übergehenden Ersatzansprüche gegen die Schuldnerin "ausdrücklich geltend" gemacht hat (GA 23 f.). Demgemäss begann die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 VVG mit dem Schluss des Jahres 1999 und ist am 31. Dezember 2001 abgelaufen, ohne dass sie zuvor gehemmt oder unterbrochen worden wäre.

b) Die Hemmung der Verjährung ist durch die zwischen der Schuldnerin und der Beklagten schwebenden Verhandlungen nicht eingetreten, da die Beklagte den Deckungsanspruch bereits mit Schreiben vom 30. November 1999, also noch vor Beginn der Verjährung, zurückgewiesen hat (GA 69, 70). Auch die Klage, die die Schuldnerin am 31. Mai 2000 gegen die Beklagte eingereicht hat und die dieser am 21. Juni 2000 zugestellt worden ist, hat nicht gem. § 209 Abs. 1 BGB a. F. zur Unterbrechung der Verjährung geführt. Nach ständiger Rechtsprechung ist sowohl für den Umfang der Rechtskraft als auch für den Umfang der Verjährungsunterbrechung nach § 209 Abs. 1 BGB der den prozessualen Anspruch bildende Streitgegenstand maßgebend. Dieser wird durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt (BGH VersR 1996, 1743; 1999, 2110, 2111; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 209 Rn. 13). Streitgegenstand der Klage der Schuldnerin war indes nur der Anspruch auf Versicherungsschutz, der ihr wegen der angeblichen Verletzung von Verkäuferpflichten gegenüber H.W. zustand.

c) Werden durch ein Schadenereignis mehrere Personen geschädigt, die Haftpflichtansprüche geltend machen, so erwachsen dem Versicherungsnehmer durch die Inanspruchnahme durch den jeweiligen Geschädigten gesonderte Haftpflichtversicherungsansprüche (OLG Hamm, VersR 1978, 809; Bruck/Möller/Johannsen, VVG, 8. Aufl., IV Anm. B 26). Dementsprechend bilden auch die Deckungsansprüche der Schuldnerin wegen der Verletzung ihrer Vertragspflichten gegenüber H... und wegen der Verletzung des Eigentums von V..., M..., N... und St.. verschiedene Streitgegenstände. Dass die Schuldnerin nicht nur wegen der Verletzung von Vertragspflichten gegenüber H.W., sondern auch wegen der sie gegenüber V..., M..., N... und St... treffenden Produkthaftpflicht in Anspruch genommen wird und dass sie auch unter diesem Blickwinkel von der Beklagten Deckungsschutz begehrt, hat der Kläger aber erstmals in der Berufungsbegründung vom 12. September 2002, mithin nach Eintritt der Verjährung, geltend gemacht. Gegenteiliges ergibt sich - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht aus den bereits in erster Instanz in Bezug genommenen Schreiben des H... vom 1. Oktober 1998, vom 1. Dezember 1999 und vom 11. Januar 2000. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 hat der H... zwar darauf hingewiesen, dass er möglicherweise für den Dritten entstandenen Sachschaden aufkommen müsse, weil die Verwendung der von der Schuldnerin gelieferten Mahlkugeln zu Schäden in den Kraftwerken B... und J... geführt habe (GA 57). Da sich der H... in dem Schreiben als Haftpflichtversicherer von H.W. vorgestellt und auf den Gewährleistungsprozess zwischen H.W. und der Schuldnerin vor dem LG D... Bezug genommen hat, in dem H.W. ursprünglich auch die Eintrittspflicht der Schuldnerin für die ihr entstehenden Mangelfolgeschäden geklärt sehen wollte, ergab sich daraus nur, dass der H... Regressansprüche ankündigte, weil die Verletzung der Verkäuferpflichten der Schuldnerin dazu geführt hat, dass H.W. von seinen Vertragspartnern mit Schadensersatzansprüchen überzogen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin, die die möglicherweise schadhaften Stahlmahlkugeln nicht selbst hergestellt, sondern nur von einem verbundenen Unternehmen in Italien bezogen hatte und in keinen vertraglichen Beziehungen zu V..., M..., N... und St... stand, eine Produkthaftpflicht traf, lassen sich daraus jedenfalls nicht herleiten. Ebenso wenig konnte daraus das Landgericht entnehmen, dass H.W. und die Schuldnerin gegenüber V..., M..., N... und St... als Gesamtschuldner haften müssten. Nichts anderes folgt auch aus den Schreiben des H... vom 1. Dezember 1999 (GA75) und vom 11. Januar 2000 (GA 78). Aus dem Schreiben vom 11. Januar 2000 ergibt sich nur, dass er die Schadensersatzforderung gegenüber der Schuldnerin geltend machte, die daraus resultierte, dass H.W. als Versicherungsnehmer des H... für die Mangelhaftfgkeit der von der Schuldnerin gelieferten Stahlmahlkugeln verantwortlich gemacht worden ist. Ohne irgendeinen Hinweis auf die Umstände, die nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2003 eine Produktbeobachtungspflicht der Schuldnerin als Händler und Importeurin der Stahlmahlkugeln begründen sollten (vgl. dazu BGH, VersR 1987, 312, 313), deutet auch das aber nur darauf hin, dass der H... Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung geltend machen wollte. Soweit sich die Schuldnerin schließlich mit Schriftsatz vom 31. August 2000 ausdrücklich darauf berufen hat, dass "Ansprüche mehrerer Dritter... grundsätzlich mehrere Versicherungsansprüche" auslösen (GA 123), rechtfertigt auch das keine andere Beurteilung. Daraus erschließt sich nämlich nicht, dass V..., M..., N... und St... Direktansprüche gegen die Schuldnerin erwachsen sind, sondern nur, dass sie der (unzutreffenden) Auffassung war, die Inanspruchnahme der Schuldnerin durch den H... begründe einen neuen Deckungsanspruch gegen die Beklagte. Dass die vom H... gegen die Schuldnerin erhobenen Haftpflichtansprüche auf einer anderen rechtlichen Grundlage basierten, als die ursprünglich bereits von H.W. geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Ein erster Anhaltspunkt dafür, dass der H... H.W. und die Schuldnerin gleichermaßen als Haftpflichtige angesehen hat, liefert demgegenüber der Vergleichsvorschlag, den er G... mit Schreiben vom 9. Juli 1999 unterbreitet hat, weil mit dem angestrebten Vergleich danach sämtliche gemäß § 67 VVG auf G... übergegangenen Ansprüche gegen H.W. und sonstige Dritte, insbesondere gegen die GS T... E... GmbH, aus und im Zusammenhang mit den im Jahre 1995 eingetretenen Schadensfällen an den Kraftwerken B... und J... der V... abgegolten sein sollten (GA 204). Dieses Schreiben hat der Kläger jedoch erst mit der Berufungsbegründung vorgelegt.

3.

Sollte entgegen den vorstehenden Erwägungen keine Verjährung eingetreten sein, so wäre die Beklagte aber auch leistungsfrei, weil die Schuldnerin ihre Anzeigeobliegenheit verletzt hat (§ 5 Nr. 2 AHB i.V.m. § 6 AHB u. § 6 Abs. 3 VVG).

a) Gemäß § 5 Abs. 2 AHB hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer jeden Versicherungsfall unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen. Versicherungsfall ist dabei das Schadensereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte (§ 5 Nr. 1 AHB). Dagegen hat die Schuldnerin unstreitig verstoßen, weil die Beklagte erst Mitte November 1998 durch den H... über den Schadensfall unterrichtet worden ist, obwohl die Schuldnerin spätestens durch die von H.W. mit Schreiben vom 7. Juni 1995 erhobene Mängelrüge über die angeblichen Schäden informiert worden war, zu denen der Einsatz der von ihr gelieferten Stahlmahlkugeln in den Kraftwerken in B... und J... geführt haben soll.

b) Diese Obliegenheitsverletzung hat die Schuldnerin auch zu vertreten. Gemäß § 6 AHB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG tritt Leistungsfreiheit zwar nicht ein, wenn die Pflichtverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Wobei die Beweislast für fehlenden Vorsatz oder für einen geringeren Verschuldensgrad als grobe Fahrlässigkeit die Schuldnerin trifft (st. Rspr., vgl. BGH VersR 1999, 1004). Diese Vermutung hat der Kläger jedoch nicht entkräften können. Gegen eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung mag noch der Erfahrungssatz sprechen, dass niemand bewusst seinen Versicherungsschutz gefährdet (BGH VersR 1979, 1117). Das hindert die Annahme einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung jedoch nicht. Dass der ehemalige Geschäftsführer der Schuldnerin eine Schadensanzeige allenfalls leicht fahrlässig unterlassen hat, weil er sich aufgrund der fehlerhaften Beratung durch einen renommierten Versicherungsmakler in einem Rechtsirrtum befand, der ihr ebenso wenig anzulasten ist, wie ein Irrtum infolge fehlerhafter anwaltlichen Beratung (vgl. BGH VersR 1981, 321), hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben. Ausweislich des Versicherungsscheins gewährte die Beklagte der Schuldnerin Versicherungsschutz für den Handel mit Spezialstahl "ausschließlich als Streckengeschäft" (GA 18). Das war auch dem ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin klar, wie er bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2003 eingeräumt hat (GA 304 R a.E.). Unstreitig war und ist ferner, dass die Schuldnerin die von einem verbundenen Unternehmen in Italien produzierten Stahlmahlkugeln im Streckengeschäft an H.W. geliefert hat. Dass der ehemalige Geschäftsführer der Schuldnerin von Seiten des Maklers gleichwohl dahingehend belehrt worden ist, dass - so die Schuldnerin (GA 125) - kein Deckungsschutz bestehe, wenn nicht nur die Lieferung, sondern auch die Rechnungsstellung durch das Herstellerwerk erfolge und es auch den Kaufpreis direkt vom Erwerber erhalte (GA 156 f.), haben weder der ehemalige Geschäftsführer, der Zeuge L..., noch der Sachbearbeiter des Maklerunternehmens, der Zeuge S..., in dieser Form bestätigt. Der Zeuge S... hat dazu bekundet, er glaube sich zu erinnern, dass er in einem Gespräch, an dem auch der Zeuge L... teilgenommen habe, erklärt hätte, ein Streckengeschäft im Sinne des Haftpflichtversicherungsvertrages sei auch dann anzunehmen, wenn von der italienischen Tochtergesellschaft sowohl die Lieferung als auch die Fakturierung erfolge (GA 302). Davon abweichend hat zwar der Zeuge L... angegeben, er gehe davon aus, dass er von dem Zeugen S... die Antwort bekommen habe, es bestehe kein Versicherungsschutz für das streitgegenständliche Schadensereignis, weil nur das Streckengeschäft versichert sei. Dem lag auf Seiten des Zeugen jedoch die fälschliche Annahme zugrunde, die Schuldnerin habe lediglich den Vertrag zwischen H.W. und dem Herstellerwerk vermittelt und dafür eine Provision bezogen (GA 300). Mit der Auftragsbestätigung der Schuldnerin vom 29. April 1993 konfrontiert, hat er das indes richtiggestellt (GA 301). Soweit er die vertraglichen Beziehungen zwischen H.W. und der Schuldnerin und zwischen dieser und dem Herstellerwerk anschließend als eine Art "Zwitterverhältnis" beschrieben hat, weil die Produzentin H.W. ebenfalls die Auftragsausführung bestätigt habe, kann das die Schuldnerin nicht entlasten. Zumindest durfte der Zeuge in dieser Situation nicht ohne vorherige fachkundige Beratung von einer Schadensmeldung absehen. Das gilt umso mehr, da er selbst zugeben musste, dass die Schuldnerin sich in dieser Phase weiterhin als Lieferantin von H.W. angesehen habe. Gleichwohl konnte er sich jedoch nicht daran erinnern, diese Problematik mit dem Zeugen S... erörtert zu haben. Davon abgesehen sieht der Senat auch keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, dass der Zeuge sich überhaupt in einem Rechtsirrtum befunden hat. Schon die Tatsache, dass er anfänglich die Auslieferung der Stahlmahlkugeln im Streckengeschäft nachdrücklich in Abrede gestellt hat, lässt nämlich erkennen, dass er keine sichere Erinnerung an die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall mehr hatte.

c) Die Beklagte bleibt auch nicht zur Gewährung von Deckungsschutz verpflichtet, weil die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls und den Gegenstand und Umfang ihrer Leistungspflicht gehabt hätte (§ 6 Abs. 3 S. 2 VVG). Den der Schuldnerin dafür obliegenden Kausalitätsgegenbeweis hat der Kläger nicht erbracht. In der Praxis kann dieser Beweis nur so geführt werden, dass der Versicherungsnehmer zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt, die darauf hindeuten könnten, dass der Versicherer durch die Obliegenheitsverletzung einen Nachteil bei der Ermittlung des Schadensereignisses und der Feststellung und des Umfangs seiner Leistungspflicht erlitten hat. Alsdann muss der Versicherer dartun, warum ihm durch die Obliegenheitsverletzung gleichwohl ein Schaden zugefügt worden sein soll. Zu dem Zweck muss er offenbaren, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit ergriffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte. Das muss der Versicherungsnehmer sodann ebenfalls widerlegen (BGHZ 41, 327, 336; VersR 2001, 756). Angesichts eines im Streitfall zunächst im Raum stehenden Schadens von über 5 Mio. DM hat die Beklagte hier aber nachvollziehbar vorgetragen, dass sie bei rechtzeitiger Schadensanzeige sofort die Ermittlungen vor Ort aufgenommen und einen Sachverständigen eingeschaltet hätte, um umfassende Informationen für eine Haftungsabwehr zu gewinnen (GA 105). Das hat der Kläger nicht widerlegt. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass diese Bemühungen auf der Beklagtenseite zum Erfolg geführt hätten. Bezeichnend ist insoweit schon, dass der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. K... H... in seinem Gutachten vom 31. Mai 1999, das das LG D... bei der Verurteilung der Schuldnerin im Gewährleistungsprozess zugrundegelegt hat, moniert hat, die von ihm getroffenen Feststellungen seien dadurch erschwert worden, dass eine direkte Untersuchung des Mühlenregimes nicht mehr möglich gewesen sei (BA Bd. II, Bl. 137). Gerade mit Blick darauf erscheint jedenfalls nicht fernliegend, dass die Beklagte für die Abwehr der Haftungsansprüche wertvolle Erkenntnisse gewonnen hätte, wenn der von ihr eingeschaltete Gutachter hierzu eigene Feststellungen hätte treffen können. Offen ist ferner, ob die auf die Schuldnerin zukommenden Ansprüche zumindest der Höhe nach niedriger ausgefallen wären, wenn die Beklagte frühzeitig die Bearbeitung des Haftpflichtschadens aufgenommen hätte. Auch wenn zur Frage der Schadensursache Beweise gesichert worden sind, ist jedenfalls eine mögliche Mitverantwortung von H.W. bzw. von V..., M..., N... und St... - soweit ersichtlich - bisher nicht abschließend geklärt. Dass der H... den G... entstandenen Schaden nur in Höhe von 2.934.882,82 DM erstattet hat, obwohl G... seine Ansprüche gegenüber H.W. mit 5.170.027 DM beziffert hat, lässt zwar darauf schließen, dass sich der H... mit Erfolg auf ein Mitverschulden der Geschädigten berufen hat. Daraus folgt indes nicht, dass die Beklagte nicht imstande gewesen wäre, noch weitere Schadenskürzungen durchzusetzen, wenn sie sich früher in die Schadensabwicklung hätte eingeschalten können. Dass die Geschädigten im Interesse der Schuldnerin und der Beklagten auch Beweise gesichert haben, die die Feststellung des Grades ihrer Mitverantwortung an dem Schaden ermöglichen, erscheint nämlich wenig wahrscheinlich.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 1.200.465,40 € (=2.347.906,25 DM = 2.934,882,82 DM x 0,8).

Ende der Entscheidung

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