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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2003
Aktenzeichen: I-4 U 186/02
Rechtsgebiete: BB-BUZ, LBG NW


Vorschriften:

BB-BUZ § 2
LBG NW § 45 Abs. 1
LBG NW § 194
LBG NW § 197
1.

Aus einer BUZ-Versicherung mit einer Beamtenklausel, nach der die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als vollständige Berufsunfähigkeit gilt, ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn ein beamteter Feuerwehrmann aus gesundheitlichen Gründen wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit i. S. v. § 45 Abs. 1 LBG NW in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beamten in seinem Amt als Feuerwehrmann etwa eine büromäßige oder sonstige Innendient-Beschäftigung finden könnte, der er körperlich gewachsen ist.

2.

Eine "Feuerwehrdienstfähigkeit" mit besonderen Anforderungen ähnlich der Polizeidienstfähigkeit nach § 194 LBG NW, bei deren Wegfall mangels allgemeiner Dienstunfähigkeit ein Anspruch auf Übernahme in eine andere Laufbahn besteht, gibt es für Feuerwehrmänner nach § 197 LB NW nicht.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 186/02

Verkündet am 10. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. W... sowie der Richterin am Landgericht B...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. August 2002 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter - abgeändert.

1.

Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 140349 29 0012 für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 30. November 2002 rückständige Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 17.026,80 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 24. Mai 2002 zu zahlen,

b) an den Kläger aus der vorgenannten Zusatzversicherung ab 1. Dezember 2002 bis längstens zum 30. April 2009 eine Berufsunfähigkeitsrente von 851,34 € pro Monat zu zahlen,

c) dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 30. November 2002 gezahlte Prämien in Höhe von 4.052,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins ab 26. November 2002 zu erstatten.

2.

Es wird ferner festgestellt, dass der Kläger ab 1. Dezember 2002 bis längstens 30. April 2009 von der Zahlung der Prämien für die vorgenannte Kapital-Lebensversicherung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung freigestellt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 11/12, dem Kläger zu 1/12 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der vollstreckbaren Urteilssumme abzuwenden, sofern nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils von ihm zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch (Antrag GA 5 ff., Police GA 39).

Der Kläger war beamteter Feuerwehrmann bei der Stadt O..., zuletzt als Oberbrandmeister. Die Parteien vereinbarten im Jahre 1984 bei Abschluss des Versicherungsvertrags u. a. folgende Beamtenklausel:

Bei Beamten des öffentlichen Dienstes gilt die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bzw. die Entlassung wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen als vollständige Berufsunfähigkeit.

Mit Verfügung vom 5. März 2001 (GA 9) teilte die Stadt O... dem Kläger mit:

"... nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung halte ich Sie nach pflichtgemäßem Ermessen für dauernd dienstunfähig im Sinne des § 45 Abs. 1 LBG. Sie werden daher antragsgemäß in den Ruhestand versetzt."

Die Beklagte verweigerte die vom Kläger begehrten Versicherungsleistungen (vgl. GA 44) und erläuterte dies mit Schreiben vom 3. Juli 2001 (GA 50) dahingehend, versichert sei nur die allgemeine Dienstunfähigkeit, nicht, hingegen die spezielle Feuerwehr-Dienstunfähigkeit des Klägers.

Das Landgericht hat die auf Feststellung der Rentenzahlungsverpflichtung gerichtete Klage abgewiesen und ausgeführt, aus dem Auskunftsschreiben der Stadt O... vom 31. August 2001 (GA 52) ergebe sich, dass der Kläger sowohl aus gesundheitlicher Sicht wie auch von seiner Ausbildung her im Innendienst der Berufsfeuerwehr noch verwendbar gewesen sei und dies lediglich an nicht vorhandenen Planstellen gescheitert sei. Könne aber ein Beamter nur bestimmte Tätigkeiten nicht mehr verrichten und verbleibe ihm ein Aufgabenbereich, der ihm im Rahmen seiner Dienststellung zugewiesen werden könne, so sei nach der Beamtenklausel keine Berufsunfähigkeit gegeben.

Mit seiner Berufung erweitert der Kläger sein Begehren. Er greift die Rechtsauffassung des Landgerichts an und meint, die Beklagte sei an die Zurruhesetzungsverfügung gebunden.

Danach sei seine Weiterbeschäftigung unter Zuweisung gesundheitlich zu bewältigender Tätigkeitsbereiche nicht möglich gewesen. Die Stadt O... habe die Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung - wie der Kläger im einzelnen näher ausführt - auch zutreffend wiedergegeben.

Der Kläger hält die angekündigten Berufungsanträge (GA 97) zuletzt nur noch im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufrecht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist, nachdem der Kläger die Berufung im Senatstermin teilweise zurückgenommen hat, im aufrechterhaltenen Umfang begründet.

1.

Die Berufung ist zulässig, obwohl der Kläger statt der erstinstanzlich verfolgten Feststellungsanträge nunmehr beziffert Berufsunfähigkeitsrente beansprucht. Denn auch mit der nunmehr verfolgten Leistungsklage stellt die Berufung die Richtigkeit der vom Landgericht ausgesprochenen Klageabweisung in Frage, weil die Leistungsklage das ursprüngliche Feststellungsbegehren mitumfasst. Die Antragsänderung ist gem. § 264 ZPO statthaft, § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen (vgl. Baumbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 531 Rdn. 11).

2.

In der Sache kann die Abweisung der Klage durch das Landgericht keinen Bestand haben. Die Voraussetzungen für die Leistungsverpflichtung der Beklagten aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsbedingungen GA 40 ff. und GA 153) sind erfüllt. Der Leistungsfall ist eingetreten, weil der Kläger der vereinbarten "Beamtenklausel" (GA 8) entsprechend aus gesundheitlichen Gründen gem. § 45 Abs. 1 LBG NW und damit wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden ist. Die Zurruhesetzungs-Verfügung der Stadt O... vom 5. März 2001 (GA 9) ist inhaltlich eindeutig. Mit Schreiben vom 31. August 2001 (GA 52) hat die Stadt O... überdies bestätigt, dass der Kläger wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert worden ist, weil er nämlich wegen seiner Erkrankungen - die sich aus dem Bericht des Betriebsärztlichen Dienstes vom 23. Februar 2001 ergeben (GA 48) - zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht mehr in der Lage gewesen sei. Der Kläger war nach Auffassung des Dienstherrn also den Anforderungen seines Amtes - als Oberbrandmeister der Feuerwehr - nicht mehr gewachsen. Genau dieses Risiko ist Gegenstand der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers.

Dieser Würdigung steht die Rechtsprechung zur Beamtenklausel, soweit es um die vorzeitige Zurruhesetzung von Polizeibeamten geht (vgl. OLG Hamm VersR 1982, 889; BGH VersR 1993, 1220), nicht entgegen. Je nach Fassung der Klausel (vgl. dazu OLG Bamberg VersR 1992, 1074; OLG Karlsruhe r+s 1998, 257) wird insoweit- vertreten, dass eine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit im Sinne der Klausel nicht schon dann vorliegt, wenn der Beamte wegen Wegfalls der - besonderen - Polizeidienstfähigkeit vorzeitig pensioniert wird. Damit ist die Situation eines beamteten Feuerwehrmanns nicht zu vergleichen. Das Gesetz sieht, nämlich zwar eine besondere Polizeidienstfähigkeit vor (§ 194 LBG NW), bei deren Wegfall der Polizeibeamte im Normalfall den gesetzlichen Anspruch auf Übernahme in eine andere Laufbahn hat (§ 194 Abs. 3 LBG NW). Für den Polizeibeamten ist also im Grundsatz von vornherein eine weitere Amtstätigkeit vorgesehen. Es ist dann eine Frage der Auslegung, ob die vorzeitige Pensionierung wegen "Dienstunfähigkeit" im Sinne der vereinbarten Versicherungsklausel schon eingreift, wenn die Polizeidienstfähigkeit nicht mehr gegeben ist, oder ob dies nur der Fall ist, wenn die Pensionierung wegen Fehlens der allgemeinen Dienstfähigkeit erfolgt.

Eine Differenzierung zwischen allgemeiner Dienstfähigkeit und einer speziellen "Feuerwehrdienstfähigkeit" und insbesondere - was letztlich das Entscheidende sein dürfte - die Eröffnung des Wegs in eine "Reserve-Laufbahn" sieht das Gesetz für den Kläger als Feuerwehrmann (Oberbrandmeister) dagegen nicht vor. Denn die für Feuerwehrbeamte geltende Regelung des § 197 LBG NW, die zahlreiche für Polizeibeamte geltende Besonderheiten für entsprechend anwendbar erklärt, spart § 194 LBG NW - die Polizeidienstfähigkeit betreffend - gerade aus. Eine vorzeitige Zurruhesetzung kann also nur wegen Wegfalls der allgemeinen Dienstfähigkeit erfolgen.

Letztlich kommt es darauf aber nicht einmal entscheidend an. Da die Stadt O... den Kläger wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt hat, ist der Beklagten eine abweichende Beurteilung abgeschnitten. Allein schon wegen der insoweit bestehenden Bindungswirkung der Entscheidung des Dienstherrn muss die Beklagte von einer vorzeitigen Pensionierung des Klägers wegen krankheitsbedingten Verlusts der allgemeinen Dienstfähigkeit ausgehen (vg.1. Senat VersR 2001, 754). Die im Senatstermin vom Beklagtenvertreter übergebene Entscheidung des OLG Nürnberg (8 U 1208/02) steht dazu nicht in Widerspruch. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte eine Klausel zu beurteilen, nach der vollständige Berufsunfähigkeit an die Annahme zweier Voraussetzungen geknüpft war, nämlich zum einen, dass der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und darüber hinaus, dass der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt oder entlassen wird. Eine solche Kumulierung der Voraussetzungen - wie sie das Oberlandesgericht Nürnberg gesehen hat - weist die in vorliegender Sache zur Beurteilung stehende Beamtenklausel eben nicht auf.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann es, da der Versicherungsfall mit der von der Beklagten hinzunehmenden vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen krankheitsbedingter allgemeiner Dienstunfähigkeit eingetreten ist, keine Rolle spielen, ob der Kläger in seinem Amt als Feuerwehrmann etwa eine büromäßige oder sonstige Innendienst-Beschäftigung hätte finden können, der er körperlich gewachsen gewesen wäre, falls solche Stellen nicht sämtlich schon vergeben gewesen wären. Die Möglichkeit einer Verweisung hat sich die Beklagte im Rahmen der Beamtenklausel nicht vorbehalten.

Auch liegt der Fall anders als in der Entscheidung des OLG Köln (VersR 1998, 1272), das eine Bindung an die vorzeitige Pensionierung eines Posthauptschaffners nicht angenommen hat, weil der Beamte nur als Paketzusteller krankheitsbedingt ausschied, er jedoch andere Segmente der einem Posthauptschaffner zuweisbaren Dienstgeschäfte noch zu bewältigen in der Lage gewesen sei. Denn das Amt eines Feuerwehrmanns ist geprägt von dem Einsatz in der Brandbekämpfung und sonstigen körperlich fordernden Hilfeleistungen. Dieser zentralen Funktion kann der Kläger nicht mehr gerecht werden, daneben gibt es keine sonstigen das Bild des Feuerwehrmanns auch nur annähernd gleichermaßen prägenden Tätigkeitsbereiche. Als durchschnittlicher Versicherungsnehmer konnte der Kläger deshalb - anders als nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln der Postbeamte - bei Abschluss der Versicherung davon ausgehen, bei Zurruhesetzung wegen Wegfalls seiner Fähigkeit, an der Brandbekämpfung und ähnlichem mitzuwirken, Anspruch auf die ausbedungenen Berufsunfähigkeitsversicherungsleistungen zu haben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der Argumentation des Oberlandesgerichts Köln im übrigen gefolgt werden könnte.

Eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Aufgabenbereich ist schließlich auch nicht am Kläger gescheitert, sondern daran, dass ihm der Dienstherr keinen anderen Tätigkeitsbereich zuweisen konnte (vgl. GA 53). Deshalb kommen hier auch nicht, die letztlich auf Treu und Glauben fußenden Erwägungen des Oberlandesgerichts Saarbrücken (VersR 1992, 1388) zum Zuge.

3.

Dem Umstand, dass eine Erhöhung der Versicherungsleistungen nach Wegfall der Prämienzahlungspflicht (Nr. 7 der Besonderen Bedingungen für die planmäßige Erhöhung der Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung, GA 153) nicht stattfindet, und die Prämienzahlungsverpflichtung wegen der Berufsunfähigkeit entfällt (§ 1 BUZ, GA 41), hat der Kläger durch Reduzierung der bezifferten Anträge und Rücknahme des Auskunftsanspruchs Rechnung getragen. Die ab 1. April 2001 von der Beklagten zu zahlende Monatsrente beläuft sich auf 1.665,08 DM (= 851,34 €, vgl. GA 105). Die Rückstände für den Zeitraum vom 1. April 2001 bis 30. November 2002 errechnen sich mithin auf 17.026,80 €. Nach Wegfall der Prämienzahlungspflicht hat der Kläger noch die von der Beklagten verlangten Beiträge in Höhe von 361,88 DM (= 185,03 €) für April 2001 (GA 105) und sodann von Mai 2001 bis November 2002 monatlich 398,07 DM (= 203,53 €, vgl. GA 107) weitergezahlt. Diese Zahlungen sind ihm gem. § 812 zu erstatten (19 x 203,53 € = 3.867,07 € zzgl. 1 x 185,03 € = 4.052,10 €).

Die Zinsforderung unter Ansatz eines mittleren Fälligkeitstermins ist unbestritten geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert:

Bis zum 20. Mai 2003 einschließlich der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung: 60.465,66 € (vgl. vorläufige Festsetzung des Senats vom 3. Dezember 2002, GA 124); danach: 55.057,28 €.

Ende der Entscheidung

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